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EBM-Report 5-21

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wohl nur die japanische Höflichkeit, die ihnen gebot mir zu antworten“, sagt

der Filmemacher.

Indessen erreichen Götz Wiegands Leute in einem neuerlichen Anlauf nach

der Schlechtwetterfront wieder ihr Hochlager. Das Schicksal will, dass die

Sachsen am Berg ausgerechnet der zweiten japanischen Expedition begegnen,

die in diesem Frühjahr am Everest operiert – mit Verlusten. Die Truppe vermisst

ihren Führer. „Falls wir ihn finden würden, sollten wir ein Foto für seine

Versicherung machen und für ihn beten“, erinnert sich Götz Wiegand. Doch

dazu kommt es nicht. Das Ganze ist beim Sandsteinblogger nachzulesen, der

Götz Wiegand befragt hat. Weiter schreibt der Blogger: "23. Mai 1996, Camp

II auf 7800 Meter: [ ... ]Die Sachsen liegen im Schlafsack, gegen 21 Uhr wollen

sie aufbrechen. Nur Thomas Türpe bekommt kein Auge zu. Er schnappt sich

einen Topf, um Schnee zu schmelzen und Wasser zu kochen. [ ... ] Türpe

schlüpft aus dem Zelt, richtet sich auf – und bleibt wie angewurzelt stehen. Er

glaubt, eine Erscheinung zu haben: Draußen im Schnee kriecht ein Mann herum.

„Er kam auf mich zu getorkelt wie ein Sturzbetrunkener, fiel hin, rappelte

sich wieder hoch und war völlig orientierungslos.“ Schnell wird klar – es ist

der verschollene Japaner, der wie aus dem Nichts ins Lager stolpert. Aus dem

Mann ist kein vernünftiges Wort mehr herauszubekommen, er zeigt deutliche

Symptome der Höhenkrankheit. Die Hände sind schwarz von Erfrierungen.

Die Sachsen stehen vor der wohl schwersten Entscheidung ihres Lebens:

Nach jahrelangen Vorbereitungen, monatelangem Training und elenden Wochen

des Wartens am Berg ist das große Ziel endlich zum Greifen nahe – jede

verlorene Stunde könnte den langersehnten Traum zunichtemachen. Doch

für den Japaner geht es um Leben und Tod.

Die Gipfelmannschaft beschließt zu bleiben und sich um den Kranken zu

kümmern. Vor allem müssen sie ihm dringend Sauerstoff zuführen. Aber die

Sachsen sind die Exoten am Berg – die einzige Everest-Mannschaft ohne Sauerstoff.

Thomas Türpe sammelt draußen im Camp die von anderen Expeditionen

weggeworfenen Flaschen ein, in der Hoffnung hier und da noch einen

Rest von dem lebenswichtigen Gas zu finden. „Wir hatten auch keine Maske,

die wir ihm aufsetzen konnten, sondern haben einfach nur die Ventile aufgedreht,

um ein bisschen was von dem Sauerstoff ins Zelt zu kriegen“, erinnert

er sich. Die Nacht vergeht – jede Stunde verloren für den Gipfelsturm, gewonnen

für den Japaner. Dank der Sauerstoffbehandlung geht es dem Mann

gegen Morgen körperlich etwas besser, aber die Verwirrung hält an. Thomas

Türpe kann ihn gerade noch daran hindern, aus dem Zelt raus und ins Ver-

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