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DVS_Bericht_373LP

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2021<br />

<strong>DVS</strong>-BERICHTE<br />

<strong>DVS</strong> Studie<br />

Fügetechnik für die neue<br />

Wasserstoffökonomie<br />

– Werkstoffe, Schweißtechnologien,<br />

Perspektiven –


<strong>DVS</strong> Studie<br />

Fügetechnik für die neue<br />

Wasserstoffökonomie<br />

– Werkstoffe, Schweißtechnologien,<br />

Perspektiven –<br />

Erstellt von Prof. Dr.-Ing. habil Thomas Kannengießer<br />

und Jun.-Prof. Dr.-Ing. Michael Rhode<br />

Studie im Auftrag der Forschungsvereinigung<br />

Schweißen und verwandte Verfahren e. V. des <strong>DVS</strong>


Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek<br />

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;<br />

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.<br />

Bibliographic information published by the Deutsche Nationalbibliothek<br />

The Deutsche Nationalbibliothek lists this publication in the Deutsche Nationalbibliografie; detailed<br />

bibliographic data are available in the Internet at http://dnb.dnb.de<br />

<strong>DVS</strong>-<strong>Bericht</strong>e Band 373<br />

ISBN: 978-3-96144-157-0 (Print)<br />

ISBN: 978-3-96144-158-7 (E-Book)<br />

Alle Rechte, einschließlich Übersetzungsrecht, vorbehalten. Nachdruck und Vervielfältigung dieses<br />

Bandes oder von Teilen desselben nur mit Genehmigung der <strong>DVS</strong> Media GmbH, Düsseldorf.<br />

Printed as manuscript.<br />

All rights, also for translation, are reserved. The reproduction of this volume or of parts of it only with<br />

approval of the <strong>DVS</strong> Media GmbH, Düsseldorf.<br />

© <strong>DVS</strong> Media GmbH, Düsseldorf 2021<br />

Druck/Printing: WIRmachenDRUCK GmbH, Backnang


Vorwort<br />

Fügetechnik für die neue Wasserstoffökonomie –<br />

Werkstoffe, Schweißtechnologien, Perspektiven<br />

Die Begrenzung der globalen Erderwärmung ist eine der großen Herausforderungen der<br />

internationalen Staatengemeinschaft in den nächsten Jahrzehnten. Vor diesem<br />

Hintergrund kommt der Defossilisierung und der verstärkten Nutzung von Wasserstoff<br />

als Speichermedium und Energieträger eine herausragende Rolle zu.<br />

Deutschland hat sich verpflichtet, eingegangene Klimaschutzvereinbarungen einzuhalten.<br />

Diese können nur durch grundlegend neue Verhaltensweisen und Maßnahmen erreicht<br />

werden. Neue Technologien leisten einen wesentlichen Beitrag dazu. Deutschland, als<br />

eine der führenden Industrienationen, ist darüber hinaus im Rahmen der Energiewende<br />

stetig herausgefordert, seine internationale Wettbewerbsfähigkeit hinsichtlich<br />

Klimaschutztechnologien zu steigern und auch künftig als bedeutender Treiber und<br />

Impulsgeber zu fungieren. Ambition der Bundesregierung ist dabei, Deutschland als einen<br />

der weltweit führenden Anbieter von Technologien zur Gewinnung, Speicherung,<br />

Weiterleitung und Nutzung von Wasserstoff zu etablieren. Mit gezielten Maßnahmen<br />

sollen dabei die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in diesem<br />

zukunftsträchtigen Technologiefeld gestärkt werden. Eine verstärkte Nutzung von<br />

Wasserstofftechnologien wird maßgeblich dazu beitragen, künftig Wertschöpfung,<br />

Beschäftigung, Steueraufkommen und damit Wohlstand und gesellschaftliche Entwicklung<br />

zu sichern.<br />

Entsprechend der von der Bundesregierung formulierten „Nationalen<br />

Wasserstoffstrategie“ sollen ökologische und ökonomische Ziele zugleich verfolgt werden.<br />

Diese sind nur mit entsprechender Unterstützung von Forschung, Entwicklung, Innovation<br />

und Qualifizierung zu realisieren.<br />

Hierbei kommt der Fügetechnik eine Schlüsselrolle zu. Gelingt es zum Beispiel, mit ihrer<br />

Hilfe eine sichere und funktionsfähige Infrastruktur für die Speicherung und den Transport<br />

von Wasserstoff zu schaffen oder eine massentaugliche Produktion von Brennstoffzellen<br />

sicherzustellen, werden die Anforderungen an die Fügetechnik in diesem Bereich<br />

kontinuierlich steigen.<br />

Einen umfassenden Überblick über den aktuellen Forschungsbedarf zum Thema<br />

„Fügetechnik für die neue Wasserstoffökonomie“ bietet die vorliegende Studie. Sie wurde<br />

von der Forschungsvereinigung Schweißen und verwandte Verfahren e. V. des <strong>DVS</strong> in<br />

Auftrag gegeben, um die Bedeutung der Fügetechnik und ihrer Perspektiven für dieses<br />

Geschäftsfeld zu ermitteln. Sie stellt dar, inwiefern spezifische Werkstoffe und<br />

Schweißtechnologien in der Erzeugung, Speicherung, im Transport und in der Nutzung<br />

von Wasserstoff relevant sind.<br />

Dipl.-Ing. Jens Jerzembeck<br />

Geschäftsführer<br />

Forschungsvereinigung Schweißen und verwandte Verfahren e. V. des <strong>DVS</strong>


Zusammenfassung<br />

Die Studie gibt einen Überblick über die Aspekte der Fügetechnik und ihrer Bedeutung in<br />

Wasserstofftechnologien. Dazu werden die Grundlagen der Technologiefelder Wasserstofferzeugung,<br />

-speicherung, -transport und -nutzung vorgestellt und der Stand der Technik<br />

der fügetechnischen Fertigung von Komponenten in Wasserstofftechnologien zusammengefasst.<br />

Dabei werden nicht nur exklusiv Metalle betrachtet. Anhand repräsentativer<br />

Beispiele aus der Praxis, Forschung und Entwicklung wird die Bedeutung der Fügetechnik<br />

in Wasserstofftechnologien klar herausgestellt und mögliche Perspektiven für die Zukunft<br />

abgeleitet. Hier ist ersichtlich, dass Fügetechnologien wesentliche Bedeutung für die erfolgreiche<br />

Umsetzung von technischen Komponenten der Wasserstofftechnologien haben,<br />

von der Erzeugung bis zur Anwendung. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht umfassen<br />

die Schwerpunkte bzw. Trends der Fügetechnik dabei: die Erstellung neuer Infrastruktur<br />

für Wasserstoffspeicherung und -transport sowie die sichere Umnutzung der bestehenden<br />

