am Himmelfahrtstag in der Kirche S. Maria del Carmine inFlorenz Verwendung. Der Kunsthistoriker Götz Pochat zitierteinen Bericht des russischen Bischofs Abraham von Souzdal,der die Festaufführung im Jahr 1439 besucht: „… Nach diesenWorten hört man Donnergetöse, Christus erscheint aufder Spitze des Berges, der Himmel öffnet sich, und man siehtden himmlischen Vater in wundersamer Weise frei in der Luftschwebend, von einem strahlenden Schein umgeben, der vonunzähligen Lichtern ausgeht. […] Vom Himmel, dort, wo GottRekonstruktion/Interpretation der Himmelfahrtsmaschinevon Filippo BrunelleschiVater sich befindet, senkt sich eine sehr schöne, genial konstruierte‚Wolke’ herab: Sie ist rund und von Scheiben umgeben, (1377-1446) in der Kirche San Felice. Modelldie sich drehen.“ 36 Noch lange nach Brunelleschis Tod wird für die Ausstellung „Il Logo teatrale aFirenze“, Florenz 1975seine Verkündigung aufgeführt, 1497 kommen die Apparaturenin verbesserten Versionen noch einmal zum Einsatz: Zwei riesige, beweglicheHalbkugeln, in denen sich die Handlung abspielt, in der zum Beispiel der ErzengelGabriel nach Überbringung der Botschaft in einer Mandorla davon fliegt. Die Konstruktiondieser Mandorla ist in einer Skizze des Buonaccorso Ghiberti überliefert.Diese Aufführung wird übrigens auf Betreiben des Bußpredigers Girolamo Savonarolaverboten, weil er die Anspielung mit den Himmelssphären als Provokation fürden orthodoxen Glauben hält. Savonarola selber wird ein Jahr später als Ketzerexkommuniziert, gehängt und verbrannt.Kaiser Rudolf II. ist auch eine bizarre Kugeluhr bestimmt, die den Turmbau zu Babeldarstellt und bei jedem Stundenschlag Orgel und Trompeten erklingen. Gleichzeitigläuft genau eine Minute lang von der Turmspitze eine Kugel der Spiralbahn entlang,während die Figur des Saturn eine Glocke anschlägt.DER MARTIALISCHE LÄRM. Der griechische Mathematiker und Mechaniker Muristusist lediglich und angeblich als Verfasser eines Traktates über tönende Automatenbekannt, das mit einiger Verspätung in arabischer Übersetzung überliefert ist.Jedenfalls enthält die Handschrift die Beschreibung einer großen, sechs Meter hohenhydraulischen Orgelpfeife mit aufgesetztem Schallrohr, einer „weithin tönendenPosaune mit dem weiten Maul und dem lauten Klang“. 112 Das Instrument wird mitetwa fünfhundertfünfzig Liter Wasser gefüllt, muss also enorme Ausmaße gehabthaben. Es wird auf Kriegszügen mitgeführt und dient als Signalgeber, deren Tonsechzig Meilen weit zu hören ist. Vorstellbar ist ein schauriges sirenenartiges Getöse,das die feindlichen Heere in Angst und Schrecken versetzt, weshalb die Orgel auchals „Kriegsmaschine“ deklariert ist. Die Gebrauchsanweisung vermittelt einen gutenEindruck von der Konstruktion und der Wirkung: „Soll der Schall ertönen, so nimmtman Böcke, die man um das Instrument aufstellt. Sie sind so hoch, dass sie bis zuden Stellen reichen, an denen sich die Schläuche befinden, damit man die Blasebälgeauf sie legen kann. … Die Männer blasen und treten die Bälge, bis die Schläuchemit Wind gefüllt sind. Der Wind tritt dann in das Wasser, bringt dies in lebhafteBewegung und versetzt es in Aufruhr; er dreht sich und kreist in ihm und sucht einenAusweg. Dann entflieht er aus dem Ende der Röhre mit lautem schauererregendemSchall, der kräftig ist und Schrecken