SIEBEN: Juli/August Ausgabe
Dies Stadt und ihre Geister. Ein Blick auf Sommer-Aktivitäten in Stadt und Region. Seit langem wieder mit großem Veranstaltungskalender!
Dies Stadt und ihre Geister.
Ein Blick auf Sommer-Aktivitäten in Stadt und Region.
Seit langem wieder mit großem Veranstaltungskalender!
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Stadt im Wandel – Der Marktplatz
Informationen vom Koordinator der Stadtführer Ulrich Brinkmann:
27
Fotos: Susanne Röthig, alt-alfeld.de
Der Marktplatz
Von der Holzer Straße kommend, hat
man mit dem direkten Blick auf das Rathaus,
wohl den schönsten Zutritt zu
Alfelds „Guter Stube“, dem Marktplatz.
Hier im Zentrum der Stadt laufen aus
allen Richtungen die Straßen zusammen.
Seit Jahrhunderten fand dort
das Wirtschaftsleben und die örtliche
Gerichtsbarkeit statt, genauso wie
heute noch die Gemeinschaftsfeste,
die Wochenmärkte und der Jahrmarkt
nach Nikolaus, der als einziger von den
vier Jahrmärkten übriggeblieben ist.
Auch treffen hier mit der Lein-, Perk,
Holzer- und Hörser-Bäuerschaft, die
vier Stadtviertel aufeinander.
Rathaus
Als das bedeutendste Gebäude gilt
das im 13. Jahrhundert in Anfängen
erbaute Rathaus. Das Multifunktionsgebäude
war neben der Nicolaikirche
das einzige Haus aus Stein und diente
als Kaufhaus, Gerichtsgebäude und
Hochzeitshaus. Im Keller lagerten Süßund
Rheinwein, für den der Rat das
Ausschank-Monopol hatte. Auf dem
Dachboden konnten die brauberechtigten
Bürger ihren Hopfen lagern
und mit der Ratswaage ihre Gewichte
prüfen. Vor dem Rathaus stand der
Pranger oder Kaak, an dem Missetäter
öffentlich mit Halseisen zur Schau
gestellt wurden.
Ursprünglich im gotischen Stil zweistöckig
errichtet, wurde das Rathaus
1584-86 im Stil der Weserrenaissance
aufgestockt und erweitert. Dieser
Der ummauerte Gefängnishof an der Rückseite
des Rathauses, um 1900
Baustil bezog seine Formen aus der
italienischen antiken Tempelarchitektur
(Portal), aus Frankreich (achteckiger
Treppenturm) und aus den Niederlanden
(Stand-Erker).
Über dem Portal halten zwei Braunschweiger
Löwen das Stadtwappen,
denn Alfeld gehörte nach der Hildesheimer
Stiftsfehde, von 1523 bis
1643 zu dem welfischen Herzogtum,
während es vorher dem Bistum Hildesheim
unterstand. Aus dieser Zeit
stammen die grundlegenden Farben
Gold und Rot für Hildesheim und
auch für das Alfelder Wappen. Der
zusätzliche blaue Schild in der Mitte
gilt als Symbol des blauen Steins
links neben der Rathaustreppe. Wahrscheinlich
handelt es sich hierbei um
einen Gerichtsstein, der früher das
Rathaus als Gerichtsort kennzeichnete.
In Alfelds lokaler Sage vom Räuber
Lippold spielt der Stein eine entscheidende
Rolle.
Kriegerdenkmal
Seit 150 Jahren steht das Denkmal zur
Erinnerung an den deutsch-französischen
Krieg von 1870/71 in der Pferdeschwemme
auf dem Marktplatz. Das
Denkmal, in der damaligen Carlshütte
in Alfeld gegossen, ist das größte erhaltene
Zeugnis aus der frühen Industrialisierungsphase
der Stadt. Ursprünglich
sollte das Denkmal auf einen bereits
erstellten Sockel zwischen dem Rathaus
und der Kirche aufgestellt werden.
Die Obrigkeit jedoch bestand auf
den heutigen Standort. Die Inschrift
vermittelt den Eindruck, dass dieses
Denkmal Gott zur Ehre, den Gefallenen
zum Gedächtnis, den Heimgekehrten
zur Erinnerung und allen zur Mahnung
errichtet wurde. Nur sollte im Nachhinein
bedacht werden, dass Bismarck
diesen Krieg anstrebte und Frankreich
damit zur Kriegserklärung provozierte.
