29.06.2021 Aufrufe

Taxi Times Berlin - 2. Quartal 2021

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

GEWERBE<br />

GESETZ MIT<br />

REVOLUTIONÄREN<br />

ELEMENTEN<br />

Das „Gesetz zur Modernisierung des<br />

Personenbeförderungsrechts“ eröffnet den<br />

Kommunen viele Optionen, gegen Wildwuchs<br />

im Mietwagenbereich vorzugehen.<br />

Knapp die Hälfte aller Paragraphen<br />

des Personenbeförderungsgesetzes<br />

(PBefG) werden durch die im<br />

März verabschiedete Novelle verändert, die<br />

größtenteils am 1. August in Kraft treten<br />

soll. Nicht alles davon ist taxirelevant, aber<br />

einiges kann die Grundlage für eine Wettbewerbsentzerrung<br />

zwischen <strong>Taxi</strong>s und<br />

Mietwagen sein.<br />

Hierzu zählt die Option für die Genehmigungsbehörden,<br />

den appbasierten<br />

Mietwagenverkehr zu regulieren und einzuschränken.<br />

Sie gilt für Städte ab 100.000<br />

Einwohnern, in denen der app-basierte<br />

Mietwagenverkehr einen Marktanteil von<br />

25 Prozent erreicht. „Der Gesetzgeber<br />

hat erkannt, dass appbasierte Vermittler<br />

eine Gefahr für das <strong>Taxi</strong>gewerbe sind und<br />

auch ÖPNV-Interessen<br />

betroffen sein könnten“,<br />

resümiert Herwig<br />

Kollar, neu gewählter<br />

Präsident des Bundesverbands<br />

<strong>Taxi</strong><br />

und Mietwagen e. V.<br />

(BVTM, siehe S. 14). Er<br />

hat als Rechtsanwalt schon viele Verfahren<br />

für das <strong>Taxi</strong>gewerbe gegen Uber gewonnen.<br />

Er bezeichnet die Befugnisse, die das<br />

PBefG als Bundesgesetz künftig auf die<br />

kommunalen Genehmigungsbehörden<br />

überträgt, als revolutionär. In den besagten<br />

Städten dürfte eine Genehmigungsbehörde<br />

beispielsweise eine Kontingentierung festlegen,<br />

also die Mietwagenzahl begrenzen –<br />

oder jede Konzession zeitlich und räumlich<br />

beschränken. Last but noch least bekommt<br />

die Behörde das Recht, Sozialstandards für<br />

die Mietwagenbetreiber festzulegen.<br />

Nicht weniger revolutionär ist eine Neufassung<br />

im Paragraph 51 des PBefG, wonach<br />

zum Schutz der öffentlichen Verkehrsinteressen<br />

die Genehmigungsbehörde auch<br />

für Mietwagen tarifbezogene Regelungen<br />

festlegen kann. „Das gilt insbesondere für<br />

„Legal lässt sich<br />

so kein Gewinn<br />

erwirtschaften.“<br />

Mindestbeförderungsentgelte“, stellt Kollar<br />

klar und verweist auf die Möglichkeit,<br />

Dumpingpreise zu verhindern. Nicht, um<br />

das <strong>Taxi</strong>gewerbe zu schützen, sondern um<br />

prekäre Arbeitsverhältnisse und Schwarzarbeit<br />

zu vermeiden, wenn zu Schleuder-<br />

Preisen gefahren wird, was keinen gesetzlichen<br />

Mindestlohn ermöglicht bzw. beim<br />

Ein-Wagen-Unternehmer zur Selbstausbeutung<br />

führt.<br />

Um all das rechtssicher zu machen,<br />

bedarf es klarer Definitionen, basierend<br />

beispielsweise auf einer betriebswirtschaftlichen<br />

Berechnung. Das vom <strong>Taxi</strong>unternehmer<br />

Richard Leipold erstellte Rechenbeispiel<br />

in der Tabelle belegt, dass bei den<br />

derzeitigen Fahrpreisen von Uber und<br />

Free Now der Unternehmer mit jeder Fahrt<br />

ins Minus fährt. Leipolds<br />

eindeutiges<br />

Fazit: „Unter Einhaltung<br />

der gesetzlichen<br />

Vorschriften<br />

und der Kenntnis<br />

der Verkehrsverhältnisse<br />

in <strong>Berlin</strong><br />

(Umlauftempo) kann unter Maßgabe der<br />

vier Grundrechenarten und des Prozentrechnens<br />

kein Gewinn erwirtschaftet<br />

werden.“<br />

Folglich muss die Mehrzahl der <strong>Berlin</strong>er<br />

Mietwagenunternehmer, die für Uber<br />

und Free Now unterwegs sind, an einer<br />

der Komponenten in der Beispielrechnung<br />

manipulieren, um einen Gewinn zu erwirtschaften.<br />

Oder anders ausgedrückt: Mietwagenunternehmer,<br />

die mit appbasierten<br />

Plattformbetreibern zusammenarbeiten,<br />

fahren entweder wirtschafltich gegen die<br />

Wand oder sind gezwungen, gegen die<br />

Straßenverkehrsordnung, das Umsatzsteuergesetz,<br />

die Abgabenordnung, das<br />

Mindestlohngesetz, das Arbeitszeitgesetz,<br />

das Bundesurlaubsgesetz oder das Lohnfortzahlungsgesetz<br />

zu verstoßen. jh<br />

Richard Leipold<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

€<br />

mögliche besetzte Fahrstrecke pro Std. 14,6 km<br />

maximal möglicher Bruttoerlös pro Std. 33,63 €<br />

davon Umsatzsteuer (19 %) ‐5,37 €<br />

Uber-Vermittlungsprovision vom<br />

Bruttoerlös (25 %)<br />

‐8,41 €<br />

<br />

<br />

€<br />

Lohnkosten (nur Mindestlohn) ‐14,41 €<br />

variable Fahrzeugkosten (Treibstoff,<br />

Instandhaltung, Wertverzehr)<br />

‐4,83 €<br />

<br />

<br />

€<br />

feste Fahrzeugkosten ‐0,82 €<br />

allgemeine Verwaltungskosten ‐0,77 €<br />

<br />

€<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Es wird nur Mindestlohn gezahlt: 9,50 €<br />

Das verursacht Unternehmerlohnkosten<br />

pro Stunde in Höhe von:<br />

14,41 €<br />

Es werden drei Fahrer eingesetzt, die im<br />

Monat folgende Stunden ableisten:<br />

450 h<br />

Das Fahrzeug fährt pro Monat:<br />

8.618 km<br />

Fahrzeug muss nach 4 Jahren ausgemustert<br />

werden mit einer Laufleistung von: 413.640 km<br />

Nach jeder Fahrt muss der nächste Auftrag<br />

nach folgender Zeit eingeladen werden:<br />

2,5 min<br />

Der Abstand zwischen abgesetzten und<br />

neuen Fahrgästen darf nur betragen:<br />

1,75 km<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

FOTO: Axel Rühle / <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />

8 <strong>2.</strong> QUARTAL <strong>2021</strong> TAXI

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!