verbreitet und die Herzen von jenen, die hören,zerspringen lässt … Die Männer, die die Blasebälge treten, verstopfen ihre Ohren mitWatte, und darüber sind diese noch mit Wachs bestrichen, damit ihr Verstand nichtkönnen. Damit hat die Flugabwehr mehr Zeit, sich auf eineReaktion einzustellen. Die ersten Geräte dieser Art kommenbereits um 1916 in England zum Einsatz, um Zeppeline beibewölktem Himmel zu lokalisieren. Die deutsche Wehrmachtbenützt tragbare Hörner, mit denen die Wache stehendenSoldaten wie Mickey-Mäuse aussehen. Die US-Armee entwickeltebenfalls bereits um 1920 ähnliche Hörner, um Geräusche ausgrößerer Entfernung mit einer Art Stethoskop abzuhören. DieAnlagen sind bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges im Einsatz;die Effizienz allerdings ist nicht besonders groß, und wegen derZwei deutsche Soldaten eines Feldartillerieregimentsbeim Abhören, 1917des Radars sind sie bald obsolet.immer schneller fliegenden Kampfflugzeuge sowie der ErfindungDIE POSAUNEN VON JERICHO. Die gewaltige Wirkung des Schalls kennen wir bereitsaus den biblischen Legenden, die vom Tempelinstrument Magrepha erzählen,dessen Klang von Jerusalem bis Jericho zu hören ist. Das Alte Testament enthältdie Geschichte vom Kampf um Jericho, dessen Stadtmauern durch die Wucht desPosaunenklangs der israelitischen Priester zu Fall gebracht werden. ArchäologischeUntersuchungen haben zwar ergeben, dass Jericho zu biblischen Zeiten eine kleineunbefestigte Ortschaft war, aber wenn die Begebenheit in der Bibel steht, sollte derWahrheitsgehalt nicht in Zweifel gezogen werden.entweiche und dass ihr Gehör nicht Schaden leide.“ 113 In einem hebräischen TextRELIGIÖSE RÄDERWERKE. Die erfindungsreichsten und verspieltestenAutomaten aus der Zeit des Manierismus baut derKünstler-Mechaniker Hans Schlotheim, dessen Konstruktionenvon Kaiser Rudolf II. gesammelt, zum Leidwesen desHerstellers aber nicht bezahlt werden. Zu seinen legendärenJean Tinguely (1925-1991): Cenodoxus-Isenheimer Altar, 1981, Flügelaltar, Nationale SuisseVersicherung, Baselaus dem zwölften Jahrhundert wird die Wirkung ebenfalls beschrieben: „Wenn dieFeinde solchen schrecklichen Lärm hörten, bebten ihre Herzen, die Pferde ranntenweg, und der Sieg wurde der großen Zahl dieser Instrumente verdankt, die icherwähnt habe.“ 114Arbeiten zählt ein mechanisches Krippenwerk in Dresden,das beim Bombenangriff 1945 zerstört wird. Der Automatwird durch ein komplexes Antriebswerk aus Federzügen,TINGUELYS ALTAR. Der mechanisierte Flügelaltar Cenodoxus von Jean Tinguelybezieht sich auf das memento mori-Thema des berühmten Isenheimer Altars vonHÖRGERÄTE. Die riesigen japanischen Tuba sind keine Lärminstrumente, sondernAbhörgeräte, mit denen anfliegende Feindflugzeuge frühzeitig identifiziert werdenStiftswalzen und Schöpfbälgen in Gang gesetzt und erzähltMatthias Grünewald und auf das Theaterstück Cenodoxus, der Doktor von Paris desmit einigem Pathos die Geschichte der Geburt Christi: „DieJesuiten Jakob Bidermann aus dem Jahr 1602. Der Titel bedeutet so viel wie „eitlerWeihnachtskrippe stand auf einem ovalen Unterbau, in demGlanz“ und verweist auf den Gelehrten gleichen Namens, der seine Religiositätein mechanisches Orgelwerk eingebaut war. Um Maria undeinzig und allein ausübt, um Ruhm zu ernten. Tinguelys Altar zeichnet sich durchJosef und das Jesuskind in der Krippe herum gruppierten sicheine ausgeprägte satirische und possenhafte Komponente aus: „Wer ihn betrachtet,Kühe und Schafe, die den Kopf bewegen konnten. Die auf einweiß nicht recht, ob er lachen oder zittern soll. … Er bezieht sich auf eine bekanntelaufendes Band befestigten Figuren der Hirten und der heiligenBilderwelt, die um Begriffe wie Gut und Böse, Leben und Tod, Heil und Verderben,Drei Könige samt ihrer Dienerschaft zogen an der KrippeParadies und Hölle kreist.