Man versetze sich in diese Zeit: 1866
wurde das Königreich Hannover und
damit auch Alfeld durch die Preußen
annektiert. Vier Jahre später mussten
die „Söhne Alfelds“ für den neuen Landesherrn
wieder zu den Waffen greifen.
Pecks Hotel
Auf der anderen Straßenseite steht ein
imposantes Haus, das heute von der
Stadtverwaltung genutzt wird. Das als
Hotel errichtete Gebäude geht unter
dem Namen „Pecks Hotel“ auf die
Familie der bekannten Architektin und
Urgestein Anneliese Peck zurück. Die
16 Bronzeglocken läuten an der Hausecke
des heutigen Bürgeramtes täglich
einmal um 11.55 Uhr und einmal
um 17.50 Uhr. Wer sich im Standesamt
Alfeld das Ja-Wort gibt, kann gegen
eine Gebühr nach der Melodie „Traulich
geführt“ für sich läuten lassen.
Tierhandelshaus Ruhe
Über den Tierhandel in Alfeld ist
bereits in einer anderen Ausgabe
der SIEBEN: berichtet worden.
Wie auch die Firma Reiche verlegte
der Tierhändler Ludwig Ruhe seinen
Geschäftssitz von Grünenplan
nach Alfeld (1880), wo er sich in dem
Haus am Markt (Marktplatz 8) einrichtete.
Nach dem Tod des Firmengründers
führten seine beiden Söhne das
Geschäft weiter; Hermann Ruhe in
Alfeld und Bernhard Ruhe in New York.
Da sich das Unternehmen ständig ausweitete
und die Großtiere in den Stallungen
am Markt nicht mehr untergebracht
werden konnten, ließ Hermann
Ruhe in den Jahren 1902-1904 eine
Quarantäne-Station und ein Vogelhaus
an der Kalandstraße errichten.
Skulptur „Die Zeit und ihre Geister“
Die Volksbank Alfeld eG, unter dem
Dach der Stiftung Niedersächsischer
Volks- und Raiffeisenbanken, stiftete
der Stadt Alfeld (Leine) im Jahr 1995
die Skulptur des Heidelberger Künstlers
Jürgen Goertz. Zu dieser Zeit hatte
die Stadt das Märchen „Schneewittchen
und die sieben Zwerge“ wegen
der Nähe zu den „Sieben Bergen“ touristisch
in den Fokus gesetzt.
Als das Brüder-Grimm-Museum
Kassel der Stadt Alfeld
bescheinigte, dass das Märchen
seine Handlung nicht
in unseren Sieben Berge
hat, wurde auf die weitere
Vermarktung des Märchens
verzichtet.
Wäre Jürgen Goertz ein Künstler des
19. Jahrhunderts gewesen, so hätte
dieser Schneewittchen und die
Zwerge realistisch abgebildet. So
aber ist eine Skulptur entstanden, die
zu gegensätzlichen Einschätzungen
anregt und das Thema Schneewittchen
nur verschlüsselt beinhaltet. In
Vertretung der sieben Zwerge stehen
hier Gestalten, die jede auf ihre Art
vom Wirken der Zeit, von Bedrohung,
Zerstücklung und Entseelung, aber
auch von Verführung und sinnlichem
Genuss berichten. Über die Umsetzung
dieses Kunstwerks scheiden sich
erfahrungsgemäß die Alfelder Geister.
Die Lippoldsage
Es begab sich zu einer Zeit, da der
Räuber Lippold im Tal der Glene sein
Unwesen trieb und reiche Kaufleute
überfiel. Als er sich eine Frau nehmen
wollte, überfiel er die Hochzeitsgesellschaft
der Bürgermeistertochter
beim Weinberg in Alfeld
und entführte sie zu seiner Höhle bei
Brunkensen. Eines Tages erkrankte
der Räuber, so dass er seine Frau
zur Ratsapotheke nach Alfeld schickte
und ihr das Gelöbnis abnahm, zu
schweigen. Als die Bürgermeistertochter
durch ein Fenster des Rathauses
ihren Vater erkannte, traute
sie ihr Geheimnis dem grauen Stein
am Portal an. Ihre Tränen fielen auf
den Stein, der sich sodann blau verfärbte.
Der Bürgermeister, der zugehört
hatte, stellte eine Bürgerwehr
zusammen, die zur Lippoldshöhle
ritt und den Räuber mit einem Seil
durch den noch heute zu sehenden
Schornstein strangulierte.