09.07.2021 Aufrufe

stahl + eisen 06/2021 (Leseprobe)

TITELTHEMA AUTOMOTIVE: GRÜNE MOBILITÄT // WEITERE THEMEN: u.a. Mit Wasserstoff zur klimaneutralen Stahlproduktion, Logistik für HBI und DRI, Interview mit Joanna Funck von Ferroso, aus Wissenschaft + Technik: Neue 3D-Laserschneidanlage eröffnet mehr Optionen, Rechtliche Optionen für Abnehmer bei Lieferverzug

TITELTHEMA AUTOMOTIVE: GRÜNE MOBILITÄT // WEITERE THEMEN: u.a. Mit Wasserstoff zur klimaneutralen Stahlproduktion, Logistik für HBI und DRI, Interview mit Joanna Funck von Ferroso, aus Wissenschaft + Technik: Neue 3D-Laserschneidanlage eröffnet mehr Optionen, Rechtliche Optionen für Abnehmer bei Lieferverzug

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Nr. 6 | Juni <strong>2021</strong><br />

Magazin für die Herstellung und Verarbeitung von Eisen + Stahl<br />

LME verstehen<br />

Risse vermeiden<br />

Wasserstoff<br />

und Förderprojekte<br />

Grüne Mobilität<br />

Erzeuger und Hersteller kooperieren für „Green Steel“ und Elektroautos


ZEIT FÜR VERÄNDERUNG<br />

FÜR EINE CO<br />

2<br />

-NEUTRALE ZUKUNFT<br />

Technologie-Partner der Stahlindustrie für die<br />

Direktreduktions-Prozesse von morgen<br />

STEULER-KCH GmbH | Berggarten 1 | 56427 Siershahn | GERMANY<br />

Phone: +49 2623 600-409 | E-Mail: info@steuler-kch.de | www.steuler-linings.com


Liebe Leserinnen & Leser,<br />

Aktuelle Nachrichten<br />

finden Sie<br />

fortlaufend auf<br />

<strong>stahl</strong><strong>eisen</strong>.de. Sie<br />

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auf Twitter doch<br />

@<strong>stahl</strong><strong>eisen</strong>_de.<br />

mit Daimler, BMW und Volkswagen sind gleich drei Automobilhersteller<br />

im Dax vertreten, dem Leitindex der Deutschen Börse. Dazu kommt<br />

mit Continental noch ein Automobilzulieferer. Das ist im Wortsinne<br />

„Old Economy“, so wie der Großteil der anderen Index-Werte, aber bis<br />

heute eine Basis des deutschen Wohlstands und außerdem ein wichtiger<br />

Abnehmer von Stahl. Jedoch steht diese Branche massiv unter Druck:<br />

Moderne Autos sind vernetzte Digitalwunder, und hier sind amerikanische und<br />

chinesische Anbieter deutlich voraus; dazu steht auch hier die Dekarbonisierung als politische<br />

forcierte Herausforderung an. Hier müssen die deutschen (und alle anderen europäischen)<br />

Hersteller „liefern“, damit auch in Zukunft Autos auf dem Kontinent gebaut werden.<br />

In der aktuellen Titelstrecke „Automotive“ ab Seite 14 beleuchten wir nach einem kompakten<br />

Überblick einige Maßnahmen speziell der Autobauer. Es geht dabei um kleine, kurzfristige<br />

Schritte auf dem Weg zur Klimafreundlichkeit ebenso wie langfristig geplante. Ebenso werfen<br />

wir zwei Schlaglichter auf einen Hersteller und einen Verarbeiter, die ebenfalls ihre Beiträge<br />

zur Zukunftsfähigkeit der Autoindustrie leisten. In dem Einführungsartikel werfen wir gegen<br />

Ende übrigens auch einen Blick auf das Ende des Produktlebenszyklus. Ein sehr bekannter<br />

Branchenname eröffnet sich neue Geschäftsfelder außerhalb des gewohnten Umfelds und hat<br />

dabei das Recycling von Lithium-Ionen-Batterien als eine Option entdeckt. Unter dem Strich bin<br />

ich jedenfalls sehr zuversichtlich, dass die Hersteller wie auch die Erzeuger und die Zulieferer<br />

die Mammutaufgabe „Dekarbonisierung“ im Schulterschluss schaffen werden.<br />

Mit „Logistik“ – sowohl innerbetrieblich als auch mit Blick auf die Lieferkette – haben wir ein<br />

zweites Schwerpunktthema in der aktuellen Ausgabe. Wir haben diese Beiträge im Heft noch<br />

einmal durch eine kleine Plakette zusätzlich hervorgehoben. So finden Sie beispielsweise ab Seite<br />

28 einen Fachtext aus dem Hause Aumund, der sich mit dem Heißtransport und der Kühlung von<br />

Direktreduktionsprodukten beschäftigt. Dazu haben wir u.a. mit Joanna Funck von Ferroso über<br />

die Verringerung von Reibungsverlusten zwischen Stahlhändler und Stahlverarbeitern<br />

gesprochen und ein Rechtsanwalt klärt über die Optionen bei Lieferverzug auf.<br />

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre!<br />

Torsten Paßmann, Chefredakteur<br />

<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de Juni <strong>2021</strong> 3


STAHL<br />

EISEN<br />

Inhalt 6 | <strong>2021</strong><br />

Cover:<br />

Die Autobranche<br />

setzt auf E-Mobilität<br />

und „grünen“ Stahl<br />

Quelle: hurricanehank/www.shutterstock.com<br />

NEWS<br />

TERMINE<br />

6 Wirtschaft + Industrie<br />

u.a. mit Saar<strong>stahl</strong>, ArcelorMittal und Fachmessen<br />

10 Klima + Umwelt<br />

u.a. mit voestalpine, Paul Wurth und Hybrit<br />

12 Additive Fertigung<br />

u.a. mit Volkswagen, Fraunhofer und Desktop Metal<br />

16<br />

Green<br />

Steel trifft Elektromobilität<br />

Erzeuger und Hersteller drehen alle Stellschrauben<br />

für Klimafreundlichkeit<br />

TITELTHEMA: AUTOMOTIVE<br />

16 OEM erhöhen Tempo bei der<br />

Dekarbonisierung<br />

Kfz-Hersteller drehen alle Stellschrauben zur<br />

Klimafreundlichkeit<br />

18 Volkswagen setzt auf neue XL-Presse<br />

von Schuler<br />

Ausbau spart 9 000 Lkw-Fahrten ein<br />

20 Verringerte Emissionen in der Lieferkette<br />

Mercedes-Benz und Volvo engagieren sich verstärkt<br />

bei Erzeugern<br />

23 Sandwich-Werkstoff sorgt für mehr Ruhe<br />

Mit einem intelligenten Kniff sorgt thyssenkrupp Steel<br />

für mehr Ruhe im E-Auto<br />

43<br />

LME<br />

verstehen, Risse vermeiden<br />

Herausforderungen beim Widerstandspunktschweißen<br />

moderner hochfester Stähle<br />

POLITIK<br />

MÄRKTE<br />

24 Mit Wasserstoff zur klimaneutralen<br />

Stahlproduktion<br />

BMWi und BMVI bringen Wasserstoff-Großprojekte<br />

auf den Weg<br />

28 Logistik für HBI und DRI<br />

Technologie für den Heißtransport und die<br />

Kühlung von Direktreduktionsprodukten<br />

32 Automatisierung optimiert<br />

innerbetriebliche Logistik<br />

Stahlhändler Weser Stahl setzt auf neues<br />

Lager-Säge-System und einen mannlosen Betrieb<br />

34 „Die Beschaffung birgt mehr<br />

Herausforderungen als die Entsorgung“<br />

Interview mit Joanna Funck von Ferroso<br />

36 Voestalpine dreht operatives Ergebnis<br />

ins Plus<br />

Maßnahmen im Geschäftsjahr 2020/<strong>2021</strong> zeigen<br />

Wirkung<br />

37 Zeichen für konjunkturelle<br />

Aufbruchsstimmung bei Lieferketten<br />

Aktuelle Meldung aus dem BMWi<br />

4 Juni <strong>2021</strong> <strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de


WISSENSCHAFT<br />

TECHNIK<br />

43 Liquid Metal Embrittlement verstehen,<br />

Risse vermeiden<br />

Herausforderungen beim Widerstandspunktschweißen<br />

moderner hochfester Stähle<br />

48 Bessere Fundamente für<br />

Offshore-Windparks als Ziel<br />

Dillinger setzt auf die Zusammenarbeit mit<br />

Wissenschaftlern aus Aachen und Saarbrücken<br />

28<br />

Logistik für HBI und DRI<br />

Technologie für den Heißtransport und<br />

die Kühlung von Direktreduktionsprodukten<br />

52 „Eine Laserquelle für ein breiteres<br />

Stärkespektrum als bisher“<br />

Neue 3D-Laserschneidanlage eröffnet einem<br />

Stahl- und Komponentenbauer mehr Optionen<br />

54 Erzeugnisse und Verfahren<br />

für den Umgang mit Stahl<br />

u.a. mit Enemac, NDC Technologies und<br />

Menzel Elektromotoren<br />

RECHT<br />

FINANZEN<br />

56 Der Nachschub kommt... nicht<br />

Rechtliche Optionen für Abnehmer bei Lieferverzug<br />

BERUF<br />

KARRIERE<br />

58 „Leadership Identity“ als innerer Kompass<br />

Führungskräfte brauchen Orientierung,<br />

um selbstbewusst und selbstsicher zu führen<br />

STYLE<br />

STORY<br />

„Die Beschaffung birgt mehr Herausforderungen“<br />

34 Interview mit Joanna Funck, Ferroso<br />

62 Ein Lehrer und Forscher der<br />

Montanwissenschaften<br />

Vor 150 Jahren starb Julius Weisbach,<br />

Professor an der Bergakademie Freiberg<br />

IMMER<br />

EWIG<br />

3 Editorial<br />

9 Termine<br />

38 Länder + Anlagen<br />

60 VDEh-Personalia<br />

64 People<br />

66 Vorschau + Impressum<br />

<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de Juni <strong>2021</strong> 5


NEWS + TRENDS<br />

Wirtschaft<br />

Industrie<br />

Bundesfinanzminister und Kanzlerkandidat<br />

Olaf Scholz (SPD) besuchte ArcelorMittal Bremen.<br />

Scholz und Baerbock besuchen ArcelorMittal<br />

Mitte Juni erhielt der Stahlerzeuger ArcelorMittal<br />

gleich zweimal Besuch aus dem<br />

Bundestag: Erst schaute Bundesfinanzminister<br />

Olaf Scholz (SPD) in Bremen vorbei,<br />

ein paar Tage später war es die Oppositionspolitikerin<br />

Annalena Baerbock<br />

(Bündnis90/Die Grünen) in Eisenhüttenstadt.<br />

Während seines Besuchs überzeugte<br />

sich Scholz von den Plänen und Herausforderungen,<br />

um den Weg zum grünen<br />

Stahl erfolgreich zu gehen. Neben<br />

politischen Gesprächen mit der Geschäftsführung<br />

und dem Betriebsrat des<br />

Standorts sowie der IG Metall Bremen<br />

kam er auch mit der Belegschaft des<br />

größten Produktionsstandorts von ArcelorMittal<br />

in Deutschland ins Gespräch. In<br />

Ostbrandenburg machte sich dann auch<br />

Baerbock ein Bild von den Transformationsplänen<br />

für den Industriestandort.Für<br />

die beiden Flach<strong>stahl</strong>werke Bremen<br />

und Eisenhüttenstadt hat Arcelor-<br />

Mittal ein Konzept vorgelegt, um dort<br />

noch vor 2030 rund 3,5 Millionen Tonnen<br />

Stahl klimaneutral zu produzieren und<br />

so mehr als fünf Millionen Tonnen CO 2 -<br />

Emissionen pro Jahr einzusparen.<br />

Saar<strong>stahl</strong> will zwei Standorte von Liberty Steel<br />

in Frankreich übernehmen<br />

Zur Übernahme der beiden französischen Standorte Liberty Ascoval<br />

(in Saint-Saulve) und Liberty Rail Hayange (Hayange) hat Saar<strong>stahl</strong><br />

dem derzeitigen Eigentümer Liberty Steel ein Angebot unterbreitet.<br />

Das Vorhaben zielt darauf ab, das Schienengeschäft neu in<br />

die Unternehmens- und Industriestrategie von Saar<strong>stahl</strong> aufzunehmen,<br />

das Produktportfolio (Lichtbogenofen-Blöcke und -Schienen)<br />

zu erweitern und Zugang zu einer neuen Produktionstechnik<br />

(Elektro-Lichtbogenofen) zu erhalten. „Dieses Vorhaben gliedert<br />

sich nahtlos in die Strategie unserer saarländischen Gruppe ein, im<br />

Hinblick sowohl auf die Stärkung unserer Wettbewerbsfähigkeit<br />

als auch die strukturelle Transformation“, so der Vorstandsvorsitzende<br />

von Saar<strong>stahl</strong> Dr. Karl-Ulrich Köhler. Nach erfolgter Integration<br />

soll Hayange einen Beitrag zur europäischen Strategie des<br />

ökologischen Wandels im Bereich Mobilität leisten. Saar<strong>stahl</strong> will<br />

dort qualitativ hochwertige Infrastrukturprodukte herstellen.<br />

Ascoval soll Dreh- und Angelpunkt für grünen Stahl werden.<br />

Messe Düsseldorf: Metallmessen-Quartett in Indien<br />

verschoben<br />

Die Messe Düsseldorf India hat entschieden, das Metallmessen-Quartett wire India, Tube India, METEC India und India Essen Cutting &<br />