Erdgasinfrastruktur. Bei der Wasserstoffanwendung wird die effiziente massentaugliche<br />

Produktion von Brennstoffzellen immer wichtiger. Es ist zudem klar ersichtlich, dass die<br />

additive Fertigung bereits jetzt ein hohes Potential für Komponenten von Wasserstofftechnologien<br />

besitzen und dieses wachsen wird. Aus den perspektivischen Anwendungen ergeben<br />

sich zudem Herausforderungen und Forschungsbedarfe für die notwendigen nationalen<br />

und internationalen Regelwerke und technischen Normen. Schwerpunktmäßig sind<br />

hierbei die bereits bestehenden Empfehlungen und kodifizierten Regeln vollständig zu<br />

adaptieren und in die Aus- und Weiterbildung von fügetechnischem Fachpersonal einzubetten.<br />

Abstract<br />

This study provides an overview of aspects of the importance of joining processes in hydrogen<br />

technologies. For this purpose, the fundamentals of the technology fields of hydrogen<br />

generation, storage, transport, and utilization are briefly presented. On this basis, the<br />

state of the art in joining technology for the production of components for hydrogen technologies<br />

is summarized. Not only exclusive metals are considered. On the basis of representative<br />

examples from industrial practice, research and development, the importance of<br />

joining technology for hydrogen technologies is clearly highlighted and possible perspectives<br />

are derived. It is evident that joining technologies are of essential importance for the<br />

successful implementation of technical components in hydrogen technologies, from generation<br />

to application. The focal points or trends of joining technologies include: the erection<br />

of new infrastructure for hydrogen storage and transport, and the repurposing of existing<br />

natural gas infrastructure. In hydrogen applications, the efficient mass production of<br />

fuel cells is becoming increasingly important. It is also clear that additive manufacturing<br />

already has a high potential for hydrogen technology components and that this potential<br />

will grow. The perspective applications also pose challenges for the necessary national<br />

and international regulations and technical standards. In the case of already existing recommendations<br />

and codified rules, these must be almost completely adapted, and the training<br />

and further education of joining technology personnel must be considered.<br />

II


Inhaltsverzeichnis<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort und Zusammenfassung<br />

1 Einleitung ................................................................................................... 1<br />

2 Wasserstoff - Erzeugung, Transport, Speicherung, Nutzung ............... 3<br />

2.1 Wasserstofferzeugung / Power-to-Gas ...................................................... 3<br />

2.2 Speicherung ................................................................................................. 5<br />

2.3 Wasserstofftransport .................................................................................. 7<br />

2.4 Wasserstoffnutzung .................................................................................... 9<br />

3 Fügetechnik in Wasserstofftechnologien ............................................. 12<br />

3.1 Fügetechnik in der Wasserstofferzeugung ............................................. 12<br />

3.1.1 Elektrolyseure ...............................................................................................12<br />

3.1.2 Zusammenfassung - Trends in der Wasserstofferzeugung .......................13<br />

3.2 Fügetechnik in der Wasserstoffspeicherung .......................................... 14<br />

3.2.1 Druckspeicher ...............................................................................................14<br />

3.2.2 Flüssiggas-Speicher und -leitungen............................................................16<br />

3.2.3 Kavernenspeicher und Peripheriekomponenten ........................................19<br />

3.2.4 Zusammenfassung - Trends in der Wasserstoffspeicherung ....................20<br />

3.3 Fügetechnik im Wasserstofftransport (Schwerpunkt) ........................... 21<br />

3.3.1 Rohrleitungen und Prüfung ..........................................................................21<br />

3.3.2 Schweißen von höherfesten Güten für Wasserstoffpipelines....................23<br />

3.3.3 Rohr-Rohr-Schweißverbindungen für Wasserstoffpipelines .....................24<br />

3.3.4 Rohrstähle in H 2-Erdgasmischungen ..........................................................28<br />

3.3.5 Kunststoffrohre .............................................................................................30<br />

3.3.6 Zusammenfassung - Trends im Wasserstofftransport ...............................31<br />

3.4 Fügetechnik in der Wasserstoffnutzung (Schwerpunkt) ....................... 33<br />

3.4.1 Laserstrahlbasierte Fertigungsprozesse für Brennstoffzellen ..................33<br />

3.4.2 Technologien für die Serienfertigung von Brennstoffzellen ......................36<br />

3.4.3 Endverbrauchsgeräte ...................................................................................36<br />

3.4.4 Zusammenfassung........................................................................................37<br />

3.5 Additive Fertigung für Wasserstoff-Technologien ................................. 37<br />

III


Inhaltsverzeichnis<br />

3.5.1 Beispiele ........................................................................................................37<br />

3.5.2 Zusammenfassung........................................................................................40<br />

3.6 Regelwerke / Normen / Aus- und Weiterbildung ..................................... 40<br />

4 Zusammenfassung und Fazit ................................................................. 44<br />

5 Verzeichnisse ........................................................................................... 48<br />

5.1 Abbildungen .............................................................................................. 48<br />

5.2 Tabellen ...................................................................................................... 48<br />

5.3 Abkürzungen ............................................................................................. 48<br />

5.4 Zitierte Institutionen und Verbände ......................................................... 49<br />

5.5 Literatur ...................................................................................................... 51<br />

IV


Einleitung<br />

1 Einleitung<br />

„Grüner Wasserstoff ist damit der dringend benötigte Baustein für die sogenannte<br />

Sektorenkopplung und den Aufbau eines nachhaltigen, globalen Energiesystems auf<br />

Grundlage der Erneuerbaren.“<br />

„Die Nationale Wasserstoffstrategie verzahnt Klima-, Energie-, Industrie- und Innovationspolitik.<br />

Ziel ist es, Deutschland international zu einem Vorreiter bei grünem<br />

Wasserstoff zu machen und langfristig die Weltmarktführerschaft bei Wasserstofftechnologien<br />

zu erlangen und zu sichern.“<br />

Bedeutung der Fügetechnik in Wasserstofftechnologien<br />

Aus den obigen Zitaten (siehe [1]) ist ersichtlich, dass Wasserstoff als Zukunftstechnologie<br />

deutlich gesetzt ist. Damit Wasserstoff seine Funktion in der Sektorenkopplung übernehmen<br />

kann, muss er klimaneutral hergestellt, über eine geeignete Infrastruktur transportiert<br />

und in Speichern gelagert werden, bevor die finale Nutzung/Anwendung erfolgt, siehe Abbildung<br />

