akzent Magazin Oktober '21 GB
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FREIZEIT 47<br />
AUF EIN NEUES:<br />
FILM AB!<br />
Helga Reichert sieht sich Filme bei fast jeder Gelegenheit<br />
an: morgens im Wohnzimmer, abends im Schlafzimmer<br />
und tagsüber sowieso. Etwa 150 Kurz-, Spiel-, Dokumentarund<br />
Kinderfilme hat sie in den vergangenen Wochen gesichtet.<br />
Denn sie veranstaltet im <strong>Oktober</strong> die ersten Filmtage<br />
Oberschwaben in Ravensburg. Damit geht die bisherige<br />
Intendantin der Biberacher Filmfestspiele nach Differenzen<br />
mit dem dortigen Trägerverein nun eigene Wege.<br />
VON RUTH EBERHARDT (TEXT), FOTO: KAREN SCHLÖGL<br />
Die Filmtage in Ravensburg sollen ein<br />
Neustart und zugleich die Fortsetzung<br />
einer Familientradition sein. Die studierte<br />
Juristin und freischaffende Theaterschauspielerin<br />
Helga Reichert ist<br />
nämlich mit Adrian Kutter verheiratet,<br />
der die Biberacher Filmfestspiele im<br />
Jahr 1979 gegründet und sich in der<br />
lokalen und überregionalen Filmbranche<br />
auf vielfältige Weise einen Namen<br />
gemacht hat. Von ihm übernahm Helga<br />
Reichert im Jahr 2019 die Intendanz<br />
der Biberacher Filmfestspiele, sie gab<br />
dieses Amt aber nach zwei Festivalauflagen<br />
auf. „Der Verein und ich hatten<br />
unterschiedliche Vorstellungen von der<br />
inhaltlichen Ausrichtung der Filmfestspiele“,<br />
begründet sie diesen Schritt.<br />
Ihre guten Verbindungen in die<br />
Filmszene und die jahrelangen Erfahrungen,<br />
die sie allein und an der Seite<br />
ihres Mannes gesammelt hat, sind<br />
jetzt die Grundlage für die Filmtage<br />
Oberschwaben. An gute Filme heranzukommen,<br />
scheint für Helga Reichart<br />
kein Problem gewesen zu sein: „Als<br />
die Filmemacher hörten, dass ich in<br />
Ravensburg etwas Neues mache, bekam<br />
ich sofort eine Filmauswahl zugeschickt<br />
– noch bevor ich die Filmtage<br />
ausgeschrieben hatte“, berichtet sie.<br />
Mit dem Sichten aller Produktionen<br />
war Helga Reichart wochenlang beschäftigt.<br />
Sie tat es gerne.<br />
45 Vorstellungen in drei<br />
Kinosälen<br />
„Man verliebt sich ein bisschen in<br />
die Filme“, erzählt sie. „Ich versuche<br />
dabei, allen Filmen eine faire Chance<br />
zu gehen.“ Gleichwohl muss sie<br />
eine Auswahl treffen. Rund 30 Filme<br />
aus Deutschland, Österreich und der<br />
Schweiz will sie schlussendlich dem<br />
Publikum zeigen – an vier Tagen in 45<br />
Vorstellungen in drei Sälen des Kinozentrums<br />
am Frauentor Ravensburg.<br />
Es handelt sich um Filme, die noch<br />
keinen regulären Kinostart hatten,<br />
und um TV-Produktionen, die noch<br />
nicht im Fernsehen ausgestrahlt wurden.<br />
Publikumswirksame Krimis und<br />
Komödien befinden sich ebenso darunter<br />
wie ernsthafter Stoff für Cineasten<br />
und einige Kinderfilme. Nach jeder<br />
Vorführung soll es möglichst eine<br />
Diskussion mit Filmschaffenden geben.<br />
Auch Filmpreise sollen vergeben<br />
werden. Aufgrund der Unterstützung<br />
der Stiftung Ravensburger Verlag ist<br />
der Kinderfilmpreis mit 1000 Euro dotiert.<br />
Preise in derselben Höhe strebt<br />
Helga Reichert auch für die Kategorien<br />
Dokumentar-, Fernseh- und Kurzfilm<br />
an. Für den besten Spielfilm stiftet<br />
der Regisseur und Produzent Hans<br />
W. Geißendörfer einen nach ihm benannten<br />
Preis. Der Soroptimistic Club<br />
Ravensburg-Weingarten vergibt einen<br />
eigenen Frauen- Filmpreis in gleicher<br />
Höhe und spendet in diesem Jahr die<br />
Preisskulpturen.<br />
Um die Filmtage Oberschwaben auf<br />
eine rechtlich sichere Grundlage zu stellen,<br />
hat Helga Reichert eine gemeinnützige<br />
GmbH gegründet. Unterstützt wird<br />
sie in der Organisation von filmbegeisterten<br />
Menschen, die sich beispielsweise<br />
ums Programmheft oder die Website<br />
kümmern. Zudem sei der Betreiber des<br />
Kinozentrums am Frauentor, mit dem<br />
sie und ihr Mann freundschaftlich verbunden<br />
sind, sofort bereit gewesen, sein<br />
Kino für die Filmtage Oberschwaben<br />
zur Verfügung zu stellen.<br />
Streamingdienste für den heimischen<br />
Bildschirm sind für Helga Reichart kein<br />
Ersatz für Kinos und Filmfestivals.<br />
„Der Charme liegt in der Begegnung<br />
mit anderen Menschen, im Gemeinschaftserlebnis,<br />
in Gesprächen über<br />
den Film, im Kontakt zu Filmschaffenden,<br />
im Sich-chic-Machen und Ausgehen,<br />
in der herzlichen Atmosphäre“,<br />
sagte sie und freut sich nach den vielen<br />
Filmsichtungen auf ihre ersten Filmtage<br />
Oberschwaben in Ravensburg.<br />
21.–24.10.<br />
Kinozentrum am Frauentor<br />
Gartenstraße 8<br />
D-88212 Ravensburg<br />
www.filmtage-oberschwaben.de