24.06.2021 Aufrufe

MEDIAkompakt Ausgabe 30

Die Zeitung des Studiengangs Mediapublishing an der Hochschule der Medien Stuttgart - www.mediapublishing.org

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DIE

DIE

ZEITUNG

ZEITUNG

DES

DES

STUDIENGANGS

STUDIENGANGS

MEDIAPUBLISHING

MEDIAPUBLISHING

DER DER HOCHSCHULE HOCHSCHULE DER DER MEDIEN MEDIEN STUTTGART STUTTGART

AUSGABE 07/2021 15.07.2021

AUSGABE 02/2021 03.07.2021

MEDIAPUBLISHING

media

kompakt

BOLD

WESHALB DIE BURMESEN NICHT

SCHWEIGEN

S.16

BOLD MOVE -

MEINE MUTIGSTE ENTSCHEIDUNG

S.18

CANCEL CULTURE

S.33

Utopie oder Ausweg Seite 4-5

Angsterfüllt? Angstbefreit! Seite 10-11

„Die wollen doch nur Sex!“ Seite 28-29

media

kompakt


2 BOLD

mediakompakt

Das Ich ist tot

Jeder Mensch kämpft für eine Leidenschaft und mit ihm

ein Kollektiv, das sie teilt. Doch die wichtigste Triebfeder

einer erfolgreichen Bewegung, das Individuum, stirbt.

VON FLORIAN ELLENBERGER

Hat man sich einer Leidenschaft verschrieben,

wird diese unterschiedlich

streng ausgelegt – je nach persönlicher

Einstellung. Egal, ob es

sich um Veganismus, Umweltschutz,

Feminismus, Soziale Gerechtigkeit oder

Wertschätzung handelt: Wir suchen das Gespräch

und wollen andere von unserer Leidenschaft

überzeugen. Mittlerweile ist es Unsitte, nicht als

Individuum aufzutreten, sobald man an einer Diskussion

teilnimmt, die eben jene Leidenschaft betrifft.

Das Ich stirbt – stattdessen berufen wir uns

auf gesichtslose Kollektive, sobald wir unsere

Bewegung in Gefahr sehen. Es heißt nicht mehr:

Diese Sache beleidigt mich! Sondern: Diese Sache

beleidigt alle!

Dabei teilen die übrigen Mitglieder dieser Kollektive

die eigene Leidenschaft meist nur oberflächlich.

Der Rest ist Auslegungssache – wie sehr

man bereit ist, für eine Leidenschaft zu kämpfen,

ist etwas zutiefst Persönliches. Die Kollektive verleihen

dem eigenen Wort zwar Gewicht, wenn

man sie mit einbezieht. Doch das vom Ich genutzte

Wir zwingt jedem, der diesem Kollektiv angehört,

die eigene Meinung auf. So wird aktuell jeder,

der Kritik an der Regierung äußert, von Querdenkenden

in die eigene Echokammer einverleibt.

Angehörige ethnischer Minderheiten oder

anderer Hautfarbe entscheiden nicht mehr selbst,

was sie als rassistisch oder verletzend empfinden –

das wird einem von nicht Betroffenen abgenommen,

die für alle anderen sprechen wollen.

Oft ist es ein Trugschluss, der einen verleitet,

sich des Kollektivs bedienen. Man ist überzeugt,

mit seinen Ansichten auch die Ansichten jedes

anderen zu vertreten, der ähnliche Merkmale aufweist.

Dabei führt diese Art der Bevormundung

eher zu einer instinktiven Abwehrreaktion als zu

Zustimmung. Hinzu kommt die Angst vor Kritik

oder gar Hass. Sobald man (über Social Media) seine

Meinung zu einem Thema äußert, läuft man

Gefahr, kritisiert zu werden oder sich gar rechtfertigen

zu müssen. Statt nur für sich selbst zu sprechen,

bezieht man lieber das Kollektiv mit ein.

Bild: Unsplash

Vorwiegend ist das eine Methode von Radikalen

– je fragwürdiger die eigenen Ansichten, desto

eifriger bezieht man ein potenzielles Kollektiv mit

ein. So entsteht der Eindruck, man spräche für

eine Mehrheit, obwohl es sich um eine Einzelmeinung

handelt. Auch Anhänger vernünftiger Interessengruppen

handeln inzwischen so. Ein Fehler

– so entwertet man die eigene Leidenschaft und

spaltet eine mächtige Bewegung in kleinere, oft

radikalere Gruppen. Diskussionen werden aggressiver

und verlieren sich im Klein-klein. Gemeinsame

Ziele rücken in den Hintergrund.

Verschärft wird all das durch einen fehlenden

persönlichen Diskurs während der Pandemie. Die

Debattenkultur hat sich noch stärker als zuvor in

die sozialen Medien und das Internet zurückgezogen,

wo eine Meinung am besten so kurz und so

radikal wie möglich zu sein hat. Sonst beträgt die

Halbwertszeit selten mehr als fünf Minuten. Radikaler

als Ich ist ein Wir allemal.

Nüchtern betrachtet ist auch das ein Trugschluss:

Der Computerlinguist Chenhao Tan

wertete 1.114.533 Beiträge der Meinungs-Portal

Change my View aus. Vor allem zwei Faktoren

sorgen demnach dafür, dass wir unsere eigenen

Ansichten aufgrund der Meinung eines anderen

ändern: Je länger die Beiträge, desto besser meist

die Argumentation. Einen positiven Effekt hatte

zudem laut Tan die häufige Verwendung des

Pronomens Ich.

Sollten wir uns also nicht fragen, ob es der

eigenen Leidenschaft schadet, wenn man sich zu

einem kollektiven Sprachrohr aufschwingt? Andere

Betroffene werden ignoriert, die eigene Meinung

abgewertet. Bei Außenstehenden lösen vermeintlich

kollektive Ansichten oft nur Kopfschütteln

aus. Ein Wir kann nur überleben, wenn das

Ich seinen rechtmäßigen Stellenwert behält. Ein

starkes Kollektiv besteht aus starken Individual -

meinungen, denn es hat gelernt, mit unterschiedlichen

Ansichten umzugehen und dennoch für

eine gemeinsame Sache zu kämpfen.

I M P R E S S U M

mediakompakt

Zeitung des Studiengangs Mediapublishing

Hochschule der Medien Stuttgart

HERAUSGEBER

Professor Christof Seeger

Hochschule der Medien

Nobelstraße 10

70569 Stuttgart

REDAKTION

Reimund Abel (v.i.S.d.P.), abel@hdm-stuttgart.de

ANZEIGENVERKAUF

Stella Liebendörfer, Lea Matejka, Marine Morbedadze,

Anna Tverdovska

PRODUKTION

Chantal Augello, Vanessa Bauer, Clara Beumer, Sebastian

Birkel, Vivien Büchele, Daniel Cecura, Sophia Christ, Sina

Cikar, Mara Class, Isabell de la Rosa, Florian Ellenberger,

Laura Evers, Sarah Guira, Sina Kolsch, Charlotte Kovac,

Carolin Lehmann, Laura Maier, Lisa Mente, Lisa Meyle,

Sven Neidinger, Vanessa Olariu, Michelle Rapp, Joanna

Rietl, Mona Schendera, Lea Schlaich, Vivien Staib, Lea

Sunic, Nadine Trommeshauser, Sofia Wilhelm

DRUCK

Z-Druck Zentrale Zeitungsgesellschaft GmbH & Co. KG

Böblinger Straße 70

71065 Sindelfingen

ERSCHEINUNGSWEISE

Einmal im Semester zur Medianight

Copyright

Stuttgart, 2021


02/ 2021 BOLD 3

Wenn Mut

zur Gefahr wird

Bild: Unsplash

Immer wieder ist zu hören, es braucht mehr Zivilcourage. Aber was, wenn genau diese Zivilcourage

einen selbst in Gefahr bringt? Das muss nicht sein. Sofern ein paar Regeln beachtet werden.

VON SEBASTIAN BIRKEL

Die Nachrichten sind voll davon: Unsere

Gesellschaft benötigt mehr Zivilcourage,

heißt es da, das fordern

auch Aktionsbündnisse oder Bürgerinitiativen.

Doch leider haben einige

Fälle in der Vergangenheit gezeigt, dass gerade

dieses Verhalten zu einer nicht unerheblichen Gefährdung

der eigenen Gesundheit, oder in Extremfällen

des eigenen Lebens führt.

Gerade der Fall von Dominik Brunner führt

dies deutlich vor Augen. Brunner war ein Manager

der am 12. September 2009 mutig einschritt, als

eine Gruppe Männer mehrere Jugendliche an einem

Münchner S-Bahnhof bedrohte. In der daraus

resultierenden körperlichen Auseinandersetzung

wurde Dominik Brunner schwer verletzt,

wenig später verstarb er aufgrund eines Herzstillstands

in einem Krankenhaus. Der tragische Fall

befeuerte damals die Diskussion über die Sicherheit

in öffentlichen Verkehrsmitteln – und wie

weit Zivilcourage gehen sollte.

Die beiden Täter wurden zu Jugendstrafen von

neun Jahren und zehn Monaten, beziehungsweise

zu sieben Jahren verurteilt. Vor kurzem wurde

der inzwischen wieder entlassene Haupttäter

erneut zu einer Haftstrafe wegen Verstoß gegen

Bewährungsauflagen verurteilt. Dieser Fall zeigt

deutlich, wie gefährlich Zivilcourage werden

kann, wenn die Situation außer Kontrolle gerät.

Daher erscheint es nicht verwunderlich, dass in

den letzten Jahren die Bereitschaft zur Zivilcourage

eher gering in der Bevölkerung ausgeprägt war.

Dies hängt damit zusammen, dass die meisten

Menschen seltener zu Zivilcourage bereit sind,

wenn ihnen unbekannte Personen betroffen sind.

Auch die gesteigerte Gewaltbereitschaft im

öffentlichen Raum bzw. im Öffentlichen Nahverkehr

hat mit Sicherheit dazu beigetragen, dass die

meisten Menschen von Zivilcourage Abstand

nehmen. Zuletzt hat sich dies erst wieder in Erfurt

gezeigt, als ein Geflüchteter von einem anderen

Fahrgast in der Straßenbahn angegriffen wurde.

Aufgrund des hohen Gewaltpotenzials griffen die

anderen Fahrgäste nicht ein, sondern informierten

nachträglich lediglich die Polizei oder nahmen

den Vorfall auf Video auf.

Anhand dieser Aufzeichnung konnte der Täter

schnell identifiziert und verhaftet werden. Allerdings

ging der Streit rund um die Zivilcourage erneut

los. Gerade in den sozialen Medien entbrannte

eine teils heftige Debatte, die einmal

mehr die Frage aufwarf, wie viel Zivilcourage eine

moderne Gesellschaft braucht. Selbstverständlich

erwartet niemand, dass man seine Gesundheit

oder im Extremfall sogar sein Leben riskiert. Aber

es gibt Wege und Möglichkeiten, sich für Mitmenschen

in Not einzusetzen, ohne seine körperliche

Unversehrtheit aufs Spiel zu setzen. So ist schon

geholfen, wenn man andere Mitfahrer oder Passanten

aufmerksam macht oder zum Beispiel die

Polizei alarmiert. Am Ende muss jeder selbst entscheiden,

in welcher Form und wie intensiv er

Zivilcourage zeigt. Nicht vergessen sollte man,

dass man auch selbst eines Tages in eine Situation

geraten kann, in der man froh ist, wenn andere

aufstehen und sich für einen einsetzen.

So geht Zivilcourage:

Rufe die Polizei/Sicherheitsdienst

und stelle dich als Zeuge zur Verfügung.

Mache andere Passanten/Fahrgäste auf

die Situation aufmerksam.

Beobachte den Täter und präge dir

Auffälligkeiten ein die bei einer

späteren Fahndung nützlich sein könnten.


4 BOLD

mediakompakt

„Die meisten

denken, es ist

eine Rolle, die

ich spiele.”

Täglich live on air vor hunderttausenden

Menschen: Dani

Wiese ist Moderatorin beim

Radiosender BigFM. Wie sie

mit diesem Druck umgeht, warum

sie immer gut gelaunt ist

und was sie Studierenden mit

auf den Weg geben möchte,

verrät sie im Interview.

VON ANNA TVERDOVSKA

UND DANIEL CECURA

Mediakompakt: Viele kennen Dich

aus dem Radio, aber wer ist die

Frau hinter dem Mikrofon?

Dani: Das hört sich wahrscheinlich

skurril an, aber ich bin eins

zu eins diejenige vor dem Mikrofon, die ich auch

dahinter bin. Tatsächlich habe ich einen Job gefunden,

bei dem ich mich nicht verstellen muss.

Ich kann genau die Dani Wiese sein, die ich sein

möchte. Die meisten denken, es ist eine Rolle, die

ich spiele. Es gibt Menschen, die mich im Radio

kennengelernt haben und mittlerweile meine

Freunde sind. Die dachten zu Beginn „Oh Gott,

was ist das denn für eine aufgedrehte Drossel!“

und haben mich nun auch privat kennengelernt

und merken: „Die ist ja im realen Leben auch so.“

mediakompakt: Du versprühst immer gute Laune –

wie schafft man es, so positiv zu sein?

Dani: Wie gesagt, ich habe einen Traumjob gefunden.

Das Mikrofon geht an, ich darf phänomenale

Musik abspielen, die ich meist auch privat höre.

Klar gibt es manchmal einen Song, den ich nicht

mag. Aber ich bin sehr dankbar für das, was ich

mache. Wieso sollte man da nicht fröhlich sein?

mediakompakt: Deine Insta-Bio lautet „Anders…

und DAS sehr gern“ – kannst Du das für uns

erklären?

Dani: Ich glaube, da steckt dieses Positive und

Skurrile dahinter. Ich mache meine Radiosendung

komplett allein, habe kein Team hinter mir.

Meist überlege ich mich mir, wie andere Kollegen

das angehen würden und dann mache ich es

genauso nicht. Ich finde, wenn alles gleich ist,

wird es langweilig. Ich frage mich meistens: Wie

kann etwas anders und dennoch cool sein? Ob es

immer gut ankommt, das weiß ich nicht, aber es

bleibt im Kopf. Wahrscheinlich bin ich einer der

skurrilsten Menschen der Welt. Und das ist völlig

okay so.

mediakompakt: Wie gehst Du mit beleidigenden

oder mit Hass-Kommentaren auf Instagram um?


02/ 2021 BOLD 5

Dani: Bisher habe ich auf Insta erst zwei Hasskommentare

bekommen. Vor kurzem hat mal einer

geschrieben: „Du willst hier aber einen auf super

fresh und super jung machen.“ Ich reagiere dann

ausgesprochen normal und sage, dass ich einfach

ein Mensch bin, mit dem man so nicht reden darf.

Ansonsten bin ich mit meiner Insta-Community

sehr zufrieden. Und das gebe ich gerne zurück. An

manchen Tagen erhalte ich bis zu 600 Nachrichten

und antworte immer. Meiner Meinung nach

schätzen das meine Follower. Ich nehme mir dafür

gern die Zeit, ich finde das gehört zu meinem

Job-Profil.

mediakompakt: Wie bist Du zum Beruf Radiomoderatorin

gekommen?

Dani: Ich war viel in Deutschland unterwegs und

hatte immer einzelne Moderationsjobs. Dann habe

ich mich in jemanden verliebt, der aus Baden-

Württemberg kam, danach war mir klar, dass sich

etwas an meinem Lebensstil ändern muss. Ich

wollte mal „down to earth“ sein, ein festes Zuhause

haben und nicht immer nur rumreisen. Ich habe

mich beim Radio beworben und ein Volontariat

bekommen. Ich war die erste Volontärin, die eine

eigene Sendung bekommen hat. Noch während

meines Volontariats bin ich Morning-Show-

Moderatorin geworden. Aber nicht, weil ich es so

gut konnte, sondern weil ich es unbedingt wollte.

mediakompakt: Was sind die größten Herausforderungen

im Job einer Radiomoderatorin?

Dani: Die größte Herausforderung

ist es, aus Scheiße Gold

zu machen. Ganz ehrlich.

Man ist tagtäglich von

schlechten Nachrichten umgeben,

will dennoch gleichzeitig

positiv bleiben. Mit dem, was man sagt,

kann man bei Menschen auch anecken. Ich glaube,

eine Herausforderung ist es, die Leute zu begeistern,

so, wie du bist. Aber das ist so schwierig.

Wenn es um Kritik an deiner Person geht, dann ist

jeder ganz schnell mit dabei. Da eine gute Balance

zu finden, ist sehr aufwendig.

mediakompakt: Wie gehst Du mit kritischen Themen

in deiner Sendung um?

Klartext mit Dani Wiese

„Ich bin

Feuer und Flamme

für diesen Beruf.“

• Mein absoluter Lieblingssong ist… „Carmen“ von Sido.

• Wenn ich frei habe, … treffe ich mich am liebsten mit meinen Freunden

– auf eine Weinschorle oder ein Wasser mit Wein.

Dani: Ich mache sie einfach. Ich lese mich ein.

Wenn es kritische Themen sind, wie zum Beispiel

die Corona-Pandemie oder Anschläge mit vielen

Toten, ist es für mich sehr wichtig, dass ich selbst

mir ein Bild gemacht habe, was passiert ist.

Manchmal denkt man, dass das alles so leicht ist,

aber es steckt viel Recherche dahinter. Und wenn

ich keine Information habe, halte ich lieber die

Klappe. Ich gebe dann gern mein Wort an die

Nachrichtenmoderatoren

ab. Wenn ich merke,

dass etwas kritisch ist,

hole ich mir den Rat eines

Experten. Es gibt

nichts Schlimmeres in

den Medien als einen

Moderator, der so tut, als

ob er etwas wüsste oder könnte, obwohl das nicht

der Fall ist. Der Verantwortung in meiner Funktion

als Radiomoderatorin bin ich mir bewusst, da

kann ich keinen Quatsch erzählen.

mediakompakt: Verspürst Du Druck, weil Hunderttausende

am Radio zu hören?

Dani: Nein. Das ist immer so: ich stelle mir nur eine

einzige Person vor mir sitzen vor. So ist auch

mein Moderationsstil. Ich glaube deswegen kön-

• In einem zweiten Leben wäre ich… ganz genau gerne das, was ich gerade bin,

würde aber eine Zweitkarriere als Sängerin starten (in der Hoffnung, dass mir im zweiten Leben

mehr musikalisches und rhytmisches Talent mitgegeben wird).

• Etwas, auf das ich niemals verzichten könnte: Handy, Freunde und Musik.

• Dani Wiese in drei Worten: skurril, skurriler, am skurrilsten.

Bilder: Dani Wiese

nen die Leute auch etwas mit mir anfangen. Ich

bin mit meinen Hörern irgendwie befreundet.

mediakompakt: Siehst Du Podcasts und Streaming-

Dienste als Konkurrenz für das Radio?

Dani: Ich glaube, dass das auf jeden Fall eine Konkurrenz

für das Radio ist, aber nicht tagsüber. Bei

Spotify hast du deine Lieblingssongs. Und klar ist

das geil. Aber ohne, dass jemand mal ein paar Updates

gibt: Vom Verkehr, vom Wetter, von den

Nachrichten. Ich glaube, das ist ganz arg wichtig.

Du sitzt im Auto und möchtest trotzdem wissen,

was auf den Straßen los ist. Gibt es Staus oder Blitzer?

Und dann kommt neue Musik und man lernt

etwas vom Künstler. Selbst, wenn man den Künstler

nicht mag. Das ist so dieses Unterhalten werden,

was man gerade auf langen Strecken braucht.

mediakompakt: Was würdest Du gerne uns jungen

Studierenden als Karrieretipps mit auf den Weg

geben?

Dani: Das Allerwichtigste ist, erstmal auszuprobieren.

Man muss Praktika machen! Ich bin ein riesen

Fan von Praktika. Will ich in so einen Beruf

mit Medien? Möchte ich unter dem Druck arbei

ten? Möchte ich in so einem Team arbeiten?

Könnt ihr euch für die Medien zum Teil prostituieren?

Ich spiele bei BigFM meine Musik. Ich

könnte aber auch für ein Schlager Radio arbeiten.

Aber dann müsste ich mich etwas mehr verbiegen,

was die Musikrichtung belangt. Deswegen ist

es so: Macht Praktika und guckt, ob ihr das auch

möchtet. Am besten viele verschiedene. Und immer

so, dass ihr sagen könnt, ihr habt immer

100 % gegeben.

mediakompakt: Sehen und hören wir Dani Wiese

auch noch die nächsten zehn Jahre im Radio?

Dani: Ich denke schon! Mir macht das echt keinen

Druck und es ist für mich keine Arbeit. Ich komm

hier her und ich finde es einfach gut. Ich mache

das gerne und ich habe da richtig Spaß. Ich bin

Feuer und Flamme für den Beruf und ein richtiger

Streber. Es ist für mich sehr befriedigend, dass ich

meinen Hörern immer antworten kann und dass

meine Hörer immer zu Wort kommen.


6 BOLD

mediakompakt

Bild: Adobe

Aussprechen, was Ärzt*Innen

nicht dürfen

Es geht um sexuelle Selbstbestimmung. Um ein grundlegendes Frauenrecht – das Informationsrecht.

