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2021/09 | FRIZZ Magazin

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LETZTE<br />

SEITE<br />

Kürzlich saß ich mit zwei Kolleginnen zusammen.<br />

Unter anderem unterhielten wir<br />

uns über Tiere mit mehr als vier Beinen.<br />

Dieses Gespräch, gepaart mit dem ganzen<br />

„Do-it-yourself-Thema“ erinnerte mich<br />

an eine Geschichte, die gar nicht so weit<br />

zurückliegt.<br />

Es beginnt recht harmlos, nämlich mit<br />

dem Aufwachen. Schlaftrunken torkele<br />

ich ins Badezimmer. Gerade als ich nach<br />

dem Toilettendeckel greifen will, um ihn<br />

hochzuklappen, erwache ich mit einem<br />

Schlag vollends. Wer starrt mich da vom<br />

Deckel aus mit einer Mischung aus Neugier<br />

und Mordlust an? Eines der ekelhaftesten<br />

und widerwärtigsten Wesen der<br />

Welt. Ein Arachnid. Dieses etwa zehn<br />

Zentimeter große Spinnentier ist fast<br />

schuld daran, dass ich meine morgendliche<br />

Notdurft in meine Boxershorts verrichte.<br />

Ich werfe mich in Schale<br />

Männlichster aller männlichen Männer,<br />

der ich nun mal bin, mache ich auf dem<br />

Absatz kehrt, ziehe die Tür zu und renne<br />

zurück ins Schlafzimmer. Ich werfe einen<br />

kurzen Blick über die Schulter, doch<br />

die handtellergroße Spinne ist mir nicht<br />

gefolgt. Kurz gehe ich die Möglichkeiten<br />

durch. Ich bin allein. Hilfe ist nicht zu<br />

erwarten. Das heißt: Flucht oder Kampf.<br />

Mich gegen die Flucht entscheidend, öffne<br />

ich mit grimmigem Blick meinen Schrank<br />

und werfe mich in die Spinnentöterausrüstung.<br />

Ich starte mit den Füßen und<br />

ziehe ein Paar Tennissocken an, über welche<br />

ich ein zweites Paar stülpe. Es folgt<br />

eine lange Unterhose, die ich in das erste<br />

Paar Socken hineinstopfe. Danach streife<br />

ich eine enge Jeans über, die ich sogleich<br />

mit dem zweiten Paar gegen ein Hineinkrabbeln<br />

absichere. Damit sind die Beine<br />

so weit sicher. Über ein langärmeliges<br />

T-Shirt ziehe ich mir einen schweren<br />

Kapuzenpullover. Zusätzlich binde ich<br />

mir je ein Tuch um den Hals und eines<br />

um den Kopf. In die Einmalhandschuhe<br />

an meinen Händen stopfe ich die Ärmel<br />

meines T-Shirts und erhöhe den Schutzfaktor<br />

mit dicken Motorradhandschuhen<br />

zusätzlich. Zum Abschluss steige ich in<br />

meine knöchelhohen Winterstiefel. Bereit<br />

für einen Kampf auf Leben und Tod<br />

mit dem kindskopfgroßen Ungetüm,<br />

greife ich ein letztes Mal in den Schrank<br />

und bewaffne mich. In der linken Hand<br />

halte ich das bereits entzündete Zippo.<br />

In der Rechten befindet sich eine Dose<br />

Deodorant.<br />

DER FEIND<br />

AUF<br />

MEINEM KLO<br />

Ruhe vor dem Sturm<br />

Ein letztes Mal atme ich tief durch und<br />

schleiche dann katzengleich zurück ins<br />

Badezimmer. Das Herz schlägt mir bis<br />

zum Hals und ich kann das Blut in meinen<br />

Ohren rauschen hören. Vor meinem<br />

inneren Auge sehe ich sie genau. Diese<br />

widerwärtige Abscheulichkeit. Diese<br />

unnatürliche Kreatur. Diese Ausgeburt<br />

der Hölle. Dieses achtbeinige Scheusal,<br />

welches etwas größer ist als der Toilettendeckel.<br />

Schritt für Schritt bewege<br />

ich mich Richtung Badezimmer. An der<br />

Tür angekommen, halte ich einen Moment<br />

inne und schicke ein Stoßgebet zum<br />

Himmel. Mit einem Kampfschrei auf den<br />

Lippen stoße ich die Tür auf und stürme<br />

auf die Toilette zu. Der Strahl des behelfsmäßigen<br />

Flammenwerfers schießt nach<br />

vorn. Direkt auf meinen achtbeinigen<br />

Kontrahenten, der beinahe so groß ist<br />

wie ich. Nach etwa zwanzig Sekunden<br />

– sicher ist sicher – öffne ich die Augen,<br />

welche sich während des Kampfes zu<br />

Schlitzen verengt hatten und höre auf, die<br />

Düse zu drücken. Das Feuer erlischt und<br />

ich starre auf meinen noch immer glimmenden<br />

Feind. „Definitiv tot“, denke ich<br />

und atme erleichtert aus. Obwohl es mich<br />

nach wie vor ekelt, gehe ich Millimeter<br />

für Millimeter auf die Toilette zu, denn<br />

ich brauche Gewissheit!<br />

Die Erkenntnis<br />

Die Untersuchung des toten Untieres<br />

sorgt dafür, dass mein Mund ein fragendes<br />

„O“ formt. Bei näherer Betrachtung<br />

stellt sich nämlich heraus, dass kein<br />

achtbeiniges Wesen versucht hatte, sich<br />

mit mir im Kampf auf Leben und Tod zu<br />

messen. Nein, es war nur etwas beinahe<br />

so Bedrohliches. Mehrere schwarze<br />

Haargummis hatten sich wohl im Laufe<br />

der Zeit zu einem großen Knäuel verheddert<br />

und waren von der Waschmaschine<br />

auf den Toilettendeckel gefallen. Ganz<br />

kurz muss ich ob meiner anfänglichen<br />

Panik über mich selbst schmunzeln. Doch<br />

dann erkenne ich, dass ich für den Fall der<br />

Fälle gewappnet bin … zumindest solange<br />

niemand da ist, dem ich das Problem aufs<br />

Auge drücken kann.<br />

Dominik Schele<br />

34<br />

IMPRESSUM<br />

<strong>FRIZZ</strong>, das monatliche Stadtmagazin,<br />

Herausgeber:<br />

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Titelbild:<br />

Julia Haaga<br />

Datenschutz:<br />

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Druck:<br />

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Zeissstraße 8 • 89264 Weißenhorn<br />

Redaktionsschluss: <strong>09</strong>.<strong>09</strong>.<strong>2021</strong><br />

Anzeigenschluss: 08.<strong>09</strong>.<strong>2021</strong><br />

Erscheinung: 01.10.<strong>2021</strong><br />

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