1. Diese Einteilung wird im Weiteren zur besseren Strukturierung der Wasserstofftechnologien<br />

und der jeweiligen Bedeutung der Fügetechnik beibehalten.<br />

Abbildung 1:<br />

Schema einer auf Wasserstoff als Primärenergieträger bzw. „Power-to-Gas“ basierenden Wirtschaft,<br />

die ausschließlich „grünen“ Strom verwendet<br />

Die genannten vier Technologiefelder erfordern technische Systeme, Bauteile und Anlagen,<br />

die sicher und zuverlässig funktionieren. Zur grundlegenden Herstellung der Systeme<br />

und Anlagen leisten Fügetechnologien unverzichtbare Beiträge. Beispiele sind hier die neu<br />

errichteten und geschweißten Pipelines und Rohrleitungen zum geplanten Wasserstofftransport<br />

als auch die Verwendung des Erdgasnetzes. Aber auch CFK-Hochdruckspeicher<br />

für mobile Anwendungen werden durch Fügetechnologien (wie das Wickeln) erst<br />

möglich. Für die Wasserstoffnutzung als Energiequelle der Zukunft werden<br />

1


Einleitung<br />

Brennstoffzellen massiv an Zahl und Bedeutung gewinnen. Damit verbunden sind notwendige<br />

effiziente Fügetechnologien, die bereits teilweise als technische Lösungen (Laserstrahlschweißen)<br />

verfügbar sind. Eine Studie des VDMA [2], prognostiziert für 2040 einen<br />

höheren Marktanteil von PKW mit Brennstoffzelle und eine Schlüsselrolle für schwere<br />

Nutzfahrzeuge und Schiffsanwendungen. Zudem werden pulver- oder drahtbasierte additive<br />

Fertigungsverfahren wichtig für die effiziente Gestaltung komplexer Bauteile mit optimierter<br />

Geometrie für höchste Beanspruchungen, z.B. Brenner für Gasturbinen, die überhaupt<br />

erst die Umstellung der Turbine von Erd- auf Wasserstoffgas ermöglicht.<br />

Inhalte, Ziele und Methodik der Studie<br />

Kapitel 2 liefert einen Überblick der Technologiefelder einer Wasserstoffökonomie: Erzeugung,<br />

Speicherung, Transport und Nutzung. Dazu werden jeweils Hauptkomponenten vorgestellt,<br />

wie Druckspeicher für die Speicherung oder Brennstoffzellen für die Anwendung,<br />

bei denen Fügetechnologien wesentlich für die Herstellung sind.<br />

Kapitel 3 beschreibt den Stand der Technik bei der fügetechnischen Fertigung von Komponenten<br />

für Wasserstofftechnologien anhand repräsentativer Beispiele aus der Praxis,<br />

Forschung und Entwicklung. Dabei werden nicht nur exklusiv Metalle, sondern auch die<br />

für mobile Speicher und Gasverteilnetze wichtigen Kunststoffe / Komposit-Werkstoffe mit<br />

betrachtet. Auf Basis dieser Betrachtungen werden dann Schwerpunkte abgeleitet bzw.<br />

Trends und Perspektiven der Fügetechnik. Diese umfassen die Erstellung neuer Infrastruktur<br />

auf Wasserstoff als auch die Umwidmung der bestehenden Erdgasinfrastruktur<br />

auf Transport und Speicherung zunächst auf wasserstoffhaltige Gasmischungen. Bei der<br />

Wasserstoffanwendung/ -nutzung ist insbesondere die effiziente massentaugliche Produktion<br />

von Brennstoffzellen oder der Strukturierung und Oberflächenbeschichtung von Elektroden<br />

(auch für die Elektrolyse). Zusätzlich wird auch auf dadurch bedingte Herausforderungen<br />

für die notwendigen Regelwerke und die Aus- und Weiterbildung eingegangen.<br />

Kapitel 4 fasst die Inhalte und Aussagen der Studie zusammen und stellt die abgeleiteten<br />

Schlussfolgerungen vor. Hier ist eindeutig ersichtlich, dass Fügetechnologien eine wesentliche<br />

Bedeutung für die erfolgreiche Umsetzung von technischen Komponenten für Wasserstofftechnologien<br />

haben: von der Erzeugung bis zur Nutzung.<br />

Die vorliegende Studie erbringt substanzielle Aussagen zur Anwendung und zu Perspektiven<br />

der Fügetechnik in Wasserstofftechnologien. Aussagen zu verwandten Beschichtungstechnologien<br />

wurden aufgrund der Komplexität nur bis zu einem bestimmten Grad<br />

berücksichtigt, z.B. für die Herstellung, Beschichtung und Strukturierung von Elektroden<br />

für Elektrolyseure und Brennstoffzellen.<br />

2


Wasserstoffökonomie<br />

2 Wasserstoff - Erzeugung, Transport, Speicherung,<br />

Nutzung<br />

Eine wasserstoffbasierte Energiewirtschaft, soll hauptsächlich oder ausschließlich<br />

Wasserstoff als Energieträger verwenden, ist bisher jedoch in keinem Land realisiert<br />

worden. Als Energieträger kann Wasserstoff dann z.B. in Brennstoffzellen wieder in<br />

Elektrizität umgewandelt werden oder als Energieträger für nachhaltige Mobilität dienen.<br />

Naturgemäß kommen der Speicherung und dem Transport wesentliche Bedeutung<br />

für die Wasserstoffinfrastruktur zu. Die Wasserstoffnutzung/-anwendung ist bereits<br />

vielfältig möglich z.B. in der Mobilität oder Rückverstromung (durch Brennstoffzellen).<br />

Zukünftig wird hier aber auch die industrielle Anwendung wesentlich zunehmen.<br />

2.1 Wasserstofferzeugung / Power-to-Gas<br />

Wasserstoff kann durch die Spaltung von Wasser, aus Biomasse oder aus Kohlenwasserstoffen<br />

(z.B. aus fossilen Energieträgern) gewonnen werden. Zu besseren Unterscheidung<br />

der „Herkunft“ werden diese mit Farben kodifiziert, die angeben aus: (a) welcher Quelle<br />

der Wasserstoff stammt bzw. (b) welche Energieform zur Erzeugung eingesetzt wird [3].<br />

Die erste Form des „grünen Wasserstoffs“ soll dabei für Deutschland in Zukunft die primäre<br />