Welding ins Jahr 2022 zu verschieben. Die Veranstaltungen, die ursprünglich für den 8. bis 10. September <strong>2021</strong> im Bombay Exhibition<br />

Centre in Mumbai geplant waren, finden jetzt vom 23. bis 25. November 2022 dort statt. Thomas Schlitt, Geschäftsführer der Messe<br />

Düsseldorf India, erklärt: „Unser Ziel ist es nach wie vor, den wirtschaftlichen Aufschwung zu unterstützen, indem wir mit unseren<br />

Messen eine führende Plattform für die sichere und effektive Abwicklung von Geschäften bieten.“ Doch die aktuelle Entwicklung der<br />

Pandemie lasse eine verlässliche Planung in Indien für die nächsten Monate nicht zu und mache es unmöglich, die Indian Metal Fair<br />

im September <strong>2021</strong> durchzuführen. Die Messe Düsseldorf India vertraue nun nach Angaben Schlitts darauf, „dass bis 2022 die globalen<br />

Reisebeschränkungen aufgehoben werden und wir angesichts der internationalen Ausrichtung des Metallmessenquartetts wieder<br />

eine große internationale Beteiligung sehen werden“. Nach der pandemiebedingten Absage der deutschen Ausgaben von wire und<br />

Tube 2020 in Düsseldorf richten die Organisatoren diese Veranstaltungen turnusgemäß ebenfalls im Jahr 2022 aus.<br />

Quellen: ArcelorMittal; Primetals Technologies; Alexander Kirch/www.shutterstock.com<br />

6 Juni <strong>2021</strong> <strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de


Weiterer Ausbau der KI-Lösungen bei ArcelorMittal<br />

Bremen<br />

Der Bremer Stahlstandort von ArcelorMittal<br />

Bremen beauftragt erneut das KI-Unternehmen<br />

Smart Steel Technologies und<br />

erweitert damit die SST-Plattform um die<br />

Anwendung SST Rolling AI. Die Plattform<br />

wird live auf alle relevanten Datenquellen<br />

aus dem Warmwalzwerk erweitert. Sie<br />

dient dazu, das Warmwalzwerk durch<br />

automatische Überwachung, Vorhersage<br />

und Live-Empfehlungen zu optimieren.<br />

Mit dem Einsatz soll sich jeder Aspekt der<br />

Produktion fein abstimmen und jegliche<br />

Ineffizienz beseitigen lassen, so Smart<br />

Steel Technologies. ArcelorMittal Bremen<br />

profitiere durch den Einsatz der speziell<br />

für Stahlhersteller entwickelten KI-Datenplattform<br />

in kürzester Zeit von einer weiteren<br />

Qualitätssteigerung und Kostensenkung.<br />

Man habe gute Erfahrungen im<br />

ersten Projekt gesammelt und werde nun<br />

weitere Produkte in den Prozess zum Thema<br />

Produktqualität und Effizienzsteigerung<br />

im Bereich des Warmwalzwerkes<br />

integrieren, heißt es seitens ArcelorMittal<br />

Bremen. Vor Ort sind bereits die Softwareprodukte<br />

SST Casting AI und SST Surface<br />

AI im Einsatz.<br />

Primetals Technologies und NewFer bündeln Kräfte bei<br />

Pelletierung und Aufbereitung von Eisenerz<br />

Im April <strong>2021</strong> unterzeichneten Primetals<br />

Technologies und das deutsche,<br />

2019 gegründete Unternehmen NewFer<br />

eine Kooperationsvereinbarung für die<br />

gemeinsame Entwicklung und Implementierung<br />

von Pelletier- und Aufbereitungsanlagen<br />

für Eisenerz. Die Kooperation<br />

soll das weltweite Angebot<br />

von Primetals Technologies im Bereich<br />

der Pelletiertechnologie von Eisenerz<br />

mit dem Wanderrostverfahren ausweiten.<br />

Zudem sei die Kooperation für<br />

Primetals Technologies „äußerst hilfreich“,<br />

denn die Kompetenz im Anlagenbau<br />

ergänze sich „ausgezeichnet<br />

mit der Erfahrung und dem technischen<br />

Fachwissen der Spezialisten bei<br />

NewFer auf dem Gebiet der Eisenerz-<br />

Pelletierung“, so Friedemann Plaul,<br />

Senior Vice President Iron and Steelmaking<br />

und ECO Solutions bei Primetals<br />

Technologies. Der Anlagenbauer projektiert<br />

Pelletieranlagen mit dem Wanderrost-Verfahren<br />

in gerader und runder<br />

Bauart mit Kapazitäten von einer Million<br />

bis acht Millionen Tonnen pro Jahr.<br />

NewFer wird für Primetals Technologies<br />

verschiedene Unterstützungsleistungen<br />

für die Auslegung und Entwicklung von<br />

Pelletieranlagenprojekten erbringen,<br />

darunter die Rohstoffcharakterisierung<br />

und Chargenrostversuche, die Entwicklung<br />

der Prozesstechnik (wie Wärmeund<br />

Massenbilanzen und sonstige<br />

Hauptprozessparameter) sowie die Unterstützung<br />

bei der Konstruktion der<br />

Brennmaschine.<br />

Thomas Schwalm, Chief Technology Officer<br />

bei NewFer (rechts), und Hans-Jörg<br />

Baumgartner, Pelletier- Technologe bei<br />

Primetals Technologies, an der Primetals-Pelletierversuchsanlage<br />

in Leoben,<br />

Österreich<br />

JSW Steel erhebt Kartellvorwürfe gegen<br />

US-Stahlunternehmen<br />

Die US-Tochtergesellschaften des indischen<br />

Konzerns JSW Steel haben drei der<br />

größten US-Stahlerzeuger unlautere Handelspraktiken<br />

zur Last gelegt: Nucor, U.S.<br />

Steel sowie Cleveland Cliffs inklusive der<br />

jüngst übernommenen AK Steel Holding.<br />

Die Unternehmen sollen sich zu einem<br />

Boykott verschworen haben und sich seit<br />

über drei Jahren weigern, JSW Steel USA<br />

und JSW USA Steel Ohio mit Stahlbrammen<br />

– einem für die Betriebe essenziellen<br />

Vormaterial – zu beliefern. JSW gibt<br />

an, aufgrund des vermeintlichen Kartells<br />

„Gewinne von Hunderten Millionen US-<br />

Dollar“ eingebüßt zu haben. Zudem hätte<br />

der Boykott höhere Preise und somit<br />

erheblichen Schaden für Käufer verursacht<br />

sowie zahlreiche Arbeitsplätze gekostet.<br />

Parth Jindal, Vorstandsmitglied<br />

von JSW Steel USA sagt, die Angeklagten<br />

seien seit langem die dominierenden<br />

Stahlunternehmen in den USA und setzten<br />

wettbewerbswidrige Taktiken gegen<br />

kleinere Produzenten ein, um erfolgreich<br />

zu sein. „Wir haben uns vor ein paar Jahren<br />

in den US-Markt eingekauft und erhebliche<br />

Fortschritte bei der Verbesserung<br />

unserer Anlagen und Leistung gemacht.<br />

Im Jahr 2018 haben wir<br />

angekündigt, erhebliche Investitionen zu<br />

tätigen, um unsere Anlagen weiter auszubauen<br />

und zu verbessern. Diese Unternehmen<br />

haben diese Pläne entgl<strong>eisen</strong><br />

lassen, und deshalb reichen wir heute<br />

diese Klage ein, um selbstbewusst zu reagieren“,<br />

erklärte Jindal in einem Statement<br />

vom 8. Juni. Die Klage wurde am<br />

US-Bezirksgericht für den südlichen Bezirk<br />

von Texas eingereicht.<br />

<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de Juni <strong>2021</strong> 7


TITELTHEMA: AUTOMOTIVE<br />

Einführung<br />

Green Steel<br />

trifft<br />

E-Mobilität<br />

Die Automobil- und die Stahlbranche sind insbesondere<br />

in Deutschland zwei Vorzeigeindustrien– sie sind europaweit<br />

aber auch gemeinsame Treiber der Dekarbonisierung<br />

14 Juni <strong>2021</strong> <strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de


Inlandsflüge mögen klimapolitisch unter Druck<br />

stehen, mit deutlich über 90% kommt der Großteil<br />

der CO 2 -Emissionen im Verkehr aber von der<br />

Straße. Von daher stehen in der Öffentlichkeit<br />

vor allem die Hersteller unter Druck, „saubere<br />

Lösungen“ anzubieten. Mit der Stahlbranche<br />

haben sie dabei einen Zulieferer, in der Erzeuger<br />

wie Anlagenbauer ebenfalls an jeder<br />

Stellschraube zur Optimierung drehen. Clevere<br />

Lösungen für die E-Mobilität gibt es dabei<br />

ebenso wie kleine Kooperationen und große<br />

Investments.<br />

Quelle: Smile Fight/www.shutterstock.com<br />

<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de Juni <strong>2021</strong> 15


TITELTHEMA: AUTOMOTIVE<br />

Einführung<br />

Stahlerzeugern,<br />

Anlagenbauern und<br />

Kfz-Herstellern<br />

bieten sich zahlreiche<br />

Chancen, die<br />

Klimaziele beim<br />

Autbau zu erreichen.<br />

OEM erhöhen das Tempo zu der<br />

Dekarbonisierung<br />

Kfz-Hersteller drehen an allen Stellschrauben, um die Klimafreundlichkeit der Branche zu<br />

