TOPFIT Juni 2021
Bescheid wissen - gesund bleiben Ihr Magazin für Gesundheit, Fitness und Wellness
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Diagnose & Therapie
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Erstes zertifiziertes Uroonkologisches Zentrum in München
Die Urologie hat im Krankenhaus Barmherzige
Brüder eine über 100-jährige Tradition:
»Sie ist praktisch die Keimzelle unseres Hauses«,
sagt Dr. Nadine Schmid-Pogarell. Daher
sei es nur konsequent gewesen, beständig
an der Weiterentwicklung der Klinik für
Urologie zu arbeiten und sie auf dem medizinisch
modernsten und qualitativ höchsten
Stand zu halten, so die Geschäftsführerin des
Krankenhauses. Ende April hat die Klinik für
Urologie nun als erstes Zentrum in München
und Umgebung von der Deutschen Krebsgesellschaft
(DKG) ein Zertifikat als ausgewiesenes
Uroonkologisches Zentrum erhalten.
Durch diese Auszeichnung wird der Klinik
speziell in den Bereichen Prostatakrebs-,
Harnblasenkrebs- und Nierenkrebsversorgung
bescheinigt, dass die notwendige Therapie
auf den neuesten wissenschaftlichen
Erkenntnissen und aktuellsten Leitlinien basiert
— und damit eine besonders hohe Versorgungsqualität
gewährleistet ist.
Hervorgehoben haben die Auditoren der
DKG u. a. die ausgezeichnete interdisziplinäre
Zusammenarbeit, den exzellenten Nachsorgeplan
für alle drei Tumorerkrankungen,
die gut organisierte und strukturierte urologische
Ambulanz, die onkologische Pflege
mit einem vorbildlichen onkologischen Pflegekonzept
sowie die hohe Expertise in der
Systemtherapie der urologischen Tumore.
Dabei konnte sich die Klinik für Urologie mit
insgesamt 118 Zystektomien im Jahr 2020
als eines der größten Zystektomiezentren in
ganz Deutschland etablieren. Die Zystektomie
selbst gilt in der Urologie als großer und
besonders anspruchsvoller chirurgischer
Eingriff.
»Wir freuen uns wirklich sehr, dass uns gemeinsam
mit unseren Kooperationspartnern
der Schritt der Zertifizierung gelungen ist.
Mein Dank geht an mein gesamtes Team für
die ausgezeichnete Arbeit, die es für die Erlangung
des Zertifikats geleistet hat, insbesondere
an Dr. Peter Marian für die hervorragende
Koordination und Umsetzung des
Projekts. Aus meiner Sicht ist es unbedingt
notwendig, eine derartige Qualitätssicherung
für unsere Patienten sicherzustellen sowie
eine enge Kooperation in der onkologischen
Therapie mit unseren einweisenden
Ärzten zu leben«, sagt Chefarzt Prof. Karl.
NACHGEFRAGT
Wie wird Blasenkrebs behandelt? Welche
Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit
organerhaltend operiert werden kann?
Diese und andere Fragen stellte TOPFIT
dem renommierten Chefarzt der Klinik für
Urologie im Krankenhaus Barmherzige
Brüder München, Prof. Dr. med. Alexander
Karl.
Herr Prof. Karl, wie wird ein nichtmuskelinvasiver
Blasentumor behandelt?
Prof. Karl: Bei der sogenannten TUR-Blase wird
der Tumor über die Harnröhre zunächst endoskopisch
abgetragen. Hierbei wird versucht,
den Tumor von Anfang an komplett zu entfernen.
Die Fluoreszenzendoskopie kann dabei
helfen, das Ausmaß des Tumors genauer
zu definieren und manchmal nur schwer zu
erkennende flache Läsionen besser darzustellen
und vollständig zu entfernen. Das entnommene
Tumorgewebe wird dann in die Pathologie
zur weiteren Analyse gesandt. Hier entscheidet
sich, welche Art von Tumor vorliegt.
Wie wichtig ist es für die Behandlungsstrategie,
dass die Art des Tumors genau bekannt ist?