Der Paragraf 219a des Strafgesetzbuches verbietet „Werbung für den Abbruch der

Schwangerschaft“ für Ärztinnen und Ärzte. Die Folgen sind weitreichend.

VON SINA KOLSCH

Seit der Reform des Paragrafen 219a im

Februar 2019, ausgelöst durch den Fall

„Kristina Hänel“, dürfen Ärzt*Innen

auf ihrer Website darüber informieren,

dass sie einen Schwangerschaftsabbruch

durchführen, jedoch nicht wie. In Deutschland

ist Abtreibung immer noch illegal, aber bis

zur zwölften Schwangerschaftswoche laut Paragraph

218a StGB straffrei – die sogenannte „Werbung“

dafür hingegen nicht. Der Begriff „Werbung“

ist in diesem Kontext besonders irreführend,

denn er wird klassisch als Impuls definiert,

um eine spezifische Handlung oder einen bestimmten

Gedanken bei anderen Menschen anzuregen.

Doch ist fraglich, ob das im Zusammenhang

mit der Aufklärung über einen Schwangerschaftsabbruch

passend ist. Das „Werbeverbot“

schränkt auf indirektem Weg das Recht auf Informationsfreiheit

der ungewollt Schwangeren ein

und verwehrt ihnen somit den Zugang zu fundierten

Informationen. Widersetzen sich Ärzt*Innen

der gesetzlichen Regelung, können sie mit einer

Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder einer

Geldstrafe belangt werden.

Die Folgen hat die Allgemeinmedizinerin Kristina

Hänel aus Gießen zu spüren bekommen. Im

Jahr 2017 wurde sie zu einer Geldstrafe von 6000

Euro verurteilt, weil sie auf ihrer Website über das

Vorgehen bei einem Schwangerschaftsabbruch

informiert. Das Absurde an der ganzen Sache:

fachfremde Personen, sprich jeder, der keinen

Abbruch durchführt, dürfen über den genauen

Ablauf und alle Risiken aufklären.

Exakt das hat sich der Verein „Terre des Femmes

– Menschenrechte für die Frau e.V.“ zur Aufgabe

gemacht. Er setzt sich für ein gleichberechtigtes

und selbstbestimmtes Leben von Mädchen

und Frauen weltweit ein. „Durch öffentlichkeitswirksame

Aktionen, Publikationen, Veranstaltungen

und Kampagnen sollen Öffentlichkeit und

Politik für geschlechtsbedingte Gewalt und Diskriminierung

sensibilisiert werden“, ist auf der

Website des Vereins zu lesen.

Mit der Kampagne #streicht219a wird gefordert,

den Paragrafen aus dem StGB zu eliminieren.

Gleichzeitig sollen fachfremden Personen angehalten

werden, Informationen zum Thema

Schwangerschaftsabbruch zu teilen und dadurch

für alle frei zugänglich zu machen. Die Website

www.streicht219a.jetzt ist Kernstück der Kampagne

und beinhaltet alle wichtigen Auskünfte zu

Abtreibung. Um die Paradoxie des Paragrafen zu

verdeutlichen, werden Werbespots mit fachfremden

Laien, wie zum Beispiel Moderatorin Melissa

Khalaj, Schauspieler Max Koch oder Gastronom

Billy Wagner gezeigt. „Ich begrüße es, dass ein

Koch über Schwangerschaftsabbrüche aufklärt

und bin ihm dankbar dafür. Aber einen gewissen

Aspekt der Verfremdung hat es schon“, formuliert

Allgemeinmedizinerin Kristina Hänel Bedenken

auf ihrem Twitter-Account. Denn nur als außenstehende,

fachfremde Person ist es gestattet,

Betroffenen über den medikamentösen oder möglicherweise

chirurgischen Eingriff und dessen

Risiken und Folgen aufzuklären.

Mitmachen und informieren

Auch du kannst Teil der Kampagne werden

und auf deinem Social-Media-Account auf die

Aktion aufmerksam machen oder über einen

Schwangerschaftsabbruch aufklären und medizinische

Fakten teilen. Auf der Website stehen

vorgefertigte Texte mit allen Informationen

zur Verfügung. www.streicht219a.jetzt

Informiert euch über weitere Themen des

Vereins „Terre des Femmes- Menschenrechte

für die Frau e.V.“ unter: www.frauenrechte.de


02/ 2021 BOLD 7

Flirten und Feminismus?!

Der richtige Machoflirtspruch und schon beißt Frau an? Das ist nicht mehr zeitgemäß

und geht auch anders! Feministisch zu flirten, heißt nichts anderes, als respektvoll

und ehrlich miteinander zu kommunizieren.

VON VANESSA BAUER

Glaubst du an Liebe auf den ersten Blick oder muss ich

noch mal an dir vorbeilaufen?

Liebe auf den ersten Blick? Ein ganz schwieriges

Thema. Die einen glauben daran, die anderen

nicht. Sofort von Liebe zu sprechen kann abschreckend

wirken oder falsche Hoffnungen wecken.

Besser wäre zum Beispiel, darauf hinzuweisen,

dass die begehrte Frau durch ihre positive Art oder

durch ihr tolles Outfit aufgefallen sei.

Spucken oder schlucken?

Die Frage „Spucken oder schlucken?“ darf gestellt

werden, aber im richtigen Rahmen und bitte

nicht als erster Satz, wenn man sich gerade zum

ersten Mal in die Augen sieht.

Wenn es ein so wichtiges Thema für den Mann ist,

sollte es zu einem späteren Zeitpunkt geradeheraus

angesprochen werden. Oder es bleibt eine

Überraschung, wenn bis zum entscheidenden

Moment gewartet wird. Möglich wäre: „Du, ich

stehe total darauf, wenn eine Frau schluckt,

kannst du dir das vorstellen?“.

Du bist die schönste Frau, die ich je im Leben...äh, ich

meine, in den letzten drei Minuten gesehen habe!

Einer Frau Honig um den Mund zu schmieren, um

bei der Hälfte des Satzes anzufangen, sie abzuwerten,

ist total respektlos. Zumal es nicht die schönste

Frau gibt, jede Frau ist auf ihre eigene Art und

Weise schön. Die Schönste der letzten drei Minuten

zu sein, ist wahrlich kein Kompliment. Männer

können Frauen darauf ansprechen, dass sie sie

schön oder was sie an ihr attraktiv finden. Aber:

respektvoll. Kleiner Tipp: sich vorsichtig herantasten,

nicht alle kommen gleich gut mit Komplimenten

klar.

Letztendlich kann sich so eine größere sexuelle

Spannung aufbauen, als wenn man direkt mit der

Tür ins Haus fällt.

Beim Eichhörnchen aus Ice Age habe ich gelernt: Wer

das Eis brechen will, muss die Eicheln ganz fest reinrammen!

Kennenlern-Sex ist eine interessante Art sich kennenzulernen,

aber vielleicht wollen sich eben einige

nur sexuell kennenlernen. Der nicht auszurottende

Mythos „wer fest reinrammt, hat guten

Sex“ ist total überholt. Guter Sex entsteht aus Respekt,

Vertrauen und offener Kommunikation.

Nicht jede steht auf Sofort-in-die-Kiste-springen.

Auch hier würde respektvolles Herantasten der erfolgreichere

Weg sein. Und falls sie doch aufs

„Reinrammen“ steht, dann go for it.

Du siehst aus wie meine Albträume – die bleiben auch

nie länger als eine Nacht!

Welche Frau würde es positiv aufnehmen, mit

Albträumen verglichen zu werden? One-Night-

Stands sind legitim und sollten definitiv nicht wie

Albträume aussehen. Wie wäre es einfach direkt

zu fragen? Gut, das erfordert Mut und bestenfalls

die passende Situation, aber so können immerhin

die Albträume nicht im Weg stehen.

Hör auf, mich mit den Augen auszuziehen!

Sollte man ein Gespräch mit einem Vorwurf

anfangen? Und dann auch noch mit dem Thema

Nacktheit. Es kann auf Augenkontakt eingegangen

werden, dann aber lieber so: „Mir ist aufgefallen,

dass du immer wieder zu mir geschaut hast.“

Oder so: „Ich mag es, dir in die Augen zu schauen.“

Ich heiße [Name]. Hast du das gewusst?

Jetzt weißt du, was du nächste Nacht stöhnen musst.

Wann wird hier die Frau gefragt, was sie eigentlich

möchte. Möchte sie Sex mit dem Mann haben?

Und wenn ja, ist alles, was danach folgt, ganz allein

ihre Entscheidung. Jeder darf seine Vorlieben

haben, aber das Wort „muss“ sollte in keinem Fall

in Verbindung mit Sex stehen.

Vielmehr soll es ein „alles darf, nichts muss“ sein.

Darüber darf geredet werden, eben mit Respekt

vor den Wünschen des und der anderen.

Bild: Pexels

Sag deinen Nippeln, sie sollen mir nicht so schamlos

in die Augen starren!

Wann hört es auf, dass weibliche Nippel sexualisiert

werden? Mit „in die Augen starren“ sind

wohl steife Nippel gemeint. Sie bedeuten aber

nicht zwangsläufig, dass die Frau geil auf einen

Mann ist. Es gibt so viele Gründe, warum Nippel

(kaum zu glauben, auch männliche) steif werden

können. Und wenn sie es sind, muss es nicht

dreist als Anmache benutzt werden. Schamlos ist

in diesem Fall der Mann, der das sagt.


8 BOLD

mediakompakt

Jung. Grün. Stachelig.

Nach langer Arbeit bei der Geflüchteten-Hilfe in ganz Europa war Sarah Heim so frustriert,

dass sie politisch aktiv werden wollte. Heute ist sie die Landessprecherin der Grünen Jugend

und hat in Baden-Württemberg einiges vor. Wir haben mit ihr gesprochen.

VON SOPHIA CHRIST

Mediakompakt: Was denkst Du, gibt

es zu wenig Frauen in der Politik?

Sarah: Vor der Landtagswahl

waren weniger als ein Drittel der

Abgeordneten weiblich. Das ist

viel zu wenig, weil ein Parlament die Gesellschaft

abbilden sollte. Dementsprechend sollten nach

meiner Meinung mindestens die Hälfte Frauen,

aber auch nichtbinäre, trans- und inter-Menschen

dabei sein. Und das haben wir noch lange nicht

erreicht.

mediakompakt: Wo begegnet dir Feminismus in der

Politik?

Sarah: Wir fordern auf Landesebene ein Antidiskriminierungs-Gesetz.

Es soll nicht nur um Diskriminierung

gegen Frauen oder sexuelle Übergriffe

gehen, sondern auch bei Diskriminierung gegen

Menschen mit Behinderungen oder für Menschen

die rassistisch beleidigt werden, eingesetzt werden.

Dafür braucht es Gesetze. Ich gebe Euch mal

ein Beispiel: Als die polnische Regierung die

Abtreibungsgesetzesgrundlage geändert hat, hat

das weltweit für Aufruhr gesorgt. Viele haben gemerkt:

der feministische Kampf ist auf keinen Fall

zu Ende. Wir müssen weiter für unsere Grundrechte

kämpfen!

mediakompakt: Wo fehlt deiner Meinung nach

Feminismus in der Politik?

Sarah: Feministische Politik ist für mich wie eine

Brille, die man die ganze Zeit aufhaben sollte. Jegliche

Maßnahme, die getroffen wird, sollte auf

Gendergerechtigkeit überprüft werden. Genauso

sollte man mit Themen wie dem Klimaschutz vorgehen.

Ich kann mir verschiedene Ansätze vorstellen,

beispielsweise das Gender-Budgeting.

Oder auch eine Art Raster, durch die jede Maßnahme

fließen und konsequent gecheckt werden

muss. Die Frage dabei sollte sein: Bringt das eventuelle

Nachteile mit sich für Menschen, die nicht

männlich- gelesen sind?

mediakompakt: Was sagst du Menschen, die

behaupten, man müsse kein Feminist sein, um für

Gleichberechtigung zu sein?

Sarah: Man hat in den letzten Jahren gesehen, dass

man durchaus feministisch handeln muss, um

Gleichberechtigung voranzutreiben. Beispielsweise

wurden die LGTBQ-freien Zonen in Polen

gegründet, was schrecklich ist. Da hängt vieles

miteinander zusammen: Die Unterdrückung von

Menschen, die diskriminiert werden, weil andere

ihre Machtposition sonst bedroht sehen. Ich denke,

es zeugt eher von Angst, dass die Gesellschaft

vorankommt. Genau das zeigt, dass es Feminismus

und Queer-Feminismus braucht.

Bild: Sarah Heim

mediakompakt: Wo siehst du den Unterschied einer

Landessprecherin der Grünen Jugend im Vergleich

zu denen anderen Parteien?

Sarah: Was uns auf jeden Fall ausmacht, ist die

FLINT-Quote (Frauen, Lesben, inter-, nichtbinäreund

trans- Menschen). Das ist die Grundlage, mit

der ich mich damals überhaupt angesprochen gefühlt

habe als junge Frau. Ich hätte nicht für ein

Amt kandidiert, wenn nicht auch männliche Personen

mich empowert hätten und das lag daran,

dass noch Frauen gesucht wurden. Insgesamt bin

ich natürlich auch bei den Grünen und bei der

Grünen Jugend, weil ich mich mit deren Grundwerten

am besten identifiziere. Grundwerte wie

Queerfeminismus, Antifaschismus, Antirassismus

und dann natürlich auch der Klimaschutz als Leitfaden

unserer Arbeit.

mediakompakt: Gibt es für dich andere Herausforderungen

als für deinen Kollegen und Landessprecher

Deniz Gedik?

Sarah: Man muss sich als Frau zunächst beweisen,

das merkt man jetzt bei Annalena Baerbock sehr

stark. Da kommen Debatten wie: Kann sie es überhaupt?

Schafft sie das alles? Das ist eine andere Art

von Druck. Aber in der GJ sind wir super inklusiv,

da habe ich mich noch nie Beschweren müssen.

Ganz im Gegenteil. Wir pushen und unterstützen

Frauen viel mehr.

mediakompakt: In deiner Instagram- Biografie steht

das Zitat: „Nur wer noch Hoffnung hat, ist unruhig“.

Ist das dein Lebensmotto?

Sarah: Ja, voll! Es stammt von Hermann Hesse,

einer meiner Lieblingsautoren. Ich denke, dass

viele in unserer Generation eine Art Unruhe spüren.

Wir hatten wahrscheinlich noch nie so eine

krasse Herausforderung, wie etwa die globale

Erderwärmung. Da wird zu wenig getan, dementsprechend

spürt man diese Grundunruhe in sich

und will etwas verändern. Das bedeutet ja, es gibt

noch Hoffnung, dass sich irgendwas ändert. Jetzt

ist die beste Zeit, um sich für etwas einzusetzen.

Wenn man es immer nach hinten schiebt, wird

nie was draus.

Die Grüne Jugend

Die Grüne Jugend ist die unabhängige Jugendorganisation

der Partei Bündnis 90/Die

Grünen. Mehr Infos unter gruene-jugend.de.

Auf Landesebene ist die Grüne Jugend Baden-

Württemberg aktiv: www.gjbw.de


02/ 2021 BOLD 9

Präsent!

Prägend!

Passmann.

Bild: Max Erb/Wikipedia

Die Autorin, Moderatorin und Satirikerin Sophie

Passmann ist mit 27 Jahren bereits eine der

präsentesten und prägendsten Feministinnen

im deutschsprachigen Raum. Eine Annäherung.

VON LEA SCHLAICH

Seit Jahren engagiert sich Sophie Passmann

für mehr Chancengleichheit

und sagt bewusst provokant dem Krieg

der Geschlechter den Kampf an. Der

Lohn? Massive Resonanz, nicht nur

von FLINT* (*).

Sie bespricht offen in Diskussionen den Unmut

und die Angst, die sich bei nicht-feministischen

Männern entwickeln, wenn FLINT* feministisch

handeln.

Dass den

Männern etwas

weggenommen

werden

würde, wenn

das andere Geschlecht

dies

und jenes Tun

dürfe. Doch

dieses Nullsummenspiel existiert bei Chancengleichheit

nur illusionistisch. Mit diesen entstandenen

Erkenntnissen und Aussagen übt Sophie

Passmann radikal humoristisch eine Kritik am

vorherrschenden Patriarchat.

In ihrem Buch „Alte weiße Männer – ein

Schlichtungsversuch“ löste die Journalistin eine

deutschlandweite Debatte aus. Sie diskutiert dort

in gemeinsamen Gesprächen mit „alten weißen

Männern“, etwa der Kommune-1-Legende Rainer

Langhans oder dem Sportmoderator Marcel Reif

Themen wie Sexismus und Feminismus. Ein „alter

weißer Mann“ ist laut Passmanns Aussage: „das

Gefühl der Überlegenheit, gepaart mit der scheinbar

völligen Blindheit für die eigenen Privilegien“.

Dass diese Gespräche nicht immer ohne

Diskussionen einhergehen ist klar, dennoch löst

sie diese mit

Wer Feminismus als zu

anstrengend, langwierig oder

unsympathisch empfindet, hat

Feminismus nicht verdient.

viel Verständnis,

Kompromissfähigkeit

und der nötigen

Kühnheit.

Gemeinsam

mit ihren

Kollegen, den

TV-Moderatoren

Klaas Heufer-Umlauf und Joko Winterscheidt,

produzierte sie 2020 die Sendung „Männerwelten“.

In dem 15-minütigen Beitrag wurden alltäglicher

Sexismus und Frauenfeindlichkeit beleuchtet,

welchen FLINT* tagtäglich erleben. Die Einschaltquote

war beachtlich: Der Sender ProSieben

erreichte Millionen von Zuschauer*innen. Sophie

Passmann berichtete später in einem ARD-Inter-

view, dass Männer sie kontaktiert haben, die sich

nicht im Klaren darüber gewesen seien, welcher

Art von sexueller Gewalt FLINT* ausgesetzt sind.

Sie wollten künftig aufmerksamer sein und diese

Belästigungen nicht mehr dulden. Denn: „Wer

Feminismus als zu anstrengend, langwierig oder

unsympathisch empfindet, hat den Feminismus

nicht verdient.“ (Sophie Passmann beim Festival

Z2X18)

Natürlich erntet die junge Frau – die sich auch

in den sozialen Netzwerken engagiert – nicht nur

positive Resonanz. Beleidigungen, Spott und

Häme sind bei ihr an der Tagesordnung. Solche

Kommentare bringen sie nicht zum Schweigen.

Sie nimmt das zum Anlass noch mehr darüber zu

sprechen, Hintergründe zu durchleuchten und

die Verursacher durch präzise, selbstironische

und kluge Argumente zum Schweigen zu bringen.

Und wir – egal wer – sollten es ihr gleichtun.

Oder wie es die US-Journalistin Joan Didion sagt:

„Nicht rumheulen – lieber härter arbeiten!“

*FLINT* = steht für Frauen, Lesben, inter, non-binary

und trans Personen. Es ist eine Abkürzung, die nicht nur

Frauen bezeichnet, sondern alle Personen, die vom Patriarchat

unterdrückt werden.


10 BOLD

mediakompakt

Bild: Valérie Angéliqe Rust

„Es hat sich

für mich einfach

richtig angefühlt.“

Valerie Angéliqe Rust war Kunst-Therapeutin,

dann folgte sie ihrem Gefühl, einen neuen Weg

zu gehen. Einblicke in die Arbeit einer Schmuckdesignerin,

für die jedes Schmuckstück ihre

persönliche Handschrift trägt.

VON STELLA LIEBENDÖRFER

Valérie denkt oft daran zurück, wie ihr

Leben vor einem Jahr aussah. Heute bestimmt

sie ihren Arbeitsalltag selbst.

Geht dem nach, was sie erfüllt. Dem

Schmuckdesign. Aber wie kam es dazu?

Nach dem Abitur entschließt sich die heute

26-Jährige für ein dreimonatiges Praktikum in einer

Klinik für Psychosomatik. Dort werden Menschen

mit Depressionen, Angst- und Essstörung

behandelt. Da ist sie 17. Dieser Entschluss legt den

Grundstein für ihr anschließendes Kunsttherapiestudium

in Nürtingen. Durch das Studium lernt

sie viel über sich selbst. Sie schult ihren Blick für

Menschen, begleitet deren kreative Arbeit und

zieht Rückschlüsse, um auf künstlerische Art helfen

zu können.

Im Studium ist sie mit 18 die jüngste. Zwischen

18 und 50 Jahren sind alle Altersgruppen

vertreten. Jeder mit einem anderen Background.

Bild: Valérie Angéliqe Rust

Verschiedene Persönlichkeiten treffen aufeinander.

Vier Jahre studiert sie Kunsttherapie (in Nürtingen,

Hamburg und Nijmegen) und es ist total

ihr Ding, wie sie sich erinnert. Es ist eine sehr intensive

und erfahrungsreiche Zeit. Nach ihrem

Abschluss zieht sie mit ihrem Freund für kurze

Zeit nach Köln. Im Moment lebt sie mit ihm in

Wien und arbeitet von zu Hause aus.