“ 38 Die Skelette von Tierschädeln verweisen auf dievorüber und verneigten sich. Über dieser Szene schwebte eineVergegenwärtigung des Todes, rotierende Pfauenfedern auf Eitelkeit und Hochmut,vergoldete Kugel, die von zwei an dem Unterbau befestigenund das langsam permanent rotierende Rad im Zentrum auf die Vergänglichkeit derArmen getragen wurde. Aus ihr senkte sich langsam eineZeit. In der Mitte dreht sich mit großer Geschwindigkeit ein Holzkreuz, das von zweiWolkenschale herab, in der kleine Engel saßen. Hinter ihnenkleinen Tierschädeln mit schnappenden Kiefern flankiert ist. Hinter dem Altar wirderschien Gott Vater und hob segnend die Hände. War das Hans Schlotheim (1547-1625): KugeluhrSchauspiel beendet, spielte die Orgel einstimmig Vom Himmel „Turmbau zu Babel“, 1602, Automat, Silber,Messing, vergoldet, eisen, Holz, Leder, Bergkristall,Darmsaite, 112 x 60 x 60 cm.hoch, da komm ich her. Bei der folgenden Melodie Josef, lieberJosef mein bewegte der besungene Josef die Krippe.“ 37 Für Staatliche Kunstsammlung Dresdeneine Rosenkranz betende Gläubige hastig auf Rollen hin und hergeschoben; linksund rechts befinden sich „Messdiener“ mit klappernden Knochenköpfen. Gekröntwird das Ensemble von einem mächtigen, langsam nickenden Stierschädel, dermöglicherweise Gottvater symbolisiert, der das Geschehen teilnahmslos beobachtet.Japanische Kriegstuba, um 1930, akustische Empfänger, inspiziert von Kaiser ShowaJulius Schnorr von Carolsfeld (1794-1872): Die Schlacht von Jericho, um 1830, Feder und Pinsel über Bleistift,21,2 x 25,5 cm. Museum der Bildenden Künste Leipzig20 2160 61gniert klingenden Frage, mit der er die Kunstwelt und ihre Jargons angreift und mitzornigen Trommelwirbeln verstärkt. Die Arbeit Lexichaos beschäftigt sich mit Spracheals Machtinstrument und bezieht sich auf den Turmbau zu Babel, auf die Sprachverwirrung,mit der Gott die Überheblichkeit der Turmbauer bestrafte. Huene lässtden Bibeltext aus den Türmen der Skulptur in drei Sprachen gleichzeitig erklingen;hebräisch, griechisch und lutherdeutsch überlagern sich. „Sonderbarerweise entstehtaber aus der Sprachschichtung kein Kauderwelsch,“ schreibt die KunstkritikerinDoris van Drathen, „Rhythmen, Pausen, Vokallänge scheinen einander zu entsprechen,ja bilden gemeinsam sogar eine musikalische Harmonie.“ 360 Auf den Orgeltürmenbringt Huene Buchstaben an, die wie Sehtests beim Augenarzt anmuten.Den Endpunkt sieht der Künstler nicht in der Sprachverwirrung, sondern in derenZertrümmerung, bei der Wort und Sinn nicht mehr stimmen, „wenn Konsonantenund Vokale und Diphtonge zersprengt aufträten, als bedeutungslose Zeichen.