erhöhen – Unterstützung erhalten sie von Stahlerzeugern und Zulieferern<br />

AUTOR: Torsten Paßmann<br />

torsten.passmann@<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de<br />

DARUM GEHT’S: Die E-Mobilität ist auf<br />

dem Vormarsch: Unter den Neuzulassungen<br />

in Deutschland steigt der Anteil<br />

von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben<br />

enorm. Das bringt für Automobilhersteller<br />

einen grundlegenden Wandel<br />

mit sich, der sich auch in der gesamten<br />

Zulieferkette bemerkbar macht. Die Perspektiven<br />

für Stahlerzeuger sind dabei<br />

grundsätzlich gut.<br />

Mit Abschluss des Jahres 2019<br />

konnte die Führungsspitze von<br />

Volkswagen noch über die globale<br />

Pole Position jubeln: Gut 10,7 Millionen<br />

Fahrzeuge setzten die Wolfsburger<br />

ab. Toyota als Nummer 2 lag bei 10,55<br />

Millionen und Börsenheld Tesla weit abgeschlagen<br />

bei unter 400 000 Stück. Im<br />

vergangenen Jahr verlief das Geschäft weniger<br />

erfreulich bei VW. Der Absatz sank<br />

um 16,4 % auf gut 9,3 Millionen Fahrzeuge,<br />

der Umsatz fiel um 11,8 % und der<br />

Gewinn brach um 37,1 % auf 8,8 Mrd.<br />

Euro ein. Toyota wurde wieder die Nummer<br />

1 und Tesla ist zwar mit rund 500 000<br />

verkauften Fahrzeugen immer noch ein<br />

Absatzzwerg, steigerte aber die Verkäufe<br />

und hat mit Stand Mitte Juni eine Marktkapitalisierung<br />

von 600 Mrd. USD, während<br />

der Gigant Volkswagen lediglich bei<br />

130 Mrd. Euro liegt. Die Differenz ist dahingehend<br />

von Bedeutung, weil an den<br />

Börsen vergangene Erfolge irrelevant sind<br />

und die Gegenwart nur bedingt eine Rolle<br />

spielt – es zählt allein die Zukunftsperspektive.<br />

Und da hat Tesla als ein Wegbereiter<br />

ansehnlicher, attraktiver und noch<br />

bezahlbarer Elektromobilität einen gewissen<br />

Vorsprung. Auch die Politik stützt<br />

diese Entwicklung.<br />

Politischer Druck<br />

Zwar ist das augenscheinlich noch weit<br />

entfernte Jahr 2050 erst das große Ziel zur<br />

Erreichung der Klimaschutzpläne, aber<br />

Politiker in Deutschland und anderen Ländern<br />

sind in eine Art Überbietungswettbewerb<br />

eingestiegen. Hierzulande wurde<br />

erst Anfang Mai das „Klimaziel für 2030“<br />

von 55 auf 65 Prozent Treibhausgasminderung<br />

gegenüber 1990 angehoben. Zehn<br />

Jahre später sollen es schon 88 Prozent<br />

Minderung sein und die Klimaneutralität<br />

wird bis 2045 angestrebt. Die Stahlbranche<br />

ist entsprechend mehrfach betroffen – sie<br />

muss ihre Emissionen für sich selbst im<br />

Griff haben (Scope 1), als auch gegenüber<br />

den Abnehmerindustrien wie den Automobilisten<br />

(Scope 3), um weiter den wichtigsten<br />

Grundstoff liefern zu können.<br />

Kleine und große Maßnahmen<br />

im VW-Konzern<br />

Die Autobauer drehen entsprechend an<br />

Stellschrauben, um die Umwelt- und Klimafreundlichkeit<br />

kurzfristig zu optimieren<br />

wie auch nachhaltig sicherzustellen. So hat<br />

allein Volkswagen im vergangenen Jahr<br />

rund 2,7 Mrd. Euro in Zukunftstechnologien<br />

investiert und will die Summe im Jahr<br />

2025 auf 16 Mrd. Euro steigern. Im laufenden<br />

Jahr soll der Absatz von E-Autos über<br />

450 000 Exemplare betragen, was konzernintern<br />

zwar gerade einmal (gerundet) 5 Prozent<br />

entspricht, aber den Abstand auf Tesla<br />

sichtbar verringert. Neben dem Ausbau der<br />

Elektromobilität gehört zu den Maßnahmen<br />

auf dem Weg zur bilanziell CO 2 -neutralen<br />

Produktion (VW nennt das „Way to<br />

Zero“) beispielsweise eine hochmoderne<br />

XL-Presse von Schuler, die bis zu 9 000 Lkw-<br />

Fahrten jährlich einsparen soll (siehe Seite<br />

18). Ähnlich sieht es bei der Konzernschwester<br />

Audi aus. Die Marke mit den vier Ringen<br />

hat Mitte Juni erst bekanntgegeben, dass<br />

bereits 2026 das letzte klassische Verbrennermodell<br />

auf den Markt kommen soll.<br />

Angesichts der Investitionszyklen der Branche<br />

ist das der nächstmögliche Zeitpunkt,<br />

um den Wechsel anzugehen. Produktion<br />

und Abverkauf sollen aber noch länger dauern,<br />

derzeit bis 2033, und Geld in die Kassen<br />

bringen. Schon jetzt haben die Ingolstädter<br />

Quellen: SMS group; Mahle<br />

16 Juni <strong>2021</strong> <strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de


aber mit dem Produktionsstart des Modells<br />

Q6 e-tron eine andere kleine Maßnahme<br />

umgesetzt. Mit dem Einsatz der zweiten<br />

Generation der Stahlcoilbeölung Prelube II<br />

soll die Ressourceneffizienz steigen (siehe<br />

Seite 19).<br />

Kooperationen zwischen OEM<br />

und Erzeugern<br />

Volvos elektrische Schwestermarke Polestar<br />

will bis 2030 ein komplett klimaneutrales<br />

Auto auf den Markt bringen – nicht nur<br />

eine Studie, sondern ein Serienmodell. Fredrika<br />

Klarén, Nachhaltigkeitsmanagerin<br />

der Marke, kann zwar weder zum geplanten<br />

Modell noch zur avisierten Vorgehensweise<br />

konkrete Angaben machen, legt aber<br />

immerhin offen, dass Polestar dabei die<br />

Lieferkette im Blick hat. Die „große<br />

Schwester“ Volvo kommuniziert schon offener,<br />

sie setzt auf fossilfreien Stahl aus der<br />

Hybrit-Initiative (siehe Seite 21). Der deutsche<br />

Premiumanbieter Mercedes-Benz<br />

blickt in der Lieferkette ebenfalls nach<br />

Norden: Die schwäbischen Autobauer investieren<br />

in das schwedische Start-up H2<br />

Green Steel, um die Entwicklung von und<br />

Versorgung mit „grünem Stahl“ sicherzustellen<br />

(siehe Seite 20). Dazu kommen natürlich<br />

noch die Bestrebungen aller anderen<br />

Stahlkonzerne, die Erzeugung innerhalb<br />

der Zeitfenster und wirtschaftlich<br />

tragbar umzustellen. Neben dem „großen<br />

Rad“ drehen die Gesellschaften aber auch<br />

so manches „kleine Rad“, um mit eigenen<br />

Entwicklungen ein relevanter Ansprechpartner<br />

zu bleiben. Ein Beispiel ist thyssenkrupp<br />

Steel Europe mit dem Sandwich-<br />

Werkstoff „bondal“ (Seite 22). Der Verbundwerkstoff<br />

mindert die Geräusche im<br />

E-Auto deutlich.<br />

Individuelle Rohre und<br />

3D-Druck-Lösungen für<br />

klimaneutrale Mobilität<br />

Der Wandel bei den Neuzulassungen hin zu<br />

einem immer stärkeren Anteil an Elektrofahrzeugen<br />

(siehe Kasten) macht sich nicht<br />

nur bei den Herstellern, sondern in der ganzen<br />

Zulieferkette der Automobilindustrie<br />

bemerkbar. Eine große Rolle spielt dabei der<br />

Leichtbau: Denn mit dem Gewicht sinkt der<br />

Energiebedarf und die Reichweite steigt.<br />

Der Rohrbiegemaschinenhersteller Schwarze-Robitec<br />

mit Sitz in Köln beobachtet außerdem<br />

einen deutlichen Zuwachs an Aufträgen,<br />

bei denen kein typisches, rundes<br />

Rohr mehr gebogen werden soll. Stattdessen<br />

verlangt die Leichtbauweise nach zunehmend<br />

komplexen, unsymmetrischen<br />

Formen mit vielgestaltigen Querschnitten.<br />

Mit dem Wandel hin zur E-Mobilität weicht<br />

Mit seinem neuen Center für additive Fertigungsverfahren widmet sich der<br />

Automobilzulieferer Mahle dem 3D-Druck als Schlüsseltechnologie für die schnelle<br />

Entwicklung von klimaneutralen Antrieben.<br />

die traditionelle Standard-Rohrbiegemaschine<br />

mit starr vorgegebenen Leistungsparametern<br />

immer mehr der kundenspezifisch<br />

konfigurierbaren, produktabhängigen Spezialmaschine.<br />

Eine andere Lösung bietet der<br />

Automobilzulieferer Mahle an, der ein neuen<br />

Center für additive Fertigungsverfahren<br />

eröffnet hat. Bei komplexen Bauteilen will<br />

das Unternehmen so künftig die Fertigung<br />

von Prototypen von mehreren Monaten auf<br />

wenige Tage verkürzen. Dadurch beschleunige<br />

sich nach eigenen Angaben auch die<br />

Entwicklung klimaneutraler Antriebe, beispielsweise<br />

für die E-Mobilität. Besonders<br />

für die Bereiche Thermomanagement, Mechatronik<br />

und Elektronik sollen künftig<br />

Fertigungsprozesse entwickelt und für die<br />

spätere Serienproduktion qualifiziert werden.<br />

Chancen am Ende des<br />

Produktlebenszyklus<br />

In der komplexen Gemengelage rund um<br />

die Dekarbonisierung gibt es auch Chancen<br />

am Ende des Produktlebenszyklus, wie die<br />

SMS group zeigt. In der Stahl- und NE-Metallindustrie<br />

hat der Anlagenbauer bekanntlich<br />

schon einen guten Ruf, nun will<br />

er diesen mit dem Joint-Venture Primobius<br />

in neue Felder ausdehnen. Konkret: Mit<br />

Neometals aus Australien als Partner soll<br />

Primobius eine neue umweltfreundliche<br />

Elektro auf dem Vormarsch<br />

Recyclingtechnologie auf dem Markt für<br />

Lithium-Ionen-Batterien (LIB) etablieren.<br />

Vor diesem Hintergrund hat das Unternehmen<br />

vor kurzem eine Absichtserklärung<br />

mit einer Tochtergesellschaft des<br />

Stahlunternehmens Stelco Holdings unterzeichnet.<br />

Stelco Inc. plant Kooperationen<br />

mit verschiedenen großen Automobilherstellern<br />

im Bereich Recycling von Altautos<br />

und der Rückgewinnung von Wertstoffen.<br />

Diese sollen in den Produktionskreislauf<br />

zurückgeführt oder auf dem Markt verkauft<br />

werden. Das Primobius-Verfahren<br />

ermöglicht hierfür ein nachhaltiges Recycling<br />

im industriellen Maßstab, über das<br />

der CO 2 -Fußabdruck sowohl von Automobilbauern<br />

als auch von Batteriezellenherstellern<br />

deutlich verringert werden kann.<br />

Fazit und Ausblick<br />

Grundsätzlich stehen alle Branchen unter<br />

Druck, fristgerecht – und trotz unerwarteter<br />

Verschärfungen – die sogenannten Klimaziele<br />

zu erreichen. Losgelöst von den<br />

politischen Rahmenbedingungen sind die<br />

Perspektiven in der Automobilindustrie<br />

und damit für die Stahlbranche als zentraler<br />

Lieferant aber gut: Der Antrieb mag<br />

sich ändern, Stahl bleibt die Grundlage der<br />

Fahrzeuge und derzeit wird an allen Stellschrauben<br />

gedreht, dass „grüne Pkw“ eine<br />

Zukunft haben.<br />

Im Jahr 2020 sanken die Zulassungszahlen um 19,1 Prozent auf 2,9 Mio. Pkw und der<br />

Anteil der Verbrenner sank kumuliert auf 74,8 %. Noch im Jahr 2019 waren mehr als<br />

90 % der in Deutschland neu zugelassenen Pkw diesel- oder benzinbetrieben. Entsprechend<br />

positiv sind die Zahlen auf der Gegenseite. Die Anzahl neu zugelassener<br />

Elektro-Pkw stieg um 2<strong>06</strong>,8 % bzw. 4,9 Prozentpunkte auf 6,7 %. Noch höher waren die<br />

Zuwächse bei den Pkw mit Plug-in-Hybrid mit +342,1 % (jetzt rund 6,9 %Anteil). Verdoppelt<br />

hat sich der Anteil der Pkw mit Hybridantrieb (ohne Plug-in) auf 11,2 %.<br />

<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de Juni <strong>2021</strong> 17