Anfangs fühlt sie sich noch nicht bereit als

Kunsttherapeutin zu arbeiten und jobbt im Einzelhandel

und als Hostess. Eine wertvolle Erfahrung.

Denn dadurch kann sie ihren erlernten

Beruf schätzen lernen. Ab Oktober 2018 arbeitet

sie dann an einer Schule für Kinder mit Aufmerksamkeitsstörung.

Sie lehrt Englisch und Französisch

– und ein bisschen Spanisch. Valérie merkt −

obwohl sie der Kontakt zu den Kindern bereichert

− dass die Pädagogik nicht ihr Zuhause ist.

Dann besucht sie im Juni 2019 eine Freundin

in Berlin. Stunde null ihrer Selbstständigkeit. Die

Freundin trägt Ohrringe in Form eines Fisches, die

sie selbst aus Polymer-Ton gemacht und bemalt

hat. Einen Monat später, versucht sich Valérie

selbst am Schmuckmachen. Sie arbeitet mit dem

ofenhärtenden Ton. Jede freie Minute verbringt

sie auf ihrem geliebten Balkon. Tag und Nacht. Sie

formt, knetet, mischt Farben. Es ist ein kreativer

Ausgleich zur Arbeit, die sie viel Energie kostet.

Dann − im Juli 2020 − kündigt sie ihren Job als

Lehrerin.

Ihr kleines Business baut sie Schritt für Schritt

auf. Sie ist Fotografin, Material-Beschafferin,

Social-Media-Managerin und Buchhalterin in einer

Person. Immer mehr Leute interessieren sich

für ihren Schmuck. Ihre Ohrringe werden für

Fotoshootings angefragt. Das Frauenkollektiv

supportyourlocalgirlgang und ein Netzwerk von

selbstständigen Unternehmerinnen aus Wien

unterstützen die Schmuckdesignerin auf ihrem

Weg. Ihren Unikaten gibt sie Namen von Herzensmenschen,

aber auch Namen, die ihr spontan

einfallen. Die Bogen-Ohrringe hat sie nach ihrer

Oma benannt.

Sie kann mit ihrer Arbeit das machen, was sie

will. Es erfüllt sie. Ihr künstlerischer Anspruch ist

ein besonderes Unikat, das ihre Handschrift trägt.

Sie will mit ihren Schmuckstücken Farbe in das

Leben der Leute bringen, sie zu ihren Träumen

ermutigen. Dabei möchte sie unabhängig bleiben

und von jedem Ort aus ihrer kreativen Arbeit

nachgehen können.

Für die Zukunft kann sich die Designerin vorstellen,

ihren Schmuck in mehreren Geschäften

anzubieten. Den ersten Schritt dafür, ist sie schon

gegangen. Im Konzept-Store katinka_kleineschwester

in Kaufbeuren im Allgäu, können

Schmuckliebhaber Unikate von der Designerin

vor Ort kaufen. Selbst möchte sie beim unabhängigen

Online-Business bleiben.

Über Valérie:

Drei Dinge ohne die Valérie nicht leben

könnte: Balkon. Kaffee. Nudelmaschine

(für den Schmuck).

Instagram: valerie.vienne

YouTube: valérie vienne

Etsy: ValerieVienne


02/ 2021 BOLD 11

Die nachhaltige Revolution

NKM steht für Naturkosmetik München und für ein revolutionäres Start-up.

Gründerin Mareike Peters, 24 Jahre alt, krempelt ihre Branche um.

Wie? Indem sie Kosmetik so nachhaltig, fair und sozial wie möglich produziert.

VON ISABELL DE LA ROSA

Mareike Peters begann 2015 natürliche

Kosmetik selbst herzustellen,

um wirksame, transparente

und mit natürlichen Zutaten gewonnene

Hautpflege zu kreieren.

2018 veröffentlicht sie ihren ersten Post auf ihrem

Instagramkanal @naturkosmetikmünchen – und

will die Kosmetikbranche revolutionieren. Der

Account, der ursprünglich nur zum Inspirieren,

Austauschen und Teilen gedacht ist, wurde

schnell zu weit mehr. Mareike ist so überzeugend,

dass sie schon im selben Jahr erste Produkte zum

Selbstrühren verkaufen kann. Seitdem geht es

steil bergauf. 2019 hat Mareike NKM offiziell mit

ihrem Freund Alex gegründet. Und im vergangenen

Jahr konnte sie ihren ersten eigenen Laden in

München eröffnen.

Naturkosmetik München ist kein normales

Start-up. Es hat sich zur Aufgabe gemacht, eines

der neuen Generation zu sein: klimaneutral, fair,

sozial. Die Produktphilosophie: rein pflanzlich,

vegan, tierversuchsfrei und regional produziert.

So nachhaltig wie irgend möglich und dennoch

wirksam. Mareike Peters will alte Strukturen neu

denken. So arbeitet sie zum Beispiel mit Climate-

Partner zusammen und unterstützt für nicht-vermeidbare

Kohlendioxid-Emissionen zertifizierte

Klimaschutzprojekte. NKM ist seit 2020 als klimaneutrales

Unternehmen zertifiziert. Von Anfang

an wurde nicht nur ökonomisch, sondern auch

sozial und ökologisch gearbeitet. Das ist im Startup-Bereich

immer noch eher selten, aber könnte

als Inspiration für zukünftige Business-Models einen

großen Unterschied machen. Denn Nachhaltigkeit

ist immerhin in aller Munde.

Ihr soziales Engagement ist eine weitere Besonderheit:

Im Zuge der Mehrwertsteuersenkung

2020 konnten die Kund*Innen sich dafür entscheiden

die erlassenen drei Prozent doch zu zahlen

und damit einen sozialen Zweck zu unterstützen,

den sie vorher gemeinsam durch eine Umfrage

in Mareikes Instagram-Story auswählen konnten.

So kamen Spenden von insgesamt circa

48.800 Euro für den Jemen, den Regenwald und

Hilfe für Tiere in Not zustande.

Bild: NKM

Zum Blackout Tuesday spendete NKM ein ganzes

Tageseinkommen an Black lives matter (BLM).

Auch abseits davon unterstützt NKM soziale Projekte,

wie zum Beispiel eine Werkstatt für Behinderte

in München, an die gewisse Aufgaben ausgelagert

werden, wie auch „München gibt Dir eine

Chance“, bei denen sie drei Patenschaften für

Jugendliche haben.

Doch nicht nur das dürfte NKM so erfolgreich

gemacht haben, sondern auch das konstante Einbeziehen

ihres „NKM-Dorfes“ – ihrer Kund*Innen.

Die Transparenz von NKM ist neu: Die Gründerin

bindet Kund*Innen in die Produktentwicklung

ein, nimmt sie mit zu ihren Partnern, lässt sie

mitentscheiden und holt sich Meinung einen –

über Instagram, Youtube, Facebook, TikTok und

Podcasts. Auf diese Weise nimmt das Unternehmen

Kund*Innen in die Mitverantwortung und

beweist, dass die Philosophie nicht nur Greenwashing

ist, sondern aktiv umgesetzt wird.

Es geht nicht mehr nur um ökonomischen,

sondern außerdem auch um ökologischen und sozialen

Erfolg. Und Mareike Peters macht damit einen

Unterschied: Forbes würdigt sie als „30 under

30 Europe“ im Bereich Retail und E-Commerce.

Sie zeigt, dass es möglich ist, ökonomisch erfolgreich

zu sein und dabei aber gleichzeitig fair, sozial

und umweltbewusst zu arbeiten. Eine Balance,

die noch nicht viele Unternehmen meistern können.

Das ist bold.

Die Naturkosmetikbranche:

Umsatz Naturkosmetik 2021: 289 Millionen Euro

Prognose bis 2025: 411 Millionen Euro – jährliches

Wachstum von 9,24 Prozent.

Nachhaltigkeit bei der Naturkosmetik liegt im

Trend, dennoch ist der Hauptgrund Naturkosmetik

zu kaufen „Um der Haut etwas Gutes zu

tun“, Umweltbewusstsein kommt erst knapp

dahinter.

Natürliche Gesichtspflege ist am beliebtesten.


12 BOLD

mediakompakt

„Eine faire Welt für alle“

Laura Evers ist 22, studiert im

7. Semester Mediapublishing

und ist gemeinsam mit ihrem

Kumpel Marius Schulz Gründerin

des sozialen Start-ups

„dreamer!“. Mit dem Hersteller

und Textilprofi Ehsan produzieren

sie nachhaltige Streetwear

in Bangladesch.

VON MARA CLASS UND SARAH GUIRA

Mediakompakt: Wie kam es zur dreamer!-Gründung?

Laura: Marius hat dreamer! Ende

2019 gegründet, bevor ich dazu

gekommen bin. Er hatte das Wirkungsschaffer-Stipendium

beim Social-Impact-

Lab in Stuttgart gewonnen – das ist ein Inkubator

für Sozialunternehmer, die einem helfen, seine

Ideen zu schärfen. Ich kenne Marius über Freunde

und habe von seiner Reise nach Bangladesch über

Instagram erfahren. Das hat mich sehr beeindruckt,

ich habe ihm dann Hilfe angeboten. Eigentlich

war der Plan, Marius nur grafisch zu unterstützen,

doch nach zwei Wochen war ich praktisch

für die nächsten drei Jahre eingeplant. Jetzt

ist dreamer! genauso mein Baby wie seines.

mediakompakt: Was motiviert Euch?

Laura: Das Start-up ist uns ans Herz gewachsen.

Uns motiviert am meisten, es weiter voran zu

bringen. Viele nachhaltige Unternehmen produzieren

in Europa. Dieses Im-Stich-lassen des

globalen Südens, also der sogenannten Entwicklungs-

und Schwellenländer, nachdem diese Länder

jahrzehntelang ausgebeutet wurden, hat

einen Nerv bei mir getroffen. Unsere Vision ist

eine Welt, die fair für alle ist. Es sollte keine Frage

sein, ob ein Kleidungsstück nachhaltig hergestellt

ist oder nicht, sondern selbstverständlich für alle

sein.

mediakompakt: Wer hat Euch unterstützt?

Laura: Das Social-Impact-Lab in Stuttgart. Dort gab

es viele Workshops, wir wurden gut beraten.

Ebenso haben uns unsere Familien und Freunde

sehr unterstützt. Alle wichtigen Fähigkeiten und

Fertigkeiten haben wir uns jedoch selbst angeeignet.

mediakompakt: Was war die größte Hürde beim

Gründen?

Laura: Corona! Das war und ist die größte Hürde.

Auch, was das Kapital angeht, weswegen wir uns

für Crowdfunding entschieden haben. Das richtige

Team zu finden und sich gegenseitig einzuspielen,

war ebenfalls eine Herausforderung. Da wir

uns vieles selbst aneignen mussten, hat uns das

ein wenig zurückgeworfen. Doch im Großen und

Ganzen gab es keine riesige Hürde – die paar Stolpersteine

haben wir gemeistert.

mediakompakt: Euer Startup heißt dreamer! Wovon

träumt Ihr?

Laura: Der Name kommt daher, dass Marius immer

ein Träumer war.

Wir träumen davon, die Modeindustrie langfristig

in eine soziale und nachhaltige Richtung zu verändern.

Wir wollen ein Angebot für Menschen

schaffen, die Streetwear tragen und nachhaltig

einkaufen wollen.

mediakompakt: Auf Eurem Instagram-Kanal informiert

Ihr auch über soziale Ungerechtigkeit und

Missstände, warum ist das wichtig?

Laura: Nach unserer Ansicht ist der entscheidende

Faktor, warum Menschen nicht nachhaltig einkaufen,

dass die meisten einfach nicht wissen, wie

Kleidung hergestellt wird. Auch mir war das lange

Zeit nicht bewusst! Die Lieferketten sind total intransparent.

Der Zusammenhang von bewusstem

Konsum und sozialen und gesellschaftlichen Themen

geht für uns Hand in Hand: Es dreht sich bei

uns viel um die Gerechtigkeit zwischen dem globalen

Süden und dem globalen Norden, denn wir

sind eine Welt.

Bild: dreamer! fashion

mediakompakt: Wie hat sich Dein Konsumverhalten

in den letzten Jahren verändert?

Laura: Das hat sich schon vor mehreren Jahren in

eine nachhaltige Richtung entwickelt. Aber als ich

mir dann mal bewusst Videos aus Bangladesch angeschaut

und verstanden habe, dass meine Kaufentscheidung

eine konkrete Auswirkung auf das

Leben von anderen Menschen hat, hat sich mein

Weltbild nochmal komplett gedreht. Denn Kaufentscheidungen

können die Welt wirklich verändern.

Seitdem ich bei dreamer! mitarbeite, habe

ich nichts mehr von einem Fast-Fashion-Unternehmen

gekauft. Ich bin von 50 bis 60 Online-Bestellungen

bei ASOS in einem Jahr auf null runter.

Dabei habe ich viele Klamotten! Ich liebe sie, ich

liebe schöne Sachen, aber ich konnte das nicht

mehr mit meinem Gewissen vereinbaren.

mediakompakt: Wie bringst Du Studium und dreamer!

unter einen Hut?

Laura: Gutes Zeitmanagement, manchmal zwei

Laptops, viel Kaffee, wenig Schlaf und viel Motivation.

Wenn man etwas will, schafft kann man

das auch. Dreamer! ist für mich eine Herzenssache,

deswegen klappt das automatisch.

mediakompakt: Was würdest Du anderen jungen

Gründern mitgeben?

Laura: Machen! Ausprobieren! Wenn man eine

Vision hat und darauf Bock hat, loslegen!


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Klappt es nicht, wieder aufstehen. Ich finde es

schade, wenn Ideen in irgendwelchen Schubladen

vergammeln, weil sich jemand nicht getraut

hat und die Unterstützung anderer Leute fehlt.

mediakompakt: Ihr habt Euch durch Crowdfunding

finanziert. Kannst Du uns erläutern, was sich hinter

Crowdfunding verbirgt?

Laura: Es bedeutet, ein Projekt der Öffentlichkeit

zu präsentieren oder zur Verfügung zu stellen. Es

wird tatsächlich von der Crowd entschieden, ob

die Kampagne startet oder nicht. Für uns ist das

die eigentliche Definition von Empowerment, da

der Markt bestimmt, ob eine Idee Potenzial besitzt

oder nicht. Das Geld wird erst ausgezahlt, wenn

die Funding- Summe, die man selbst festgelegt

hast, erreicht wurde. Wir hatten dies erreicht,

konnten die erste Produktion finanzieren und haben

danach einen Kredit bei der Bank bekommen,

da wir nachweisen konnten, dass ein potentieller

Markt vorhanden ist und wir bereits eine Zielgruppe

und erste Bestellungen haben.

mediakompakt: Wie geht es nun weiter?

Laura: Wir haben die Kampagne im Januar erfolgreich

abgeschlossen, im Februar haben wir das

Geld ausgezahlt bekommen, dann haben wir die

Produktion langsam anlaufen lassen.

Die Kunden der Kampagne erhielten bereits ihre

Produkte. Wir haben jetzt einen eigenen Shop.

Mal sehen, wie es auf dem offenen Markt läuft.

Wir hoffen auf mehr Reichweite, viele Verkäufe

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Anzeige

Bild: dreamer! fashion

und Umsätze im Online-Shop und hoffentlich

bald auf die nächste Kollektion.

mediakompakt: Wie hebt Ihr euch von anderen

nachhaltigen Labels ab?

Laura: Es ist gut, dass es viele nachhaltige Labels

gibt, die verschiedene Zielgruppen haben. Wir

unterscheiden uns aber in drei Punkten. Erstens:

Wir produzieren im globalen Süden. Denn wir

wollen diese Region unterstützen und nicht im

Stich lassen. Zweitens: Wir sind vor allem eine

soziale Modemarke und achten auf die Arbeitsbedingungen

entlang der Wertschöpfungskette.

Durch Spenden machen wir uns für weitere sozialen

Themen stark. Drittens: Der Style unserer

Produkte – uns ist auffällige und bedruckte Streetwear

wichtig.

Neugierig geworden?

Website: dreamer.fashion

Instagram: dreamer.movement

Podcast: Kindness Starts with why

Zehn Prozent des Umsatzes des Kaufs bei

dreamer! werden vom Start-up an eine Charity

der Wahl gespendet. So kannst du beim

Einkaufen nebenbei etwas Gutes tun.

Gras

ist gut.

Wir entscheiden uns

gegen das Roden

unserer Wälder.

Denn Bäume sind

ein wichtiger

Kohlenstoffspeicher.

Deshalb drucken wir

auf Grasfaserpapier!

Mit nachhaltigem,

ressourcenschonendem

Gras

von heimischen

Wiesen.

Für Sie. Für Stuttgart.

Für die Umwelt.

diegrasdruckerei.de


14 BOLD

mediakompakt

Bild: Norman von der Heyden

Ein Traum im 4x4-Camper

Ganz nach dem Motto: „Ich bin dann mal weg“ machen sich

Kim Sunic und Norman von der Heyden mit Hund Falco im

Gepäck auf den Weg. Die drei haben 2020 mit einem

4x4-Pick-up-Camper ihre große Sehnsucht gestillt.

VON LEA SUNIC

Was kann schöner sein als vor der

Arbeit seinen Morgenkaffee an einem

einsamen Strand zu trinken?

Oder zwischen den Meetings kurz

in den See zu springen? Kim und

Norman leben auf diese Art. Nach dem Kauf ihres

4x4-Camper waren sie meist in Europa unterwegs.

Da Falco für größere Reisen mit seinen elf Jahren

zu alt ist und das Einreisen in andere Länder mit

Haustier Quarantäne bedeutet, will das Paar mit

einer geplanten Weltreise warten, bis Falco sie

verlässt. Auch die Corona-Krise hält sie erst mal

vom Reisen außerhalb Europas ab.

Trotzdem lassen sie sich nicht entmutigen

und packen die Sache nun von einer anderen Seite

an. Während andere im Homeoffice sitzen und

hoffen, dass es mit dem Lockdown und den

Regeln bald vorbei ist, sind die zwei auch im „Homeoffice”,

nur eben im Wheelmote und

genießen die Natur. Die Arbeitgeber der beiden

Grafiker unterstützen Remote Work. Und so fühlt

sich jeder Arbeitstag wie Kurzurlaub an. Doch

auch sie sind natürlich nicht frei von Corona-Regeln.

Herrscht in dem Land, in dem sie gerade

sind, Ausgangssperre um 20 Uhr heißt es: Motor

aus und stehen bleiben.

Ihre nächste Reise durch Spanien müssen Kim

und Norman gut planen. Sie müssen innerhalb

von zwölf Stunden in Spanien sein, da sie sonst

keinen gültigen PCR-Test mehr vorlegen können.

Dort angekommen können sie tatsächlich die

Beine hochlegen, denn dann ist wirklich erst mal

Urlaub angesagt. Die drei verbringen gern Zeit in

der Natur. Sie wandern, zelten oder fahren mit

dem Kanu durch schwedische Flüsse. Sie lieben

die Einsamkeit in der Natur und suchen sich

immer die schönsten, abgelegensten Plätze aus,

weswegen ihre Wahl auch auf einen Pickup mit

Wohnkabine fiel.

So schön das alles klingt, autark Leben hat seine

Schattenseiten. Es kann einem wie Kim und

Norman passieren, dass ihnen erst während der

Reise auffällt, das der Schlüssel zur Wohnkabine

defekt ist. Oder das der Wassertank über Nacht

einfriert. Doch solche Widrigkeiten schrecken sie

nicht ab. Kim: „Entstehen Probleme, lösen wir

diese – im besten Fall. Lassen sich diese Probleme

nicht lösen, müssen wir umdenken und einen

neuen Plan schmieden.” Wichtig sei es, gut zu planen

und realistisch zu bleiben.

Ein Leben im Camper ist befreiend, aber auch

kostspielig. Um sich das finanzieren zu können,

muss man sparen. „Man überlegt sich dann dreimal

ob man wirklich das zweite Paar Sneaker

braucht oder nicht”, sagt Kim Sunic.

Die beiden sind in ihrer Freizeit außerdem dabei,

ihre Website und den Social-Media-Kanal zu

füllen, um Sponsoren zu gewinnen. Social Media

hat noch eine weitere Bedeutung. Einerseits

möchten sie von ihren Reisen berichten und Erfahrungen

teilen. Andererseits möchten sie Tipps

und Gadgets präsentieren, die das Leben im Camper

vereinfachen. So zeigen Kim und Norman ihren

Follower ihre neue Rückfahrkamera und das

super leichte Hundefutter. „Jedes Gramm zählt

beim Reisen“, sagt Norman.

Für alle Nachahmer:

#1: Informiert euch! Probiert alles aus, dann erkennt

ihr was ihr erleben wollt und vor allem wie. Geht

online in verschiedene Foren und sprecht mit

Menschen, die schon viel Erfahrung gesammelt

haben. Jeder fängt mal bei Null an.

#2: Seid mutig. Kommt wie Kim und Norman aus

der Komfortzone und sammelt ganz neue Erfahrungen.

#3: Bleibt realistisch. Es ist nicht immer alles Gold,

was glänzt. Ein Leben im Camper hat viele Vorteile

und ist eine schöne Art die Welt zu entdecken.