Bedeutung besitzen. Weiterhin können drei Nebenformen unterschieden [4].<br />

Tabelle 1: Formen des erzeugten Wasserstoffs [3,4]<br />

Farbcode<br />

Grün<br />

Blau<br />

Charakterisierende Eigenschaft der Wasserstofferzeugung<br />

• Herstellung durch Elektrolyse von Wasser<br />

• CO2-frei, wenn Strom aus regenerativen Energien<br />

• Herstellung aus fossilen Energieträgern<br />

• CO2-Abscheidung durch Carbon Capture Storage (CCS) oder Usage (CCU)<br />

Grau<br />

Türkis<br />

• Herstellung aus fossilen Energieträgern 10 t CO2 pro 1 t H2<br />

• Hauptsächlich aus Methanumwandlung in H2 und CO2 durch Dampfreformierung<br />

• Pyrolyse von Methan<br />

• CO2-Neutralität bei Wärmeversorgung des Hochtemperaturreaktors aus erneuerbaren<br />

Energien<br />

Weiß • H als Nebenprodukt (z.B. aus Chlor-Alkali-Elektrolyse in chem. Industrie 1 )<br />

Gelb<br />

Pink / Rot<br />

• Strom zur Wasserelektrolyse aus Energie-Mix (Fossil, Nuklear, Erneuerbar)<br />

• Strom zur Wasserelektrolyse aus Kernkraftwerken<br />

Derzeit geschieht die Gewinnung von Wasserstoff primär auf Basis fossiler Stoffe (z.B.<br />

Dampfreformierung von Methan als „grauer“ Wasserstoff bzw. als „weißer“ Wasserstoff in<br />

1<br />

Chlor-Alkali-Elektrolyse ist derzeit in der chemischen Industrie ein wichtiges Verfahren zur Erzeugung der<br />

Grundstoffen Chlor und Wasserstoff aus der Umsetzung von Wasser und Natriumchlorid<br />

3


Wasserstoffökonomie<br />

der chemischen Industrie über die „Chor-Alkali-Elektrolyse“. „Roter Wasserstoff“ spielt in<br />

Deutschland aufgrund des Atomausstieges bis 2022 keine Rolle mehr, kann aber argumentativ<br />

beim Import aus dem Ausland eine Rolle spielen hinsichtlich der Nachhaltigkeitsfrage<br />

2 . Zukünftige Konzepte für Deutschland sehen die Gewinnung CO 2-freien, „grünen“<br />

Wasserstoffs über Wasserelektrolyse aus erneuerbaren Energien zwingend<br />

vor [5]. Die gebräuchlichsten Elektrolyseur-Typen sind in Tabelle 2 dargestellt. Eine Studie<br />

zum Stand der Elektrolyse findet sich in [6].<br />

Tabelle 2: Elektrolyseur-Typen, nach [6]<br />

Bezeichnung<br />

Abkürzung<br />

Betriebstemp.<br />

[°C]<br />

Alkalischer Elektrolyseur A-EL 50 bis 80<br />

PEM 3 -Elektrolyseur PEM-EL 20 bis 100<br />

Hochtemperatur (bzw.<br />

Festoxid-)elektrolyseur<br />

HT-EL 700 bis 1000<br />

Elektrolyt<br />

Membran<br />

KOH-<br />

Perforierte<br />

Lauge<br />

Bleche<br />

Festpolymer-Membran,<br />

wird von Wasser umspült<br />

ZrO2-Membran trennt Anode und<br />

Kathode, Nutzung Wasserdampf<br />

Nach [7] haben europäische Hersteller die technologische Führerschaft bei Techniken wie<br />

PEM- und HT-EL, nicht jedoch bei der konventionellen A-EL (nach Anzahl der weltweiten<br />

Veröffentlichungen und Patente). Der Grundaufbau eines Elektrolyseurs folgt dabei immer<br />

dem Schema: zwei Halbzellen (Anodenraum zur Sauerstoff- und Kathodenraum zur Wasserstoffproduktion),<br />

die durch physische ionenselektive Barrieren (Diaphragma) oder leitfähige<br />

Membranen (mit Funktion des „Elektrolyten“) getrennt sind.<br />

Power-to-Gas<br />

Der Anteil erneuerbarer Energien in der Stromerzeugung wird deutlich zunehmen. Problematisch<br />

ist hier die Verfügbarkeit bzw. die volatile Schwankung von Stromangebot und -<br />

nachfrage. Hier wird Wasserstoff als chemischer Energiespeicher eine zentrale Rolle spielen<br />

[8]. Mit dem Power-to-Gas (PtG) 4 steht bereits heute ein technisches Konzept bzw.<br />

Kopplungselement zwischen Stromerzeugung und H 2-Speicherkapazität zur Verfügung.<br />

Wasserstoff wird dazu mittels Wasserelektrolyse und Strom aus erneuerbaren Energien<br />

bereitgestellt und in Speichern gelagert oder direkt ins Gasnetz eingespeist. Der Wasserstoff<br />

kann dann am selben oder anderen Orten genutzt bzw. (in Brennstoffzellen) rückverstromt<br />

werden.<br />

Momentane PtG-Schwerpunktthemen sind hier die Einspeisung von Wasserstoff in das<br />

Erdgasnetz. Dies wirft Fragestellungen hinsichtlich der Werkstoffkompatibilität und der Sicherheit<br />

der Gastransportnetze auf. Dies gilt sowohl für Bestandswerkstoffe in<br />

2<br />

Atomkraftwerke werden als Stromquelle für „grünen Wasserstoff“ auch in Europa diskutiert, siehe:<br />

https://www.energate-messenger.de/news/209754/visegrad-staaten-werben-fuer-nuklearen-wasserstoff)<br />

3<br />

PEM - Proton oder Polymer Exchange Membrane, Protonen- oder Polymeraustauschmembran<br />

4<br />

Das PtG-Konzept basiert auf Power-to-X (PtX), wobei das X für weitere Kopplungselemente steht, bspw. PtC<br />

(Chemicals Erzeugung von Grundchemikalien), PtL (Liquids Erzeugung synth. Kraftstoffe<br />

4


Wasserstoffökonomie<br />

Verteilernetzen als auch für Neueinrichtungen von Pipelines aus Großrohren für die Fernleitungsnetze,<br />

die ausschließlich geschweißt werden, siehe Kapitel 3.3.<br />

2.2 Speicherung<br />

Wasserstoff kann auf vielfältige Arten gespeichert und gelagert werden. Die gängigsten<br />

Techniken sind physikalisch basiert, wie: (1) Druckspeicherung bei Umgebungstemperatur<br />

als verdichtetes Gas, (2) Flüssigspeicherung als tiefkaltes verflüssigtes Gas oder als (3)<br />

kryokomprimierte Speicherung als tiefkaltes Druckgas. Neben physikalisch basierten<br />

Wasserstoffspeicherung kann Wasserstoff in chemisch gebundener Form transportiert<br />

werden: (1) Überführung von CO/CO 2 in Methan (CH 4), (2) Überführung in NH4 / Ammoniak<br />

als leichter zu transportierendes Material, z.B. für die Verwendung in der chemischen<br />

