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2021/07 | FRIZZ Magazin

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LETZTE<br />

SEITE<br />

Ich würde nicht sagen, dass ich Menschen,<br />

die auf Fleisch verzichten, seltsam<br />

oder blöd finde. Ich finde sie aber<br />

auch nicht total cool. Eigentlich sind sie<br />

mir weitestgehend egal. Außer sie wollen<br />

mich partout von ihrem Lebensstil<br />

überzeugen. Und da haben wir es schon:<br />

das Bild des predigenden Veganers, der<br />

mich bei jedweder Gelegenheit bekehren<br />

möchte. Ja, genau diese Hardcore-<br />

Hansel sind der Grund dafür, warum niemand<br />

diese Pflanzenfresser leiden kann.<br />

Die sollten sich echt …<br />

Moment mal! Um ganz ehrlich zu sein,<br />

hab ich noch nie einen Veganer bzw. Vegetarier<br />

getroffen, der missionarisch unterwegs<br />

war, geschweige denn mich ungefragt<br />

volllaberte. Das mag es hier und<br />

da geben, kam mir persönlich aber noch<br />

nie unter. Man erzählt sich das. Man<br />

hört davon. Beinahe bin ich geneigt, das<br />

Ganze als urbane Legende abzutun. Allerdings<br />

wird dieses Klischee immer und<br />

immer und immer wieder hervorgekramt<br />

und taucht auch in Diskussionen überproportional<br />

oft auf. Überraschend vielen<br />

Comedy- und Kabarett-Programmen<br />

dient diese Trope auch als Grundlage.<br />

Doch selbst erlebt? Nope!<br />

„Preach it, brother!“<br />

Ganz anders sieht das überraschenderweise<br />

bei den Fleischessern aus. Versteht<br />

mich nicht falsch. Ich mag Fleisch. Ich<br />

mag Wurst. Ich mag tierische Produkte.<br />

Was ich aber tatsächlich nicht mehr mag,<br />

sind diese Leute, die Fleisch zelebrieren<br />

und nun meinen, den absoluten Gegenpol<br />

bilden zu müssen. Um ehrlich zu sein,<br />

gehen mir diese veganerhassenden Fleischenthusiasten<br />

grandios auf den Sack.<br />

Da erwähnt man in einem unbedachten<br />

Moment beispielsweise, dass etwas Profanes,<br />

wie Zucchini vom Grill, durchaus<br />

lecker ist. Augenblicklich füllt sich der<br />

Raum mit einer Aura des Misstrauens.<br />

„Ähm, Zucchini? Aufm Grill? Verpiss<br />

dich mit dem Scheiß. Aufn Grill kommtn<br />

ordentliches Steak oder maximal ’ne<br />

Wurst.“ Und dann geht es los. Die besten<br />

Stücke vom Schwein oder Rind werden<br />

durchexerziert. Geflügel wird eher selten<br />

erwähnt, denn das ist ein bisschen wie<br />

Fisch. Kein komplett richtiges Fleisch –<br />

eher ein beinahe-veganes Substitut. Der<br />

DIE SACHE<br />

MIT<br />

DEM FLEISCH<br />

Vortrag geht weiter und irgendwo hört<br />

man leise: „Preach it, brother.“ Welche<br />

Teile müssen wie zubereitet werden?<br />

Wieso ist blutig immer besser? Weshalb<br />

ist alles in Richtung Gemüse und Salat<br />

beim Grillen nur deshalb dabei, weil<br />

halt auch Weibsvolk anwesend ist? Und<br />

schlussendlich eine lange Abhandlung<br />

darüber, warum Fleisch einfach das Maß<br />

aller Dinge und superdupermännlich ist.<br />

Sakrament der Fleischeslust<br />

Gar lust‘ge Sprüche wie: „Von Salat<br />

schrumpft der Bizeps“, „Fleisch ist mein<br />

Gemüse“ oder „Veganer fressen meinem<br />

Essen das Essen weg“ garnieren das Ganze<br />

und sorgen für weitere Erheiterung.<br />

Schön ist, dass man sich an dieser Stelle<br />

wenigstens immer was Neues einfallen<br />

lässt und nicht seit 1996 immer wieder<br />

den selben Quatsch von sich gibt. Es ist<br />

nicht nur müßig, diesen Ausschweifungen<br />

zu lauschen, es ist mitunter auch<br />

einfach widerlich. Nicht wegen des Fleisches,<br />

sondern wegen der Fleischkonsumenten,<br />

die mich bekehren wollen.<br />

Diese selbsternannten Wurstmissionare,<br />

welche erkannt haben, dass es nur den<br />

einen Gott namens Karnismus gibt und<br />

allen – egal ob sie es hören wollen oder<br />

nicht – das Sakrament der Fleischeslust<br />

eintrichtern wollen, nein müssen.<br />

Ein männliches Problem?<br />

Lustigerweise wird mir gerade nicht nur<br />

bewusst, wie sehr mich diese Fleischjünger<br />

aufregen, sondern dass es sich<br />

dabei um ein vornehmlich männliches<br />

Problem zu handeln scheint. Bestimmt<br />

gibt es zahlreiche Frauen, die ebenfalls<br />

geneigt sind, dem fleischlosen Genuss<br />

den Riegel vorzuschieben. Doch ebenso<br />

wie missionierende Veganer, hab ich das<br />

bisher selbst noch nicht erlebt – in meiner<br />

Wahrnehmung ist das eine so gut wie<br />

rein maskuline Sache.<br />

Und um nun auf einer dezent polemischen<br />

Note zu enden: Wenn ich es<br />

mir recht überlege, handelt es sich bei<br />

jenem hier aufgeführten Typus um genau<br />

den gleichen, der die Notwendigkeit des<br />

Mund-Nasen-Schutzes nicht wahrhaben<br />

wollte, der dem Klimawandel mit einem<br />

fetten SUV ins Gesicht lacht und der Rassismus<br />

als etwas kaum Existentes abtut,<br />

was ausschließlich andere angeht.<br />

Dominik Schele<br />

34<br />

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<strong>FRIZZ</strong>, das monatliche Stadtmagazin,<br />

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Anschrift wie Verlag,<br />

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Redaktionsschluss: 12.<strong>07</strong>.<strong>2021</strong><br />

Anzeigenschluss: 09.<strong>07</strong>.<strong>2021</strong><br />

Erscheinung: 02.08.<strong>2021</strong><br />

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