Aber wo Vorteile sind, sind auch Nachteile. Aber

wenn ihr einen dieser tollen Momente habt, wo

euch eine sternenklare Nacht in der einsamsten

Ecke Schwedens erwartet, dann ist dieser Gold

wert.

Mehr Inspiration unter: wheelmote.de oder @wheelmote


02/ 2021 BOLD 15

Von Serekunda nach Schluchsee

Tausende Menschen auf der Flucht versuchen jedes Jahr nach Europa zu gelangen. Einige

schaffen es und bauen sich in Deutschland ein besseres Leben auf. Doch die Angst vor

Abschiebung ist ständiger Begleiter. Wie erlebt ein junger Mann aus Gambia diese Situation?

VON CLARA BEUMER

Bild: Adobe Stock

Weltweit fliehen immer mehr Menschen

vor Gewalt, Armut, Hunger,

Diskriminierung und Krieg.

Laut dem Flüchtlingswerk der

Vereinten Nationen (UNHCR)

waren im Juni 2020 mehr als ein Prozent der Weltbevölkerung

auf der Flucht. Das sind 79,5 Millionen

Menschen – ein trauriger Rekord. Wären all

die Flüchtenden ein eigener Staat, wäre es der

zweitgrößte in Europa. In Deutschland ist von

den dramatischen Zuständen wenig zu spüren, da

es die wenigsten bis hierher schaffen. Durch

Grenzschließungen und die Maßnahmen zur Eindämmung

der Pandemie ging die Zahl der Asylsuchenden

in Deutschland 2020 laut des Bundesamtes

für Statistik im Vergleich zum Vorjahr um

35,2 Prozent zurück. So bleibt für viele ein Leben

in Deutschland nur ein Traum.

Für Lamin (Name geändert) aus Gambia hat

sich dieser Traum erfüllt. Ein Traum, für den er

seine Familie, seine Heimatstadt Serekunda und

alles, was ihm vertraut war, zurücklassen musste.

Im Juli 2013 hat er in Hamburg erstmals aufgeregt

deutschen Boden betreten. Heute ist er 26 Jahre

alt und lebt in einem idyllischen Dorf im Hochschwarzwald.

Bis dahin war es ein weiter Weg.

„Viele meiner Freunde kommen aus Gambia”, erzählt

er. Die weite und gefährliche Reise nach Europa

führte durch Senegal, Mali, Niger und

Libyen. Manche würden mit dem Auto von Land

zu Land fahren, andere mit dem Zug. Gehe das

Geld aus, müsse Arbeit gesucht und Geld verdient

werden, das den Flüchtenden in der Wüste

zwischen Niger und Libyen bei bewaffneten Überfällen

oft wieder abgenommen würde.

Und danach? Ist der Weg durch Libyen geschafft,

komme das Meer, das mit unsicheren

Schlauchbooten überquert werden müsse. Alle

kennen die Bilder aus den Nachrichten. „Manchmal

ertrinken alle, manchmal einige und manchmal

schafft es das ganze Boot über das Meer nach

Italien”, sagt Lamin. Obwohl

die Asylanträge laut

UN sinken, ist das Asylsystem

in Italien extrem

überlastet. Die Aufnahmeeinrichtungen

sind teilweise stark überfüllt.

Auch Lamin kennt das: „In Deutschland ist es besser

als in Italien. Doch auch hier landest du

zunächst in einem sehr großen Asylheim und mit

vielen Menschen in einem Raum. Es gibt kein

gutes Essen und wenig Geld.”

Nach drei Monaten sei er in ein anderes Heim

in Karlsruhe gebracht worden, dann in ein Kleineres

im Schwarzwald. Heute hat er eine eigene kleine

Wohnung in Schluchsee. Die Menschen in

dem Zweitausend-Seelen-Dorf behandeln ihn gut,

sagt er. Ganz wohl fühle er sich jedoch nicht. Er

vermisse seine Familie, seine Heimat, erfahre auch

Rassismus und Diskriminierung. Und er habe

Angst. Angst, dass er zurück in seine Heimat geschickt

wird. Gambier*innen werden geduldet,

wenn sie einer Arbeit nachgehen oder eine Ausbildungs-

oder Beschäftigungsduldung anstreben.

Bis vor zwei Jahren war Deutschland ein sicherer

Ort für Menschen aus Gambia. Nachdem 2017 je-

„Since I have peace,

I thank god“

doch der Diktator Yahya Jammeh durch den

demokratischen Adama Barrow ersetzt wurde,

haben die Abschiebungen deutlich zugenommen.

Laut der Zeitung „Rheinische Post“ wurden 2018

siebenmal mehr Gambier abgeschoben als noch

zwei Jahre zuvor.

Vor wenigen Tagen hat Lamin seine Abschlussprüfung

geschrieben. Er ist zufrieden. „Die

Prüfung war okay, ich

warte auf die Ergebnisse”,

sagt er. Früher war es sein

Traum, Fußballprofi zu

werden. Heute möchte er

sich ganz auf seinen Beruf als Kfz-Mechatroniker

konzentrieren. „Since I have peace, I thank god”,

sagt er. Solange er Frieden habe, danke er Gott.

Seine Geschichte ist bewegend, aber leider eine

von vielen. Um in Deutschland Fuß zu fassen, benötigen

viele Menschen Hilfe. In jeder Stadt gibt

es Initiativen, Einrichtungen und Dienste, die

Migrant*Innen und Geflüchtete unterstützen. Es

werden ständig ehrenamtliche Helfer*Innen gesucht,

die geflüchteten Menschen bei Integration

und Bewältigung des Alltags zur Seite stehen.

Refugees in Stuttgart

unterstützen

Weitere Informationen unter:

www.fluechtlinge.stuttgart.de


16 BOLD

mediakompakt

Gen Z im Kampf

um Demokratie

Myanmar liegt fast 8000 Kilometer entfernt. Und

dennoch sind die Demonstrationen dort uns ganz nah.

Die Studentin Yin aus Stuttgart bangt um ihre Familie –

und um die Demokratie in ihrem Heimatland.

VON JOANNA RIETL

Jeden Morgen nach dem Aufwachen

greift Yin als erstes voller Furcht zu ihrem

Smartphone, um die neuesten Nachrichten

aus ihrem Heimatland Myanmar zu

lesen. In den frühen Morgenstunden des

1. Februar 2021 putschte dort das Militär und rief

einen einjährigen nationalen

Notstand aus. Die

im November letzten Jahres

demokratisch gewählte

Präsidentin Aung San

Suu Kyi und weitere Mitglieder

ihrer Partei Nationale

Liga für Demokratie

(NLD) wurden festgenommen.

Seitdem gibt es friedliche Massendemonstrationen

im ganzen Land. Ein Hotspot der

Proteste ist die Wirtschaftsmetropole Yangon im

Süden des Landes, Yins Heimatstadt.

Sie lebt seit Oktober 2020 in Stuttgart, wo sie

Water Engineering studiert. Von dem Putsch hat

„Ein Leben

unter einer Diktatur

ist sinnlos.“

sie aus den Medien erfahren: „Ich konnte es nicht

glauben, bis meine Familie es mir bestätigt hat.

Seitdem lebe ich in der Hölle.“ Sie macht sich Sorgen

um ihr Land, ihre Freunde und ihre Familie,

besonders um ihre Schwester Kyi. Die 21-Jährige

nimmt seit Beginn der Militär-Diktatur an den

Protesten der Bewegung

des zivilen Ungehorsams

(CDM) teil.

Kyi studiert BWL, ihre

Universität in Yangon

ist seit Beginn des Putsches

geschlossen. Über

90 Prozent der Studenten

und Professoren haben

sich den Protesten angeschlossen. Das Militär

plant die Wiedereröffnung der Universitäten, Kyi

wird aber vorerst nicht zurückkehren. „Ich werde

nicht unter einer Militär-Regierung studieren. Ich

gehe nicht an die Uni zurück, bis dieser Kampf

vorbei ist. Mein Kommilitone hat bei einer Demonstration

seine rechte Hand und ein Auge verloren.

Wie könnte ich mich in eine Vorlesung setzen,

während andere für die Demokratie meines

Landes kämpfen?“ Stattdessen geht sie mit tausenden

Gleichgesinnten gegen das Militär auf die

Straße. Darunter sind Ärzte, Lehrer, Bankangestellte

und allen voran die Generation Z, geboren

in den 90er und frühen 2000er Jahren. Die Mehrheit

der Demonstranten ist weiblich. Die Frauen

in Myanmar haben am meisten zu verlieren, berichtet

Kyi. „Sie wurden vor der Demokratie diskriminiert,

so wird es unter der Militärherrschaft

wieder sein. Wir können nicht zurück, sonst verlieren

wir alle Rechte, die wir uns in Zeiten der Demokratie

erkämpft haben.“

Das Motto der jungen Demonstranten: „Ihr

habt euch mit der falschen Generation angelegt“.

Damit spielen sie auf ihre Medienkompetenz an:

Die Generation Z beherrscht die Technologie, versteht

es, Neuigkeiten zu verbreiten und sich über

sozialen Medien zu organisieren. Das Militär hat

darauf mit einer landesweiten Blockade des Internets

sowie des Mobilfunks reagiert, um die Demonstrationen

zu unterbinden. Erfolglos. Doch

das Regime scheut auch vor Waffengewalt nicht

zurück. Es setzt Gummigeschosse, Tränengas,

Blendgranaten und scharfe Munition ein, es wird

blindwütig in die Menge gefeuert.

Regelmäßig finden nächtliche Razzien und

Verhaftungen bei mutmaßlichen Demonstranten

statt. Die Hilfsorganisation für politische Gefangene,

AAPP (Assistance Association for Political

Prisoners) ging im Mai 2021 von 818 Toten und

5400 Inhaftierten aus. Angst hat Kyi trotzdem keine.

„Wir müssen uns gegen das Militär erheben

und es besiegen, ein Leben unter einer Diktatur ist

sinnlos.“

Ein Ausgang zugunsten der Demonstranten

scheint ohne Hilfe von außen unwahrscheinlich.

Die Mitglieder des CDM sind unbewaffnet, der

Westen und die Vereinten Nationen (UN) kritisieren

das Geschehen nur aus der Ferne. Dennoch

sind Kyi und ihre Schwester Yin hoffnungsvoll:

„Wir werden gewinnen, wir sind auf einen Bürgerkrieg

vorbereitet.“ Sie fordern den Tod des Anführers

des Militärs und seiner Anhänger sowie die

Freilassung von Aung San Suu Kyi, die noch immer

an einem geheimen Ort festgehalten wird.

„Suu hat die Demokratie in unser Land gebracht.

Alles, was wir wollen, ist in einer Demokratie zu

leben. Wir wollen in Frieden leben.“

Bild: dpa

INFO

Die Republik der Union Myanmar, das frühere

Burma, ist ein Staat in Südostasien mit rund

54 Millionen Einwohnern. Der Staat wird seit

1962 von einer Militärjunta regiert. Bei Myanmars

erster demokratischen Wahl im Jahr

2011 zog die Politikerin und Friedensnobelpreisträgerin

Aung San Suu Kyi, die zuvor lang

unter Hausarrest stand, mit ihrer Partei NLD

ins Parlament ein und brachte demokratische

Prozesse im Land voran. Bei ihrer Wiederwahl

im November 2020 erreichte sie mehr als 50

Prozent der Stimmen.


02/ 2021 BOLD 17

Satans

letzte Festung

Bild: Unsplash

Ein wagemutiger Missionar brach auf, um ein fremdes Volk zu Gott zu führen.

Er kehrte nie nach Hause zurück. Wir zeichnen seine Geschichte nach.

VON LISA MENTE

Laut der Menschenrechtsorganisation

Survival International gibt es noch 170

isoliert lebende Ethnien auf der Welt.

Sie haben keinen Kontakt zu unserer

Gesellschaft und gelten damit als „unzivilisiert“

– in Deutschland kennt man sie als sogenannte

Naturvölker. Auch die Sentinelesen gehören

zu ihnen. Sie leben auf North Sentinel Island,

einer Insel im indischen Ozean. Ein Betreten von

North Sentinel Island ist unter Strafe verboten.

Das dient vor allem dazu, die Stammesgruppe mit

fast 100 Mitgliedern vor äußeren Einflüssen (vor

allem Krankheiten) zu schützen.

Tausende Kilometer entfernt verpflichtete

sich John Allen Chau seiner Lebensaufgabe: Das

Mitglied der pfingstkirchlichen Glaubensgemeinschaft

Assemblies of God beschloss, als Missionar

die Welt zu bereisen. Zunächst beschränkte er sich

auf die USA und Südafrika, bevor er seine größte

Herausforderung ins Auge fasste – die Missionierung

der Sentinelesen.

Er kontaktierte 2016 die Missionsgesellschaft

All Nations, mit deren Hilfe er sich in den folgenden

zwei Jahren auf seine Aktion vorbereitete. Neben

einer Ausbildung zum Rettungsassistenten,

stellte ein spezielles Trainingslager den Höhepunkt

dar: Mitglieder von All Nations verkleideten

sich als Inselbewohner, die von John Allen

Chau „bekehrt“ werden sollten.

2018 brach er dann nach Indien auf. Chau

wusste um die gesetzlichen Verbote. Er bestach

am 15. November fünf lokale Fischer, um sich

North Sentinel Island nähern zu können. Was in

den folgenden Tagen geschah, lässt sich nur mithilfe

seines Tagebuchs rekonstruieren. Die Heimat

der Sentinelesen beschrieb er darin als „Satans

letzte Festung“.

Das Schriftstück entstand während seiner heiligen

Mission; kurz vor seinem dritten Kontaktversuch

gab Chau es an die Fischer, die es einem

seiner Freunde überbrachten. Es war das letzte

Mal, dass er es in Händen hielt.

Bei seinem ersten Versuch näherte sich der

junge Missionar mithilfe eines Holzbootes der Insel.

Die Sentinelesen lachten ihn aus, als er versuchte,

mit ihnen zu sprechen – dann drohten sie

ihm. Sein zweiter Versuch verlief nicht weniger

erfolglos; im Gegenteil. Während er zur Insel

schwamm, zwang ihn der anhaltende Beschuss

mit Pfeilen zur Flucht. Seine Bibel fing einen Pfeil

auf. Er kehrte zu seinem Kajak zurück und schrieb

ein Gebet in sein Tagebuch: „Wenn du willst, dass

ich angeschossen oder getötet werde, dann soll es

so sein.“

Trotz der Gefahr und des offensichtlichen

Widerstands machte sich Chau ein weiteres Mal

auf den Weg. Die Fischer konnten beobachten,

wie er von den Bewohnern erschossen und im

Sand vergraben wurde. Damit endete seine wagemutige

Reise, die er im Namen des Glaubens angetreten

hatte.

In den USA feierten christlich-evangelikale

Glaubensgemeinschaften den Missionar als Märtyrer.

Sowohl die indische Regierung als auch die

weltlichen Medien verurteilten seinen Einsatz jedoch

als dumm und leichtsinnig. Die selbstdarstellerische

Berichterstattung auf Instagram ließ

Zweifel daran aufkommen, ob es ihm allein um

die Missionierung ging. Chaus Vater nannte die

Missionsarbeit „fanatisch“ – die Schuld am Tod

seines Sohnes gab er nicht den Sentinelesen, sondern

den Kirchen und All Nations.

John Allen Chau wurde für seinen Missionsversuch

mit dem ersten Platz des Darwin-Awards

2018 ausgezeichnet. Ein Negativpreis, der über

Menschen berichtet, die „ein besonderes Maß an

Dummheit“ zeigen. Er wird seit 1994 vergeben.

Bis heute stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit

von Missionsarbeit. Wie weit darf man

gehen, um Menschen zu seinem Glauben zu bekehren?

Die Grenze sollte spätestens dann gezogen

werden, wenn jemand zu Schaden kommen

kann. John Allen Chau übertrat diese Grenze

mehr als einmal und bezahlte mit seinem Leben.

Er wurde 27 Jahre alt. Seine Leiche wurde nie geborgen

und liegt bis heute am weißen Sandstrand

der Insel vergraben.


18 BOLD

mediakompakt

Meine mutigste

Entscheidung!

Ob Abenteuerurlaub oder der Entschluss, die Haare radikal kurz

zu schneiden – jeder hat schon eine einschneidende Erfahrungen

gemacht. Fünf Menschen erzählen ihre fünf Geschichten.

Jede von ihnen bold. Auf ganz eigene Weise.

AUFGEZEICHNET VON SVEN NEIDINGER UND CHARLOTTE KOVAC

„Die Zeit hat mich für mein restliches Leben geprägt.“

Meine mutigste Entscheidung würde ich gleichzeitig als meine Nachhaltigste bezeichnen. Nach dem Abitur habe

ich mich dazu entschieden, ein Freiwilliges Soziales Jahr in einer Werkstatt für behinderte Menschen zu machen.

Dadurch habe ich nicht nur einen ersten Einblick in die Berufswelt erhalten, sondern gleichzeitig auch sehr viel an

Reife dazugewonnen. Die Zeit dort hat mich für mein ganzes Leben geprägt. Meine Entscheidung für eine Werkstatt

für Menschen mit Behinderung hat mich damals schon etwas Überwindung gekostet, aber ich hatte das Gefühl

die gemeinsame Arbeit mit diesen tollen, besonderen Menschen könnte mir nochmal einen anderen Blickwinkel

auf uns Menschen und unser Leben geben. Im Endeffekt war dieser Gedanke genau der Richtige. Ich habe

insgesamt genau ein Jahr dort gearbeitet und auch Dinge, vor denen ich zu Beginn noch etwas Respekt oder gar

Angst hatte, wie z.B. verschiedene Aufgaben im Pflegebereich, gingen mit der Zeit problemlos von der Hand. Ich

kann heute also sagen, dass die Entscheidung, für die ich wirklich Mut aufbringen musste, einen durchweg positiven

und einschneidenden Effekt auf mich und mein Leben hatte. Die vielen herzensguten Menschen, die ich dort

kennenlernen durfte, haben mein Leben auf jeden Fall bereichert und bleiben unvergessen für mich. Diese Erfahrung

hat mich in meinem Denken nachhaltig verändert, weshalb es nicht nur meine mutigste, sondern vor allem

auch eine meiner besten Entscheidungen meines Lebens war.

Daniel Cecura studiert Mediapublishing an der Hochschule der Medien. Nach seinem Abitur entschloss er sich dazu, eine FSJ-

Stelle anzutreten, die ihn als Mensch bis heute nachhaltig beeinflusst hat.

„Keine Sorge, das übernehme ich.“

Am 1. Mai 1979, ich hatte gerade im Alter von 24 Jahren

mein Studium abgeschlossen, wurde ich Vater

einer kleinen Tochter. Sie war das Ergebnis einer typischen

Studentenliebe. Die Mutter war eine Kommilitonin

aus meinem Semester, das Ganze war ungeplant

und ohne Kind hätten sich unsere Wege nach dem

Studium wahrscheinlich getrennt.

In der ersten Zeit nach der Geburt absolvierte ich meinen

Zivildienst und wir teilten uns die Betreuung des

Kindes. Ende Mai 1980 begann die Mutter des Kindes

ein Zeitungsvolontariat, allerdings in einer anderen

Stadt. Wir führten fortan eine Wochenendbeziehung,

unter der Woche kümmerte ich mich um die Kleine.

Völlig überraschend bekam ich im Herbst 1980 ein

Jobangebot für eine Referandariats-Stelle aus Hessen.

Die Mutter meiner Tochter war entsetzt, sie war ja

selbst mitten in ihrem Volontariat und konnte sich

während der Arbeit schlecht um die Kleine kümmern.

Das war der Moment für meine mutigste Entscheidung

und den folgenschweren Satz: „Keine Sorge, das

übernehme ich“.

Ich kümmerte mich fortan also allein um meine Tochter,

neben meiner Arbeit als Referendar in der Schule.

Die Beziehung zu meiner Frau ging kurze Zeit später

auch auseinander. Ein alleinerziehender

Vater war damals eine echte

Seltenheit, mir wurde dennoch

sehr viel Unterstützung von allen

Seiten entgegengebracht. Trotzdem

verlangte mir meine Entscheidung

extreme Disziplin ab,

ich konnte nicht wie andere in

meinem Alter einfach machen auf

was ich Lust hatte, an meiner Seite

war ja immer ein kleines Kind. Die

größte Herausforderung war also

immer, nicht unzufrieden zu werden

und der Kleinen die Schuld zu

geben, dass meine eigenen Bedürfnisse

zu kurz kommen. Heute

kann ich aber ehrlich sagen, diese

Gedanken nie gehabt zu haben

und ich habe meine mutige Entscheidung

von damals nie bereut.

Ulrich Huse war jahrelang Professor und Studiengangsdekan

des Studiengangs Mediapublishing an der Hochschule

der Medien. Eine Reihe unerwarteter Ereignisse führten

direkt nach dem Studium zu einem Satz, der sein Leben für

immer verändern sollte.