Grundstoffindustrie 5 . Weitere Speichermöglichkeiten befinden sich derzeit in der Grundlagenforschung<br />

bzw. in der technischen Erprobung wie Metal Organic Frameworks<br />

(MOFs). Diese werden als eine der vielversprechendsten Speichertechnologien angesehen.<br />

Einen Überblick über Wasserstoffspeichertechnologien ist in [11] dargestellt.<br />

Wasserstoff diffundiert (als Molekül bzw. in Metallen in dissoziierter atomarer Form) relativ<br />

gut. Dabei hängt die Rate des diffundierenden Wasserstoffs von den Bedingungen der<br />

Wasserstoffabsorption ab, wie hohe Temperaturen und hoher Innendruck. Bei metallischen<br />

Werkstoffen kann es dann zur bekannten Degradation der Werkstoffeigenschaften<br />

(„Versprödung“, Duktilitätsabnahme) etc. kommen. Die Bewertung dieser komplexen Prozesse<br />

bildet eine generelle Herausforderung im Sinne der Kompatibilität der Materialien<br />

für Wasserstoffanwendungen, siehe dazu auch Kapitel 3.4.<br />

Bauformen von Druckgasspeichern für stationäre und mobile Anwendungen<br />

Begründet durch die zugrundeliegende Verteilung der mechanischen Spannungen (aufgrund<br />

der Druckgasbeanspruchung) haben serienmäßige Druckbehälter zumeist zylindrisch<br />

Form [11]. Der Grund ist die Auslegung nach „Kesselformel“, d.h. Berechnung der<br />

zulässigen Lastspannungen z.B. nach DIN EN 13445, Teil 3 [9]. Allerdings sind auch hier<br />

FuE-Aktivitäten bekannt z.B. für alternative Kugelspeicher, die halbierte minimale Wandungsstärken<br />

ermöglichen würden, z.B. im Rahmen des Projektes „KuWaTa“ 6 siehe [10].<br />

Der Grund liegt im Fehlen der in Zylindern zu berücksichtigen Tangentialspannungen. In<br />

der Vergangenheit hat sich die Typologisierung der Speicher in vier Typen (I bis IV) etabliert<br />

[11]. Diese unterscheiden sich von der Entwicklungshistorie sowie von den eingesetzten<br />

Materialien. Tabelle 3 gibt einen Überblick über die gängigen Druckspeichertypen.<br />

Tabelle 3: Bauformen von Druckgas-Wasserstoffspeichern [11]<br />

Typ Aufbau Applikationen<br />

5<br />

H-Bindung in Form von Ammoniak bildet einen wichtigen Teil der australischen Wasserstoffstrategie<br />

6<br />

Kugelförmige Druckbehälter zur Wasserstoffspeicherung<br />

5


Wasserstoffökonomie<br />

I<br />

• Metallische Wandung,<br />

• meist Stahl<br />

II • Metallische Wandung<br />

• Ummantelung aus harzgetränkter<br />

GFK oder CFK, Wicklung im zylindrischen<br />

Bereich<br />

III • Metallische Wandung (meist Aluminium),<br />

gewickelte CFK-Ummantelung<br />

um den gesamten Behälter<br />

IV • Kunststoffwandung (Polyamid/ Polyethylen),<br />

gewickelte CFK-Ummantelung<br />

um den gesamten Behälter<br />

• 200 bis 300 bar für Industriegase<br />

• Standard-Transportbehälter<br />

• Stationäre Anwendungen<br />

• Höhere Nenndrücke bis 1000 bar bei ähnlichem<br />

Gewicht<br />

• Speicherbehälter an H2-Tankstellen<br />

• Speicher in Fahrzeugen f. 350 od. 700 bar<br />

• Auch für stationäre Anwendung, aber höhere<br />

Kosten als Typ I und II<br />

• Druckbeständigkeit wie Typ III<br />

• Gewichtsvorteil gegenüber Typ I - III<br />

• Transport- oder Speicherbehälter für Mobilität<br />

Für die mobile Speicherung in Fahrzeugen, werden Druckbehälter aus Metall-Faserverbundwerkstoff-Systemen<br />

(Typ 3 und 4), reine metallische Speicher (Typ 1) verwendet.<br />

Darüber hinaus können zukünftig auch feste Speichermedien (z.B. Metallhydridspeicher)<br />

zum Einsatz kommen. Eine wichtige Norm für die Druckgasspeicher in Fahrzeugen ist z.B.<br />

die ISO 15869. Die Gründe sind insbesondere der hohe möglichen Druck, entfallende Isolierungsprobleme<br />

wie bei der Kryospeicherung und nicht zuletzt das reine Speicherleergewicht.<br />

Die Druckbehälter müssen so ausgelegt werden, dass sie die vielfältigen Belastungen,<br />

die in ihrem Betriebsleben auftreten können, sicher überstehen (z.B. mechanische<br />

Beanspruchung im Crashfall).<br />

Kryospeicher<br />

Flüssige Wasserstoffspeicherung bietet Vorteile in der erreichbaren Speicherdichte, d.h.<br />

der aufgenommenen Gasmenge bei Umgebungsbedingungen. Im Gegensatz zu Druckspeichern<br />

müssen die Flüssigspeicher aber aufwändig isoliert werden, da sonst die Verlustrate<br />

durch die Tankwandung zu groß wäre. Daher haben Kryospeicher einen inneren<br />

Lager- und einen äußeren Isolationsbehälter, erweitert um Komponenten wie elektrische<br />

Zusatzheizer zur Gastemperierung bei Entnahme sowie einer Heizeinheit direkt im Flüssiggas<br />

[11]. Trotz der guten Speicherdichte hat sich die Kryospeicherung aufgrund der<br />

aufwändigen Verflüssigung bzw. der systembedingten Verluste beim Speichern in der Mobillösung,<br />

wie oben angeführt, nicht durchgesetzt. Kryospeicher finden in erster Linie für<br />

den Transport von Wasserstoff per LKW oder als stationärer dezentraler Speicher z.B. an<br />

Tankstellen oder für die Industrie Verwendung [11,12].<br />

Großtechnische Lagerung in Kavernenspeichern<br />

Eine Sonderform von Wasserstoffspeichern sind unterirdische Großspeicher wie ausgespülte<br />

Kavernen in Wirtsgesteinen wie Salzstöcken. Solche Kavernenspeicher werden in<br />

Deutschland bereits seit Jahren umfassend als Erdgaspuffer bzw. strategische Reserve<br />

genutzt. Dazu sind in Deutschland über 50 Untergrundspeicher mit bis zu 24 Milliarden<br />

