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moneyeditorial<br />

FRANK PÖPSEL<br />

CHEFREDAKTEUR FOCUS-MONEY<br />

EDITORIAL<br />

Politik und Umweltschutz – mit<br />

dem Rationalitätsprinzip wäre alles leichter<br />

Starkregen, Überschwemmungen, katastrophale Zustände in<br />

Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Umweltministerin<br />

Svenja Schulze ist sich sicher: „Der Klimawandel ist in Deutschland<br />

angekommen.“ „Wir müssen alles dafür tun, um den menschengemachten<br />

Klimawandel aufzuhalten“, fordert auch Vizekanzler Olaf<br />

Scholz. Aber wie? Kann Deutschland mit einem Anteil von zwei Prozent<br />

am weltweiten CO 2-Ausstoß die Welt retten? So simpel die Antwort<br />

darauf ist, so wenig sinnvoll sind oft die von der Politik aufgezeigten<br />

Lösungen. Neue Ideen braucht das Land! Wie wäre es mit<br />

einem vielleicht politisch utopisch klingenden, aber ökonomisch<br />

äußerst vernünftigen Vorschlag?<br />

Machen wir dazu einen Ausflug in die Mikroökonomie. Es geht um<br />

eine bestimmte Kennzahl: die Grenzrate der technischen Substitution.<br />

Die Germanistin und Politikwissenschaftlerin Schulze und der Jurist<br />

Scholz kennen sie vermutlich nicht. Aber wichtig wäre sie schon.<br />

Wenn ein Produkt mit zwei Produktionsfaktoren, Kapital und Arbeit,<br />

produziert wird, gibt die Grenzrate der technischen Substitution an,<br />

wie viel mehr man von Produktionsfaktor 1 (Kapital) einsetzen muss,<br />

wenn man Produktionsfaktor 2 (Arbeit) verringern will. Das Besondere<br />

dabei: Die Grenzrate der technischen Substitution ist meist abnehmend,<br />

wenn man sich das Beispiel eines Fließbandarbeiters vor<br />

Augen hält, leuchtet das intuitiv ein. Die ersten zehn Arbeiter kann<br />

man noch verhältnismäßig einfach und damit günstig durch eine Maschine<br />

(= Kapital) ersetzen. Die letzten verbliebenen Arbeiter werden<br />

aber nur sehr schwer durch Maschinen zu ersetzen sein, denn irgendjemand<br />

muss ja die Maschinen beaufsichtigen und steuern.<br />

Ähnlich wie mit den Maschinen ist das auch mit dem CO 2-Ausstoß.<br />

In industrialisierten Staaten ist die Umwelt ein Produktionsfaktor.<br />

Leider! Ohne die Umwelt zu belasten, lässt sich kaum etwas herstellen.<br />

Und auch beim Produktionsfaktor Umwelt ist die Grenzrate der<br />

technischen Substitution abnehmend. Übersetzt auf die Praxis, heißt<br />

das: Je sauberer ein Land bereits produziert, desto teurer ist es, weiteres<br />

CO 2 einzusparen.<br />

In der renommierten Wissenschaftszeitschrift „Nature“ beschreibt<br />

Nico Bauer, Ökonom am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung,<br />

das so: „Die Minderungskosten unterscheiden sich deshalb so stark,<br />

weil fortgeschrittene Volkswirtschaften bereits eine effizientere und<br />

sauberere Energienutzung haben und weniger abhängig von fossiler<br />

Energie sind als Schwellenländer. Daher können in den Schwellenländern<br />

kostengünstigere Möglichkeiten zur Emissionsminderung<br />

gefunden werden.“ Und er schlägt vor: Warum bezahlten die reichen<br />

Industrieländer nicht einfach Indien und China dafür, dass sie<br />

CO 2 einsparen?<br />

Gemeinsam mit einem Forscherteam führt Bauer energieökonomische<br />

Computersimulationen durch, um alternative Politiken zu analysieren.<br />

Ohne Finanztransfers ist die Ausgangslage klar: „Die reichen<br />

Länder müssen ihre Emissionen senken. Wir dagegen sollten unsere<br />

Emissionen steigern können, denn das ist nötig, um die Armut zu be-<br />

kämpfen“, so Rajendra K. Pachauri, Vorsitzender des indischen Weltklimarats.<br />

Dieser Zusammenhang zwischen Armut und Klimaschutz<br />

wird oft vergessen.<br />

Wie aber könnte man die Menschen in Deutschland überzeugen,<br />

dass ihre Steuern und Energieabgaben künftig nur noch zu einem kleinen<br />

Teil in Windkraftwerke an der Nordsee und stattdessen zu großen<br />

Teilen in Solarparks in Kalkutta investiert werden? Ganz einfach:<br />

indem man ihnen das Rationalitätsprinzip vor Augen hält. Es ist ein<br />

Grundprinzip vernünftigen menschlichen Handelns und besagt in<br />

der Ökonomie: Ein gegebenes Ziel sollte mit geringstmöglichem Mitteleinsatz<br />

erreicht werden.<br />

Wenn das Ziel also gemäß Greenpeace lautet: „Die Menschheit muss<br />

bis Mitte des Jahrhunderts ihren CO 2-Ausstoß halbieren, damit das<br />

Erdklima nicht vollständig außer Kontrolle gerät“, dann können wir<br />

das Ziel erreichen, indem wir entweder das gesamte CO 2 in den reichen<br />

Industrieländern einsparen. Das ist aufgrund der Grenzrate der<br />

technischen Substitution extrem teuer. Oder wir leisten in den reichen<br />

Industrieländern nur einen kleineren Teil und subventionieren<br />

Länder wie Indien und China. Das wäre deutlich günstiger. Wir könnten<br />

also mit den gegebenen Mitteln in den weniger entwickelten Volkswirtschaften<br />

mehr CO 2 einsparen als in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften.<br />

Ich habe viel gegoogelt, aber keinen einzigen Vorschlag der Politik<br />

gefunden, der dieses ökonomische Rationalitätsprinzip aufgreift.<br />

Schade eigentlich, dass Schulze, Scholz & Co. die Grenzrate der technischen<br />

Substitution nicht kennen.<br />

Ihr<br />

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FOCUS-MONEY <strong>31</strong>/<strong>2021</strong><br />

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