Bilder: Privatarchiv der dargestellten Personen


02/ 2021 BOLD 19

„Allein, in einem völlig fremden Land.“

Im Jahr 1992, im Alter von21 Jahren, habe ich ohne jegliche Reiseerfahrung ganz allein eine dreiwöchige

Reise nach Japan unternommen. Angekommen in einem kleinen Küstenort und mit der

Buchungsbestätigung der Jugendherberge – natürlich in japanischer Sprache – in der Hand machte

ich mich vom Bahnhof aus auf die Suche nach meiner Unterkunft. Die nette alte Verkäuferin

eines Antiquitätengeschäfts offenbarte mir zu meinem Entsetzen jedoch, dass es in dieser Stadt gar

keine Jugendherberge gab. Ich war also allein, in einem mir völlig fremden Land, gestrandet auf

der Suche nach einer Unterkunft, ohne Handy und ohne Internet. Ganz zur Belustigung der japanischen

Verkäuferin, die sofort ihre ganze Familie über meine missliche Lage unterrichtete. Ich

wurde mit Tee und Reisbällchen versorgt und nach stundenlangem Telefonieren mit dem zentralen

japanischen Jugendherbergsverband fand die japanische Familie heraus, wo die Jugendherberge

war. Glücklicherweise war ich in dieser kleinen Gasse auf die – laut eigener Aussage – „einzigen

Japaner mit einem Mercedes“ gestoßen, mit dem ich dann freundlicherweise zu meiner Unterkunft

chauffiert wurde. Am Ende ging also alles gut aus, und rückblickend kann ich durchaus sagen,

dass sich meine mutige Entscheidung nach Japan zu reisen, ausgezahlt hat. Sie hat mir geholfen

zu verstehen, wie klein wir Menschen doch auf dieser riesigen Erde sind, und dass man manche

Dinge nicht zu wichtig nehmen sollte. Letztlich hat mir die Reise auch viel Selbstvertrauen gegeben

und mir gezeigt, wie viele nette, hilfsbereite Menschen es auf dieser Welt gibt.

Katrin Hassenstein unternahm während ihres Studiums eine Reise ins weit entfernte Japan, und erlebte dort

eigene Verzweiflung und fremde Hilfsbereitschaft am eigenen Leib. Nach mehrjähriger Tätigkeit als Pressesprecherin

bei der Lufthansa ist sie jetzt Professorin im Studiengang CR/PR an der HdM.

„Ich erntete nicht nur Lob.“

Als Willy Brandt 1969 Bundeskanzler wurde, war ich 26 Jahre alt

und Lehrer an einer Grundschule in einem 600 Einwohner zählenden,

landwirtschaftlich geprägten Dorf. Fast alle Leute waren katholisch,

fast alle wählten CDU. In dieser Zeit wagte Bundeskanzler

Willy Brandt (SPD) neue Schritte in der Ostpolitik, um humanitäre

Erleichterungen für die Menschen in der DDR zu erreichen. Dieses

Vorhaben fand in der Bevölkerung keine ungeteilte Zustimmung.

Als junger Mensch mit 26 Jahren war ich von Willy Brandts Weg

voll überzeugt und trat auch mit Leserbriefen in überregionalen

Zeitungen und Zeitschriften für diese Politik ein. Ich wurde Mitglied

in der SPD, kandidierte für den Kreistag und war bald einer der

drei Juso-Vorsitzenden in einer benachbarten Stadt. Natürlich blieben

meine politische Einstellung und meine Aktivitäten der Einwohnerschaft

meiner 600-Seelen-Gemeinde nicht verborgen. Mir

war klar, dass ich mich auf dünnem Eis bewegte. Erzkatholisch, eine

traditionelle CDU-Wählerschaft in weitem Umkreis, und da der

junge Lehrer mit den revolutionären Ansichten! Ich erinnerte mich

in dieser Zeit, umgeben von einer überwältigenden CDU-Wählerschaft,

an den Afrikaforscher Gustav Nachtigal, der einmal gesagt

hatte: „Wohin ich auch blicke, ich sehe nur Schwarze!“ .Was kam?

Natürlich erntete ich nicht nur Lob, aber das mutige Eintreten für

meine Überzeugung wurde von der Einwohnerschaft mehrheitlich

respektiert und teilweise auch anerkannt. Drohbriefe und sogar

Morddrohungen gab es nur von Leuten, die auf meine überregionalen

Leserbriefe reagierten und mir nahelegten, in den Osten überzusiedeln.

Meine Dorfkinder durfte ich weiter unterrichten, sie als Jugendtrainer

für Fußball begeistern und mit ihren Vätern und Opas

im Männergesangverein singen. Und wenn vor Wahlen die beiden

Lehrer des Ortes einträchtig nebeneinander CDU- und SPD-Plakate

an die Wände hefteten, nahm niemand Anstoß.

Günter Neidinger ist Buchautor und pensionierter Grundschullehrer. In seiner

aktiven Zeit als Lehrer engagierte er sich selbst politisch und trotzte

damit zahlreichen Gegenstimmen, um für seine Überzeugung einzutreten.

„Mutig sein bedeutet

für mich Veränderung.“

Die eine große, mutige Entscheidung habe ich nie getroffen. Dafür eher viele kleine Entscheidungen,

die im Nachhinein betrachtet mutig waren und mich dahin gebracht haben, wo ich jetzt bin. So war

das zum Beispiel auch mit meinem Gap Year – nach dem Abitur bin ich mit meiner besten Freundin

um den halben Globus geflogen. Ich glaube fest an das Konzept der Manifestation – man ruft sich Sachen

bildlich vor Augen und das tritt dann auch so ein. Allerdings glaube ich nicht, dass alles vom

Himmel fällt, man muss auch etwas dafür tun. Mutige Entscheidungen sind für mich die, die einen im

Endeffekt dahin bringen, wo man gerade ist. Wo ich jetzt bin, in Stuttgart, im Studium, mit den Leuten,

die ich kennengelernt habe – ich bin sehr glücklich und zufrieden. Mutig sein bedeutet für mich

vor allem Veränderung. Darum habe ich mir vorgenommen, nie Angst vor Veränderung zu haben,

weil Veränderung etwas Gutes ist. Es bedeutet etwas Neues auszuprobieren und an sich selbst zu wachsen.

Veränderung ist anstrengend, aber genau das macht für mich eine mutige Entscheidung aus: dass

man dem nachgeht was einen glücklich macht, anstatt immer auf der Stelle zu treten.

Selina ist 22 Jahre alt und studiert Crossmedia-Redaktion & Public Relations an der Hochschule der Medien in

Stuttgart. Sie ist Journalistin mit Leidenschaft und davon überzeugt, dass man im Leben alles erreichen kann, was

man sich vornimmt – wenn man nur hart genug dafür arbeitet.


20 BOLD

mediakompakt

Comics in der Masterthesis

Das Studium ist fast abgeschlossen. Alles, was noch fehlt ist die Thesis. Aber ein Thema zu finden

ist nicht einfach. Wie wäre es Comics, Manga und Graphic Novels damit zu verbinden?

VON LISA MEYLE

Es steckt jede Menge Arbeit darin, monatelang

eine Forschungsfrage durch

aufwendige Recherche und mit Zitaten

zu belegen und zu beantworten. Geschweige

denn ein Thema zu finden,

das einen interessiert. Genau vor dieser Aufgabenstellung

stand Lenja Busch am Ende ihres Masterstudiums

in Dramaturgie. Es musste etwas sein,

das sie interessierte, und das Parallelen zwischen

ihren privaten Interessen und dem Studium aufzog.

Sie landete bei ihrer

Langzeit-Faszination

Comic und brachte diese

mit dem Theater zusammen.

Comics kennt jeder –

das sind in aller Regel

gezeichnete Bildergeschichten.

Was Figuren

sagen oder denken, wird

im Comic meist in

Sprechblasen ausgedrückt.

Dazu verdeutlichen

Ausdruckswörter

wie „uff“, „argh“ oder

„zack“ sowie Bewegungsstriche

das Geschehen,

Und sie erzeugen

Dynamik. Bekannte

Vertreter*Innen sind Asterix

und Obelix, Donald

Duck, Wonder Woman

oder Lucky Luke.

Das japanische Äquivalent

heißt Manga und

hat sich mit eigenen

kulturellen Einflüssen

fernab westlicher Werte

entwickelt. Allerdings

sind die oft mehr als 500

Seiten starken Bände in

schwarz-weiß gedruckt,

haben die Länder-typische Leserichtung von

rechts nach links und sind bekannt für ihre äußerst

dynamische Seitenarchitektur. Der Manga

fand einen Teil seiner Dynamik durch die Einflüsse

des Films und wirkt bis heute mit seiner ganz

eigenen Form von Theatralität und Pathos.

Als Graphic Novels werden Erwachsenen-

Comics bezeichnet, die sich durch komplexere

Themen und Ausgestaltungen auszeichnen. Der

Begriff ist in seiner Wirkung ambivalent, so hat er

dem Comic ermöglicht einen Schritt aus den Kinderschuhen

herauszutreten, weist aber zugleich

durch seine Existenz immer wieder auf die Infantilisierung

des Mediums Comic hin.

Für Lenja Busch sind Comics die perfekte Mischung:

sie sind zugänglich und bereiten schwierige

Themen leicht auf, sind dennoch nicht weniger

komplex als ein Roman. Die Klischee-Annahme

ist oft, dass Comics ein „junges Medium“ sind

und sich vor allem für Kinder und Jugendliche

eignen. Aber viele Comics behandeln Themen,

die historische, politische und gesellschaftliche

Debatten aufgreifen und verzaubern durch ihre

beeindruckende visuelle Umsetzung. Für Lenja

Busch steht fest, dass der Comic sich gar nicht beweisen

oder rechtfertigen muss, es handele sich

um ein eigenes Medium, das auf „eigenen, starken

Beinen“ steht.

Die Strategien des Comics im theaterwissenschaftlichen

Kontext zu denken markiert einen

weißen Fleck in der Forschungslandschaft. Die

Quellen, auf die sie ihre Masterarbeit stützt, sind

theaterwissenschaftliche Texte, Comic-Theorie

und -Grundlagenforschung, sowie Dokumentationen,

Museumspublikationen, Interviews und

Lektüre in Englisch und Französisch. Angewandt

hat sie ihre Forschung an zwei Performances, die

sie im Format der Aufführungsanalyse erörtert

hat: „She Legend“ von Jüngst / Rykena und „Sieg

über die Sonne“ von SKART. Durch ihre Arbeit in

der Dramaturgie Kampnagels, einem internationalen

Produktionshaus in Hamburg, hatte sie

direkten Kontakt zu den Performance-Kollektiven

und so einen tiefgreifenden Einblick in deren

Schaffensprozess.

Der Comic, der in ihrer Arbeit im Zentrum

steht, ist selbst heute noch stereotypisch kategorisiert,

von Forscher*Innen als unintellektuell oder

„poppig” angesehen

und in einer Hierarchisierung

der Künste

weiterhin eher unten

angesiedelt. Ihr sei es

wichtig gewesen, mit

ihrer Forschung Einblick

und Anwendungsfelder

aufzuzeigen,

die den Comic

mit allen Facetten und

Möglichkeitsräumen

darstellt, sagt die Studentin.

In ihrem Fazit

betont sie die Nichtigkeit

einer Hierarchisierung

im kulturellen

Kontext und spricht

sich für das Potenzial

einer Gleichstellung

der Künste aus.

Mit seiner visuellen

Arbeit kann er tiefe

Einblicke in Thematiken

und Narrative bieten,

die intensive

Momente in der Rezipierung

liefern. Der

Comic fesselt, lädt ein

breites und diverses

Bild: Lenja Busch

Publikum zum Lesen

ein und bleibt in Erinnerung.

So ist die Masterarbeit von Lena Busch

nicht nur ein gelungener Abschluss ihres Studiums,

sondern ihre ganz persönliche Hommage an

ein unterschätztes Medium.

Leseempfehlungen

Tag X – Setona Mizushiro

On A Sunbeam – Tilly Walden

My Favorite Thing Is Monsters – Emil Ferris

Sumpfland – Moki


02/ 2021 BOLD 21

Comedians: mutig oder dreist?

Komiker verdienen ihr Geld damit, gesellschaftliche Grenzen

auszuloten und zu überspringen. Sie trauen sich, auszusprechen,

was als unhöflich, frech oder beleidigend gilt.

VON MONA SCHENDERA

Die me-too-Bewegung und der

Hashtag #notallmen ist jedem ein

Begriff, auch in Deutschland. Mehr

als 100 Frauen, viele davon aus der

Filmbranche, haben in den vergangenen

Monaten gegen Hollywood-Größen wie

den Schauspieler Bill Cosby und den Produzenten

Harvey Weinstein ausgesagt. Doch nicht nur in

Hollywood ist „me too“ ein Thema. Studien belegen,

dass 97 Prozent aller Frauen in Deutschland

mindestens einmal in ihrem Leben sexuell belästigt

wurden. Eine ernüchternde Statistik, warum

sollte man darüber lachen?

Vielleicht, weil dadurch noch mehr Öffentlichkeit

für dies Themen geschaffen wird. Eines

der besten Beispiele liefert der schottische Comedian

Daniel Sloss, 30. Egal ob Religion, Tod, Liebe,

Trennung oder das Rasieren des Afters – er deckt

alle Themen ab. So auch in seinem Special X. Sloss

spricht im letzten Teil seiner Show die Vergewaltigung

einer guten Freundin durch einen seiner

Freunde an. Ein schwieriges Thema, was vor allem

für Zuschauer*Innen, die möglicherweise betroffen,

schwer auszuhalten ist. Sloss balanciert mit

seiner Performance auf einem schmalen Grat,

doch ihm gelingt es tatsächlich den Witzen Tiefgang

zu geben.

Obwohl er sich 75 Minuten über Sexismus lustig

macht, wandelt er die letzte Viertelstunde seines

Auftritts zu einem TedTalk um. Zur Erläuterung,

TedTalks sind Vorträge oder Präsentationen,

hinter denen eine bestimmte Idee steckt, die

etwas bewirken soll.

„Wenn ich komplett ehrlich zu mir selbst bin,

habe ich fragwürdiges Verhalten bei meinem

Kumpel gegenüber Frauen bemerkt, aber nichts

dagegen getan. Ich dachte, ich bin ja nicht wie er,

deshalb auch nicht Teil des Problems. Diese

Schuld liegt bei mir und meine Freundin muss damit

leben“, gibt Sloss offen zu.

Die Frage bleibt, ob es sinnvoll ist, dieses sensible

Thema auf einer Comedy -Bühne zu präsentieren.

Sloss baut Witze in die Geschichte ein, was

dazu führen könnte, dass sie nicht ernst genommen

wird. Damit verfolgt er jedoch das Ziel, dass

die Gesellschaft und besonders die Männer nicht

mehr wegschauen können. Er nutzt die Aufmerk-

Bilder: Facebook,

Instagram

und Ashleigh

samkeit, die er sich durch den ersten Teil der Show

aufgebaut hat. Das soll, wie er klarstellt, kein Angriff

gegen Männer sein, doch seine Freundin leihe

ihm ihre Geschichte aus einem bestimmten

Grund, wie er sagt: „Männer werden auf andere

Männer hören, aber nicht auf Frauen.“

Klingt nach einer kühnen Aussage. Die Erklärung

dazu: „Wenn man einen Frosch in kochendes

Wasser schmeißt, hüpft er sofort wieder heraus.

Wenn man ihn aber in kaltes Wasser lässt

und langsam die Temperatur aufdreht, merkt er

den Unterschied nicht.“

Eine Metapher, die ins Schwarze trifft. Kochend

vor Wut war auch die junge Komikerin Kelly

Bachman bei einem Auftritt in New York. Im

Publikum saß Harvey Weinstein. Sie betrat die

Bühne mit den Worten: „Ich bin etwas angespannt.

Ich wusste nicht, dass wir unsere Vergewaltigungspfeifen

mitbringen sollten.“ Die Reaktion

des Publikums unterstreicht die Aussage von

Sloss. Mehrere männliche Stimmen erhoben sich

(„Halt den Mund“) und buhten Bachman aus.

Kelly Bachman hat bewiesen, was Rückgrat bedeutet.

Sie hat ausgesprochen, was keiner der

Männer unter den Zuschauern hören wollte. Sie

wollen nicht alle über einen Kamm geschoren

werden. Und dennoch attackierten sie die Komikerin

und nicht den Hollywood-Produzenten, gegen

den zu dem Zeitpunkt schon mehrere Anklagen

wegen Sexualstraftaten liefen. Komiker brauchen

ein dickes Fell. Sie teilen aus und müssen

sich auf Shitstorms gefasst machen. Dennoch ist

es wichtig, weiter für die Wahrheit einzustehen,

selbst wenn sie in Form von Witzen zu Tage tritt.

Hilfetelefon

Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ bietet

24-Stunden-Unterstützung und ist unter der

Nummer 08000 / 116 016 zu erreichen.

Das Hilfetelefon für „Gewalt gegen Männer“

unter der Nummer 0800 / 1239900.


22 BOLD

mediakompakt

BOLD

WILL

HOLD

Bilder: Studio Butterberg

Bild: Pixabay

Willkommen in einem Beruf, der garantiert unter

die Haut geht. Willkommen im Studio Butterberg.

VON VIVIEN STAIB UND VIVIEN BÜCHELE

Es sind zwei Stufen hinab in das gemütliche

Souterrain-Studio. Der Blick fällt

direkt auf das rot-braune Ledersofa

und die goldene Straußenvogel-Lampe.

Die vielen grünen Zimmerpflanzen

und der helle Orientteppich lassen nicht vermuten,

dass sich hier das Tattoostudio Butterberg

verbirgt. Ann-Denise Gilberg, Jan Schuttack und

Connor Steinert haben sich hier selbst verwirklicht

und im Stuttgarter Süden einen Raum für

Kreativität geschaffen. „Es ging uns darum, den

Raum selbst zu gestalten, etwas zu schaffen, wo

man sich zu Hause fühlt. Das Studio Butterberg ist

wie ein extra Zuhause mit Leuten, die man sich

ausgesucht hat“, beschreibt es Jan Schuttack,

einer der Inhaber des Studio Butterberg.

Der Grund für das besondere Gefühl im Studio

Butterberg sei, dass vergleichbare Tattoostudios

meistens nur einen Besitzer hätten. Hier sind es

drei gleichberechtigte kreative Köpfe, die gemeinsam

arbeiten und gemeinsam entscheiden. Ann,

Jan und Connor haben 2020 das Studio Butterberg

gemeinsam gegründet. Jeder Tätowierer hat

seinen eigenen Platz. Für Mitinhaberin Ann Gilberg

bedeutet dies vor allem Freiheit: „Tätowieren

ermöglicht mir alles, was mir wichtig ist: Reisen,

selbstständig arbeiten und mein eigener Chef zu

sein. Tätowieren ist für viele verirrte Kreative eine

Art Auffangbecken. Für alle, die mit einem Nineto-five-Job

nicht klarkommen.“

Die 32-jährige Quereinsteigerin spricht aus

Erfahrung: Sie hat bereits als Requisiteurin und

Stagehand im Theater gearbeitet, war bei der

Müllabfuhr auf Festivals dabei und hat Basketball-

Böden in der MHP-Arena Ludwigsburg verlegt.

Jan war auf Konzerttourneen für Lichtanlagen zuständig

und im Wizemann Stuttgart als Veranstaltungstechniker.

Erst seit dem Tätowieren fühlen

sich die beiden Künstler angekommen. „Bei den

Jobs davor hat man gewusst, dass es nicht für die

Zukunft ist. Man kommt unverhofft und unkonventionell

zum Tätowieren. Es gibt keinen institutionellen

Weg“, sagt der 34-Jährige. „Es bereitet

Freude, vor allem, wenn ich den Eindruck habe,

dass meine Arbeit Anklang in der Außenwelt findet.

Es geht darum, dass ich etwas tue, was ich

nach außen geben kann.“

„Für mich ist es ganz klar

ein Beruf.“– Ann Gilberg

Trotz der großen Freude, die das Tätowieren

den Künstlern bringt, grenzen sich Ann Gilberg

und Jan Schuttack dennoch ab. Es müsste für Ann

nicht unbedingt Tätowieren sein: „Es könnte

auch Töpfern und Schreinern sein. Generell liebe

ich Lernen. Sollte ich jemals an den Punkt kommen

zu sagen, dass ich beim Tätowieren alles

kann, höre ich wahrscheinlich damit auf.“

Jan strebt ebenfalls nach mehr, er könnte sich

vorstellen, in zehn Jahren Besitzer von mehreren

Läden zu sein: „Tätowieren ist nur ein Schritt dahin,

das Nächste anzupacken. Gerade schreibe ich

mit einem Freund an einem Businessplan für ein

Café. Das Gefühl, hier alles aufzubauen, hat mich

angefixt. Den Schlüssel einzustecken und zu wissen:

Das ist mein Laden, das ist echt cool.“ Ann

teilt dieses Gefühl, sie sagt: „Man muss es einfach

machen. Ich habe schon die größten Idioten was

auf die Beine stellen sehen – bei denen klappt es

auch. Man muss sich einfach trauen.“

Doch noch heute hat man den Eindruck, vorherrschende

Konventionen und Vorurteile halten

sich so hartnäckig wie Tattoos selbst. Auch die Tätowierer

vom Studio Butterberg wurden mit vielen

Vorurteilen konfrontiert, etwa giftiger Tinte

oder dass alle Tätowierten unreif, unvernünftig

und unordentlich seien. Ann widerspricht entschieden:

„Tattoos sind etwas Unschuldiges und

Sinnloses. Man kann sie nicht verkaufen oder ablegen,

sie sind einfach nur für einen selbst. Das ist

eine Entscheidung, die man frei für sich trifft.“

Jan ist derselben Meinung: „Man hat Einfluss

über den eigenen Körper. Keiner kann es dir verbieten.