Kubikmeter Speicherkapazität vorhanden [13]. Naturgemäß werden diese Speicher derzeit<br />

auch hinsichtlich der Verwendbarkeit für Wasserstoff getestet. Dazu wurde in Rüdersdorf<br />

bei Berlin ein Pilotprojekt begonnen. Der Betrieb soll 2022 aufgenommen werden [14].<br />

6


Wasserstoffökonomie<br />

In diesem Projekt 7 des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt/EWE GmbH sollen<br />

u.a. Fragen beantwortet werden, welche Reinheit rückgefordertes H-Gas aus Salzstöcken<br />

hat.<br />

Diese Fragestellungen betreffen wiederum die eingesetzten Werkstoffe für die Fördersonden<br />

und Bohrlochauskleidungen. Auch hier sind spezielle Fragestellungen der Fügetechnik<br />

zu fokussieren, z.B. das zyklische Betriebsverhalten geschweißter Verrohrungen oder<br />

Mischverbindungen mit Armaturen und Ventilen (wenn nicht geflanscht).<br />

2.3 Wasserstofftransport<br />

Der Wasserstofftransport bildet das zentrale Element neben der Speicherung. Die Gründe<br />

liegen auf Deutschland bezogen z.B. in der geographischen Trennung der Wasserstofferzeugung<br />

(vornehmlich in der Nähe von Offshore-Windenergieanlagen) und den großen<br />

Abnehmerzentren im Süden.<br />

Fernleitungsnetze<br />

Nach [15] eignen sich für den großtechnischen Transport von Wasserstoff nur „Pipelines<br />

für große Volumina“ bzw. wird aus der FNB Gas-Studie 8 [16,17] deutlich, Wasserstoffpipelines<br />

mit einer Länge von 5.900 km allein in Deutschland betreiben zu müssen, um<br />

die geplanten Erzeugungszentren im Norden mit den großen Abnehmerzentren im Süden<br />

zu verbinden. Allerdings sollen ca. 90 % dieser Fernleitungsnetze auf dem bestehenden<br />

Erdgasnetz basieren [18], d.h. aber immer noch das ca.600 km Neubauleitungen notwendig<br />

sind. Diese Fernleitungsnetze bestehen bisher ausschließlich aus sogenannten Großrohren<br />

aus Stählen mit entsprechenden Festigkeiten. Die Herstellung der Großrohre im<br />

Werk erfolgt zumeist durch das Verschweißen kreisförmig gebogener oder ausgewalzter<br />

Platten durch Längs- oder Spiralnahtschweißen eines abgewickelten Coils.<br />

Beide Rohrherstellungsarten haben spezifische Vor- und Nachteile. Prinzipiell haben<br />

beide Herstellungsarten eine ähnliche Fertigungsabfolge, jedoch sind Spiralnahtrohre weniger<br />

komplex in der Herstellung (Abhaspeln des Coils, Richten, Biegen des Bandes, Kantenfräsen,<br />

Heften, Schweißen) und es erlaubt die Fertigung von beliebigen Rohrlängen.<br />

Das Längsnahtverfahren ist komplexer und anspruchsvoller. Die Schritte bestehen hier<br />

z.B. aus: Vorbiegen der Blechtafeln, Biegen einer U-Schale, Fertig-Rundbiegen, Kantenfräsen,<br />

Heften, Schweißen [19]. Der Vorteil des Längsnahtschweißens ist, dass z.B. auch<br />

plattierte Werkstoffe zu Rohren verarbeitet werden können, nachteilig ist die begrenzte<br />

Länge. Für beide Rohrformen (nach DIN EN 10217) in Frage kommende Schweißprozesse<br />

sind das (Mehrdraht-)-Unter-Pulver-Schweißen [20,21]) oder konduktives/induktives<br />

Hoch-Frequenzschweißen ([22,23] bzw. „HFI“ nach [19]).<br />

Verteilernetze (bzw. Ortsnetze)<br />

7<br />

Hydrogen in Caverns for Mobility<br />

8<br />

Vereinigung der Fernleitungsnetzbetreiber Gas<br />

7


Wasserstoffökonomie<br />

Sie dienen der Verteilung eines Gases auf regionaler bzw. lokaler Ebene und haben dementsprechend<br />

kleinere Durchmesser und Betriebsdrücke. Deswegen werden hier in bestimmten<br />

Bereichen auch alternative Werkstoffe wie Polymere (Polyethylen/PE usw.) eingesetzt.<br />

Für Stahlrohre kommen hier prinzipiell neben den o.g. Techniken auch MSG-Prozesse<br />

in Betracht, da die Wandstärken hier meist geringer sind. Die Rohrleitungen aus<br />

Polyethylen (PE, Thermoplast mit guter chemischer, abrasiver und UV-Beständigkeit) sind<br />

sowohl für ober- und unterirdische Verlegung (Tiefbau) geeignet. Dabei sind die unterschiedlichen<br />

Diffusionseigenschaften von Wasserstoff gegenüber Methan / Erdgas durch<br />

die Rohrwandungen zusätzlich zu beachten (siehe Kapitel 3.3.5.) Für PE-Rohre sind etablierte<br />

Schweißprozesse verfügbar mit sog. Heizwendelschweißgeräten. Diese verschweißen<br />

die Rohre entweder direkt (unter zusätzlichem Zusammenpressen der Fügestelle)<br />

oder durch das Verschweißen der Rohre Hüllmuffen.<br />

Zukünftiger Wasserstofftransport in Großrohren / Pipelines<br />

Im europäischen Bereich existieren bereits empfehlende Grundsätze für den Betrieb und<br />

die Errichtung von Gasnetzen, wie die EIGA 9 - Richtlinie 121/14 „Hydrogen Pipeline Systems“<br />

[24] oder die ASME (American Society of Mechanical Engineers) B31.12 „Hydrogen<br />

Piping and Pipelines“ überarbeitet [25]. Beide Regelwerke enthalten praktische Empfehlungen<br />

zur Werkstoffauswahl, Schweißverarbeitung, usw. Nach der EIGA-Richtlinie sind<br />

Rohrleitungsstähle bis zu einer Streckgrenze von 360 MPa (d.h. Rohrleitungsstähle bis<br />

L360 oder X52 nach API 10 Spec 5L [26]) für Pipelines zugelassen. Höherfeste Güten<br />

würden dabei einen wesentlich ökonomischeren Materialeinsatz ermöglichen aufgrund der<br />

geringeren Wandungsstärke bei gleichem Druck oder höheren Drücken bei gleicher<br />