POLITIK<br />

MÄRKTE<br />

Förderpolitik<br />

Mit Wasserstoff zur klimaneutralen<br />

Stahlproduktion<br />

BMWi und BMVI bringen Wasserstoff-Großprojekte auf den Weg<br />

AUTOR: Niklas Reiprich<br />

niklas.reiprich@<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de<br />

DARUM GEHT’S: Mithilfe von Wasserstoff<br />

soll die Stahlindustrie künftig CO 2 -<br />

neutral werden. Zahlreiche Großprojekte<br />

in der Branche, innerhalb derer die<br />

Technologie derzeit erprobt wird, will<br />

die Bundesregierung nun finanziell unterstützen.<br />

Unser Überblick liefert die<br />

wesentlichen Informationen über jene<br />

Stahlunternehmen, deren Forschungsund<br />

Entwicklungsarbeit im Rahmen der<br />

Fördermaßnahme berücksichtigt wird.<br />

Das Bundeswirtschaftsministerium<br />

(BMWi) und das Bundesverkehrsministerium<br />

(BMVI) haben insgesamt 62<br />

Großprojekte ausgewählt, die im Rahmen<br />

eines gemeinsamen Wasserstoffprojekts –<br />

den sogenannten „Important Projects of<br />

Common European Interest (IPCEI)“ – staatlich<br />

gefördert werden sollen. Die Initiative<br />

gilt damit auch als eine wichtige Maßnahme<br />

bei der Umsetzung der Nationalen Wasserstoffstrategie,<br />

die Deutschland international<br />

zu einem Vorreiter bei dem grünen Energieträger<br />

machen will. „Wir wollen bei Wasserstofftechnologien<br />

die Nummer 1 in der Welt<br />

werden. Dafür bündeln wir unsere Kräfte in<br />

Europa und stoßen durch das erste gemeinsame<br />

europäische Wasserstoffprojekt massive<br />

Investitionen in die Zukunftstechnologie<br />

Wasserstoff an“, erklärt Bundeswirtschaftsminister<br />

Peter Altmaier (CDU). Das sichere<br />

Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze, in<br />

Deutschland wie auch Europa.<br />

Investitionen in Höhe von<br />

33 Milliarden Euro<br />

Für die nun ausgewählten Projekte, die von<br />

der Wasserstofferzeugung, über den Transport<br />

bis hin zu Anwendungen in der Industrie<br />

reichen, wollen die Bundesbehörden<br />

über 8 Milliarden Euro an staatlichen Fördermitteln<br />

zur Verfügung stellen. Rund 4,4<br />

Milliarden Euro kommen dabei aus dem<br />

BMWi, bis zu 1,4 Milliarden Euro steuert das<br />

BMVI bei. Die Vergabe der übrigen Fördermittel,<br />

so heißt es in einer ersten Veröffentlichung,<br />

wird dann auf Länderebene verteilt.<br />

Insgesamt sollen sogar Investitionen in<br />

Höhe von 33 Milliarden Euro ausgelöst werden,<br />

wovon über 20 Milliarden Euro von<br />

privaten Investoren kommen sollen.<br />

„Wir machen damit einen großen<br />

Schritt auf dem Weg hin zur Klimaneutralität<br />

unserer Wirtschaft, betont Altmaier.<br />

Einen zentralen Anwendungsbereich sieht<br />

der Minister in der Stahlindustrie, wo<br />

durch den Einsatz von Wasserstoff mehrere<br />

Millionen Tonnen CO 2 eingespart werden<br />

können. Mit Blick auf den Stahlstandort<br />

Deutschland sei dies „ein wichtiges<br />

Signal für die Transformation in Richtung<br />

grüner Produktionsverfahren“, findet auch<br />

Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung<br />

Stahl. Die Anschubförderung<br />

von wasserstoffbasierten Verfahren<br />

zur Produktion von klimaneutralem<br />

Stahl im Rahmen der IPCEI sei ein<br />

wichtiger Schritt, damit bereits bis 2030<br />

substanzielle CO 2 -Reduktionen erzielt werden<br />

können. Allein, wo konkret werden die<br />

Technologien entwickelt, mit denen dieses<br />

ambitionierte Ziel erreicht werden soll?<br />

1. ArcelorMittal<br />

Bereits im März 2019 hat ArcelorMittal seine<br />

Arbeit an dem Projekt „H2 aus Hamburg<br />

(H2H)“ bekanntgeben. Dabei will der Stahlhersteller<br />

erstmals Wasserstoff großtechnisch<br />

einsetzen, um direktreduziertes Eisenerz<br />

(DRI) für den Produktionsprozess zu<br />

erzeugen. Zu diesem Zweck plant das Unternehmen,<br />

eine weitere Direktreduktionsanlage<br />

in seinem Hamburger Werk zu bauen,<br />

die mit grünem Wasserstoff betrieben werden<br />

soll. Das Investitionsvolumen liegt nach<br />

eigenen Angaben bei 110 Millionen Euro.<br />

Der Bau der neuen DRI-Anlage soll noch<br />

in diesem Jahr beginnen. Zunächst will<br />

ArcelorMittal in der ersten Ausbaustufe<br />

100 000 Tonnen Eisenschwamm mit grauem<br />

Wasserstoff (abgespalten aus Prozessgasen<br />

auf Basis von Erdgas) am Standort in<br />

Hamburg-Waltershof herstellen. In der<br />

zweiten Stufe soll die Demonstrationsanlage<br />

dann mit einer 50 MW Elektrolyseeinheit<br />

dazu beitragen, voraussichtlich 2025<br />

grünen Stahl mit Wasserstoff aus erneuerbaren<br />

Energiequellen zu erzeugen. Mittelfristig<br />

strebt das Unternehmen durch den<br />

Aufbau weiterer Elektrolysekapazitäten<br />

den vollständig klimaneutralen Betrieb der<br />

Anlage in Hamburg an.<br />

Transformationskonzept für<br />

Bremen und Eisenhüttenstadt<br />

Auch am Standort Bremen beabsichtigt ArcelorMittal,<br />

die CO 2- Emissionen zu reduzieren<br />

– zunächst durch das Einsp<strong>eisen</strong> von<br />

Erdgas in den Hochofen. Anschließend, so<br />

lautet der Plan, will das Unternehmen dann<br />

Wasserstoff verwenden, zu dessen klimaneutraler<br />

Produktion ein Elektrolyseur mit<br />

einer anfänglichen Kapazität von 100 und<br />

später 300 MW beitragen soll. In Kombination<br />

dazu soll zunächst eine elektrische<br />

Schrottschmelz-Anlage integriert werden,<br />

um die CO 2 -Emissionen durch die Erhöhung<br />

des Schrottanteils im Roh<strong>eisen</strong> weiter zu<br />

senken. In der finalen Ausbaustufe zum Erreichen<br />

der klimaneutralen Stahlherstellung<br />

soll ein Elektrolichtbogenofen mit Schrotteinsatz<br />

gemeinsam mit Smart-Carbon-Technologien<br />

im Hochofen zum Einsatz kommen.<br />

Alternativ will ArcelorMittal den Hochofen<br />

in der finalen Ausbaustufe ab 2030 vom<br />

Elektrolichtbogenofen mit Schrotteinsatz<br />

und grün erzeugtem DRI ablösen. Ein ähnliches<br />

Transformationskonzept strebt der<br />

Konzern in seinem zweiten deutschen Flach<strong>stahl</strong>werk<br />

in Eisenhüttenstadt an.<br />

Mit der Umsetzung der drei Projekte<br />

will ArcelorMittal bis 2030 bereits mehr<br />

als 6 Millionen Tonnen CO 2 jährlich einsparen.<br />

„Wir begrüßen den Entschluss der<br />

Bundesregierung sehr, unsere innovativen<br />

Projekte zu unterstützen. Als Technologieführer<br />

für klimaneutrale Stahlherstellung<br />

leisten wir mit unseren Vorhaben in Bremen,<br />

Eisenhüttenstadt und Hamburg einen<br />

wichtigen Beitrag dazu, die CO 2 -Emissionen<br />

in unseren deutschen Werken bereits<br />

vor 2030 deutlich zu senken. Die<br />

Förderung unserer wasserstoffbasierten<br />

Verfahren zur Produktion von klimaneutralem<br />

Stahl ist dabei entscheidend“, sagt<br />

Geert Van Poelvoorde, CEO von ArcelorMittal<br />

Europe. Im nächsten Schritt benötige<br />

das Unternehmen die Genehmigung der<br />

EU, damit die Investitionen getätigt werden<br />

können. Mit der finalen Entscheidung<br />

sei bis Anfang 2022 zu rechnen.<br />

2. Stahl-Holding-Saar<br />

Eine gemeinsame Projektidee zur Etablierung<br />

einer grünen Wasserstoffwirtschaft<br />

hat zudem die SHS – Stahl-Holding-Saar<br />

Quelle: Shutterstock; Creos<br />

24 Juni <strong>2021</strong> <strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de


Die SHS – Stahl-Holding-Saar hat mit STEAG, Siemens Energy,<br />

Creos und der Saarbahn eine gemeinsame Projektidee entwickelt<br />

Im Mittelpunkt steht die Etablierung einer grenzübergreifenden und perspektivisch grünen Wasserstoffwirtschaft.<br />

(Dillinger und Saar<strong>stahl</strong>) gemeinsam mit<br />

STEAG, Siemens Energy, Creos und der<br />

Saarbahn entwickelt. Das Konsortium verfolgt<br />

einen kollektiven Ansatz mit dem<br />

Planungsziel, das Saarland als Wasserstoffmodellregion<br />

zu etablieren. Die unterschiedlichen<br />

Teilprojekte sollen dabei in<br />

ihrer Gesamtheit einen nachhaltigen Transformationsprozess<br />

sowohl in der Industrie<br />

als auch im Mobilitätssektor anstoßen. Die<br />

saarländische Stahlindustrie mit den Unternehmen<br />

Dillinger und Saar<strong>stahl</strong> als industrieller<br />

Abnehmer nimmt auf diesem Weg<br />

eine Schlüsselrolle ein. Im Rahmen des<br />

Projektes „H2SYNgas“ wird derzeit eine<br />

Technologie an einem Hochofen der Rogesa<br />

Roh<strong>eisen</strong>gesellschaft Saar, einer gemeinsamen<br />

Tochter der beiden lokalen Stahlerzeuger,<br />

entwickelt, welche die Nutzung von<br />

eigenen Prozessgasen und darüber hinaus<br />

von erheblichen Wasserstoffmengen für<br />

den Hochofenprozess ermöglichen soll.<br />

Konkret handelt es sich bei der zu erprobenden<br />

Technologie um die von Paul<br />

Wurth entwickelte Trockenreformierung.<br />

Dafür wird ein aus eigenen Prozessgasen<br />

erzeugtes Synthesegas mit Wasserstoff angereichert,<br />

welches Rogesa dann als Reduktionsmittel<br />

für die Reduktion der Eisenerze<br />

einsetzen will. Auf diese Weise wird Koks<br />

im Hochofenprozess ersetzt und damit CO 2 -<br />

Emissionen vermieden. „Der Einsatz von<br />

Prozessgasen für metallurgische Zwecke<br />

ermöglicht eine Reduzierung der CO 2- -Emissionen<br />

um bis zu 12 Prozent“, erklärt Dr.<br />

Karl-Ulrich Köhler, Vorstandsvorsitzender<br />

von Dillinger und Saar<strong>stahl</strong>. „Unter Verwendung<br />

von Wasserstoff können wir das<br />

CO 2 -Einsparpotential weiter verbessern und<br />

sogar nahezu verdoppeln. Die Schaffung<br />

einer ausreichenden Energieinfrastruktur<br />

ist hierfür Voraussetzung“, ergänzt er.<br />

3. Salzgitter<br />

Ebenso als Zusammenschluss wollen sieben<br />

Unternehmen aus der Initiative „GETH2“<br />

zeigen, wie rasant sich die Planung der nationalen<br />

und europäischen Wasserstoffwirtschaft<br />

entwickelt. Konkret haben sich BP,<br />

Evonik, Nowega, OGE, RWE, Salzgitter<br />

Flach<strong>stahl</strong> und Thyssengas zusammengetan,<br />

um eine grenzüberschreitende Infrastruktur<br />

für Wasserstoff aufzubauen – angefangen<br />

bei der Erzeugung über den Transport<br />

bis hin zur industriellen Nutzung.<br />

In dem geplanten Szenario erzeugt RWE<br />

im emsländischen Lingen über eine Elektrolyse<br />

grünen Wasserstoff, der ab 2024 die<br />

bp Raffinerie in Gelsenkirchen versorgt.<br />

Der Transport erfolgt größtenteils über<br />

bestehende Leitungen des Gasnetzes, die<br />

auf Wasserstofftransport umgestellt werden.<br />

2025 ist die Erweiterung des Netzes<br />

bis zur niederländischen Grenze geplant,<br />

<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de Juni <strong>2021</strong> 25