Es gibt nur wenige Fälle, in denen man das

bereut. So müsste man ja viele Entscheidungen im

Leben bereuen. Vielleicht findest du es nicht

mehr schön, aber das ist alles.“ Für die beiden bedeuten

Tattoos Selbstbestimmung und gleichzeitig

auch, dass man im Leben nicht zurückschauen

sollte: „Man lernt durch Tattoos auch Entscheidungen

im Leben zu treffen. Am Ende des Tages

ist es überhaupt nicht schlimm, wenn das Motiv

einen Zentimeter weiter links ist. Das ist schon alles:

das Leben geht weiter.“

„Bold will hold“, das ist eine Tätowierer-Weisheit

und bedeutet übersetzt: „Dicke Linien werden

halten“. Doch egal ob feine oder dicke Linien, eines

ist sicher: Die Spuren, die Jan Schuttack und

Ann Gilberg auf der Haut hinterlassen, sind nicht

nur sichtbare Kunst, sondern Erinnerungen für

die Ewigkeit.


02/ 2021 BOLD 23

Von links: Ann Gilberg, Connor Steinert, Jan Schuttack

Bilder: Studio Butterberg

Ann Gilberg

Jan Schuttack

Alles begann, als Ann nach einer langen Partynacht

mit einer Nähnadel und Kugelschreibertinte

einen Origami-Kranich auf ihrem Handgelenk

verewigte. Zu Anns Lieblingstattoo auf ihrem Körper

sind unzählige Tattoos dazugekommen. Die

gebürtige Kölnerin ist seit 2016 fester Bestandteil

der Stuttgarter Tattooszene. Gemeinsam mit dem

Handpoke-Artist Connor stach sie ihre ersten Tattoos

in der ehemaligen Calwer Passage, dem Fluxus.

Mit „Handpoke“, das bedeutet nur mit einer

Nadel und Tinte, ohne elektrische Tattoomaschine,

sticht sie erst Freunden, dann Kunden Tinte

unter die Haut. Sanft, langsam und ganz intim.

2019 stieg sie auf eine elektrische Maschine um,

mit der sie seither ebenso erfolgreich ihre Kunst

verewigt. Die 32-Jährige sticht vorwiegend Flashes,

selbstentworfene Tattoos, die einmalig sind.

Die Tätowiererin beschränkt sich nicht nur auf

ein Handwerk: Sie töpfert und bemalt ihre Stücke

selbst, sie schreinert und bedruckt T-Shirts.

Hauptsache kreativ. Ann ist ein autodidaktes Multitalent,

vor der keine Handwerkskunst sicher ist.

Infobox

Der Name Butterberg:

Entstanden durch eine Tombola-Losziehung

in einem Stuttgarter Café.

Namensgebung:

1970 bis 2007 gab es in Westeuropa eine ständige

Überproduktion von Butter, da die

Milchpreise stark gesunken sind. Man konnte

die Butter faktisch häufen, weil so viel produziert

wurde. Es gab Butterberge.

Jan ist das fehlende Puzzleteil, das die Butterbergfamilie

vervollständigt. Er bevorzugt freihändig

florale Muster und legt viel Wert darauf, dass

alle Kunden sich im Butterberg zu Hause fühlen.

Dies kommt besonders mit seiner eloquenten

Wortwahl und lockeren Art zum Ausdruck. Dank

Ann kam er 2019 zum Handpoken, ist mittlerweile

ebenfalls auf Maschine umgestiegen. Der gebürtige

Kornwestheimer befindet sich noch immer in

seiner künstlerischen Findungsphase. Deshalb tätowiert

er nicht ausschließlich Flashes, sondern

nimmt auch Custom-Tattoos an und setzt diese

um. Custom-Tattoos sind Motive, die der Kunde

in Absprache mit dem Künstler erstellt. Sie sind

im Gegensatz zu Flashes zeitaufwendiger und individuell

auf die Wünsche des Kunden angepasst.

Vor dem Tätowieren arbeitete er in der Veranstaltungsbranche,

unter anderem als Lichttechniker

auf Live-Tourneen und im Wizemann. Als Inspirationsquellen

dienen ihm oft die Erfolgsgeschichten

aufstrebender Persönlichkeiten. Nicht

nur für seine Arbeit, sondern auch für das Leben.


24 BOLD

mediakompakt

So aggressiv sind

Hunde wirklich

Das „Gesetz zur Bekämpfung gefährlicher Hunde“ wurde 2009 im Bundestag erlassen.

Es besagt, die Einfuhr, Vermehrung und Abgabe von Listenhunden gegen Entgelt ist verboten.

Doch gibt es tatsächlich Hunderassen, die potenziell bedrohlicher sind?

Oder schürt die Regelung Misstrauen und Angst?

VON SINA CIKAR

Listenhunde, im allgemeinen Sprachgebrauch

fälschlicherweise als „Kampfhunde“

bekannt, sind Hunderassen,

welche im 18. und 19. Jahrhundert für

Hundekämpfe bevorzugt wurden. Dabei

wurden meist Terrier mit Bulldoggen gekreuzt.

Merkmal dieser Kreuzung waren unter anderem

ein stabiles Gebiss und ein kräftiger sowie sportlicher

Körperbau. Der daraus entstandene Bullterrier

wurde in der Anfangszeit gezielt auf das Angreifen

von Artgenossen selektiert, welches die innerartliche

Aggression förderte. Ende des 19. Jahrhunderts

wurde beschlossen, dass Hundekämpfe

und die Zucht von Hunden, welche mit dem Ziel

des Kampfes gezüchtet wurden, verboten werden.

Diese Hunderassen kämpfen schon länger

nicht mehr in Arenen, doch ihr Image in der Bevölkerung

ist noch immer schlecht. Bullterrier-

Rassen werden jahrzehntelang ohne gezielte Selektion

gezüchtet, daher gibt es heutzutage natürlich

Hunde dieser Rassen, die diese negativen Verhaltensweisen

nicht stärker ausgeprägt haben als

andere. Zum Vergleich: der Begriff der Hirtenhunde

trifft ebenso auf mehrere Rassen zu, dennoch

eignen sich nicht mehr alle davon für das Hüten

von Schafen. Wer das Wesen von den Rassen

American Staffordshire Terrier und einem Pitbull

Terrier einmal näher anschaut, dem wird schnell

klar, dass diese Hunde als gutmütig, treu, intelligent,

freundlich und Menschen gegenüber äußerst

anhänglich gelten.

„Der Mensch und

nicht die Rasse

macht den Hund

zum Kampfhund.“

Bild: Cikar

Die aus den USA stammenden

Rassen werden in

Großbritannien und in den

USA als „Nanny-Dog“ bezeichnet,

dort sind sie also

als Familienhunde bekannt.

Doch wie kommt es,

dass spezielle Rassen noch

immer einen schlechten

Ruf haben? In den Jahren zwischen 2000 bis 2005

kam es zu einer starken Zunahme der Medienberichte,

mit dem ein großes öffentliches Interesse

einherging, nachdem es zu einigen Angriffen von

Hunden kam, bei welchen Menschen verletzt und

in manchen Fällen sogar getötet wurden. Die Ereignisse

führten zur Debatte des Gesetzes zur Bekämpfung

gefährlicher Hunde. Seit 2000 gibt es

außerdem die Pflicht, mit Listenhunden den sogenannten

Wesenstest durchzuführen. Dies geschieht

bei Hunden im Alter von sechs Monaten,

15 Monaten und dann jeweils alle vier Jahre. Der

Wesenstest untersucht das Gefahrenpotenzial eines

Hundes, welches von

Sachverständigen

geprüft

wird. Hierbei wird das allgemeine

Hundeverhalten und

das Verhalten in Stresssituationen

im Alltag überprüft.

Laut Dr. Anna Laukner,

Amtstierärztin von Stuttgart,

gibt es im Jahr etwa 70 Wesenstests.

In den letzten drei

Jahren sei dabei nur ein Hund durchgefallen. Es

werden jährlich etwa 30.000 bis 50.000 Verletzungen

durch Hunde erfasst. Die Rassen, welche

die meisten Bissverletzungen zu verzeichnen

haben, sind laut Tierschutzombudsfrau Dr. Barbara

Fiala-Köck und der sogenannten Hundebiss-

Studie, die vom Kinderunfall-Forschungszentrum

durchgeführt wurde, zur Überraschung vieler,

Schäferhunde und Mischlinge. Fakten, die deutlich

belegen, dass eine gefährliche Einstufung

bestimmter Rassen veraltet und kein geeignetes

Instrument zur Wahrung der Sicherheit ist.

Bald soll der Hundeführerschein für alle Hunde

in Deutschland eingeführt werden. Der Sachkundenachweis

soll fünf Praxisstudenten je 90

Minuten und drei Theorie-Blöcke je zweieinhalb

Stunden umfassen. Wie der SWR berichtet, kostet

die Prüfung 200 Euro plus Gebühren. Expertin

Laukner nennt das prinzipiell vorteilhaft, da sich

viele Menschen nicht mit der Hundehaltung auseinandersetzen

und die Körpersprache des Tieres

nicht richtig einschätzen können, was zu Beißvorfällen

führen kann. Jedoch sollten langjährige

Hundebesitzer nicht benachteiligt werden.

In Zukunft wird sich zeigen, ob der allgemeine

Hundeführerschein dazu führt, Beißvorfälle vorzubeugen

und das Image der Listenhunde aufzubessern.

Da viele Menschen diese Tiere mit Beißvorfällen

verbinden, könnte ein Rückgang der allgemeinen

Beißstatistik das Image der Listenhunde

positiv beeinflussen und helfen, dass die Liste

für spezielle Hunderassen abgeschafft wird.


02/ 2021 BOLD 25

Kätzchen gegen

den Corona-Blues?

Bild: Matejka

Die soziale Isolation weckt in vielen Menschen den Wunsch nach einem vierbeinigen

Mitbewohner. Eigentlich schön, aber diesen „Haustier-Boom“ ist kritisch zu betrachten.

Denn Tiere sind kein Frustkauf gegen Langeweile.

VON LEA MATEJKA

Im Corona-Jahr 2020 lebten 1,6 Millionen

mehr Hunde und Katzen in deutschen Haushalten,

als noch im Vorjahr. Tierheime sind

so leer wie nie zuvor und Züchter können

sich vor Anfragen kaum retten. Die Nachfrage

ist riesig. Das kann auch Ingrid Noller bestätigen.

Sie arbeitet seit rund 40 Jahren ehrenamtlich

bei der Katzenhilfe Stuttgart. Gemeinsam mit ihrem

Mann betreut sie hilfsbedürftige Katzen bei

sich zuhause und vermittelt diese an geeignete Besitzer.

Zum Zeitpunkt des Interviews war bei ihr ein

Muttertier mit vier Jungen untergebracht. Unter

normalen Umständen waren es häufig zehn oder

mehr Katzen. „In unserer Auffangstation ist eine

einzige Katze. Das gab es noch nie. Auf die vier

Kleinen habe ich mindestens 80 Anfragen per

Mail bekommen. Vor drei bis vier Jahren war das

noch ganz anders. Da hatten wir bei der Katzenhilfe

80 Katzen und 3 Leute mit Interesse. Das war

total umgekehrt.“ erklärt sie. Sie vermutet, dass

dies klar dem Corona-Lockdown geschuldet sei.

Mehr Zeit, Home-Office und Einsamkeit spielen

eine Rolle. „Hoffen wir, dass die nicht alle wieder

zurückkommen.“ Dann wären die Vermittlungen

umsonst gewesen. Wenn Tiere zurückgebracht

werden ist das purer Stress, den die Katzenhilfe

dringend verhindern will. Es wird versucht

immer die beste Entscheidung für das Tier zu treffen.

Der Verein finanziert sich durch Spenden

und verdient im Gegensatz zu Züchtern kein Geld

mit den vermittelten Katzen. Noller vermutet,

dass Züchter momentan großen Auftrieb erleben:

„Niemand hat Katzen, es ist wirklich verrückt.“

Aber ist es überhaupt ethisch Tiere bei Züchtern

zu kaufen? Unter normalen Umständen gibt

es kaum einen vertretbaren Grund, gezüchtete

Katzen zu kaufen. Schließlich sind diese Tiere

meist unkompliziert. Es gibt genug Katzen in Tierheimen

oder bei der Katzenhilfe, die dringend ein

liebevolles Zuhause suchen. Ingrid Nollers erste

Katze war eine gekaufte Perserkatze. Sie wollte mit

ihrer Tierliebe noch einen Schritt weitergehen

und trat der Katzenhilfe bei, um auch für Katzen

etwas zu tun denen es nicht so gut geht wie ihren

eigenen Stubentigern. Heute würde sie keine Katzen

bei Züchtern mehr kaufen.

In einer seltsamen Zeit wie dieser sollte sich jeder

unbedingt die Frage stellen, was echte Tierliebe

ist. Sina Cikar, eine Studentin, die neben zwei

Katzen von der Katzenhilfe seit kurzem auch einen

Hundewelpen hat, findet, dass Tierliebe viel

mit artgerechter Haltung zu tun hat. Gerade Wohnungskatzen

brauchen Spielsachen, Gesellschaft

und frische Luft. Leider hielten viele Leute Tiere

eher aus Egoismus und würden dabei das Tierwohl

aus den Augen verlieren. Denen ginge es

eher um ihr eigenes Wohl.

Aber was sollte bedacht werden, wenn das Bedürfnis

entsteht, sich ein Haustier anzuschaffen?

Alina und Alex, die sich kürzlich ihren ersten

Hund angeschafft haben raten: „Mache dich im

Vorfeld schlau und beantworte dir vor der Anschaffung

die Fragen, die dir eigentlich erst einfallen

würden, wenn das Tier da ist. Und kaufe auf

keinen Fall aus einem Impuls heraus ein Tier.“

Die Katzenhilfe Stuttgart ist eine gute Anlaufstelle

für Leute die zum ersten Mal eine Katze

aufnehmen wollen. Auf der Website gibt es zahlreiche

Tipps zur Katzenhaltung und für das Eingewöhnen.

Die ehrenamtlichen Mitarbeitenden

helfen, die richtige Katze zu finden, und stehen

bei Fragen zur Verfügung. Ingrid Noller sagt, es sei

vor allem wichtig bereit zu sein, für das Tier bis zu

dessen Tod zu sorgen. Wenn man merkt, dass

man das nicht kann, sollte man sich lieber kein

Tier anschaffen und andere Möglichkeiten

suchen die Tierliebe auszuleben

Die Katzenhilfe

Die Katzenhilfe Stuttgart e.V. ist ein Verein, dessen

oberstes Ziel es ist Katzenelend in und

um Stuttgart zu verhindern oder zu lindern.

Sie:

- fangen und kastrieren freilebende Katzen,

um deren Vermehrung einzuschränken

- versorgen kastrierte Wildlinge an Futterstellen

in ganz Stuttgart – ein Katzenleben lang

- ist Anlaufstelle für kranke, misshandelte

und heimatlose Katzen

- vermitteln ausgesetzte und herrenlose Katzen

an verantwortungsvolle Menschen, die

ihnen ein gutes Zuhause geben

Weitere Infos, Tipps und Kontaktadressen

unter: https://katzenhilfe-stuttgart.de/


26 BOLD

mediakompakt

Bild: Pexels

Warum gleich nicht gleich ist

Wir leben in einer gleichberechtigten

Welt. Schließlich

dürfen wir alle wählen,

studieren oder arbeiten,

was wir wollen. Und wir

haben eine Kanzlerin! Doch

hat wirklich jeder gleiche

Chancen auf Gesundheit,

Sicherheit und Erfolg?

VON LAURA EVERS UND SOFIA WILHELM

Wer genauer hinsieht, erkennt, dass

Frauen in vielen Bereichen noch

immer benachteiligt sind. Das

liegt daran, dass wir in einer Welt

leben, in der fast nur Daten über

den vierzigjährigen Durchschnittsmann gesammelt

und zum Maßstab für alle gemacht wurden.

Bemerkbar machen sich die Probleme schon in

kleinen, unbedeutend erscheinenden Bereichen

wie bei der Portionsgröße im Restaurant oder

beim Gang zu den öffentlichen Toiletten.

Dort gibt es meist für Männer- und Frauentoiletten

eine gleichgroße Raumaufteilung, wobei

Pissoirs weniger Platz einnehmen und Männern

innerhalb des Männer-Waschraums mehr Möglichkeiten

bieten, sich zu erleichtern. Dabei ist es

erwiesen, dass Frauen wegen der Periode, zur Begleitung

von Kindern oder hilfsbedürftigen Menschen

und in Folge von Harnwegsinfekten die

Toilette im Schnitt häufiger aufsuchen müssen.

Mussten Frauen früherer Generationen die Erlaubnis

des Ehemannes einholen, um arbeiten gehen

zu dürfen, so scheinen dem weiblichen Geschlecht

in der Wirtschaftswelt heutzutage alle

Wege offen zu stehen. Doch auch hier geben

strukturelle Gewohnheiten eine Richtung schon

bei der Stellenausschreibung vor. Oft werden in

solchen gesellschaftlich männlich assoziierte Begrifflichkeiten

wie „analytisch“ oder „durchsetzungsfähig“

verwendet,

woraufhin viele Frauen

abgeschreckt sind und

sich gar nicht erst bewerben.

Auch Heiraten und

Kinder bekommen, gelten

in der Gesellschaft als

Killer für die Karriere und

werden immer noch als

„Sache der Frau“ abgetan.

Dahingegen müssen

Männer bei einem Jobinterview

keinerlei Rechenschaft

darüber ablegen, wie es mit ihrer Familienplanung

aussieht. Ganz deutlich wird die Ungleichheit

in der Berufswelt anhand des „Gender-

Pay-Gap“, bei dem die Differenz des Bruttostundenlohns

der Frauen mit dem eines Mannes verglichen

wird. Dieser liegt deutlich unter dem des

männlichen Geschlechtes, was bedeutet, dass

eine Frau 2021 im Schnitt 19 Prozent weniger als

ein Mann, der dieselbe Arbeit durchführt,

verdient.

Weitere Probleme des „unsichtbaren“ Geschlechts

entstehen in klimatisierten Räumen. Da

Männer Testosteron produzieren und mehr Muskeln

haben, die den Stoffwechsel anheben, frieren

sie tendenziell auch nicht so schnell wie Frauen.

In der

Automobilbranche

werden Sicherheitstests

in der Regel mit einem

„Standard-Dummy“

durchgeführt.

Die Temperatureinstellungen in klimatisierten

Räumen wie Großraumbüros, dem öffentlichen

Verkehr oder anderen Einrichtungen orientiert

sich jedoch meistens an der optimalen Temperatur

für den Durchschnittsmann. Generell orientiert

sich die Produktentwicklung hauptsächlich

an Daten, die über genau diesen gesammelt wurden,

jeder andere muss lernen, Wege zu finden,

um sich mit den Dingen dieser Welt zu arrangieren.

So haben zum Beispiel

Männer aufgrund

größerer Hände eher die

Chance, als Pianist erfolgreich

zu sein. Denn Frauenhände

sind oft ergonomisch

zu klein, um die

Tasten gleich präzise zu

treffen und tragen aufgrund

der höheren Belastung

eher Probleme, Entzündungen

oder Krankheiten

davon.

Auch beim Thema Sicherheit

und Gesundheit gibt es ganz gravierende

Ungleichheiten. In der Automobilbranche werden

Sicherheitstests in der Regel mit einem „Standard-Dummy“

durchgeführt. Dieser bringt bei

177 Zentimetern 76 Kilogramm auf die Waage.

Das entspricht, wer hätte es gedacht, dem durchschnittlichen

Mann! Menschen, die kleiner, leichter

oder in anderer Art und Weise von diesem Körperbild

abweichen, haben somit ein deutlich höheres

Risiko, bei einem Unfall schwer verletzt zu

werden oder sogar tödlich zu verunglücken.

In der Medizin gilt der weibliche Körper aufgrund

des Zyklus als unberechenbar, weswegen

Tests an männlichen Mäusen gemacht und Medikamente

aufgrund erhobener Daten des Mannes


02/ 2021 BOLD 27

entwickelt werden. Mit diesem Vorgehen kann

aber keine wirksame Medizin für das weibliche

Geschlecht entdeckt werden. Auch die Dosierung

der Medikamente richtet sich nach der Verträglichkeit

eines Mannes ohne Berücksichtigung des

abweichenden Körpergewichts und vor allem der

weiblichen Hormone und Organe.

