27.07.2021 Aufrufe

Volkskrankheiten – Im Schatten der Aufmerksamkeit

Bestimmt kennen Sie Schlagzeilen wie diese: „Volkskrankheit Demenz: Zahl der Patienten steigt weiter an“, „Corona fördert Volkskrankheiten“ oder „Experten warnen vor neuer Zivilisationskrankheit COPD“. Erzeugen diese Meldungen bei Ihnen auch ein beklemmendes Gefühl? Fakt ist: Immer mehr Menschen erkranken an Volkskrankheiten. Das liegt an der alternden Gesellschaft, aber auch an oftmals unterschätzten Risikofaktoren. Das Gute: Da Volkskrankheiten viele Menschen betreffen, wird auch viel getan, um sie zu bekämpfen oder einzudämmen – sei es mit verbesserten Methoden zur Früherkennung, innovativen Therapien oder interdisziplinären Forschungsansätzen. Neugierig geworden, was konkret dahintersteckt? Dann nehmen wir Sie gerne mit auf eine spannende Informationsreise durch die Welt der unterschiedlichsten Volkskrankheiten. Lernen Sie Symp­tome zu deuten, Ihr persönliches Krankheitsrisiko zu senken und erfahren Sie alles über die neuesten Therapien.

Bestimmt kennen Sie Schlagzeilen wie diese: „Volkskrankheit Demenz: Zahl der Patienten steigt weiter an“, „Corona fördert Volkskrankheiten“ oder „Experten warnen vor neuer Zivilisationskrankheit COPD“. Erzeugen diese Meldungen bei Ihnen auch ein beklemmendes Gefühl? Fakt ist: Immer mehr Menschen erkranken an Volkskrankheiten. Das liegt an der alternden Gesellschaft, aber auch an oftmals unterschätzten Risikofaktoren. Das Gute: Da Volkskrankheiten viele Menschen betreffen, wird auch viel getan, um sie zu bekämpfen oder einzudämmen – sei es mit verbesserten Methoden zur Früherkennung, innovativen Therapien oder interdisziplinären Forschungsansätzen. Neugierig geworden, was konkret dahintersteckt? Dann nehmen wir Sie gerne mit auf eine spannende Informationsreise durch die Welt der unterschiedlichsten Volkskrankheiten. Lernen Sie Symp­tome zu deuten, Ihr persönliches Krankheitsrisiko zu senken und erfahren Sie alles über die neuesten Therapien.

