AERO INDIA 2011 «Das Geld wurde abgeschafft…» - Cockpit
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Kabelfliegen<br />
Das englische Wort «Wire» hat mehrere Bedeutungen. Es steht unter<br />
anderem für Draht, Kabel oder Leitung. In der Aviatik hat der Begriff<br />
«Fly by Wire» eine wichtige Stellung. Es bezieht sich in diesem Fall auf<br />
die elektrische Leitung zur Übertragung der Steuereingaben.<br />
Entgegen der weit verbreiteten Meinung,<br />
dass «Fly by Wire» mit dem Airbus<br />
320 in den späten 1980er-Jahren<br />
eingeführt worden sei, reichen die Ursprünge<br />
bis in den Zweiten Weltkrieg zurück. Der<br />
C-1 Autopilot, der unter anderem im Boeing<br />
B-17E Bomber zur Anwendung kam, nutzte<br />
bereits elektrische Signale, um Höhe und<br />
Steuerkurs zu halten. Der Avro Vulcan, ein<br />
vierstrahliger Bomber aus den 1950ern, war<br />
das erste Flugzeug, bei dem alle Steuereingaben<br />
über elektrische Impulse weitergeleitet<br />
<strong>wurde</strong>n.<br />
Technische Grundlagen<br />
Der Airbus 320, eines der meistverkauften<br />
Zivilflugzeuge, hat seinen Erfolg nicht zuletzt<br />
dem bahnbrechenden «Fly by wire»-<br />
System zu verdanken. Laut Airbus soll das<br />
System den Piloten die Steuerführung angenehmer<br />
machen. Zudem erhöht es die Sicherheit,<br />
reduziert das Gewicht und soll erst<br />
noch kosteneffizienter sein. Die Absatzzahl<br />
von beinahe 7000 Flugzeugen zeigt, dass es<br />
den Ingenieuren gelungen ist, ein sehr gutes<br />
Flugzeug zu konzipieren.<br />
Der Airbus 320 geht aber einige Schritte<br />
weiter mit seinem «Fly by wire»-System, als<br />
einfach nur den Steuerimpuls elektronisch<br />
weiterzuleiten. Vereinfacht dargestellt gibt<br />
der Pilot über den Sidestick oder den Autopiloten<br />
eine Steuereingabe, welche an den<br />
jeweiligen Flugkontrollcomputer weitergegeben<br />
wird. Dieser wertet die Eingabe<br />
aus und errechnet, welche Steuerflächen<br />
bewegt werden müssen, um die vom Piloten<br />
erwünschte Änderung der Fluglage zu<br />
bewirken. Solange der Pilot den Sidestick<br />
nicht bewegt, hält der Computer die aktuelle<br />
Fluglage. Dies wird oft auch als Vektorsteuerung<br />
beschrieben. Diese scheinbar<br />
einfache Aussage hat aber für Piloten weitreichende<br />
Auswirkungen.<br />
Flugzeugsteuerung<br />
In einem konventionellen Flugzeug werden<br />
die Steuerflächen entsprechend der Steuereingabe<br />
ausgeschlagen. Bewegt der Pilot<br />
das Steuerhorn in die maximale Schräglage,<br />
so beträgt auch der Ausschlag der Steuerflächen<br />
den maximalen Wert. Und lässt<br />
der Pilot das Steuerhorn in seiner normalen<br />
Stellung, so befinden sich auch alle Steuerflächen<br />
in der Neutralstellung.<br />
Im Airbus hingegen kommandiert der Pilot<br />
eine Flugbahnänderung. Zieht der Pilot am<br />
Sidestick, gibt er dadurch dem Computer<br />
den Befehl, die Flugzeugnase mit einer bestimmten<br />
Beschleunigungskraft nach oben<br />
zu heben. Je stärker der Pilot am Sidestick<br />
zieht, desto grösser ist die Beschleunigungskraft.<br />
Um die Belastung, auch g-Faktor genannt,<br />