Prof. Karl: Sehr wichtig. Es gibt in der Blase
sehr unterschiedliche Tumorvarianten, wobei
die Therapie etwa bei einem einzelnen sogenannten
Ta low grade Tumor in der alleinigen
Abtragung des Tumors besteht und zunächst
keine weiterführenden Maßnahmen notwendig
sind. In diesem Fall raten wir lediglich
zur regelmäßigen Nachsorge mit Ultraschall,
Urinuntersuchung und Blasenspiegelung. Bei
aggressiveren nicht-muskelinvasiven Tumoren,
den Ta high grade Tumoren, ist meist
eine Nachresektion (erneute TUR-Blase) nach
drei bis vier Wochen angezeigt. Denn hier
kann das Ausmaß des Tumors unterschätzt
werden; außerdem sprechen die Therapien
nach aktueller Studienlage besser an, wenn
eine Nachresektion stattgefunden hat. Bei
neu diagnostiziertem high grade Tumor kann
beispielsweise eine lokale Immuntherapie der
Harnblase mit BCG (Bacille Calmette Guerin)
sinnvoll sein. Leider ist die Rezidivrate auch
bei den nicht-muskelinvasiven Tumoren in den
ersten zwei Jahren nach Erstdiagnose relativ
hoch, weshalb engmaschige Nachsorgeuntersuchungen
unbedingt notwendig sind.
Wann ist eine Entfernung der Harnblase notwendig?
Prof. Karl: Eine Entfernung der Harnblase ist
dann anzuraten, wenn der Tumor bereits die
Harnblasenmuskulatur erfasst hat (T2-Stadium
oder höher) oder therapeutische Maßnahmen
bei einem mehrfach wiederkehrenden
aggressiven nicht-muskelinvasiven Tumor (Ta
high grade) nicht zum Erfolg geführt haben.
Wichtig vor einer Operation ist aber, dass der
Tumor lokal begrenzt bleibt, d. h. noch nicht
in Lymphknoten oder andere Organe gestreut
hat. Dies wird vor einer möglichen Entfernung
der Harnblase mittels CT bzw. MRT abgeklärt.
Man nennt diese Art der Untersuchung auch
»Staging«. Hat sich nun herausgestellt, dass
der Tumor auf die Blase begrenzt geblieben
ist, wird eine radikale Zystektomie (komplette
Entfernung der Harnblase) empfohlen. Gegebenenfalls
ist auch eine neoadjuvante Chemotherapie
(Chemotherapie im Vorfeld der
Operation) mit dem Patienten zu diskutieren,
wobei hier individuelle Faktoren eine große
Rolle spielen.
Wie gelangt der Urin aus dem Körper, wenn die
Harnblase fehlt?
Prof. Karl: Wird bei der Operation die Harnblase
entfernt, muss für eine entsprechende
Harnableitung gesorgt werden. Unsere Nieren
produzieren kontinuierlich Urin, der dann
über die Harnleiter in Richtung Blase transportiert
wird. Fehlt die Blase, muss der Urin in der
Folge entweder über ein Stoma über die Haut
nach außen geleitet werden: Ein Stoma beutel
fängt den Urin auf, und der Patient kann diesen
Beutel über einen Ventilmechanismus
selbst entleeren. Oder es kann eine Neoblase
zum Einsatz kommen. Hierbei werden in der
Regel ca. 60 Zentimeter Dünndarm des Patienten
für die Schaffung einer neuen Blase verwendet,
die dann an die Stelle der ursprünglichen
Blase angeschlossen wird. Die Patienten
können so willkürlich den Urin speichern und
entleeren. Diese Form der Blase kommt der
Funktion der eigenen Blase am nächsten.
Welche Rolle spielt die Immuntherapie in der
Blasenkrebsbehandlung?
Prof. Karl: Man unterscheidet die lokale Immuntherapie
innerhalb der Blase bei nicht-muskelinvasiven
Tumoren mit BCG von einer systemischen
Immuntherapie bei fortgeschrittenen
Tumoren. Bei der lokalen Therapie wird das
Medikament über einen Katheter in die Blase
verabreicht und ruft hier eine lokale Immunreaktion
hervor, die den Körper zur Bekämpfung
der Tumorzellen anregen soll. Die systemische
Immuntherapie mit Checkpoint-Inhibitoren
kommt bei Patienten mit metastasierten
Tumoren zum Einsatz, die entweder nicht für
eine Chemotherapie geeignet sind oder aber
nach einer Chemotherapie einen Tumorprogress
erleiden.
Zur Person
Prof. Dr. med. Alexander Karl
ist Chefarzt der Klinik für
Urologie im Krankenhaus
Barmherzige Brüder München
und seit über 17 Jahren sowohl
klinisch als auch wissenschaftlich
auf dem Gebiet der Blasentumorforschung
tätig und zählt
weltweit zu den Operateuren
mit der größten Erfahrung bei der Behandlung von
Harnblasentumoren. Mit mehr als 2 000 durchgeführten
transurethralen Blasentumorresektionen
und einer einzigartigen Expertise auf dem Gebiet
der Fluoreszenzendoskopie gehört Prof. Karl zu den
Experten in Deutschland und Europa.
Nähere Infos:
www.barmherzige-muenchen.de
Bildnachweis: Krankenhaus Barmherzige Brüder München
TOPFIT 2 / 2021