Auch medizinische Probleme des Mannes wie

zum Beispiel Erektionsstörungen, werden viel

häufiger erforscht als weibliche, wie das Prämenstruelle

Syndrom (PMS). Die Krankenhäuser orientieren

sich also meistens auch an den männlichen

Symptomen einer Krankheit. So kann es vorkommen,

dass eine Frau mit Kraftlosigkeit und Übelkeit

sowie Verdauungsproblemen ins Krankenhaus

kommt und ein Herzinfarkt nicht diagnostiziert

wird, da sich dieser bei Männern in der Regel

durch die typischen linksseitigen Brust- und Armschmerzen

äußert.

Schritte in Richtung einer Welt, in der wirkliche

Chancengleichheit Realität ist, fangen bei der

Möglichkeit auf die Wahl verschiedener Portionsgrößen

in Restaurants und geschlechtsneutralen

Toiletten wie zum Beispiel auch in Flugzeugen an.

Sowohl das Aufbrechen von Stereotypen zur

Gleichberechtigung aller als auch die garantiert

bestmögliche Sicherheit für jeden Körpertyp sollten

im Job und im Privatleben für jeden Menschen

gewährleistet sein. Und der Kampf um

Chancengleichheit für alle Mitmenschen hört

auch noch lange nicht bei der Forderung zur

gleichmäßigen Forschung im Gesundheits- und

Medizinbereich auf. Denn das alles sind Symptome

für ein Problem, das viel größer ist!

Wenn der Prozess der Gleichberechtigung

weiterhin so schleichend vonstattengeht, braucht

es laut dem Weltwirtschaftsforum (WEF) noch

weitere 133 Jahre, bis jeder Mensch wirklich dieselben

Chancen hat. Das Gerüst unserer Welt baut

sich aus Daten auf, in die über die Hälfte unserer

Bevölkerung schlicht und ergreifend nicht mit

einbezogen wurde. Dabei geht es auch nicht nur

um den Nachteil von Frauen. Auch Männer, die

aus dem Durchschnittsraster der von der Gesellschaft

vorgegebenen Norm fallen, sowie Menschen

allgemein, die auf irgendeine Art und Weise

davon abweichen, haben es in bestimmten Bereichen

schwerer und unterliegen zum Beispiel einem

höheren Risiko, bei einem Verkehrsunfall

verletzt zu werden.

Beim Thema Feminismus scheiden sich die

Geister oft, doch das ist längst keine Frauensache

mehr! Feminismus setzt sich genau dafür ein: Eine

chancengleiche Welt für alle! Es geht nicht darum,

jemandem etwas wegzunehmen, um selber

mehr zu haben. Gleichberechtigung schafft neue

Chancen für Männer, die durch gesellschaftliche

Strukturen ständig einem männlichen Idealbild

gerecht werden sollen und dafür ihre eigentlichen

Bedürfnisse zu unterdrücken haben.

Wichtig ist es, die zukünftige Repräsentation

von Frauen und allen Menschen, die dieser bisherigen

Norm abweichen. Besonders da, wo Entscheidungen

gefällt werden. Das Schlüsselwort

für eine gleichberechtigte Welt ist „Bewusstseinsschärfung“.

Das beginnt in kleinen alltäglichen

Dingen wie unserer Sprache. Und es ist notwendig,

gelernte und gewohnte Strukturen zu hinterfragen

und neu zu denken.

Bild: Unsplash


28 BOLD

mediakompakt

The Food Waste Revolution

Mehr als ein Drittel aller Lebensmittel landen im Müll. Das entspricht pro Jahr etwa

1,6 Milliarden Tonnen Food Waste weltweit. Das Impact-Startup „Motatos“ geht seit

mehreren Jahren mit viel Engagement dagegen vor.

VON NADINE TROMMESHAUSER

Auf der ganzen Welt werden Lebensmittel

unnötigerweise verschwendet.

Viel zu oft landet Essen im Müll, ohne

dass darüber nachgedacht wird. Ein

Becher Joghurt, die letzte Tasse Kaffee

oder eine Dose Tomaten, die schon das Mindesthaltbarkeitsdatum

erreicht hat. Darauf möchte

das Impact-Startup „Motatos“ aus Schweden aufmerksam

machen. Es ist derzeit in den vier europäischen

Märkten Schweden, Finnland, Dänemark

und Deutschland präsent. Seit der Gründung

2014 hat Matsmart-Motatos bereits 21.000

Tonnen Lebensmittel gerettet und ist damit ein

Vorreiter in Sachen Lebensmittelrettung. Aber

wie funktioniert das Unternehmen?

Die drei Gründer kaufen Großunternehmen

Lebensmittel mit Schönheitsmakeln, wie zum

Beispiel Fehldrucke oder falschen Verpackung,

sowie saisonale oder überproduzierte Produkte ab.

Damit hilft das Start-up den Großunternehmen

umweltfreundlicher zu werden. Die geretteten

Produkte können im Motatos Online-Shop erworben

werden. Durch den wechselnden Ankauf von

Lebensmitteln erweitert und ändert sich das

Sortiment fortlaufend. Auch Lebensmittel mit

kurzem oder teils überschrittenem Mindesthaltbarkeitsdatum,

die sonst im Müll landen würden,

verkauft das Start-up. Das Datum ist eine Empfehlung

des Herstellers und steht für die Garantie,

dass die Lebensmittel bis zu diesem Zeitpunkt die

gleiche Qualität, wie direkt nach der Produktion

behalten. Meist ist das Produkt aber auch nach

Ablauf des MHD noch genießbar. Dadurch

können zusätzlich Lebensmittel gerettet werden,

da das Start-up Produkte von Lieferanten

annimmt, die im Supermarkt nicht mehr verkauft

werden dürfen.

Der Lebensmitteleinzelhandel stellt nämlich

oft strenge Anforderungen daran, wie lange das

Datum in der Zukunft sein muss. Dies liegt an den

oft langen Logistikketten, die Produkte durchlaufen,

welche viel Zeit kosten. Bei Motatos sind die

Logistikketten kürzer, wodurch die Lebensmittel

mit verkürztem, aber trotzdem ausreichend Puffer

zum Mindesthaltbarkeitsdatum an Kunden verkauft

werden. Motatos achtet nach eigenen Angaben

bei der Auswahl ihrer Produkte auf Lieferwege

und Materialien.

Und sie versprechen, die Zero-Food-Waste-Politik

auf eigenen Produkte anzuwenden. Zusätzlich

zu den geretteten Lebensmitteln bietet das

Unternehmen ausgewählte Produkte unter der

Marke „By Motatos“ an. Ist es überhaupt sinnvoll

noch mehr Produkte auf den Markt zu bringen,

wenn das Ziel ist, die Lebensmittelverschwendung

zu reduzieren? Ja, heißt es von dem Start-up.

Da viele der sonst angebotenen Produkte saisonal

sind, falle es Kunden schwer, den Mindestbestellwert

zu erreichen. Dieser soll den Fußabdruck gering

halten, da sich der Versand eines Paketes für

ein einzelnes Produkt nicht rechnet.

Und wenn seltener bei Motatos eingekauft

wird, bedeutet das, weniger Lebensmittel werden

gerettet. Durch die Ergänzung des Online-Shops

mit Basic-Produkten, wie Nudeln oder Olivenöl,

wird dieses Problem behoben, behauptet Motatos.

Im Zusammenhang mit der Einführung des eigenen

Labels hat das Start-up beschlossen, ein Prozent

seines Bruttogewinns aus allen „By Motatos“-Verkäufen,

mindestens jedoch 10.000 Euro

pro Jahr, an „The Hunger Project“ zu spenden.

Wenn man mal darüber nachdenkt, wird

Nachhaltigkeit oft als etwas Teures oder Kompliziertes

aufgefasst. Motatos ist weder das eine noch

das andere. Alles, was im Shop angeboten wird, ist

unabhängig von seinem Etikett, nachhaltig und

dazu günstig. Seit neuestem enthält die Website

des Unternehmens einen Blog, auf dem sie über

Lebensmittelverschwendung aufklären und

Fortschritte in ihrem Unternehmen transparent

kommunizieren.

Zahlen und Fakten

1,6 Milliarden Tonnen Lebensmittel werden

jedes Jahr weggeschmissen. Dies entspricht

einer Fläche so groß wie China. Dabei leiden

etwa 925 Millionen Menschen weltweit an

Hunger. Allein durch die in Europa unnötig

verschwendeten Lebensmittel könnten 200

Millionen Menschen ernährt werden.

Bilder: Motatos


02/ 2021 BOLD 29

Hilfe suchen – hilft!

Psychische Erkrankungen sind uns nicht neu. Doch trotz zunehmender Aufklärung haben sie

immer noch mit einem enormen gesellschaftlichen Stigma zu kämpfen. Drei Betroffene

erzählen über sich und machen sich stark für mehr Toleranz.

VON CAROLIN LEHMANN

Manche Krankheiten sieht man,

andere nicht. Die, die man nicht

sieht, werden oft immer noch unter

den Teppich gekehrt. Dabei

sind sie genauso legitim wie ein

Schnupfen oder ein gebrochenes Bein. Drei mutige

Frauen erzählen über ihre seelischen Leiden,

wie sie merkten, dass sie Hilfe brauchen und wie

sie diese aufsuchten. Sie appellieren an alle in einer

ähnlichen Situation, den Mut zu haben, sich

helfen zu lassen!

„Ich habe einfach geschrien. In diesem Moment

wusste ich nicht, was los ist, wo ich bin und wer ich

selbst bin. Als ich wieder zur Realität gefunden habe,

wurde mir klar, dass ich Hilfe brauche.“

SIA, 26, Physiotherapeutin, hat neuerdings rote

Haare, geht gern schwimmen und in die Sauna.

Vor einigen Wochen hat sich Sia selbst in eine Klinik

einweisen lassen, da ihre Angststörung und

Panikattacken überhand nehmen. Grund dafür

waren nicht nur die anhaltende Corona-Situation,

sondern, wie sie später auch realisierte, ihre

langjährige Beziehung und familiäre Probleme.

Während dieser Zeit gerät Sias Angst außer Kontrolle.

Nach einem Konflikt mit ihrem Bruder

kann sie die Erkrankung nicht mehr in Schach

halten und verliert die Beherrschung.

Erstmal sucht sich Sia Hilfe in einem Krankenhaus,

dort wird sie nicht ernst genommen. Sie

wird in ein ZfP (Zentrum für Psychiatrie) geschickt,

wird da ebenfalls zurückgewiesen, mit der

Begründung sie sei „nicht krank genug“. In einem

anderen ZfP findet sie doch noch einen Platz. Umgeben

von ihren Ängsten und Problemen, muss

sie lernen, mit diesen umzugehen. Schon jetzt hat

sie viel über sich und ihre Angst gelernt und

glaubt daran, gesund zu werden.

„Ich habe gelernt, dass meine Angst nicht rational

ist. Wenn man sie füttert, wird sie größer

und wenn sie kein Futter bekommt, dann geht sie

irgendwann ein.“

„Ich war fünf Jahre bei meiner Therapeutin. Zuerst

hat es mir wenig geholfen und ich denke, dass es erst

mal vielen so geht, aber dort zu sein und das Gefühl

zu entwickeln, dass man selbst etwas ändern möchte,

braucht seine Zeit.“

ANN, 26, ist Grafikdesignerin. Sie arbeitet zurzeit

als Mediengestalterin. Sie mag koreanisches Essen

und hat drei Monate in Asien verbracht. In ihrer

Freizeit liest sie gerne oder schreibt an ihrem

Buch. Ann litt jahrelang an Depressionen.

Während dieser Zeit beschäftigt sich Ann mit

seelischen Erkrankungen. Sie merkt, dass mit ihr

etwas nicht stimmt. Da sie nicht wusste, was sie

sich antun würde, wenn sie mit ihren inneren Dämonen

weiter allein gelassen wird, ergreift sie die

Initiative und findet online schnell eine Psychotherapeutin.

Bei ihr dauert es drei Jahre bis zur

Besserung. Sie findet ihr Selbstbewusstsein wieder

und sagt ihren Depressionen den Kampf an.

Auf die Frage, was Ann anderen raten würde,

sagt sie: „Man sollte es nicht so lange hinauszögern

bis es einem richtig schlecht geht. Der Weg

zur Besserung ist oft ein langer, je früher man sich

Hilfe sucht, desto besser.“ Heute geht es Ann gut.

Sie ist sehr zuversichtlich, dass es so bleiben wird.

Die Angst, dass ihre Erkrankung zurückkommen

könnte, ist zwar immer da, aber Ann blickt optimistisch

in die Zukunft.

„Bei meiner Therapeutin mache ich eine Verhaltenstherapie.

Es ist anstrengend, sich mit den eigenen

Problemen zu befassen, aber es hilft, mit jemandem

darüber zu sprechen. Bei ihr bekam ich die Diagnose

Borderline-Akzentuierung.“

MAI, 23, studiert Ethnologie in Tübingen. Sie baut

gerade ein Modellflugzeug, malt und zeichnet gerne.

Ihr Weg zur Diagnose war lang. Nach der stressigen

Abiturzeit fällt sie in ein Tief. Sie liegt nur

noch im Bett. Sie merkt, dass sie Hilfe braucht. Eine

Therapie bei einer Jugendtherapeutin bricht

sie ab. Nach der Trennung von ihrem Freund

denkt sie sogar an Suizid. Mai will sich in eine Klinik

einweisen lassen, dort wird sie zweimal zurückgewiesen.

Ein Arzt empfiehlt ihr die Therapeutin,

die sie jetzt behandel. Ab August kann sie

während eines Urlaubssemesters an einer Therapie

gegen die Borderline-Erkrankung teilnehmen.

Sie hofft, so besser mit ihrer Krankheit zurecht zu

kommen. Mai ist es wichtig, offen über psychische

Erkrankungen zu reden. Sie rät, das Ziel,

gesund zu werden, nicht aus den Augen zu verlieren,

denn der Weg zur Besserung sei lang.

Bild: Unsplash


30 BOLD

mediakompakt

Vergessen oder vernachlässigt?

Jugendhilfe in der Pandemie

Schließungen, Einschränkungen,

Lockdowns – die Corona-

Pandemie hat seit März 2020

Auswirkungen auf zahlreiche

Lebens- und Arbeitsbereiche.

Warum wird dabei die Jugendhilfe

vergessen? Ein Interview.

VON CHANTAL AUGELLO

Cedric Kutzli, Jugend- und Heimerzieher

im heilpädagogischen Kinderund

Jugendhilfezentrum Sperlingshof,

betreut acht Jungen im Alter von

zwölf bis 17 Jahren. Er erzählt, welche

Herausforderungen die Pandemie und die Maßnahmen

zur Eindämmung mit sich brachten.

mediakompakt: Wie sah der Alltag vor Corona in

der Wohngruppe aus?

Cedric: An Wochentagen gehen die Jugendlichen

zur Schule. Nach dem Mittagessen im Wohnhaus

erledigen sie ihre Hausaufgaben oder bereiten sich

auf Schularbeiten vor. Einige erhalten Nachhilfeunterricht.

Vor der Pandemie haben sie am Nachmittag

Vereine besucht und sind ihren Hobbys,

etwa Mannschaftssport, nachgegangen. An den

Wochenenden standen meistens Gruppenaktivitäten

und Ausflüge an der Tagesordnung, da sind

wir dann auch mal ins Freibad gegangen, zum Minigolfen

oder ins Museum.

mediakompakt: Was hat sich verändert?

Cedric: Sehr vieles. Die Jugendlichen können keine

Vereine mehr besuchen und somit auch nicht

ihren Hobbys nachgehen. Nachhilfe wird bei uns

hofintern angeboten, deshalb findet das glücklicherweise

statt. Aber die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung,

vor allem während eines Lockdowns,

sind reduziert. Wir haben einen Sportplatz

auf dem Hof, doch außerhalb des Geländes

sind wir wegen der Schließungen von Freizeit

-und Kultureinrichtungen sehr eingeschränkt.

mediakompakt: Wie gehen die Jugendlichen damit

um?

Cedric: Wenn man zu acht in einem Haushalt festsitzt,

macht sich das natürlich bemerkbar. In der

Freizeitgestaltung geht es darum, die Lebensqualität

der Jugendlichen zu verbessern und belastende

Situationen außerhalb vom Hof, in einem sozialen

Umfeld, etwa in der Stadt, zu erproben. Wenn

das nicht möglich ist, stagniert auch der Therapieerfolg

bei den Jungen.

mediakompakt: Geht dir manchmal die Kraft aus?

Cedric: Wir alle sind während der Pandemie vielen

Veränderungen ausgesetzt, die neue Herausforderungen

mit sich bringen. Manchmal ist das schon

anstrengend. Im Vordergrund stehen immer die

Sorgen und Probleme der Kinder. Wir versuchen

das Beste aus der Situation zu machen und kreative

Lösungen zu finden.

mediakompakt: Wie funktionierte die digitale Umsetzung

der Schulaufgaben während Schulschließungen?

Brauchen die Jugendlichen mehr Unterstützung

als zuvor?

Cedric: Die Schüler haben Home-Schooling und

nutzten dafür ihre Handys. Es gibt einen Gruppen-Laptop,

den sich die acht Bewohner teilen

müssen. Manche erhalten Wochenplaner, mit

Aufgaben für die ganze Woche. Jeder Jugendliche

braucht mehr Unterstützung. Doch diese kann

nicht für jeden gewährleistet werden. Manchen

fällt es daher besonders schwer, in der Schule mitzuhalten.

mediakompakt: Die stationäre Jugendhilfe als sozial-

und systemrelevanter Bereich bedarf besonderer

Aufmerksamkeit. Dazu gehören Hilfeplangespräche

und psychologische Unterstützung: Finden

solche Gespräche weiterhin statt?

Cedric: Ja, manchmal digital und nicht in Präsenz.

Aber sie müssen weiterhin stattfinden. Es geht um

die aktuelle Situation des Kindes und Zielsetzungen,

an denen sich die weitere Hilfe für das Kind

orientiert. Sie bilden eine wichtige Grundlage für

die weitere Planung.

mediakompakt: Ärgert es Dich manchmal, dass die

Jugendhilfe weitgehend in der Öffentlichkeit

unbeachtet bleibt?

Bild: Unsplash

Cedric: Ja, weil ich der Meinung bin, dass zu wenig

finanzielle Mittel in diesen Bereich fließen. Die

Kinder- und Jugendhilfe hat viel mehr Aufmerksamkeit

verdient.

mediakompakt: Was müsste sich ändern?

Cedric: Man müsste mehr Menschen an das

Thema heranführen und zeigen, wie wichtig diese

Arbeit für Kinder und Jugendliche ist. Es könnten

mehr Fördergelder vom Staat fließen, das gilt für

den gesamten sozialen Bereich. Unterstützung

durch Spenden aller Art, wie technische Ausstattung,

um den Kindern den bestmöglichen Unterricht

zu ermöglichen, sind immer hilfreich. Der

Sperlingshof ist nur eine von über 37.000 stationären

Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen in

Deutschland, die Kindern und Jugendlichen auch

während Corona ein Zuhause geben und

Zukunftsperspektiven schaffen. Gerade deshalb

sollte die enorm wichtige Arbeit der Kinder- und

Jugendhilfe wertgeschätzt und unterstützt

werden.

Spenden

Kinder- und Jugendheim Sperlingshof e.V.

Sperlingshof 4, 75196 Remchingen

Helft mit Ideen / Projekte zu realisieren und

unterstützt den Sperlingshof:

https://sperlingshof.de/foerdern-spenden/


02/ 2021 BOLD 31

Zwischen Angst und

Perfektionsdrang

Imposter-Syndrom! Was steckt dahinter?

Was kann man dagegen tun? Eine Betroffene

gibt Einblicke in ihre Gedankenwelt.

VON MARINE MORBEDADZE

Jessica, 29, ist als Führungskraft in der Automobil-Zulieferbranche

tätig. Sie hat

sich nach einem erfolgreichen Vorstellungsgespräch

jedoch als Betrügerin gefühlt.

„Das Gespräch lief unglaublich erfolgreich.

Alle waren beeindruckt und wollten

mich im Team haben. Ich war glücklich und habe

zugesagt. Dann aber kamen Ängste und Zweifel

hoch, ob ich die Person bin, die ihre Anforderungen

erfüllen würde. Ich hatte das Gefühl, nicht

kompetent genug für diesen Job zu sein.“

Das Imposter-Syndrom, auch bekannt als

Hochstapler- oder Betrüger-Phänomen, wurde

erstmals in den 1970er Jahren in einem Beitrag

von Pauline R. Clance und Suzanne A. Imes erwähnt,

wo das Syndrom als hauptsächlich weibliches

Phänomen beschrieben wurde. Mittlerweile

ist bekannt, dass Männer genauso betroffen sind.

Jedoch sind Frauen anfälliger dafür, weil bei ihnen

Fehler und Kritik mehr im Fokus stehen als

ihre Erfolge. Zudem zeigen zahlreiche Studien,

dass Frauen ihre Kompetenz oft unterschätzen.