POLITIK<br />

MÄRKTE<br />

Logistik<br />

Aumund Hot DRI-Förderer für<br />

250 t/h in Hadeed, Saudi-Arabien<br />

THEMA<br />

LOGISTIK<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+<br />

Logistik für HBI und DRI<br />

Technologie für den Heißtransport und die Kühlung von<br />

Direktreduktionsprodukten<br />

AUTOREN: Matthias Moritz, Frank<br />

Reddemann, Aumund Fördertechnik.<br />

www.aumund.com<br />

DARUM GEHT’S: Als weltweiter Zulieferer<br />

für Spezial-Fördertechnik in metallurgischen<br />

Prozessen der Eisen- und<br />

Nicht-Eisen-Hüttenindustrie ist Aumund<br />

Fördertechnik ein Ansprechpartner,<br />

wenn es um Lösungen für das Handling<br />

von heißen, abrasiven und chemisch reaktiven<br />

Schüttgütern geht. Aus der Innensicht<br />

berichten die Autoren, wie sich<br />

das Unternehmen durch den marktgetriebenen<br />

Innovationsdruck im Zuge<br />

strenger energiewirtschaftlicher und<br />

ökologischer Vorgaben in der Stahlindustrie<br />

durch zahlreiche Patente zu einem<br />

Technologieführer für Logistik im<br />

Stahlwerk entwickelt hat.<br />

Die Herstellung von Stahl zeichnet<br />

für rund 7 Prozent der weltweiten<br />

CO 2 -Emssionen verantwortlich. Davon<br />

entfällt ein großer Teil auf die Stahlherstellung<br />

über Eisenerz. Im Fokus stehen<br />

vor allem China, Indien, Japan, Südkorea<br />

und Russland sowie die EU-Länder, die<br />

2018 zusammen 90 Prozent der globalen<br />

CO 2 -Emssionen der Stahlherstellung mit<br />

Kokskohle verursacht haben. Der klimapolitische<br />

und energiewirtschaftliche<br />

Druck auf die Stahlindustrie wächst immer<br />

weiter, und der Trend zur Dekarbonisierung<br />

steigt. An der Entwicklung CO 2 -armer<br />

Produktionsverfahren – wie zum Beispiel<br />

der Ersatz von Kohle durch Strom oder<br />

Wasserstoff sowie die CO 2 -Abscheidung<br />

und -Speicherung bzw. -Verwendung –<br />

Quellen: Aumund<br />

28 Juni <strong>2021</strong> <strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de


wird intensiv gearbeitet. Bereits seit Anfang<br />

der 2000er-Jahre hat sich die Direktreduktion<br />

als großtechnisch verfügbare<br />

Alternative zum klassischen Hochofenverfahren<br />

bewährt. Bei der Direktreduktion<br />

durch Erdgas wird Roh<strong>eisen</strong> aus Eisenerzpellets<br />

gewonnen. Dabei entstehen je nach<br />

Technologie die Produkte DRI (Direct Reduced<br />

Iron) und HBI (Hot Briquetted Iron).<br />

Für das Transportieren – also das Abkühlen<br />

und Chargieren – dieser Produkte im<br />

Herstellungsprozess bieten sich den Betreibern<br />

von Direktreduktionsanlagen sehr<br />

innovative Lösungen. Die weltweite Roh<strong>stahl</strong>produktion<br />

belief sich 2020 auf 1,864<br />

Mrd. t. Dabei betrug der Anteil an Roh<strong>stahl</strong><br />

aus der Direktreduktionstechnologie rund<br />

110 Mio. t bzw. 6 Prozent bei steigender<br />

Tendenz. Bei den Direktreduktionsprodukten<br />

hat DRI einen Anteil von rund 5 Prozent,<br />

1 Prozent entfällt auf HBI.<br />

Erhebliche Produktionssteigerungen<br />

möglich<br />

Anders als bei der klassischen Hochofenroute<br />

mit der Stahlerzeugung im Konverter<br />

kommt bei der Direktreduktion der Elektrolichtbogenofen<br />

zum Einsatz (DR-EAF-Route),<br />

der sowohl DRI als auch HBI verwerten<br />

kann. Bei den eingesetzten Direktreduktionsverfahren<br />

hat sich seit den 1970er-Jahren<br />

die Technologie von Midrex, USA, etabliert.<br />

Dabei werden die Pellets erhitzt und<br />

mit Methan durchgast. Der Sauerstoff wird<br />

reduziert und es entsteht Roh<strong>eisen</strong> in Form<br />

von Eisenschwamm, der in diesem Fall als<br />

DRI bezeichnet wird, und zu qualitativ<br />

hochwertigem und sehr wettbewerbsfähigem<br />

Stahl weiterverarbeitet werden kann.<br />

Einen wichtigen Beitrag dazu leistet die<br />

direkte Verbindung von der Direktreduktionsanlage<br />

zum EAF durch kontinuierliches<br />

Beschicken mit einem Heißgutförderer,<br />

wodurch erhebliche Produktionssteigerungen<br />

und Energieeinsparungen erreicht<br />

werden. Bei der Aumund Hot DRI-Chargierung<br />

wird das heiße DRI vom Midrex-Direktreduktionsschachtofen<br />

durch ein Aumund-Becherzellenband<br />

unter Wärmeisolation<br />

und Inert-Bedingungen direkt in das<br />

Stahlwerk zum EAF transportiert.<br />

Die Herausforderung beim<br />

Hot DRI-Transport<br />

Die wesentlichen Vorteile der Heißchargierung<br />

von DRI in den Lichtbogenofen sind<br />

reduzierter Energieverbrauch und verkürzte<br />

Abstichsequenzen. Temperaturverluste<br />

bei zu transportierenden heißen Materialien<br />

werden am häufigsten an den Transferstellen,<br />

bei der Aufgabe an die Förderanlagen<br />

sowie bei der Materialübergabe an<br />

die Zwischenbehälter zum Schwalltopf<br />

HDRI-Chargieren<br />

Unter gasdichten Bedingungen<br />

Mit dem Aumund-Becherzellenband Typ BZB-HI (HI = für heißes Material in<br />

gasdichter Atmosphäre)<br />

Transport und Kühlung von HBI<br />

und Schmelzgefäß verursacht, jedoch<br />

nicht während des eigentlichen Transportes.<br />

Bei der traditionellen Anwendung mit<br />

großen Körben oder Pfannen gibt es verschiedene<br />

Quellen für den Temperaturverlust:<br />

Die Körbe oder Pfannen werden ohne<br />

Deckel manövriert, was eine erhebliche<br />

Hitzeausstrahlung über die Oberfläche verursacht.<br />

Auch bei der konventionellen<br />

Ofenchargierung durch Öffnen und<br />

Schwenken des Ofendeckels entstehen<br />

hohe Wärmeverluste. Zusätzlich entstehen<br />

Zeitverluste während Öffnungs- und<br />

Schließvorgängen, die zu Lasten des metallurgischen<br />

Betriebs bzw. der Energiezufuhr<br />

gehen. Die Herausforderung beim Transport<br />

von heißem DRI ist nicht nur, dass das<br />

Material heiß ist, sondern, dass in jedem<br />

Zustand ein Kontakt mit der umgebenden<br />

Luft vermieden und deshalb mit Schutzgas<br />

unter inerten Bedingungen gefördert werden<br />

muss.<br />

Abhängig von der Anlagengeometrie,<br />

der Förderlänge und der Förderleistung,<br />

bietet die mechanische Förderung von<br />

heißem Material die adäquateste Lösung<br />

für moderne Anwendungen. Pneumatische<br />

Transportsysteme sind zwar für klei-<br />

Auf einem Aumund-Flachplattenband wird das HBI mit einem Wassernebel<br />

besprüht und produktschonend zum Beispiel von 800 auf 100 °C heruntergekühlt<br />

(HBI-Slow-Cooling).<br />

Grafik: Aumund<br />

Grafik: Aumund<br />

<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de Juni <strong>2021</strong> 29