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12<br />

<strong>Volkskrankheiten</strong><br />

Studie: Stent o<strong>der</strong><br />

Medikament?<br />

ANGINA PECTORIS | VON TOBIAS LEMSER<br />

Der Blutdruck sollte regelmäßig<br />

kontrolliert werden.<br />

Deutschlandweit leiden rund<br />

sechs Millionen Menschen unter<br />

<strong>der</strong> Koronaren Herzkrankheit<br />

(KHK). 2,5 Millionen erkrankten<br />

Frauen stehen 3,5 Millionen Männer<br />

gegenüber. Hauptsymptom ist<br />

die Angina pectoris. Wie äußert sie<br />

sich und was hilft, die Beschwerden<br />

in den Griff zu bekommen?<br />

Dass uns Treppensteigen schon<br />

mal kräftig aus <strong>der</strong> Puste bringen<br />

kann, ist normal. An<strong>der</strong>s, wenn<br />

die Anstrengung mit brennenden<br />

Schmerzen und einem Engegefühl<br />

in <strong>der</strong> Brust einhergeht <strong>–</strong><br />

auch Angina pectoris genannt.<br />

Tritt dieses anfallartige Druckgefühl<br />

im Brustkorb sogar bei<br />

leichter Belastung und in Ruhe<br />

auf, spricht alles für eine KHK <strong>–</strong><br />

eine Erkrankung, bei <strong>der</strong> die Koronararterien<br />

verengt sind. Diese<br />

Beschwerden gilt es unbedingt<br />

kardiologisch abzuklären.<br />

Ablagerungen in Gefäßen<br />

Wie kann es dazu kommen? Risikofaktoren<br />

sind hoher Blutdruck, ein<br />

zu hoher Anteil an „schlechtem“<br />

LDL-Cholesterin, Diabetes mellitus<br />

sowie kaum Bewegung, starkes<br />

Übergewicht und Rauchen <strong>–</strong> Faktoren,<br />

die mittelfristig zu Ablagerungen<br />

an den Herzkranzgefäßen<br />

führen können. Kommt aufgrund<br />

dessen zu wenig sauerstoffreiches<br />

Blut im Herzmuskel an, kann eine<br />

Angina pectoris entstehen. Generell<br />

wird zwischen zwei Formen<br />

unterschieden. Während es bei<br />

<strong>der</strong> instabilen Variante zumeist<br />

in wie<strong>der</strong>kehrenden Situationen,<br />

wie nach einem kurzen Sprint, zu<br />

Beschwerden kommt und diese in<br />

Ruhe <strong>–</strong> auch durch die Gabe von<br />

Medikamenten <strong>–</strong> schnell wie<strong>der</strong><br />

vergehen, ist die instabile Angina<br />

pectoris weitaus gefährlicher. Sie<br />

kann <strong>der</strong> Vorbote eines Herzinfarktes<br />

sein.<br />

Therapien im Vergleich<br />

Lassen sich die Beschwerden<br />

medikamentös nur unzureichend<br />

lin<strong>der</strong>n, besteht ebenso die Option,<br />

per Herzkatheter einen Stent<br />

einzusetzen. Welche <strong>der</strong> beiden<br />

Varianten die wirkungsvollere ist,<br />

wollten Ärzt:innen <strong>der</strong> Harvard<br />

Medical School in Boston an 5.200<br />

Patient:innen über einen Zeitraum<br />

von fünf Jahren testen. Für die im<br />

Jahr 2020 veröffentlichte Studie<br />

wurden Patient:innen mit stabiler<br />

KHK und mäßigen bis schweren<br />

Angina-pectoris-Beschwerden in<br />

zwei Gruppen unterteilt. Wurde<br />

die eine längstmöglich rein medikamentös<br />

behandelt, erhielt die<br />

an<strong>der</strong>e zusätzlich einen Herzkathetereingriff.<br />

Ergebnis: Keine<br />

Therapie erwies sich als deutlich<br />

wirksamer. Nach sechs Monaten<br />

erlitten drei von 100 Probanden<br />

<strong>der</strong> Medikamentengruppe einen<br />

Herzinfarkt o<strong>der</strong> ein ähnliches Ereignis.<br />

In <strong>der</strong> Herzkathetergruppe<br />

traf es fünf Teilnehmende. Nach<br />

fünf Jahren erhöhte sich das Ergebnis<br />

auf 18:16. Fazit: Lässt sich<br />

eine stabile Angina pectoris gut<br />

mit Medikamenten kontrollieren,<br />

kann ein Kathetereingriff verschoben<br />

werden, ohne dabei das Risiko<br />

für ein bedrohliches Herzereignis<br />

zu erhöhen.<br />