“ 361Die allgemeine babylonische Verwirrung wird noch verstärkt durch den Lärm vonKlingeln und von diversen Geräuschen, die von den Bewegungen der Besucher ausgelöstwerden.DIE UNVOLLKOMMENE ORGEL.Am technischen Prinzip hat sichzweitausend Jahre nach Ktesibiosauch beim Mercurius Wagen desKünstlers Horst Rickels nicht vielgeändert, der sein Instrument ein„Schlagblaszeug“ nennt, weil esaus verschiedenen Orgelpfeifenbesteht, die jede einzeln mit einemBlasebalg verbunden ist und mitgroßem physischem Einsatz mit denFäusten und Füßen traktiert wird.Jede geringste Druckveränderunghat eine Modulation des Klanges zurFolge. Im Gegensatz zum klassischenOrgelspiel, das eine gleichmäßigeLuftzufuhr verlangt, ist Rickels ander Instabilität des pneumatischenHorst Rickels (*1947): Mercurius Wagen, Version für zwei Spieler, 1989Drucks interessiert, wodurch dieTonhöhen ins Schaukeln geraten undzerrüttet werden: so genannte „Maultöne“ führen zum „Spucken“ der Orgelpfeifen,zu klanglichen Effekten, die im traditionellen Orgelbau vermieden werden. Nichtohne Ironie gegenüber der Kirchenorgel als „Königin der Instrumente“ und derGesetzmäßigkeit des herkömmlichen Orgelbaus nennt Rickels sein InstrumentMercurius Wagen. Namenspate für das Instrument ist der „Seelenbegleiter“und Götterbote Merkur, der rastlos unterwegs ist, um die Verbindung zwischenHimmel und Erde zu schaffen; als Planet ist Merkur der beweglichste, sein Zyklusum die Sonne ist der schnellste von allen Planeten; und schließlich ist Merkur derNamensgeber des Quecksilbers, das seinen Spott mit der Festigkeit treibt.DIE MECHANISCHEN BLÄSER. Der Pharao Ptolemaios Philadelphosgibt im dritten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnungein Standbild seiner Gemahlin Arsinoe in Auftrag, dastanzen und Trompete blasen kann, wie der SchriftstellerAthenaios berichtet: „Sie trägt ein Füllhorn, das den klarenTon einer Trompete von sich gibt, dank eines fließendenWasserstrahls. Es ist kein Kriegssignal, sondern im Gegenteil,mittels einer goldenen Trompete ein Signal zum Feste.“ 362Vielleicht hat die Trompeterin schon ähnlich funktioniertwie der automatische Trompeter, den Heron dreihundertJahre später erfindet und auch die technische Beschreibungdazu liefert; demnach befindet sich unter dem Standbildein luftdicht verschlossener Sockel, worin eine gelöcherteHeron: Automatischer Trompeter, in: Pneumatica,1. Jhdt.wodurch ein Druck entsteht, der durch das Innere der FigurHalbkugel montiert ist. Der Sockel wird mit Wasser gefüllt,in die Trompete gepresst wird. Die Kompression ruft einentrompetenartigen Ton hervor.Aus dem neunten Jahrhundert ist ein mechanischerFlötenspieler als „Instrument, welches von allein spielt“ 363überliefert, den die in Mathematik, Astronomie, Geometrieund Mechanik gelehrten Brüder Banū Mūsā in Bagdad konstruieren.Bei diesem Automat handelt es sich um eine großePfeife mit neun Löchern, die mit Hilfe von Ventilen undeines rotierenden Zylinders geöffnet und geschlossen werdenkönnen. Dieses Instrument könnte eine frühe Form einesAutomaten mit Stiftswalzen gewesen sein, weil dem Berichtzufolge verschiedene Melodien gespielt werden können. EineBanū Mūsā (9. Jhdt.): Nachbau eines selbstspielendenFlötenautomaten durch ein Team Rekonstruktion des Apparates im Jahr 2015 durch Techniker,der Universität der Künste Berlin für die Ausstellung„Allah’s Automata“, ZKM Karls-Berlin beweist die Funktionsfähigkeit des Instruments.Mechatroniker und Programmierer der Universität der Künsteruhe, 2015DUDELSACKMASCHINENKONZEPT. Die