wieder auf den Normalwert von 1 zurückzubringen,<br />
muss der Pilot den Sidestick<br />
zurück in die Neutralstellung bewegen. Erst<br />
dann behält das Flugzeug die aktuelle Fluglage<br />
und erfährt keine Beschleunigungen<br />
mehr um die Flugzeugachsen.<br />
Erlebt das Flugzeug eine Änderung der Fluglage,<br />
beispielsweise durch eine Böe oder<br />
durch das Ausfahren des Fahrwerks, wird<br />
es nach einer kurzen Störung sofort wieder<br />
seine ursprüngliche Flugbahn einnehmen.<br />
Dies hat einen enormen Einfluss auf<br />
das Steuerungsverhalten von Piloten.<br />
Verhalten am Sidestick<br />
Die Steuerung im Airbus führt besonders bei<br />
Piloten, die davor ein Flugzeug mit konventioneller<br />
Steuerung geflogen sind, bisweilen<br />
zu leichten Schwierigkeiten bei der Angewöhnung.<br />
Da bei vielen Flugzeugen jede<br />
Flugbahnänderung korrigiert werden muss,<br />
hat ein frischer Airbus Pilot zu Beginn oft<br />
eine nervöse Steuerführung am Side stick.<br />
Er versucht jede kleine Änderung sofort mit<br />
dem Sidestick zu korrigieren. Eine Böe, die<br />
die Querneigung des Flugzeuges nach links<br />
erhöht, kommentiert der Pilot mit einem<br />
sofortigen Sidestickausschlag nach rechts.<br />
Da der Computer, wie oben besprochen, sowieso<br />
wieder in die ursprüngliche Flugbahn<br />
zurückkehrt, wird der Steuerinput des Piloten<br />
dazu addiert. Dadurch kommt es zu<br />
einer Querneigung nach rechts und erfordert<br />
eine Gegenkorrektur. Dieses Aufschau-<br />
Your Captain speaking…<br />
Mit dem roten Knopf am Sidestick lässt sich<br />
der Autopilot bequem ausschalten.<br />
keln wird auch «Pilots induced oscillation»<br />
genannt. Bei schwierigen Windsituationen<br />
hat der Computer jedoch seine Grenzen und<br />
schafft es nicht immer, in kurzer Zeit in die<br />
ursprüngliche Flugbahn zurückzukehren.<br />
Mit zunehmender Erfahrung erkennen die<br />
Piloten diese Situationen und reagieren darauf<br />
mit korrekten Steuereingaben.<br />
Anflugtechnik<br />
Die Vektorsteuerung hätte auf den Landeablauf<br />
einen enormen Effekt. Ein vereinfachtes<br />
Gedankenspiel: Um die Sinkrate<br />
zu verkleinern, muss der Sidestick gezogen<br />
werden. Das Flugzeug würde die Belastung<br />
um die Querachse ändern und fortan die<br />
Nase mit der gleichen Belastung nach oben<br />
ziehen. Erst wenn der Pilot den Sidestick<br />
nach vorne in die Neutralstellung drückt,<br />
würde das Flugzeug die Nase nicht weiterheben.<br />
Da diese Bewegung jedem Piloten völlig<br />
fremd ist und jeglicher Erfahrung mit konventionellen<br />
Flugzeugen widerspricht,<br />
wird unter 50 Fuss Höhe der so gennante<br />
«Flare Mode» aktiviert. Der Computer memorisiert<br />
die aktuelle Fluglage und beginnt<br />
ab 30 Fuss damit, die Flugzeugnase nach<br />
unten zu drücken. Der Pilot muss deshalb<br />
kontinuierlich am Sidestick ziehen, um die<br />
Sinkrate zu brechen. Dadurch wird ihm das<br />
Gefühl eines konventionellen Landeablaufs<br />
vermittelt.<br />
Tobias Mattle<br />
Foto: zvg<br />
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