akzent Magazin September '21 GB
akzent – DAS GRÖSSTE LIFESTYLE- & VERANSTALTUNGSMAGAZIN VOM BODENSEE BIS OBERSCHWABEN www.akzent-magazin.com
akzent – DAS GRÖSSTE LIFESTYLE- & VERANSTALTUNGSMAGAZIN VOM BODENSEE BIS OBERSCHWABEN www.akzent-magazin.com
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
18<br />
SEELEUTE<br />
sprechen (auch die Imperia in Konstanz<br />
steht auf Grund und Boden der<br />
Deutschen Bahn und konnte nur deshalb<br />
aufgestellt werden, Anmerkung<br />
der Autorin), Peter Lenk geht aber davon<br />
aus, dass das sowieso nichts bringt<br />
und auch der Bahnhof nie funktionieren<br />
wird. Er schlägt deshalb – wie auf<br />
den Reliefs teilweise zu sehen ist – eine<br />
Umnutzung als Schwimmbad, als Disco<br />
„mit Anhydriden“ oder als „Edelknast<br />
für die Verantwortlichen“ vor.<br />
Nächster Halt: Bad Urach<br />
Was nun wirklich aus S-21 wird, werden<br />
wir erst 2025 erfahren, wenn der<br />
Bahnhof eröffnet werden soll. Welches<br />
Werk Peter Lenk als Nächstes<br />
plant, darüber können wir aber schon<br />
berichten. Nach zweieinhalbjähriger,<br />
kostenfreier Arbeit (die Materialkosten<br />
für die „Chronik einer grotesken<br />
Entgleisung“ wurden durch Spenden<br />
eingeholt), widmet sich der Künstler<br />
mal wieder einer Auftragsarbeit. Die<br />
Bad Uracher sind auf ihn aufmerksam<br />
geworden und planen eine Skulptur<br />
mitten auf dem Marktplatz. Während<br />
der Bürgermeister das Thema<br />
„Trachten“ auf den Tisch brachte,<br />
„Kompromisse in der Kunst,<br />
das geht gar nicht –<br />
dann bist Du verkauft und verraten.“<br />
PETER LENK<br />
hatte Peter Lenk jedoch etwas ganz<br />
anderes im Sinn (und überhaupt,<br />
bei welcher seiner Figuren spielt<br />
die Kleidung eine Rolle?). Seit 1723<br />
feiert Bad Urach alle zwei Jahre den<br />
Schäferlauf: Am Schäfertag wurden<br />
früher alle Angelegenheiten, die die<br />
Schäferzunft betrafen, vom Schäfergericht<br />
behandelt. Der Abschluss dieses<br />
Tages wurde mit dem Schäferlauf<br />
begangen: ein Wettlauf zwischen<br />
ledigen Schäfern über ein Stoppelfeld<br />
– und das nur im Hemd. Die Urform<br />
galt damals als „heidnisch und<br />
wollüstig“. Klar, dass Peter Lenk hier<br />
dem Original nachspürt. „Damals<br />
hatten die Frauen etwas zu lachen“,<br />
sagt er augenzwinkernd. Die Skizze<br />
für das Schäferlauf-Werk ist bereits<br />
fertig, Details werden erst im Laufe<br />
der eigentlichen Schaffensperiode<br />
festgelegt und natürlich erst bei einer<br />
feierlichen Enthüllung Auftraggebern<br />
und Bevölkerung präsentiert.<br />
Fast zwei Stunden lauschen wir<br />
den Erzählungen von Peter Lenk<br />
in seinem verwunschenen Bildhauergarten<br />
– Schwänke<br />
gibt es nämlich<br />
eine Menge aus<br />
seinem Leben: Gerne berichtet er<br />
von Nacht- und Nebelaktionen, die<br />
ihm erlaubten, seine Kunstwerke<br />
aufzustellen (z.B. die Konstanzer Imperia,<br />
die längst zum Wahrzeichen<br />
der größten Stadt am Bodensee wurde,<br />
damals von vielen aber noch als<br />
Unding verunglimpft wurde). Auch<br />
der Zwist mit Martin Walser, der den<br />
ihm gewidmeten Bodenseereiter in<br />
Überlingen bis heute laut Lenk noch<br />
„nicht verkraftet“ hat, ist ein beliebtes<br />
Thema genauso wie Politiker und<br />
andere bekannte Persönlichkeiten,<br />
die mit ihrer Abbildung nicht einverstanden<br />
waren. Viele versuchten den<br />
Bildhauer gar zu verklagen. Noch<br />
hat es jedoch keiner geschafft, denn<br />
Peter Lenk hält sich sehr bedeckt,<br />
was öffentliche Äußerungen über die<br />
Vorbilder seiner Figuren betrifft. Wer<br />
eine Ähnlichkeit im Gesicht erkennen<br />
mag, bitteschön, aber spätestens beim<br />
Körperbau sollte vielen doch klar sein,<br />
dass es sich nur um eine erfundene<br />
Figur handeln könne. „Das Rechtliche<br />
will ich sicherlich nicht kitzeln.<br />
Da überlege ich mir schon<br />
vorher, was ich sage“, gibt der<br />
gewiefte Künstler zu. Neben<br />
politischem und (zeit-)<br />
geschichtlichem Wissen<br />
glänzt er denn auch mit einer<br />
großen literarischen Gewandtheit.<br />
So kann es schon<br />
passieren, dass er eine Hymne<br />
Hölderlins oder passend zu seiner<br />
Zukunft als Bildhauer Gottfried<br />
Benn rezitiert: „Du schwebend<br />
über deinen Gründen