POLITIK<br />

MÄRKTE<br />

Länder<br />

Anlagen<br />

4<br />

<br />

Aktueller BOF-Konverter Nr. 2 bei ArcelorMittal Zenica<br />

BOSNIEN UND<br />

HERZEGOWINA<br />

ArcelorMittal Zenica<br />

beauftragt Primetals<br />

Technologies<br />

Der bosnische Stahlerzeuger<br />

ArcelorMittal Zenica hat Primetals<br />

Technologies damit beauftragt,<br />

das Gefäß des BOF-<br />

Konverters Nr. 2 zu ersetzen<br />

und die dazugehörige Ausrüstung<br />

zu liefern. Der Gefäßmantel<br />

und der Tragring des<br />

alten BOF-Konverters Nr. 2<br />

hatten das Ende ihrer Lebensdauer<br />

erreicht, heißt es seitens<br />

Primetals. Bei dem neuen<br />

Aggregat mit 125 Tonnen Kapazität<br />

ist das Unternehmen<br />

für Engineering, Fertigung,<br />

Projektmanagement und Qualitätssicherung<br />

verantwortlich.<br />

Zum Lieferumfang gehören<br />

das BOF-Gefäß, der Tragring,<br />

das wartungsfreie<br />

Aufhängungssystem Vaicon<br />

Link 2.0, Lager und Gehäuse<br />

sowie die Kupplung des Kippantriebs.<br />

Die Ausmauerungsmaschine<br />

und die Vorrichtung<br />

zum Bodenwechsel werden<br />

modifiziert. Außerdem übernimmt<br />

Primetals den Transport<br />

zum vereinbarten Bestimmungsort,<br />

die Schulung<br />

vor Ort und Beratungsleistungen<br />

für die Errichtung und Inbetriebnahme<br />

(sowohl Kaltals<br />

auch Heißinbetriebnahme).<br />

Die Maßnahme wird in<br />

einem offenen Konsortium<br />

mit dem serbischen Unternehmen<br />

GrappS als Montagepartner<br />

durchgeführt. Dieser<br />

ist verantwortlich für die Zerlegung<br />

des aktuellen Konverters,<br />

die Vormontage der neuen<br />

Ausrüstung und die Montage.<br />

Planmäßig wollen die<br />

Partner den neuen Konverter<br />

bis Ende 2022 in Betrieb nehmen.<br />

ArcelorMittal Zenica ist<br />

nach eigenen Angaben der<br />

größte Hersteller von Lang<strong>stahl</strong>produkten<br />

auf dem Balkan<br />

mit einer Produktionskapazität<br />

von nahezu einer Million<br />

Tonnen pro Jahr.<br />

2<br />

CHINA<br />

Panzhihua Steel &<br />

Vanadium baut Warmbreitbandstraße<br />

um<br />

Der chinesische Stahlerzeuger<br />

Panzhihua Steel & Vanadium<br />

hat die SMS group mit einer<br />

umfangreichen Modernisierung<br />

seiner 1 450-mm-Warmbreitbandstraße<br />

(HSM) beauftragt.<br />

Im Lieferumfang der<br />

SMS group enthalten sind<br />

eine Fertigstraße, eine Laminarkühlung<br />

und eine Haspelgruppe,<br />

die jeweils vollständig<br />

erneuert werden. Die SMS liefert<br />

dafür das Engineering<br />

und die Kernkomponenten.<br />

Hinter die existierende Fertigstraße<br />

wird eine komplett<br />

neue Fertigstaffel mit sieben<br />

Walzgerüsten installiert. Diese<br />

sind mit hydraulischen Anstellungen,<br />

hydraulischen<br />

Schlingenhebern sowie CVC<br />

plus-Biege- und Verschiebesystemen<br />

ausgestattet (Continuously<br />

Variable Crown). Ebenfalls<br />

Bestandteil der Lieferung<br />

ist das X-Pact Profile, Contour<br />

and Flatness Prozessmodell<br />

(PCFC). Dies ermöglicht das<br />

Walzen von qualitativ hochwertigen<br />

Materialien mit<br />

höchsten Anforderungen an<br />

die geometrischen Bandabmessungen<br />

und -toleranzen.<br />

Durch diese umfangreiche<br />

Modernisierung der seit 1996<br />

produzierenden Anlage in<br />

Panzhihua in der Provinz Sichuan<br />

will das Unternehmen<br />

wesentlich die Verfügbarkeit<br />

verbessern, die Produktionskapazität<br />

steigern und das<br />

Produktionsspektrum um<br />

dünne Bandabmessungen erweitern.<br />

Die jährliche Produktionskapazität<br />

wird dabei von<br />

heute 2,4 Millionen Tonnen<br />

auf mindestens 3 Millionen<br />

Tonnen erhöht. Die Modernisierung<br />

der gesamten Anlage<br />

wird in nur zwei Stillständen<br />

durchgeführt – zuerst im September<br />

<strong>2021</strong>, dann im Juli<br />

2022. Das erste Warmband<br />

soll im Oktober 2022 gewalzt<br />

werden.<br />

Panzhihua Steel & Vanadium ist mit der von SMS modernisierten<br />

1 450-mm-Warmbreitbandstraße gut gerüstet, um zukünftig<br />

hochfestes und dünnes Warmband herzustellen zu können.<br />

Das Mold-Expert-System von<br />

Primetals Technologies soll<br />

Durchbrüche bei Stranggießanlagen<br />

verhindern und den<br />

Wartungsaufwand reduzieren.<br />

Primetals erhält Endabnahmezertifikat<br />

von<br />

Tangshan Heavy Plate<br />

Im März <strong>2021</strong> hat Tangshan<br />

Heavy Plate das Endabnahmezertifikat<br />

(FAC) für drei Mold-<br />

Expert-Systeme für die<br />

Stranggießanlagen im Werk<br />

Laoting in der chinesischen<br />

Region Tangshan an Primetals<br />

Technologies erteilt. Mit<br />

den neuen Lösungen von Primetals<br />

Technologies soll die<br />

Anlagenverfügbarkeit im<br />

Werk Laoting erhöht und die<br />

Wartungszeit durch zeitnahe<br />

Alarmierung verringert werden.<br />

Neben Durchbruchsvorhersagen<br />

sendet das System<br />

Warnungen bei abnormalen<br />

Gießbedingungen und wertet<br />

das Verhalten und die Verteilung<br />

des Gießpulvers aus.<br />

Durch kontinuierliches Erfassen<br />

von Informationen und<br />

Erfahrungen im Mold-Expert-<br />

System können Durchbrüche<br />

effizienter im Echtbetrieb verhindert<br />

und damit hohe Re-<br />

Quellen: Primetals Technologies (3); SMS group; WS Wärmeprozesstechnik<br />

38 Juni <strong>2021</strong> <strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de


3<br />

2<br />

Das finnische Unternehmen Metso Outotec erteilt Primetals<br />

Technologies die Lizenz für Eisenerz-Pelletieranlagen mit dem<br />

Wanderrost-Verfahren für den indischen Markt.<br />

paraturkosten und Produktionsausfälle<br />

vermieden werden.<br />

Das System liefert Daten<br />

zur Prozessoptimierung und <br />

unterstützt den Bediener bei<br />

seiner Arbeit. Je nach den individuellen<br />

Bedürfnissen des<br />

Kunden kann die Software<br />

einfach skaliert werden. Die<br />

Inbetriebnahme wurde vor<br />

Ort von Primetals Technologies<br />

China sowie Experten<br />

von Primetals Technologies<br />

Österreich, die online zugeschaltet<br />

wurden, durchgeführt.<br />

Trotz Reisebeschränkungen<br />

wurde das Projekt innerhalb<br />

von drei Monaten<br />

realisiert. Vor der Auftragserteilung<br />

wurde eine sechsmonatige<br />

Testinstallation an einer<br />

Anlage durchgeführt und<br />

von Primetals Technologies<br />

betreut. <br />

Fives setzt auf<br />

Brennertechnik von WS<br />

Fortschrittliche Konzepte für<br />

Elektrobandlinien setzen auf<br />

effiziente und emissionsarme<br />

Brennertechnologie, die extrem<br />

niedrige NOx Emissionswerte<br />

gänzlich ohne aufwändige Sekundärmaßnahmen<br />

erreicht.<br />

Besonders Stahlunternehmen<br />

in Asien fordern inzwischen<br />

verstärkt den Einsatz der bestmöglichen<br />

Technologie in ihren<br />

neuen Elektrobandanlagen,<br />

um den Klimazielen gerecht<br />

zu werden und<br />

Umweltauflagen zu erfüllen.<br />

Fives konnte nun bereits mehrere<br />

Projekte für Elektrobandlinien<br />

von Stahlherstellern<br />

aus China für sich gewinnen.<br />

Die zugehörigen Aufträge für<br />

Brennertechnik hat Fives an<br />

die WS Wärmeprozesstechnik<br />

GmbH vergeben. Dank des patentierten<br />

und vielfach prämierten<br />

Flox-Verfahrens und<br />

der jahrzehntelangen Erfahrung<br />

bei WS mit dieser Technologie,<br />

gelinge es in der von<br />

Fives gewählten WS-Brennerkonfiguration<br />

gänzlich ohne<br />

nachgeschaltete SCR selbst die<br />

strengsten Emissionsgrenzwerte<br />

einzuhalten, meldet<br />

WS.<br />

3<br />

Elektrobandlinie mit Flox-Brennern von WS<br />

FINNLAND<br />

Primetals erhält Lizenz<br />

aus Finnland für Eisenerz-<br />

Pelletieranlagen für den<br />

indischen Markt<br />

Metso Outotec und Primetals<br />

Technologies haben einen exklusiven<br />

Lizenzvertrag geschlossen,<br />

der es Primetals<br />

Technologies ermöglicht, die<br />

von Metso angewandte Technologie<br />

zur Eisenerz-Pelletierung<br />

mit dem Wanderrost<br />

Verfahren (Straight Grate Iron<br />

Ore Pelletizing; SG-IOP) für<br />

den indischen Markt zu nutzen.<br />

Durch diese Vereinbarung<br />

wird Primetals Technologies<br />

sein Angebot von Eisenerz-Pelletieranlagen<br />

für<br />

Kunden in Indien weiter ausbauen.<br />

Die Lizenz verleiht Primetals<br />

Technologies das exklusive<br />

Recht, Pelletieranlagen<br />

in Indien zu errichten, die<br />

auf Metso-SG-IOP- Referenzprojekten<br />

mit Rostgrößen von<br />

272 bis 816 m 2 , wie sie in den<br />

letzten Jahrzehnten in Indien<br />

realisiert wurden, basieren.<br />

Durch dieses Angebot wird<br />

das bestehende Portfolio von<br />

Pelletieranlagen, basierend<br />

auf Circular-Pelletizing-Technologie,<br />

ergänzt. Die Lizenzvereinbarung<br />

geht auf das Genehmigungsverfahren<br />

für die<br />

Fusion von Metso und Outotec<br />

in Indien zurück: Im Juni<br />

2020 hatte die indische Wettbewerbskommission<br />

den Zusammenschluss<br />

von Metso Minerals<br />

und Outotec unter der<br />

Bedingung genehmigt, dass<br />

das SG-IOP-Investitionsgütergeschäft<br />

von Metso in Indien<br />

durch einen Technologielizensierungsvertrag<br />

auf einen geeigneten<br />

Käufer übertragen<br />

wird. Die Lizenz berechtigt<br />

Primetals Technologies, Pelletieranlagen<br />

auf Basis der von<br />

Metso entwickelten SG-IOP-<br />

Technologie zu planen, zu<br />

entwickeln, zu liefern und in<br />

Betrieb zu nehmen sowie entsprechende<br />

Serviceleistungen<br />

in Indien zu erbringen. <br />

4<br />

MEXIKO<br />

Nucor-JFE Steel Mexico:<br />

Endabnahme für<br />

Feuerverzinkungslinie<br />

Für die neue in Silao, Mexiko,<br />

errichtete kontinuierliche<br />

<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de Juni <strong>2021</strong> 39


POLITIK<br />

MÄRKTE<br />

Roh<strong>stahl</strong>herstellung<br />

Roh<strong>stahl</strong>erzeugung nach Regionen<br />

April <strong>2021</strong><br />

Millionen Tonnen<br />

Top Ten der <strong>stahl</strong>produzierenden Länder<br />

April <strong>2021</strong><br />

Millionen Tonnen<br />

% Veränderung<br />

April 21/20<br />

Asien und Ozeanien 125.0 19.2<br />

EU (27) 12.9 42.8<br />

Nordamerika 9.7 38.2<br />

GUS 9.0 20.7<br />

Europa außer EU 4.2 33.9<br />

Südamerika 3.8 70.9<br />

Mittlerer Osten 3.5 15.3<br />

Afrika 1.3 93.9<br />

Total 64 countries 169.5 23.3<br />

% Veränderung<br />

April 21/20<br />

China 97.9 13.4<br />

Indien 8.3 152.1<br />

Japan 7.8 18.9<br />

USA 6.9 43.0<br />

Russland 6.5 e 15.1<br />

Südkorea 5.9 e 15.4<br />

Deutschland 3.4 31.5<br />

Türkei 3.3 46.6<br />

Brasilien 3.1 59.3<br />

Iran 2.5 e 6.4<br />

Die 64 in der Tabelle zusammengefassten<br />

Länder machten 2019 etwa 99 Prozent der<br />

gesamten weltweiten Roh<strong>stahl</strong>produktion<br />

aus. Regionen und Länder, die unter die<br />

Tabelle fallen:<br />

• Afrika: Ägypten, Libyen, Südafrika<br />

• Asien und Ozeanien: Australien, China,<br />

Indien, Japan, Neuseeland, Pakistan,<br />

Südkorea, Taiwan (China), Vietnam<br />

• GUS: Weißrussland, Kasachstan, Moldawien,<br />

Russland, Ukraine, Usbekistan<br />

• Europäische Union (27)<br />

• Europa, Sonstiges: Bosnien-Herzegowina,<br />

Mazedonien, Norwegen, Serbien, Türkei,<br />

Vereinigtes Königreich<br />

• Naher Osten: Iran, Katar, Saudi-Arabien,<br />

Vereinigte Arabische Emirate<br />

• Nordamerika: Kanada, Kuba, El Salvador,<br />

Guatemala, Mexiko, USA<br />

• Südamerika: Argentinien, Brasilien, Chile,<br />

Kolumbien, Ecuador, Paraguay, Peru,<br />

Uruguay, Venezuela<br />

e - geschätzt. Die Rangliste der Top-10-Erzeugerländer basiert auf dem Gesamtwert seit Jahresbeginn.<br />

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WISSENSCHAFT<br />

TECHNIK<br />

Liquid Metal Embrittlement<br />

LME VERSTEHEN,<br />

RISSE VERMEIDEN<br />

Beim Widerstandspunktschweißen moderner hochfester Stähle können sogenannte<br />

LME-Risse (Liquid Metal Embrittlement) entstehen. Um die Rissbildung zu verstehen<br />

und schlussendlich zu verhindern, laufen zurzeit zahlreiche Forschungsprojekte.<br />

Das Widerstandspunktschweißen wird zum Fügen von Karosseriekomponenten eingesetzt.<br />

<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de Juni <strong>2021</strong> 43