So erging es auch Jessica: „Ich glaubte, den Job habe

ich nur deshalb bekommen, weil ich jemanden

kannte. Oder ich sei bei der Prüfung nur deshalb

gut gewesen, weil die total einfach war. Oder ich

habe das alles nur geschafft, weil ich das richtige

Netzwerk hatte. Das redet man sich letztlich selber

ein. Andere können noch so oft sagen, wie toll

ich bin, wenn es sich jedoch für mich nicht echt

anfühlt, fällt es schwer, einen Erfolg zu genießen.“

Das Phänomen ist eine interne Erfahrung intellektueller

Täuschung, die bei Menschen mit

hohen Leistungen besonders verbreitet und intensiv

zu sein scheint. Obwohl sie nach externen

Maßstäben erfolgreich sind, haben sie das Gefühl,

dass ihr Erfolg auf Zufall, Glück oder große

Anstrengungen zurückzuführen ist und nicht auf

ihren eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen. Die

Betroffenen denken zudem, der Erfolg könne

nicht wiederholt werden, ohne dass sie gigantische

Anstrengungen unternehmen. Sie haben

Angst, es beim nächsten Mal zu vermasseln.

Laut der international bekannten Imposter-

Syndrom-Expertin Valerie Young können die

Ursachen in der Kindheit liegen: „Falsche Botschaften

in der Erziehung können dies auslösen.“

Sie könnten demnach zu einem unerschöpflichen

Perfektionismus führen, wenn zum Beispiel die

Eltern dem Kind ständig sagen, wie klug es sei.

Jessica kann das bestätigen: „Als Kind genügten

mir nie meine Leistungen. Ich hatte ständig das

Gefühl, ich muss mehr erreichen. Ich bin nicht so

klug, wie meine Eltern und Mitmenschen es von

mir denken.“

Wenn einen die Zweifel lebenslang begleiten und

man Erfolge nicht genießen kann, sollte man eine

Lösung finden. Früher wurde das Imposter-Syndrom

als unveränderliches Persönlichkeitsmerkmal

betrachtet. In den letzten Jahren wird es

jedoch als Reaktion auf bestimmte Stimuli und

Ereignisse angesehen, daher gilt es nicht als

psychische Störung. Viele Wissenschaftler sprechen

von einem Imposter-Selbstkonzept, da die

extreme Form des Selbstzweifels nicht als Krankheit

aufgelistet ist.

Jessica hat das Problem für sich erkannt: „Erkenntnis

ist der erste Schritt. Zu sagen, das ist

etwas, was ich mir einrede. Klar, es ist eine Stärke,

es überhaupt zu erkennen und sich einzugestehen.

Vielleicht habe ich die Neigung, mich immer

wieder klein zu machen, mich immer wieder als

nicht gut genug zu empfinden.“

Diese Gedanken sind nach ihrer festen Überzeugung

nicht nur unproduktiv, sondern auch

ungesund. „Ein wichtiger Tipp aus meiner Erfahrung

wäre der, jede Leistung anzuerkennen und

sich selbst dafür zu loben, ganz gleich, wie klein

diese Leistung auch sein mag. So förderst Du

Zufriedenheit und Selbstvertrauen.“

So kommt man weg

vom Imposter-Syndrom

1. Betrachte Dich als „Fortschritt“, anstatt zu

erwarten, auf Anhieb gleich perfekt zu sein.

2. Betrachte Fehler als Lernmöglichkeit und

konstruktive Kritik als Lernanzeiger, um sich

zu verbessern, anstatt sich zu erniedrigen.

3. Sprich mit den Freunden über eigene Imposter-Gefühle.

Sie können dabei helfen, negative

Gedanken zu mildern.

4. Häufe Wissen nicht im Voraus an, sondern

erwirb es dann, auch in der entsprechenden

Tiefe und Gründlichkeit, wenn es nötig ist.

5. Vermeide es, Dich mit Menschen zu vergleichen,

die erfahrener und wissender sind.

So bleibt Dein Selbstwert unbeeinträchtigt.

Bilder: pixabay


32 BOLD

mediakompakt

Bild: AdobeStock

Cancel Culture:

Debattieren Studierende noch?

Cancel Culture ist auch in

Deutschland immer häufiger

in der Diskussion. Einige bemängeln

sie, andere rechtfertigen

sie. Gemäß Artikel 5 des

Grundgesetzes sind Wissenschaft

und Forschung frei.

Wissenschaftler*Innen warnen,

diese Freiheit sei in Gefahr.

VON VANESSA OLARIU

Was ist Cancel Culture eigentlich?

Der Begriff beschreibt den Versuch,

vermeintliches Fehlverhalten,

anstößige oder diskriminierende

Aussagen oder Handlungen

– oft von Prominenten – öffentlich zu ächten.

Es wird zu einem allgemeinen Boykott dieser

Personen aufgerufen.

Der Zusammenschluss „Netzwerk Wissenschaftsfreiheit“

besteht aus 70 Wissenschaftler*innen,

die sich für ein freiheitliches Wissenschaftsklima

einsetzen. Darunter verstehen sie

eine vielfältige, von gegenseitigem Respekt geprägte

Debattenkultur. Dazu gehört ein institutionelles

Umfeld, in dem niemand aus Furcht vor gesellschaftlichen

und beruflichen Konsequenzen

Forschungsfragen und Debattenbeiträge meidet.

Das gesellschaftliche Klima ist rauer geworden,

es wird immer mehr übereinander geredet

und immer weniger miteinander. Die Mitte ist

schwächer geworden und die Polarisierung stärker.

Das zeigt sich auch im Streit über die

sogenannte Cancel Culture. Der Jenaer Ethikprofessor

Nikolaus Knoepffler übersetzt Cancel

Culture mit Exkommunikation, was für ihn

bedeutet, dass man eine Person vom Gespräch

ausschließt, nicht weiter mit ihr kommuniziert

und sie in Zukunft ignoriert.

Die Politologin Dr. Ulrike Ackermann vom

John Stuart-Mill-Institut in Heidelberg ist die

Leiterin des Netzwerks und setzt sich aktiv für die

Wissenschaftsfreiheit ein, weil die Cancel Culture

mit der Zeit immer politischer, ideologischer und

separatistischer geworden sei. Die Cancel Culture

will definieren, was gesagt werden darf und was

nicht. Wer etwas sagen darf und wer nicht. Das

habe mit dem Ausschöpfen der Meinungsfreiheit

immer weniger zu tun. Die Grenze der Meinungsfreiheit

ist für Knoepffler und Ackermann erst

dann überschritten, wenn das Strafrecht es untersagt,

zum Beispiel die Leugnung des Holocausts.

Doch sind ihre Vorwürfe berechtigt? Deutschland

verfügt laut Studien über eines der höchsten

Level an Freiheit von Wissenschaft und Lehre

weltweit. Die Studie „Is Free Speech in Danger on

University Campus?” widerlegt diese These, im

Hinblick auf das Denken der Studierenden. Das

Ergebnis: Studierende fühlen sich häufig sprach-


02/ 2021 BOLD 33

lich angegriffen. Die Meinungen unter ihnen sind

umstritten. Während einige bestimmte Vorfälle

lediglich als Einzelfälle ansehen, sind andere davon

überzeugt, dass die Meinungsfreiheit eine

dunkle Zukunft mit sich bringt. Spätestens nach

einem kurzen Blick auf die Kommentare in den

sozialen Medien wird klar, dass

die Gesellschaft gespalten ist.

Die gesellschaftliche Mitte ist

schwächer geworden. Die Polarisierung

ist intensiver geworden.

Teilweise entsteht der Eindruck,

als gäbe es nur noch das

eine oder das andere Extrem.

Ganz nach dem Motto: „Wer

nicht hineinpasst, kann weg!“. Inzwischen ist es

wichtiger, wer etwas sagt und wie diese Person

aussieht, als der tatsächliche Inhalt.

In den vergangenen Monaten wurden zahlreiche

Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ausgeschlossen.

Ob Influencer*In, Musiker*In, Politiker*In

oder Professor*In: Die heutige Gesellschaft

ist sensibel und penibel und die Cancel Culture

zieht nur absolute Maßnahmen mit sich. Dabei

stellt sich die Frage, ob die Angemessenheit nicht

im Vorfeld sorgfältig abgewogen werden müsste.

Die Folgen sind nicht selten zu drastisch: Entlassung,

Boykott bis hin zur kompletten Blockade

und Zensur. Es kann sehr schnell passieren, dass

voreilige Urteile gefällt werden und Beschuldigungen

ohne Beweise viral gehen. Das Canceln

hat langanhaltende Folgen für die Betroffenen

und es ist ein schmaler Grat zwischen Sensibilisierung

und Bewertung ohne aussagekräftige Beweise.

Häufig kommt die betroffene Person nicht zu

Wort und muss vorerst untertauchen.

Das respektvolle Debattieren ist durch das

Ausleben der Cancel Culture von vielen verlernt

worden. Allerdings nicht vom Debattierclub der

Hochschule Mainz. Streiten ist ihr Hobby. Der

Debattierclub Johannes Gutenberg e.V. wurde im

Jahr 2002 gegründet. Er ist ein gemeinnütziger

Verein und eine eingetragene Hochschulgruppe

der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz.

Debattiert werden Themen aus Politik und Gesellschaft.

Wie beispielsweise: „Soll es nur noch

autofreie Innenstädte geben?“ oder „Ist der hohe

Stellenwert von Arbeit gut oder schlecht für die

Gesellschaft?“ Bei Wettbewerben und Turnieren

mit Jury wird in Zweier- oder Dreierteams diskutiert.

Wer die Pro- und wer die Contra-Position

einnimmt, wird im Vorfeld ausgelost. Es gibt

grundsätzlich eine 15-minütige Vorbereitungszeit.

An einem Wochenende gibt es drei bis fünf

Debatten. Zu gewinnen gibt es „Ruhm und Ehre“

und Wanderpokale.

Der Club ist der Meinung, dass Debatten vor

allem Spaß machen sollen. Trotzdem haben die

Teilnehmer das Ziel, besser zu werden. Deshalb

gibt es nach jeder Debatte konstruktives Feedback.

Für sie ist es bei Debatten besonders wichtig,

sich in andere hineinversetzen und trotzdem

gleichzeitig im Nachhinein die eigene Meinung

vertreten zu können. Sie setzen sich aktiv für eine

empathische Streitkultur ein. Während der Pandemie

führen sie ihre Debatten über Online-Konferenzen.

Mitmachen darf jeder, der Lust hat. Eine

Streit- und Rede-Kultur und damit urteilsfähige

„Streiten ist

unser Hobby!“

sowie mündige Bürger gehören zu den Grundlagen

einer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft.

Debattieren heißt, Haltung zu zeigen,

Argumente zu gewichten, sie sachlich begründet

zu äußern und auch zu kritisieren.

Debatten erfordern aber auch, sich gegenseitig

aufmerksam zuzuhören, andere

Positionen zu respektieren

und sich präzise auszudrücken.

Je mehr Studierende

zur Debatte angeregt

werden und somit üben, die

entsprechenden Regeln einer

gesunden Streitkultur

einzuhalten, desto eher

werden sie in der Lage sein, ihre Stimme zur Wahrung

der demokratischen Prinzipien zu erheben.

Wo – wenn nicht in der Hochschule – lernen Studierende

zu debattieren, Sichtweisen einzunehmen

und mit Dummheit zu hantieren?

Bild: AdobeStock


34 BOLD

mediakompakt

Kein Platz für Emotionen?

Wir streben ein Leben lang

danach, glücklich zu sein.

Doch die Welt immer von der

positiven Seite zu betrachten,

kann krank machen. Ein

weit verbreitetes Phänomen,

das diesen Namen trägt:

Toxic Positivity.

VON LAURA MAIER

Manchmal meint man es gut und

kann trotzdem nicht helfen. Jeder

kennt das: Der besten Freundin

oder dem besten Freund geht

es schlecht. Aber man selbst kann

nichts tun, was die Situation besser machen würde.

Oft fallen im Alltag dann Floskeln wie: „Ach

komm, das wird schon“. Solche Sprüche hat Mia

(Name geändert) gründlich satt. Die 22-Jährige

studiert seit nun drei Semestern digital. Die Pandemie

hat ihren Alltag völlig verändert. Dabei

bleibt oft auch bei ihr die positive Einstellung auf

der Strecke. „Den ganzen Tag auf den Bildschirm

zu starren und Freunde nicht zu sehen, ist einfach

nur frustrierend. Das hat mich auch psychisch an

meine Grenzen gebracht“, sagt sie. Es wäre ihr

lieber, es würden mehr Menschen in ihrem

Umfeld aussprechen, dass zurzeit vieles einfach

nicht gut läuft.

Was Mia beschreibt, passt zu der englischen

Bezeichnung „Toxic Positivity“, einem vor allem

im englischen Sprachraum geläufigen Begriff.

Toxic Positivity, auf Deutsch giftige Positivität,

meint nicht weniger

„Den ganzen Tag auf

den Bildschirm zu starren

und keine Freunde

zu sehen, ist einfach

nur frustrierend.“

als negative Gefühle

zu verdrängen, abzulehnen

und sich

zwanghaft auf Positives

zu fokussieren.

Wichtig ist die Abgrenzung

zwischen

krankhaft positivem

Denken und gesundem

Optimismus.

Denn eine grundsätzlich

zuversichtliche Denkweise ist ein wichtiges

Werkzeug, um die eigene Resilienz zu stärken.

Soziale Medien sind besonders anfällig für Toxic

Positivity. Hashtags wie #goodvibesonly,

#goodlife, #blessed und #staypositive sind Beispiele

beliebter Hashtags auf Instagram. Darunter

sammeln sich Bilder, die eine Welt zeichnen, auf

der die Sonne das ganze Jahr scheint und selbst eine

weltweite Pandemie noch Grund genug ist,

#blessed zu sein. Auch Mia hat früher selbst Statements

wie diese unter ihre Posts gesetzt. „Solche

Hashtags kommen gut an. Man möchte sich selbst

gut präsentieren, eigentlich logisch, dass mehr

Good Vibes als Realität gezeigt werden“, sagt sie.

Good Vibes erzeugen eben viele Likes.

Das kommt besonders Influencern zugute, die

damit Geld verdienen. Wie bei vielen anderen

auch, hat sich Mias Umgang

mit Social Media

verändert. Sie nutzt

Dienste wie Instagram

und TikTok nach eigenen

Angaben deutlich häufiger

als früher. „Vier bis

fünf Stunden pro Tag am

Handy sind für mich ehrlich

gesagt normal geworden.

Manchmal ist es

deutlich mehr.“

Bereits im Mai 2020, zwei Monate nach Pandemiebeginn

in Deutschland, ist die Nutzung sozialer

Medien um 38 Prozent angestiegen. Doch der

erhöhte Konsum sozialer Medien kann eine verzerrte

Wahrnehmung verstärken. Es kann der Eindruck

entstehen, alle anderen hätten ihr Leben

besser im Griff. Wird zudem vermittelt, es brauche

mehr positives Denken, damit es einem genauso

gut geht, entsteht großer Druck. Eigene Gefühle

werden verdrängt, der Umgang mit sich

selbst droht unehrlich zu werden. Das beste Mittel

dagegen? Sich selbst bewusst machen, wenn man

gerade in die „Good Vibes Only“-Falle getappt ist.

Auch in Deutschland wird Toxic Positivity

immer mehr zum Thema. Anna Maas hat das in

ihrem neu erschienenen Buch „Die Happiness-

Lüge“ beleuchtet. Die Journalistin ist sich der Thematik

mit Einsetzen der Corona-Krise bewusst

geworden, als sie Postings im „Good Vibes

Only“-Stil nur noch wütend gemacht haben.

Maas schreibt von persönlichen Herausforderungen

während der Pandemie, wie zum Beispiel

Existenzsorgen oder einer gecancelten Hochzeit.

Und sie erläutert, wie sie selbst in die Toxic-Positivity-Falle

getappt ist. Ihr Appell: allen Emotionen

Raum geben.

Alle Gefühle willkommen zu heißen, kostet

sicher Mut. Besonders, wenn man sie auch mit

anderen teilt. Und je mehr jeder Einzelne von uns

ehrlich und authentisch auftritt, desto wahrscheinlicher

ist es, dass andere sich anschließen.

Bild: Pexels

Zum Weiterlesen

Anna Maas:

Die Happiness Lüge –

Wenn positives Denken toxisch wird

2021 Eden Books.

200 Seiten


02/ 2021 BOLD 35

Mut, der sich lohnt

Bild: Michelle Rapp

Abenteuer erleben, neue

Kulturen kennenlernen und

interessanten Menschen begegnen

– so hatte ich mir mein

Auslandssemester in Oxford

vorgestellt. Dann erwischte

mich die Pandemie eiskalt.

VON MICHELLE RAPP

Für Studierende, egal in welchem Land,

ist die Pandemie eine Herausforderung.

Wo die Politik sich Gedanken

über Schulen macht, bleiben Universitäten

meist außen vor. Auch in Großbritannien

unterscheidet sich das Studieren nicht

viel von der Situation in Deutschland: Vorlesungen

finden online statt, Kommilitonen lernt man

virtuell kennen und in die Bibliothek darf nur,

wer Hygienemaßnahmen einhält.

Dass ich daher an einem Mittwochnachmittag

mit meinem kompletten Kurs samt Professoren in

Oxfords Stadtzentrum stehen würde, hätte ich

mir nie träumen lassen. Denn begonnen hat mein

Studium an der Oxford Brookes University (OBU)

in Stuttgart. Mit Blick auf den Fernsehturm

studierte ich Media, Journalism and Publishing

vor dem Laptop. Auslandsfeeling? Weit gefehlt!

Daher flog ich im März nach Oxford.

Risikogebiet. Dass ich mir viele Sorgen machte,

war untertrieben. Dennoch ließ ich den Kessel

hinter mir, absolvierte sage und schreibe vier

Corona-Tests und verbrachte vierzehn Tage in

Quarantäne. Auf zehn Quadratmetern keine

einfache Übung, denn am Schlimmsten war die

Eintönigkeit. Isoliert von meinen Mitstudierenden

in einem kleinen Zimmer zu sitzen, ohne vor

Ort Kontakte aufbauen zu können, war hart. Aber

ohne diesen Sprung ins kalte Wasser hätte ich

niemals vor der berühmten Radcliffe Camera

stehen und den Anekdoten meiner Professorin Jane

lauschen können.

Auch für andere, internationale Studierende

haben sich die Mühen gelohnt. Jeder stand vor

seinen eigenen Alltagshürden, doch wir haben sie

alle überwunden: Giada ist seit Januar in Oxford

und studierte Film-Studies an der Oxford Brookes

University. Für sie waren nicht die Quarantäne

und die Isolation ein Problem, sondern die räumliche

Trennung: „Ich musste meinen Partner und

meine Heimat Rom für fünf Monate zurücklassen.

Das war hart. Vor allem, weil ich mit gesundheitlichen

Problemen zu kämpfen habe.“

Der fehlende Kontakt zu anderen Studierenden

sei für sie herausfordernd gewesen, denn: „In

einer fremden Stadt allein zu sein ist total anders.“

Um sich abzulenken, hätten ihr lange Spaziergänge

und ihre Lieblingsband Muse geholfen. Giada

ist stolz, dennoch in Oxford geblieben zu sein: „Es

war nicht einfach, aber insgesamt hat sich das

Semester gelohnt. Ich möchte nach der Pandemie

auf jeden Fall nochmal nach Oxford kommen.“

Für Georgeanna hat sich durch die Pandemie

ebenfalls einiges geändert. Die gebürtige Texanerin

wollte nach Neuseeland, doch da hat ihr das

Virus einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Jetzt ist sie wieder an der OBU – zum zweiten Mal.

Als aufsteigende Eiskunstläuferin in den USA war

es für sie ein großes Risiko, nach Oxford zu kommen:

„Es war mir bewusst, dass ich vier Monate

keinen Zugang zu Eisbahnen haben würde. Ich

bin mein ganzes Leben lang Schlittschuh gelaufen.

Das ist die längste Zeit, die ich nicht auf dem

Eis war.“

Am schwierigsten sei es für sie gewesen, andere

Wege zu finden, ihre Kreativität abseits der Eislaufbahn

auszudrücken. Um fit zu bleiben, trainierte

die 22-Jährige jeden Tag im Fitnessstudio.

Der ideale Ausgleich zum digitalen Studium. Wie

Giada fand es auch Georgeanna schwierig, online

mit Kommilitonen zu interagieren. Zwar boten

ihr die digitalen Vorlesungen Flexibilität, einen

Zeitplan fürs Training zu erstellen, optimal fand

sie es allerdings nicht. Den Wechsel nach Oxford

hat sie trotzdem nicht bereut: „Die Stadt ist für

mich zu einem zweiten Zuhause geworden. Wo

ich trainiere, ist mir im Prinzip egal. Und wenn

ich Heimweh nach Texas habe, mache ich mir

einfach Tortillas.“

Mut? Brauchte jeder von uns. Allein im Ausland

zu studieren ist alles andere als einfach – vor

allem während einer Pandemie. Doch zwischen

uralten Colleges in der „Stadt der träumenden

Türme“ zu sitzen und in einem Pub ein Pint zu

trinken, war es allemal wert.


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