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wohl nur die japanische Höflichkeit, die ihnen gebot mir zu antworten“, sagt
der Filmemacher.
Indessen erreichen Götz Wiegands Leute in einem neuerlichen Anlauf nach
der Schlechtwetterfront wieder ihr Hochlager. Das Schicksal will, dass die
Sachsen am Berg ausgerechnet der zweiten japanischen Expedition begegnen,
die in diesem Frühjahr am Everest operiert – mit Verlusten. Die Truppe vermisst
ihren Führer. „Falls wir ihn finden würden, sollten wir ein Foto für seine
Versicherung machen und für ihn beten“, erinnert sich Götz Wiegand. Doch
dazu kommt es nicht. Das Ganze ist beim Sandsteinblogger nachzulesen, der
Götz Wiegand befragt hat. Weiter schreibt der Blogger: "23. Mai 1996, Camp
II auf 7800 Meter: [ ... ]Die Sachsen liegen im Schlafsack, gegen 21 Uhr wollen
sie aufbrechen. Nur Thomas Türpe bekommt kein Auge zu. Er schnappt sich
einen Topf, um Schnee zu schmelzen und Wasser zu kochen. [ ... ] Türpe
schlüpft aus dem Zelt, richtet sich auf – und bleibt wie angewurzelt stehen. Er
glaubt, eine Erscheinung zu haben: Draußen im Schnee kriecht ein Mann herum.
„Er kam auf mich zu getorkelt wie ein Sturzbetrunkener, fiel hin, rappelte
sich wieder hoch und war völlig orientierungslos.“ Schnell wird klar – es ist
der verschollene Japaner, der wie aus dem Nichts ins Lager stolpert. Aus dem
Mann ist kein vernünftiges Wort mehr herauszubekommen, er zeigt deutliche
Symptome der Höhenkrankheit. Die Hände sind schwarz von Erfrierungen.
Die Sachsen stehen vor der wohl schwersten Entscheidung ihres Lebens:
Nach jahrelangen Vorbereitungen, monatelangem Training und elenden Wochen
des Wartens am Berg ist das große Ziel endlich zum Greifen nahe – jede
verlorene Stunde könnte den langersehnten Traum zunichtemachen. Doch
für den Japaner geht es um Leben und Tod.
Die Gipfelmannschaft beschließt zu bleiben und sich um den Kranken zu
kümmern. Vor allem müssen sie ihm dringend Sauerstoff zuführen. Aber die
Sachsen sind die Exoten am Berg – die einzige Everest-Mannschaft ohne Sauerstoff.
Thomas Türpe sammelt draußen im Camp die von anderen Expeditionen
weggeworfenen Flaschen ein, in der Hoffnung hier und da noch einen
Rest von dem lebenswichtigen Gas zu finden. „Wir hatten auch keine Maske,
die wir ihm aufsetzen konnten, sondern haben einfach nur die Ventile aufgedreht,
um ein bisschen was von dem Sauerstoff ins Zelt zu kriegen“, erinnert
er sich. Die Nacht vergeht – jede Stunde verloren für den Gipfelsturm, gewonnen
für den Japaner. Dank der Sauerstoffbehandlung geht es dem Mann
gegen Morgen körperlich etwas besser, aber die Verwirrung hält an. Thomas
Türpe kann ihn gerade noch daran hindern, aus dem Zelt raus und ins Ver-
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