WISSENSCHAFT<br />

TECHNIK<br />

Liquid Metal Embrittlement<br />

AUTOREN: Max Biegler 1 , Christoph<br />

Böhne 4 , Michael Rethmeier 2,1,3<br />

max.biegler@ipk.fraunhofer.de<br />

1 <br />

Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und<br />

Konstruktionstechnik (IPK)<br />

2 <br />

Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb,<br />

TU Berlin<br />

3 <br />

Bundesanstalt für Materialforschung und –<br />

Draufsicht auf eine WPS-Verbindung<br />

mit Rissen<br />

Durch den Widerstandspunktschweißprozess bilden sich Risse, weil<br />

die Zinkbeschichtung mit den Korngrenzen reagiert.<br />

Prüfung (BAM)<br />

4 <br />

Laboratorium für Werkstoff- und Fügetechnik (LWF®),<br />

Universität Paderborn<br />

DARUM GEHT’S: Beim Widerstandspunktschweißen<br />

moderner hochfester<br />

Stähle kann es durch Reaktionen<br />

mit der Zinkschicht zu einer Rissbildung<br />

kommen. Obwohl die Risse nur<br />

in extremen Fällen Einfluss auf die<br />

Leistungsfähigkeit der Schweißung<br />

haben, soll ihre Bildung vermieden<br />

werden, um Qualitätsanforderungen<br />

zu entsprechen. In diesem Artikel<br />

werden die zinkinduzierte Rissbildung<br />

vorgestellt, Einflussfaktoren diskutiert<br />

und Vermeidungsstrategien<br />

beschrieben.<br />

Aufgrund ihres hohen Potenzials<br />

zur Gewichtsreduzierung erfährt<br />

die Automobilproduktion<br />

eine kontinuierliche Zunahme von Bauteilen<br />

aus hochfesten Stählen (Advanced<br />

High Strength Steels (AHSS)). Die<br />

Stahlsorten sind in der Regel verzinkt<br />

für eine erhöhte Korrosionsbeständigkeit<br />

und werden vornehmlich durch<br />

Widerstandspunktschweißen (WPS) in<br />

der Rohbaufertigung verbunden. Das<br />

WPS ist ein äußerst dynamischer Prozess,<br />

bei dem die Bleche durch zwei<br />

Kupferelektroden zusammengedrückt<br />

werden und dann mit einem hohen<br />

Strom in unter einer Sekunde verschmolzen<br />

werden. Dabei kann es in<br />

Reaktion mit der Zinkschicht zur Bildung<br />

von Flüssigmetallversprödung<br />

(Liquid Metal Embrittlement – LME)<br />

kommen. LME ist die Infiltration der<br />

Korngrenzen eines Metalls durch ein<br />

flüssiges Metall niedrigeren Schmelzpunkts,<br />

was zu einer Schwächung der<br />

Korngrenzen und Reduzierung der Duktilität<br />

führt. Als Voraussetzung für die<br />

Bildung von LME ist also ein Stahl mit<br />

anfälliger Legierung und Kornstruktur<br />

sowie die Verfügbarkeit von flüssigem<br />

Zink zu nennen.<br />

Charakterisierung von Rissen<br />

Das Vorhandensein von LME in einem<br />

Schweißpunkt führt nicht unbedingt zu<br />

dessen Funktionsverschlechterung: So<br />

sind die Risslage in Relation zum<br />

Abbildung 1: Zur Bestimmung der Rissneigung kann die Risslänge auf der<br />

Oberfläche nach dem Schweißen vermessen werden. In der Grafik sind Risse<br />

im Elektrodeneindruck und an der sogenannten „Schulter“ der Schweißverbindung<br />

mit gestrichelten Linien nachgezeichnet.<br />

Schweißpunkt sowie die Größe der Risse<br />

ausschlaggebend für einen Einfluss<br />

auf die Tragfähigkeit der Verbindung.<br />

In diesem Zusammenhang ist die Risscharakterisierung<br />

ein wichtiges Werkzeug,<br />

da LME die Bildung von Rissen in<br />

verschiedenen Bereichen einer Widerstandspunktschweißverbindung<br />

verursachen<br />

kann. Häufig wird unterschieden<br />

zwischen Rissen im Elektrodeneindruck,<br />

Rissen an der Schulter außerhalb<br />

des Elektrodeneindrucks und Risse in<br />

der Grenzfläche zwischen den Blechen.<br />

Eine Quantifizierung der Rissintensität<br />

erfolgt üblicherweise durch Messung<br />

der Risseindringtiefe in Querschliffen<br />

oder der Risslänge auf makroskopischen<br />

Bildern der Blechoberfläche (Abbildung<br />

1). Um nun einen Einfluss der<br />

Risse auf die Tragfähigkeit bewerten zu<br />

können, spielen Arten der Belastung,<br />

Kraftfluss und Risslage und -morphologie<br />

eine Rolle, wobei eine gewisse<br />

Menge von Rissen durchaus toleriert<br />

werden kann. In jedem Fall gehen aber<br />

die strengen Qualitätsanforderungen<br />

der Automobilindustrie dahin, dass Risse<br />

vermieden werden müssen: Dafür<br />

muss das Phänomen LME verstanden<br />

und mit geeigneten Maßnahmen verhindert<br />

werden.<br />

Eingangsprüfung: LME forcieren<br />

und Stähle vergleichen<br />

Für anwendungsorientierte Tests der<br />

LME Anfälligkeit eines spezifischen<br />

Stahls gibt es heute bereits eine Reihe<br />

von Testmöglichkeiten. Den Tests ist<br />

gemein, dass sie „ungünstige“ Schweißbedingungen<br />

verwenden, um Rissbildung<br />

im Labor zu forcieren. Das heißt,<br />

es werden beispielsweise hohe Lasten<br />

von außen angelegt, ein sogenanntes<br />

„Schweißen-Unter-Zug“ Setup, siehe<br />

Abbildung 2. Eine weitere Möglichkeit<br />

ist, besonders energieintensive Schweißparameter<br />

mit hohen Strömen und langen<br />

Schweißzeiten zu wählen, um die<br />

Zinkdiffusion künstlich zu erhöhen.<br />

Nach dem Test wird die Oberfläche von<br />

noch aufliegendem Zink befreit und die<br />

Zahl der Risse unter einem Mikroskop<br />

oder im Querschliff vermessen. Mit diesen<br />

Tests lassen sich Materialien vergleichen<br />

und Aussagen vom Typ „Stahl<br />

A ist anfälliger als Stahl B“ treffen. So<br />

Quelle: Fraunhofer IPK<br />

44 Juni <strong>2021</strong> <strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de


Setup für das Schweißen unter Zug<br />

Während des Schweißens wird mit einem Hydraulikzylinder eine Kraft auf die Probe aufgebracht.<br />

Abbildung 2: Im Schweißen-unter-Zug-Setup wird die Belastung auf eine Schweißstelle im Karosseriebau nachgestellt. So können<br />

Kräfte, die in der Produktion beispielsweise aus Einspannung, Umformprozess oder Spalten entstehen, im Labor nachgestellt<br />

werden.<br />

kann mit einer Wareneingangsprüfung<br />

sichergestellt werden, dass ein neues<br />

Material nicht anfälliger als ein bestimmter<br />

Toleranzwert ist.<br />

Die Hintergründe der<br />

Riss bildung verstehen<br />

Um die LME-Rissbildung nachhaltig zu<br />

verringern, benötigt es jedoch ein tiefergehendes<br />

Verständnis der Einflussfaktoren.<br />

Bei der Erforschung von LME<br />

ist die Geschwindigkeit und Robustheit<br />

des Widerstandspunktschweißens ein<br />

großes Problem. Während andere automobile<br />

Fügeprozesse wie das Laserschweißen<br />

eine enge Kontrolle der<br />

Randbedingungen benötigen, ist das<br />

WPS in einem sehr großen Prozessfenster<br />

stabil anwendbar. Trotzdem bleibt<br />

es ein hochgradig dynamischer Prozess,<br />

bei dem Kontaktverhältnisse zwischen<br />

den Elektroden und dem Blech, die Stellung<br />

der Schweißzange, etwaige Verformungen<br />

in den Fügepartnern und<br />

Verunreinigungen zu unterschiedlichen<br />

Prozessverläufen und großen Streuungen<br />

führen. Somit ist es rein experimentell<br />

selbst im Labor schwierig, einzelne<br />

Einflussgrößen für LME zu isolieren:<br />

Erhöht man zum Beispiel den Schweißstrom,<br />

um die temperaturabhängige<br />

Zinkdiffusion auf der Oberfläche zu erhöhen,<br />

erzeugt man zugleich eine größere<br />

Schweißlinse mit anderem Tragverhalten<br />

und unterschiedliche Elektrodeneindrücke.<br />

Schritt für Schritt wurden in den letzten<br />

Jahren einzelne Einflussfaktoren im Widerstandspunktschweißen<br />

isoliert und<br />

ihre Wechselwirkung charakterisiert.<br />

So führt eine hohe Temperatur bzw. ein<br />

großer Temperaturintervall mit flüssigem<br />

Zink an der Oberfläche zu erhöhter<br />

Diffusion und vergrößert LME Anfälligkeit.<br />

Weiterhin ist die Belastung des<br />

Punkts von außen maßgeblich: Zugspannungen<br />

beanspruchen die Korngrenzen,<br />

erhöhen Zinkdiffusion und<br />

reißen versprödete Areale auf. Die anfangs<br />

genannten Methoden zur Eingangsprüfung<br />

machen sich die beiden<br />

Phänomene zu nutzen, indem exzessive<br />

Temperaturen oder Lasten aufgebracht<br />

werden.<br />

Mit Simulation in den<br />

Schweißpunkt gucken<br />

Um mit den experimentellen Schwankungen<br />

beim WPS umgehen zu können<br />

und nicht-messbare Größen sichtbar zu<br />

machen, findet die numerische Simulation<br />

Anwendung in der LME-Forschung.<br />

Über die Berechnung des Widerstandspunktschweißens<br />

lassen sich Temperaturen,<br />

mechanische Spannungen und<br />

Dehnungen sowie Gefügeausbildungen<br />

beliebig betrachten und auswerten. Einzig<br />

die Rissbildung an sich kann nicht<br />

berechnet werden, da noch keine verlässlichen<br />

Modelle für die Bildung von<br />

LME vorliegen. Hier zeigt sich der Nutzen<br />

experimenteller Untersuchungen:<br />

Wird eine besondere Rissbildung bei<br />

einer Schweißung beobachtet, kann der<br />

dazugehörige Prozessablauf simulativ<br />

betrachtet werden, um so die Hintergründe<br />

aufzuklären. Abbildung 3 zeigt<br />

die Auswertung von Temperatur, Spannung<br />

und Dehnung kurz vor Ende eines<br />

Punktschweißprozesses an einem AHSS.<br />

Günstige Bedingungen<br />

schaffen, Risse vermeiden<br />

Mit wachsender Kenntnis der Faktoren,<br />

die LME verursachen, können im Umkehrschluss<br />

auch Vermeidungsmethoden<br />

gefunden werden. Als offensichtliche<br />

Möglichkeit ist die weitestgehende<br />

Reduktion der eingebrachten<br />

Energie – also eine Reduktion der<br />

Schweißzeit oder der Stromstärke – zu<br />

nennen. In der Praxis ist diese Möglichkeit<br />

häufig direkt gegenläufig mit Anforderungen<br />

an die Tragfähigkeit der<br />

Verbindung und kann nur sehr begrenzt<br />

verwendet werden. Deutlich<br />

vielversprechender ist es, die Oberflächentemperatur<br />

durch bessere Kühlung<br />

zu verringern: Besonders bei di-<br />

<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de Juni <strong>2021</strong> 45