Wandstärke. Weltweit sind bereits diverse Wasserstoff-Leitungsnetze teilweise seit mehreren<br />

Jahrzehnten im Einsatz [27,28], z.B. Air Liquide in F, B, und NL [27,28,29] oder die<br />

Linde AG im Industriegebiet Leuna-Bitterfeld-Wolfen [30]. Wichtige Kenngrößen für zukünftige<br />

Pipelines allgemein sind der Transportdruck und der Durchmesser der Röhren.<br />

Als Zielparameter für Wasserstoffpipelines wurden dafür in [31] definiert: 48 Zoll<br />

(1.220 mm) Durchmesser, Abgabedruck 67 bis 80 bar, Eingangsdruck 30 bis 40 bar und<br />

einer Kapazität von 13 GW 11 .<br />

Forschungsbedarf zur Materialkompatibilität unter Druckwasserstoff, sprich möglicher Degradation<br />

und Rissbildung, teilweise noch offen. Dies betrifft bei geschweißten Großrohren<br />

insbesondere die Härteverteilung und mögliche -spitzen in der Schweißnaht. Herausforderungen<br />

für die fügetechnische Verarbeitung von Rohren sind detailliert im Kapitel 3.3.2<br />

und 3.3.3 dargestellt.<br />

Wasserstofftransport über das bestehende Erdgasnetz<br />

Ein wesentlicher Bestandteil der Umstellung der deutschen Wirtschaft auf eine wasserstoffbasierte<br />

Energieversorgung inkludiert die Nutzung bzw. Umwidmung des bestehenden<br />

und sehr gut ausgebauten deutsches Erdgasnetzes. Zudem liegen in Ortsnetzen<br />

9<br />

EIGA - European Industrial Gases Association<br />

10<br />

API - American Petroleum Institute<br />

11<br />

Leistungsäquivalent der transportierten Gasmenge<br />

8


Wasserstoffökonomie<br />

Erfahrungen aus der Vergangenheit mit wasserstoffhaltigen Gas-Mischungen 12 vor. Jedoch<br />

ergeben sich durch die geplante Beimischung von Wasserstoff zum Erdgas und langfristig<br />

auch bei der Umstellung auf reinen Wasserstofftransport die bereits genannten Fragestellungen<br />

zur generellen Materialkompatibilität der bereits eingesetzten Werkstoffe.<br />

Dazu laufen bereits einige Forschungsprojekte, um die bestehende Erdgasinfrastruktur für<br />

Wasserstoff umzunutzen. Eine weitere Größe beim Wasserstofftransport ist die unterschiedliche<br />

Energiedichte zu Erdgas, d.h. abhängig vom Mischungsverhältnis bis hin zu<br />

reinem Wasserstoff sind höhere Transportdrücke notwendig, um die gleiche Energiemenge<br />

(z.B. die postulierten 13 GW aus [31]) zu gewährleisten. Das Verbundvorhaben<br />

H2-PIMS 13 beschäftigt sich dazu mit der Weiterentwicklung der Erdgasinfrastruktur [32].<br />

Ziele sind hier u.a. die Entwicklung von Konzepten für die Instandhaltung, die Erweiterung<br />

von bestehenden Regelwerken für den Betrieb umgewidmeter Infrastrukturen oder (wo<br />

notwendig) die Empfehlung neuer Standards.<br />

Allerdings sind hier Fragestellungen der Kompatibilität in der Bestandsinfrastruktur bereits<br />

eingesetzter Werkstoffe teilweise offen (mögliche Eigenschaftsdegradation oder Rissbildung<br />

unter veränderter Gaszusammensetzung, aber auch der Wirkung von Verunreinigungen<br />

im ppm-Bereich). Dies betrifft insbesondere die gefertigten Schweißverbindungen.<br />

Dabei ist zu berücksichtigen, dass in Verteilernetzen neben metallischen Werkstoffen<br />

auch die genannten Kunststoffrohre (z.B. aus PE-Basis) eingesetzt werden. Sich ergebende<br />

Herausforderungen für die Fügetechnologie, siehe Kapitel 3.3.4.<br />

2.4 Wasserstoffnutzung<br />

Wasserstoff ist das zentrale Element einer treibhausgas-neutralen Energiewirtschaft und<br />

Industrie. Wasserstoff kann für zahlreiche Anwendungen genutzt werden. Dazu werden<br />

einige Beispiele angeführt.<br />

Substitution fossiler Brennstoffe in der Prozessindustrie (insb. für Prozesswärme):<br />

• Chemische Industrie: Wasserstoff als Reduktionsmittel bzw. Ausgangsstoff für chemische<br />

Reaktionen und insbesondere als Energieträger.<br />

• Stahlindustrie: Wasserstoff als Reduktionsmittel des Eisenerzes, u.v.m.<br />

Brennstoffzellen:<br />

Die Brennstoffzelle (BZ) als effizienter Energiewandler bildet naturgemäß in den Wasserstoff-Technologien<br />

einen zentralen Schwerpunkt der Aktivitäten hinsichtlich Materialauswahl,<br />

Verarbeitung und effizienter Produktion für den großmaßstäblichen Einsatz. Eine BZ<br />

besteht im Allgemeinen aus den Elektroden, die durch einen Elektrolyten (ionenleitfähiges<br />

Material) voneinander getrennt sind. Der Elektrolyt kann aus einer semipermeablen<br />

12<br />

So wurde bis vor ca. 25 Jahren Wasserstoff als Bestandteil des Stadtgases (Anteil 50 Vol.-%) erzeugt und<br />

bereits durch bestehende Verteilnetze geleitet.<br />

13<br />

Pipeline-Integrity Management System<br />

9


Wasserstoffökonomie<br />

Membran bestehen, die nur für eine Ionensorte, z. B. Protonen, durchlässig ist. Die Elektrodenplatten,<br />

die sogenannten „Bipolarplatten“ bestehen meist aus einem Metall oder<br />

Kohlenstoff. Sie sind zusätzlich mit einem Katalysator versehen (Beschichtung), welche<br />

zumeist aus chemisch weitgehend inerten Edelmetallen wie Platin oder Palladium bestehen.<br />

Die Energieerzeugung basiert auf der Reaktion von Sauerstoff mit dem Brennstoff,<br />

kann aber auch auf H-haltigen Verbindungen wie Methan (CH 4) oder Methanol (CH 3OH)<br />

basieren. Eine Zusammenfassung zum Stand der Technik ist unter [33] abrufbar. Eine<br />