mechanische Sackpfeifedes Mystikers und Arztes Robert Fludd ist sicherlich niefabriziert worden, sondern existiert nur als Illustration,als Konzept, auf welche Weise mittels Luft, Wasser undMechanik ein selbstspielende Pfeife zum Erklingen gebrachtwerden kann. Fludds Beschreibung zur Abbildung behandeltdenn auch lediglich die theoretischen Grundlagen: „Musik,im Einklang mit bestimmten Tönen, wird auf unterschiedlicheWeise erzeugt, durch die Bewegung von Sand, dann durchRobert Fludd (1574-1637): MechanischerDudelsack, Kupferstich des Druckers Kaspar das Fliessen von Wasser sowie durch den Gebrauch einesRötel, 10,2 x 15,7 cm. In: Robert Fludd: De Rades, wie es auf dieser Seite zu sehen ist; behandelt wirdnaturae Simia, 1618. Sächsische LandesbibliothekDresdennun diejenige Bewegungen die für das Erklingen von Flötensorgen. […] Die werden benutzt für Orgeln, um Flötenerklingen zu lassen, um […] Vögel singen zu lassen, Schlangen zischen zu lassen,Löwen und Stiere zum Brüllen zu bringen.“Nicolas Anatol Baginsky (*1961): „Die Musen des Jenseits“, 1992-2005 Chico MacMurtrie (*1961): Sub Human, Percussion Roboter, 1992-2006DIE MUSEN DES JENSEITS. Das ist der Name einer Roboter-Rockband, eine „selbstlernende,informationsverschlingende Maschine, die weiterspielt, solange sieKonzert ist ein nicht immer harmonischer Zusammenklang aus Trommeln, Stampfen,orchestral mit Roboterkollegen zu konzertanten Aufführungen formieren. So einsensorische Reize erfährt“ 400 , wie sie ihr Schöpfer, der Künstler Nicolas AnatolSchlagen, metallischen Schlägen und atonalen Saitenklängen, begleitet vom ZischenBaginsky, nennt. Die Musikerinnen sind nach Sirenen der griechischen Mythologieder pneumatischen Muskeln, mit denen die Extremitäten der Ausführenden inbenannt: die glanzstimmige Aglaopheme ist die Gitarre, die Verführerin PeisinoeBewegung gesetzt werden.spielt Bass, und die zauberhafte Thelxiepeia ist das virtuose Schlagwerk. Währendder letzten Jahre hat sich die Gruppe um einige weitere Solistinnen erweitert,DIE KASPERLMASCHINE. Manchmal fungiert eine harmlose Bastelei als Auslöserwie der Robotersängerin Egeethree mit mechanischem Kehlkopf und gewaltigenfür eine obsessive Beschäftigung, die sich durch viele Jahre hinzieht. Im Falle desvokalen Fähigkeiten. Die Besonderheit dieser musikalischen Apparate liegt in ihrerMusikers Paul Skrepek ist es eine Kasperlfigur, der er das Trommeln beibringt.schöpferischen Autonomie, weil kein konzertanter Ablauf programmiert ist undWährend der folgenden fündundzwanzig Jahre entwickelt sich ein komplexeskeine künstlerisch-inhaltliche Kontrolle durch menschliche Steuerung stattfindet;Klangorchester, das der Schöpfer Kasperlmaschine nennt. Auf Schrottplätzen,die Band bringt sich das Musizieren gewissermaßen während der „Sessions“ selberbei. Die technische Ausstattung besteht lediglich in der mechanischen Fähigkeit, ihrInstrument zu beherrschen, und einem Mikro-Kontroller, der physikalische Datenerfasst, um die Roboter in ihrer Bewegung zu steuern. Der musikalische Inhalt entstehtin einem Computer mit einem sich selbst organisierendem künstlichen neuronalenNetz, das von einem zufällig entstehenden Klang eine komplexe Kompositionentwickelt: „Dieses Geräusch wird analysiert und dient dann als sensorischer Reizfür das künstliche Netzwerk – ein einfaches Modell einer Nervenzellensimulationmit der Qualität, die eingehenden Reize selbständig zu klassifizieren“ 401 , erklärtder Künstler das technische Prinzip. Konsequenterweise meldete Baginsky seine„Musikerinnen“ offiziell als Künstlerinnen bei der Krankenversicherung an.ROBOTERSCHLAGZEUGER. In seiner New Yorker Werkstatt „Amorphic Robot Works“baut Chico MacMurtrie hunderte interaktive und computerkontrollierte Maschinen,Roboter und Objekte. Virtuose Schlagzeuger und Multi-Instrumentalisten sind dieMusikroboter, die eindrucksvolle Soli trommeln – mit einer Eleganz, die man denaus Schrott gebauten Kreaturen nicht zutrauen würde. Sie erinnern in ihrem Habitusan die trashigen Geschöpfe der 1980er Jahre, weisen aber eine „evolutionäre“Entwicklung auf, indem sie ihr Repertoire weiterentwickeln und sich manchmalPaul Skrepek (*): Kasperlmaschine (Detail), 2016, diverse Klangerzeuger, Mechanik214 215242 243Ein kurzweiligerStreifzug durch dasReich der Maschinenund Apparate
Gestaltet von Gottfried HattingerGebundenca. 640 Seiten, ca. 830 farbigeund sw Abbildungen19,5 × 25 cm978-3-03942-029-2 Deutschca. sFr. 45.– | € 38.–Erscheint im November 2021ISBN 978-3-03942-029-29 783039 420292Eine assoziationsreiche und höchstunterhaltsame Erzählung der Kulturgeschichteaus ungewöhnlicherPerspektiveUmfasst die Themenfelder Kunst,Architektur, Technik, Unterhaltung,AlltagskulturEin umfassender Blick auf dieVielfalt der Maschinen und dermenschlichen VorstellungskraftErscheint anlässlich der AusstellungWeltmaschine im SchlossmuseumLinz (16. November 2021 bis13. März 2022)Gottfried HattingerMaschinenbuchEine Sammlung zur Kultur- und Kunstgeschichte der ApparateGottfried Hattinger nimmt uns mit auf eine Entdeckungsreise in die bisweilen kurioseWelt der Maschinen. Ob mechanische Puppentheater, Beichtmaschinen, barockeSpektakelmaschinen, automatische Trompeter oder elektronische Haushunde: Es sindnicht immer nützliche Erfindungen und technische Innovationen, die hier in ihrerFülle versammelt sind, sondern auch Experimente, künstlerische Interventionen undMaschinen, die es so nie gab. Das Panoptikum der Technik hat für alle Tüftler Platz,die ihre Ideen in mechanischen Wunderwerken – von Geräten des Alltags bis hin zuAbsurditäten und Verrücktheiten des Genres – fassen. So wird das Reich der mechanischenFantasie nicht nur von Genies, Künstlern, Erfindern und Ingenieuren besiedelt,sondern auch von Göttern, Teufeln, Dichtern und Philosophen, Utopisten, Scharlatanenund Kurpfuschern.In diesem Sinn bietet das höchst unterhaltsame und mit mehr als 800 Abbildungenillustrierte Buch einen geografisch und zeitlich umfassenden Überblick fantastischerund realisierter Maschinen und Apparate. Zugleich führt uns Gottfried Hattingerdurch eine erstaunliche Sammlung hybrider Weltentwürfe, Hirngespinste und Obsessionen,die von menschlicher Vorstellungskraft über Jahrtausende hervorgebrachtworden sind.Gottfried Hattinger war von 1987 bis 1991 künstlerischer Leiter des Festivalsars electronica im Brucknerhaus Linz, seither ist er als freischaffender Kurator,Buchgestalter und Autor tätig. Er konzipiert und gestaltet u. a. Festivals undAusstellungen in den Bereichen (zwischen) Kunst und Kultur, Performance undTheater, Klangkunst und Musik, alten und neuen Medien.Scheidegger & SpiessHerbst 2021 7