STYLE<br />

STORY<br />

Geschichte<br />

Ein Lehrer und Forscher der<br />

Montanwissenschaften an der<br />

Bergakademie Freiberg<br />

Vor 150 Jahren starb Julius Weisbach<br />

AUTOR: Prof. Dr. Ing. habil. Gerd Grabow<br />

DARUM GEHT’S: Für angehende Metallurgen<br />

und Bergleute steht die Bergakademie<br />

Freiberg ganz sicher auf der<br />

„Shortlist” – der historische Ruf und die<br />

Qualität des Lehrkörpers sorgen dafür.<br />

Seinen Beitrag zu diesem Ruf hat Mitte<br />

des 19. Jahrhunderts auch Julius Weisbach<br />

geleistet, wie unser Gastautor,<br />

selbst emeritierter Professor dieser traditionsreichen<br />

Bildungsstätte, aufzeigt.<br />

Weisbach war ein Lehrer und Forscher,<br />

der auf den Gebieten der Mathematik,<br />

Mechanik, Markscheidekunst, Hydraulik<br />

und der Berg- und Hüttenmaschinen<br />

hervorragende Leistungen vollbrachte<br />

und als ein Wegbereiter des gesamten<br />

Maschinenwesens gilt.<br />

Julius Ludwig Weisbach, der am 10.August<br />

18<strong>06</strong> in Mittelschmiedeberg bei<br />

Annaberg geboren wurde, stammte<br />

aus einfachen Verhältnissen und lebte von<br />

Jugend auf in der Atmosphäre der Gruben<br />

und Hütten. Sein Vater war Schichtmeister<br />

auf einem kleinen Hammerwerk, seine<br />

Mutter die Tochter eines Zimmermeisters;<br />

von beiden Seiten bekam er quasi technisches<br />

Erbgut in die Wiege gelegt. Auf die<br />

Dorfschule folgte das Lyzeum in Annaberg,<br />

diesem die Bergschule und anschließend<br />

die Bergakademie in Freiberg, wobei die<br />

geistige Arbeit von einer gründlichen Tätigkeit<br />

im praktischen Bergbau begleitet<br />

war.<br />

Von Freiberg nach Wien und<br />

zurück<br />

Als Weisbach mit 26 Jahren seine Ausbildung<br />

an der Bergakademie beendet hatte,<br />

entsprach er der Anregung des von ihm am<br />

meisten geschätzten Lehrers Friedrich<br />

Mohs zur Weiterführung seines Studiums<br />

in Göttingen, und als dieser Freiberg verlassen<br />

hatte — er wurde nach Wien berufen<br />

— folgte ihm Weisbach dort hin. Als<br />

Weisbach seine Ausbildung für abgeschlossen<br />

hielt, machte er eine halbjährige Studienreise<br />

durch die österreichischen und<br />

Porträtzeichnung von Julius Weisbach<br />

die bayrischen Bergbaugegenden. Dann<br />

kam er nach Freiberg zurück und richtete<br />

an das Oberbergamt das Gesuch um Einstellung<br />

als akademischer Lehrer, wobei er<br />

seine Eignung als Vertreter der Angewandten<br />

Mathematik in den Vordergrund stellte.<br />

Erstes Ergebnis war, dass Weisbach 1832<br />

mit einem Lehrauftrag für Mathematik<br />

versehen wurde. Dann kam nach weiteren<br />

Bemühungen 1834 die endgültige Entscheidung<br />

des Ministeriums, durch die ihm<br />

die durch den Tod des Professors Hecht<br />

freigewordene erste Mathematikerstelle<br />

übertragen wurde über Angewandte Mathematik,<br />

Bergmaschinenlehre und Allgemeine<br />

Markscheidekunst, mit dem „Charakter<br />

als Mathematikus”. Weisbach war<br />

der Bergakademie Freiberg so stark verhaftet<br />

und wurzelte so sehr im Heimatboden,<br />

dass er einen zwischenzeitlich ergangenen<br />

Ruf als Lehrer der Mathematik<br />

und Direktor des damals neu gegründeten<br />

Züricher Polytechnikums ablehnte.<br />

Weisbach als Mathematiker<br />

Wenn man nun von dem, was seine Bedeutung<br />

ausmacht, ein Bild abgeben soll,<br />

so muss natürlich mit dem begonnen<br />

werden, was bereits in den Mittelpunkt<br />

gestellt wurde: mit Weisbachs grundlegender<br />

mathematischer Tätigkeit.<br />

An der Bergakademie bestand seit<br />

ihrer Gründung eine Professur, die<br />

Mathematik, Darstellende Geometrie,<br />

Physik und Bergmaschinenlehre umfasste.<br />

Es handelte sich also ausgesprochen<br />

um Angewandte Mathematik,<br />

die betrieben wurde. In der angewandten<br />

Mathematik hatte Weisbach<br />

schon als Student hervorragende Arbeit<br />

geleistet. Er lässt die Differential- und<br />

Integralrechnung fallen, führt fortan<br />

seine Entwicklung mit elementarer<br />

Mathematik durch und kommt damit<br />

zum Ziel. Er bringt 1860 seine<br />

„Theoretische Wärmelehre” heraus, ein<br />

Buch, welches auf die Ingenieurwelt den<br />

allergrößten Eindruck gemacht hat, das<br />

für seine Zeit ebenso maßgebend gewesen<br />

ist wie Weisbachs „Ingenieur-Mechanik”.<br />

Als er die Vorlesung über Kristallographie<br />

übernommen hatte, lag ihm daran, die<br />

Kristallgestalten seinen Hörern möglichst<br />

anschaulich zu bringen. Das führte ihn<br />

dazu, die axonometrische Darstellung auszubilden.<br />

Er hat 1842 seine erste Veröffentlichung<br />

darüber gebracht; sein Buch „Anleitung<br />

zum axonometrischen Zeichnen”<br />

erschien 1857. Ihm gebührt das Hauptverdienst<br />

bei der Entwicklung der orthogonalen<br />

Axonometrie.<br />

„Vater der Technischen Mechanik”<br />

Er hat den Gesamtbereich der Mechanik<br />

jener Zeit nahezu vollständig überarbeitet<br />

und an vielen Stellen durch eigene Gedanken<br />

zur Weiterentwicklung gebracht. Man<br />

kann ihn ruhig als den „Vater der Technischen<br />

Mechanik” bezeichnen. Er hat auch<br />

auf diesem Gebiet durch die Ausschaltung<br />

schwieriger mathematischer Überlegungen<br />

große Wirkung erzielt. Von Weisbach<br />

erstmalig behandelt worden ist das Gebiet<br />

der „Zusammengesetzten Festigkeit“, der<br />

gleichzeitigen Beanspruchung eines Bauelementes<br />

durch Spannungen der verschiedensten<br />

Art. Seine Versuchseinrichtungen<br />

Quelle: VDI; Unukorno, CC BY-SA 3.0,* via Wikimedia Commons; Gerd Grabow<br />

62 Juni <strong>2021</strong> <strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de


für die Elastizitäts- und Festigkeitslehre<br />

werden in der Weisbach-Sammlung gezeigt.<br />

Er benutzte sie nicht nur als Forscher,<br />

sondern auch in jener Zeit schon zur<br />

Veranschaulichung seiner Vorträge.<br />

Strömungstechniker und<br />

Hydrauliker<br />

Die größte Leistung Weisbachs als Mechaniker<br />

liegt in seinen Arbeiten im Bereich<br />

der Strömungstechnik. Als Hydrauliker vor<br />

allem hat ihn die Mit- und Nachwelt gerühmt.<br />

Wenn man sich fragt, wie es<br />

kommt, dass gerade dieses Gebiet von ihm<br />

besonders gepflegt worden ist, so ergibt<br />

sich die Antwort durch den Begriff der<br />

Zweckforschung. Die wichtigste Energiequelle<br />

für den Bergmann jener Zeit war die<br />

Wasserkraft. Das Weisbach mit seiner ganzen<br />

Energie daranging, die Wasserkraftnutzung<br />

im Sinne seiner Gedanken einer<br />

mechanischen Durchdringung zu erforschen<br />

und zu verbessern, ist ohne weiteres<br />

zu verstehen. Er setzt gleich von Grund auf<br />

an und unterwirft die ganze Vielfalt der<br />

hydraulischen Einrichtungen einer systematischen<br />

Untersuchung. In eingehenden<br />

Veröffentlichungen werden die Ergebnisse<br />

herausgebracht. Man sieht, dass Weisbach<br />

auf hydraulischem Gebiet in bemerkenswerter<br />

Weise, die Theorie mit den Forderungen<br />

der Praxis zu vereinigen gewusst<br />

hat. Auf ihn gehen zahlreiche, seither stets<br />

gültig gebliebene Grundlagen der Strömungsmechanik<br />

zurück. Das Julius Weisbach<br />

dies alles in feste Formen gebracht<br />

hat, ist sein besonderer Verdienst. Die Art,<br />

wie Weisbach zu seinen Ergebnissen gelangt,<br />

kann in vielem auch jetzt noch mustergültig<br />

erscheinen.<br />

Im Jahr 1860 erhielt Julius Weisbach die<br />

Urkunde als erstes Ehrenmitglied des<br />

Vereins Deutscher Ingenieure (VDI)<br />

Forscher und Neuerer im<br />

Markscheidewesen<br />

Es kam im Wesentlichen bei Weisbachs<br />

„Markscheidekunst” darauf an, dass das<br />

bis dahin übliche Arbeiten des Markscheiders<br />

mit Gradbogen und Kompass zur Erhöhung<br />

der Genauigkeit und Sicherheit<br />

der Messungen durch das Arbeiten mit<br />

Theodolit und mit Nivellierinstrumenten<br />

ersetzt wurde. Die damalige Praxis und<br />

auch die Theoretiker leisteten diesem Gedanken<br />

Weisbachs lange energischen Widerstand.<br />

Er hatte große Mühe, sich durchzusetzen,<br />

aber durch die Art, wie er mit<br />

seinen Studenten übte, wie er selbst arbeitete,<br />

wie er das markscheiderische Instrumentarium<br />

der Bergakademie entwickelte,<br />

kam er mehr und mehr zur Beherrschung<br />

der Lage. Die Bewährungsprobe war der<br />

1844 begonnene Bau des Rothschönberger<br />

Stollens, dieser großen Verbindung zwischen<br />

dem Freiberger Revier und der Elbe.<br />

Bei seiner Ausführung wollte Weisbach<br />

von einer markscheiderischen Arbeit im<br />

alten Sinne für die über- und untertägigen<br />

Messungen nichts wissen und setzte sein<br />

Verfahren dagegen. Er bewies durch die<br />

Ergebnisse, die er erzielte, in welchem<br />

Maße die neue Markscheidekunst der alten<br />

überlegen war und führte damit seine Sache<br />

zum Sieg.<br />

Ingenieur und Fachautor<br />

Das Bergmaschinenwesen war anfänglich<br />

keine eigene Disziplin. Es wurde im Rahmen<br />

der Bergbaukunst und der Angewandten<br />

Mathematik vorgetragen. Bis zu Weisbachs<br />

Zeit erscheint es in die Mechanik<br />

eingegliedert. Auch er geht zunächst von<br />

dieser Sachlage aus, bald aber nimmt er die<br />

ausschlaggebende Umstellung vor: Angewandte<br />

Mathematik als unerlässliche<br />

Grundlage und als Mittel zur Überwindung.<br />

Hauptaufgabe aber ist die Maschine.<br />

Für den Handgebrauch hatte Weisbach<br />

schon 1848 in seinem Buch „Der Ingenieur“<br />

eine „Sammlung von Tafeln, Formeln<br />

und Regeln“ bereitgestellt, einen Vorläufer<br />

der „Hütte”. Davon kamen bis 1877 sechs<br />

Auflagen heraus. Insgesamt umfasst sein<br />

literarisches Schaffen 12 Buchveröffentlichungen<br />

und mehr als 60 Einzelabhandlungen,<br />

von denen ein großer Teil in der<br />

durch ihn inspirierten, 1848 gegründeten<br />

Zeitschrift „Der Ingenieur”, dem späteren<br />

„Civilingenieur”, erschienen ist.<br />

Ehrungen und Charakterzüge<br />

Es hat Weisbach nicht an der Anerkennung<br />

seiner Zeitgenossen durch äußere Ehrungen<br />

gefehlt. Titel und Orden wurden ihm<br />

verliehen, die Universität Leipzig ernannte<br />

Denkmal für Julius Weisbach in Freiberg<br />

ihn zum Ehrendoktor, Akademien der Wissenschaft<br />

wählten ihn als Mitglied. Geradezu<br />

als ein Symbol seiner Bedeutung erscheint<br />

es, dass der gegründete Verein<br />

Deutscher Ingenieure, den „großen Lehrer<br />

und Forscher der Ingenieurkunst” zu seinem<br />

ersten Ehrenmitglied erkor.<br />

Alle bewundern Weisbachs weitgespanntes<br />

Lebenswerk als Forscher, Lehrer<br />

und Erzieher, der zu den Wegbereitern<br />

wissenschaftlich begründeter Technik gehört.<br />

Bei aller strengen Pflichterfüllung<br />

erschöpfte sich Weisbach nicht allein in<br />

der Berufsarbeit. Er war er ein heiterer,<br />

frohbewegter Mensch von offenem und<br />

geradem Wesen und viel Herzensgüte, der<br />

Musik, bildende Kunst und schöne Literatur<br />

liebte. Er war ein liebevoller Familienvater.<br />

Die Entwicklung seines Sohnes Albin<br />

betreute er mit sorgsamster Hingebung,<br />

und er erlebte mit Freude, dass dieser 1863<br />

Professor für Mineralogie an der Bergakademie<br />

wurde. Am 24. Februar 1871 ist Julius<br />

Weisbach gestorben.<br />

<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de Juni <strong>2021</strong> 63


SONDER-<br />

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