stahl + eisen 06/2021 (Leseprobe)
TITELTHEMA AUTOMOTIVE: GRÜNE MOBILITÄT // WEITERE THEMEN: u.a. Mit Wasserstoff zur klimaneutralen Stahlproduktion, Logistik für HBI und DRI, Interview mit Joanna Funck von Ferroso, aus Wissenschaft + Technik: Neue 3D-Laserschneidanlage eröffnet mehr Optionen, Rechtliche Optionen für Abnehmer bei Lieferverzug
TITELTHEMA AUTOMOTIVE: GRÜNE MOBILITÄT // WEITERE THEMEN: u.a. Mit Wasserstoff zur klimaneutralen Stahlproduktion, Logistik für HBI und DRI, Interview mit Joanna Funck von Ferroso, aus Wissenschaft + Technik: Neue 3D-Laserschneidanlage eröffnet mehr Optionen, Rechtliche Optionen für Abnehmer bei Lieferverzug
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WISSENSCHAFT<br />
TECHNIK<br />
Liquid Metal Embrittlement<br />
AUTOREN: Max Biegler 1 , Christoph<br />
Böhne 4 , Michael Rethmeier 2,1,3<br />
max.biegler@ipk.fraunhofer.de<br />
1 <br />
Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und<br />
Konstruktionstechnik (IPK)<br />
2 <br />
Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb,<br />
TU Berlin<br />
3 <br />
Bundesanstalt für Materialforschung und –<br />
Draufsicht auf eine WPS-Verbindung<br />
mit Rissen<br />
Durch den Widerstandspunktschweißprozess bilden sich Risse, weil<br />
die Zinkbeschichtung mit den Korngrenzen reagiert.<br />
Prüfung (BAM)<br />
4 <br />
Laboratorium für Werkstoff- und Fügetechnik (LWF®),<br />
Universität Paderborn<br />
DARUM GEHT’S: Beim Widerstandspunktschweißen<br />
moderner hochfester<br />
Stähle kann es durch Reaktionen<br />
mit der Zinkschicht zu einer Rissbildung<br />
kommen. Obwohl die Risse nur<br />
in extremen Fällen Einfluss auf die<br />
Leistungsfähigkeit der Schweißung<br />
haben, soll ihre Bildung vermieden<br />
werden, um Qualitätsanforderungen<br />
zu entsprechen. In diesem Artikel<br />
werden die zinkinduzierte Rissbildung<br />
vorgestellt, Einflussfaktoren diskutiert<br />
und Vermeidungsstrategien<br />
beschrieben.<br />
Aufgrund ihres hohen Potenzials<br />
zur Gewichtsreduzierung erfährt<br />
die Automobilproduktion<br />
eine kontinuierliche Zunahme von Bauteilen<br />
aus hochfesten Stählen (Advanced<br />
High Strength Steels (AHSS)). Die<br />
Stahlsorten sind in der Regel verzinkt<br />
für eine erhöhte Korrosionsbeständigkeit<br />
und werden vornehmlich durch<br />
Widerstandspunktschweißen (WPS) in<br />
der Rohbaufertigung verbunden. Das<br />
WPS ist ein äußerst dynamischer Prozess,<br />
bei dem die Bleche durch zwei<br />
Kupferelektroden zusammengedrückt<br />
werden und dann mit einem hohen<br />
Strom in unter einer Sekunde verschmolzen<br />
werden. Dabei kann es in<br />
Reaktion mit der Zinkschicht zur Bildung<br />
von Flüssigmetallversprödung<br />
(Liquid Metal Embrittlement – LME)<br />
kommen. LME ist die Infiltration der<br />
Korngrenzen eines Metalls durch ein<br />
flüssiges Metall niedrigeren Schmelzpunkts,<br />
was zu einer Schwächung der<br />
Korngrenzen und Reduzierung der Duktilität<br />
führt. Als Voraussetzung für die<br />
Bildung von LME ist also ein Stahl mit<br />
anfälliger Legierung und Kornstruktur<br />
sowie die Verfügbarkeit von flüssigem<br />
Zink zu nennen.<br />
Charakterisierung von Rissen<br />
Das Vorhandensein von LME in einem<br />
Schweißpunkt führt nicht unbedingt zu<br />
dessen Funktionsverschlechterung: So<br />
sind die Risslage in Relation zum<br />
Abbildung 1: Zur Bestimmung der Rissneigung kann die Risslänge auf der<br />
Oberfläche nach dem Schweißen vermessen werden. In der Grafik sind Risse<br />
im Elektrodeneindruck und an der sogenannten „Schulter“ der Schweißverbindung<br />
mit gestrichelten Linien nachgezeichnet.<br />
Schweißpunkt sowie die Größe der Risse<br />
ausschlaggebend für einen Einfluss<br />
auf die Tragfähigkeit der Verbindung.<br />
In diesem Zusammenhang ist die Risscharakterisierung<br />
ein wichtiges Werkzeug,<br />
da LME die Bildung von Rissen in<br />
verschiedenen Bereichen einer Widerstandspunktschweißverbindung<br />
verursachen<br />
kann. Häufig wird unterschieden<br />
zwischen Rissen im Elektrodeneindruck,<br />
Rissen an der Schulter außerhalb<br />
des Elektrodeneindrucks und Risse in<br />
der Grenzfläche zwischen den Blechen.<br />
Eine Quantifizierung der Rissintensität<br />
erfolgt üblicherweise durch Messung<br />
der Risseindringtiefe in Querschliffen<br />
oder der Risslänge auf makroskopischen<br />
Bildern der Blechoberfläche (Abbildung<br />
1). Um nun einen Einfluss der<br />
Risse auf die Tragfähigkeit bewerten zu<br />
können, spielen Arten der Belastung,<br />
Kraftfluss und Risslage und -morphologie<br />
eine Rolle, wobei eine gewisse<br />
Menge von Rissen durchaus toleriert<br />
werden kann. In jedem Fall gehen aber<br />
die strengen Qualitätsanforderungen<br />
der Automobilindustrie dahin, dass Risse<br />
vermieden werden müssen: Dafür<br />
muss das Phänomen LME verstanden<br />
und mit geeigneten Maßnahmen verhindert<br />
werden.<br />
Eingangsprüfung: LME forcieren<br />
und Stähle vergleichen<br />
Für anwendungsorientierte Tests der<br />
LME Anfälligkeit eines spezifischen<br />
Stahls gibt es heute bereits eine Reihe<br />
von Testmöglichkeiten. Den Tests ist<br />
gemein, dass sie „ungünstige“ Schweißbedingungen<br />
verwenden, um Rissbildung<br />
im Labor zu forcieren. Das heißt,<br />
es werden beispielsweise hohe Lasten<br />
von außen angelegt, ein sogenanntes<br />
„Schweißen-Unter-Zug“ Setup, siehe<br />
Abbildung 2. Eine weitere Möglichkeit<br />
ist, besonders energieintensive Schweißparameter<br />
mit hohen Strömen und langen<br />
Schweißzeiten zu wählen, um die<br />
Zinkdiffusion künstlich zu erhöhen.<br />
Nach dem Test wird die Oberfläche von<br />
noch aufliegendem Zink befreit und die<br />
Zahl der Risse unter einem Mikroskop<br />
oder im Querschliff vermessen. Mit diesen<br />
Tests lassen sich Materialien vergleichen<br />
und Aussagen vom Typ „Stahl<br />
A ist anfälliger als Stahl B“ treffen. So<br />
Quelle: Fraunhofer IPK<br />
44 Juni <strong>2021</strong> <strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de