<br />

Tipps für den<br />

Alltag<br />

• Messen Sie Ihren Blutdruck und<br />

versuchen Sie, erhöhte Blutfettwerte<br />

zu senken.<br />

• Stellen Sie Ihre Ernährung um und<br />

reduzieren Sie Übergewicht.<br />

• Lassen Sie eine Leistungsdiagnostik<br />

anfertigen.<br />

• Machen Sie rund 150 Minuten Ausdauertraining<br />

pro Woche.<br />

• Schließen Sie sich einer Herzsportgruppe<br />

<strong>–</strong> idealerweise unter ärztlicher<br />

Überwachung <strong>–</strong> an.<br />

iStock / PIKSEL<br />

Mikrovaskuläre Dysfunktion:<br />

unberücksichtigter Grund für Angina pectoris<br />

Werbebeitrag <strong>–</strong> Therapieporträt<br />

Patient:innen mit Brustschmerzen<br />

(Angina pectoris) ohne erkennbare<br />

Verengung <strong>der</strong> Herzkranzgefäße<br />

leiden meist sehr<br />

lange unter ihren Beschwerden,<br />

bis die Diagnose „Mikrovaskuläre<br />

Angina“ gestellt wird, vor<br />

allem trifft es Frauen. Dr. Helen<br />

Ullrich in <strong>der</strong> Uniklinik in Mainz<br />

in <strong>der</strong> Arbeitsgruppe von Prof.<br />

Tommaso Gori begleitet die Studie<br />

zu <strong>der</strong> Erkrankung.<br />

Eine Erkrankung <strong>der</strong> kleinen<br />

Blutgefäße des Herzens (mikrovaskuläre<br />

Dysfunktion, kurz MVD)<br />

bleibt in vielen Fällen unerkannt<br />

und stellt eine enorme Belastung<br />

für betroffene Patient:innen dar.<br />

Erkrankte leiden häufig an einem<br />

chronischen Druckgefühl im<br />

Brustbereich (Angina pectoris),<br />

einer Einschränkung <strong>der</strong> Lebensqualität<br />

und einer Depression.<br />

Mehrfache Krankenhausaufenthalte<br />

und wie<strong>der</strong>holte invasive<br />

Untersuchungen sind die Folge.<br />

Die MVD beeinflusst die Prognose<br />

<strong>der</strong> Betroffenen und führt zu einer<br />

Erhöhung <strong>der</strong> Mortalität. Die<br />

Erkrankung wird durch erhöhte<br />

Wi<strong>der</strong>stände <strong>der</strong> kleinen Gefäße<br />

des Herzens verursacht. Die<br />

Behandlung erfolgt primär medikamentös,<br />

wissenschaftliche<br />

Daten zeigen aber, dass mehr<br />

als 40 Prozent <strong>der</strong> Patient:innen<br />

trotz optimaler Therapie<br />

weiterhin symp tomatisch sind.<br />

Basierend auf klinischen Beobachtungen<br />

glauben wir, dass <strong>der</strong><br />

Reducer betroffenen Menschen<br />

über folgenden Mechanismus helfen<br />

kann: Das Kaliber <strong>der</strong> kleinen<br />

Blutgefäße hängt vom Druck im<br />

venösen System ab. Die <strong>Im</strong>plantation<br />

eines Reducers führt zur Erhöhung<br />

dieses Druckes, welcher<br />

wie<strong>der</strong>um in einer Senkung <strong>der</strong><br />

Wi<strong>der</strong>stände resultiert.<br />

Die COSIMA Studie untersucht<br />

nun diesen Therapieansatz bei<br />

Patient:innen mit einer MVD. Ziel<br />

<strong>der</strong> Studie ist es, die Wirksamkeit<br />

des Reducers zu analysieren.<br />

Dieses Behandlungskonzept wurde<br />

bereits mit guten Ergebnissen<br />

angewendet: Bei einer 79-jährigen<br />

Patientin mit ausgeprägter Brustschmerzsymptomatik<br />

blieben<br />

medikamentöse Therapieversuche<br />

ohne Erfolg. Nach diversen<br />

ambulanten Vorstellungen und<br />

wie<strong>der</strong>holten invasiven Untersuchungen<br />

entschieden wir uns zur<br />

Dr. med. Helen Ullrich,<br />

Universitätsmedizin Mainz<br />

Foto: Peter Pulkowski<br />

<strong>Im</strong>plantation des Reducers. Bereits<br />

nach sechs Monaten berichtete<br />

die Patientin über eine deutliche<br />

Besserung <strong>der</strong> Brustschmerzen<br />

und <strong>der</strong> Belastungsfähigkeit.<br />

www.unimedizin-mainz.de/kardiologie-1

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