Zusammenstellung der BZ-Typen findet sich in Tabelle 4.<br />

Tabelle 4: Typen von Brennstoffzellen (BZ) [33]<br />

Bezeichnung<br />

(Saure) Polymer-Membran-Elektrolyt-BZ<br />

(Alkalische)<br />

Elektrolyt-BZ<br />

Phosphorsäure-BZ<br />

Schmelzcarbonat-BZ<br />

Festoxid-<br />

BZ<br />

Ab-kürzung<br />

14<br />

Betriebstemp.<br />

[°C]<br />

Elektrolyt<br />

Brennstoff<br />

Einsatzgebiet<br />

PEMFC 75 Festpolymer H2 Mobilität<br />

AFC 90 KOH H2 Raumfahrt<br />

PAFC 200 - 250 H3PO4 Erdgas Heizkraftwerke<br />

MCFC 650<br />

SOFC 1000<br />

Li- oder<br />

KaCO3<br />

Festoxid:<br />

ZrO2 / Y2O3<br />

Erdgas,<br />

Biogas<br />

Erdgas,<br />

Biogas<br />

(Heiz-)<br />

Kraftwerke<br />

(Heiz-)<br />

Kraftwerke<br />

Die PEMFC hat momentan das breiteste Anwendungsspektrum, SOFC sind ein Schwerpunkt<br />

der Forschung und Entwicklung. Nach [33] ist der Entwicklungsstand der Brennstoffzellen<br />

gekennzeichnet durch hohe Wirkungsgrade, gute Leistungserweiterung durch modularen<br />

Aufbau und hohes Entwicklungspotenzial. Nachteile sind noch die hohen Investitionskosten,<br />

geringe Betriebserfahrungen und beschränkte Lebensdauer. Es wird erwartet,<br />

dass diese Nachteile durch die BZ-Weiterentwicklung abnehmen und die Investitionskosten<br />

durch hohe erwartete Stückzahlen sinken (z.B. Mobilitätsanwendungen) [2].<br />

Forschungs- u. Entwicklungsprojekte beschäftigen sich daher derzeit unabhängig vom BZ-<br />

Typ mit der Verbesserung der Langzeitstabilität der Materialien und vor allem der Massentauglichkeit<br />

der Komponenten. Ein wesentlicher Punkt für die Fügetechnik bildet hier die<br />

effiziente Bipolarplatten- und Stack-Fertigung durch Laserstrahlschweißen. Anwendungsbeispiele<br />

sind dazu in Kapitel 3.4.1 dargestellt.<br />

Wasserstofftankstellen als Schnittstelle zwischen Speicherung und Nutzung:<br />

Das deutsche Wasserstoff-Tankstellennetz umfasst derzeit 92 Stationen (Stand<br />

19.04.2021, Live-Monitoring in [34]) und soll weiter steigen. Allein in Bayern ist der Zubau<br />

von weiteren 100 Wasserstofftankstellen bis 2023 geplant [35]. Der stetige Ausbau der<br />

14<br />

PEMFC - Proton Exchange Membrane Fuel Cell, AFC - Alkaline Fuel Cell, PAFC - Phosporic Acid Fuel Cell, MCFC - Molten<br />

Carbonate Fuel Cell, SOFC - Solid Oxide Fuel Cell<br />

10


Wasserstoffökonomie<br />

Tankstellen (inkl. der Systemkomponenten wie Speicher, Förderrohre, Pumpen und Kompressoren)<br />

bedingt daher dementsprechenden Einsatz von Fertigungstechnologien. An<br />

einer (momentan noch dezentralen) Wasserstofftankstelle wird Wasserstoff in flüssiger<br />

oder komprimierter Form in Lagertanks bereitgehalten. Dazu gelten als maßgebliche Betriebsbedingungen:<br />

• Flüssiger Wasserstoff (LH2) bei −253 °C und max. 16,5 bar bzw. als<br />

• Gasförmiger Wasserstoff (GH2) bei 20 °C und 250 / 350 bar bzw. −40 °C bei 700 bar.<br />

Für größere Mengen werden zumeist LH2-Speicher eingesetzt, aufgrund der begrenzten<br />

Speicherfähigkeit von Druckspeichern. Der Druck stellt dabei für Kryotanks i.A. kein Problem<br />

dar. Großer Aufwand muss jedoch bei der Wärmedämmung des Tanks und der Leitungen<br />

betrieben werden [11].<br />

Wasserstoff in Verbrennungsmotoren bzw. Wärmekraftmaschinen:<br />

Wasserstoffmotoren bieten eine Alternative für Antriebsanwendungen zum Beispiel für<br />

PKW [36], insbesondere LKW [37] und Blockheizkraftwerke [38]. Existierende (Diesel-)<br />

Motoren sind beispielsweise auf Wasserstoff umrüstbar. Allerdings sind hier andere spezielle<br />

Probleme zu lösen, wie die hohe notwendige Verdichtungsendtemperatur im Brennraum.<br />

Zudem würden weiterhin Stickoxide ausgestoßen werden (angesaugte Luft) und<br />

Spuren von CO 2 durch Schmierölverbrauch.<br />

Diese Probleme erscheinen aber durch geeignete Fahrweisen des Motors („Magerbetrieb“)<br />

mittlerweile beherrschbar [39]. Wichtige weitere Themen wie die Hydrierung des<br />

Schmieröls sind technisch nur sehr aufwändig durch z.B. Keramikbeschichtungen beherrschbar.<br />

Allerdings wird Wasserstoff als direktes Brenngas für bestehende Erdgasturbinen<br />

(siehe Kapitel 3.5) als Fragestellung wichtig. Es ist zum aktuellen Redaktionsstand<br />

schwierig zu beurteilen, ob dies ein fügetechnologischer Schwerpunkt sein wird.<br />

Endverbrauchergeräte (Thermen):<br />

Ein weiteres Thema bilden Endverbrauchergeräte, z.B. Brennwertthermen zur Warmwassererzeugung<br />

und Heizung im privaten Heimsektor. Problematisch könnten hier viele Gasthermen<br />

älterer Bauart werden, wenn perspektivisch bis zu 100 % Wasserstoff in die Leitungsnetze<br />

gegeben werden. Jedoch können die in vielen Brennwertthermen installierten<br />

Gasbrenner schon heute mit Wasserstoffanteilen von 10 % bis 20 % betrieben werden.<br />

Mögliche Probleme resultieren aber in erster Linie aus der Brennertechnik und möglichen<br />

Dichtungsproblemen. Einige Hersteller bieten bereits Brenner an, die nur mit Wasserstoff<br />

betrieben werden können oder von Erdgas auf 100 % Wasserstoffbetrieb schrittweise umrüstbar<br />

sind. Beispiele sind hier Viessmann („Wasserstoff-Hybrid-Heizung“) oder Bosch<br />

Thermotechnik („H2-Ready-Heizkessel“).<br />

11

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