Der Harz_11_21
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HARZ AKTUELL<br />
Wir sitzen im Fahrstuhl nach oben<br />
Gespräch mit Landrat Bernhard Reuter<br />
Nach einer Amtszeit von 22 Jahren in<br />
den Landkreisen Osterode am <strong>Harz</strong><br />
und Göttingen, wechselt Landrat<br />
Bernhard Reuter Ende Oktober in den<br />
verdienten Ruhestand. Im Höhlenerlebniszentrum<br />
Bad Grund stand er<br />
dem <strong>Harz</strong>klub freundlicherweise zu<br />
einem Gespräch zur Verfügung.<br />
Herr Reuter, am 1.<strong>11</strong>.2016 (also vor beinahe<br />
genau fünf Jahren) erfolgte die Fusion<br />
der beiden Landkreise Göttingen und Osterode<br />
am <strong>Harz</strong>. Wie lange dauerten die<br />
Vorbereitungen und welches waren die<br />
triftigsten Gründe?<br />
Die ersten Überlegungen gab es sechs<br />
Jahre vorher, im Jahre 2010. Bemerkenswerterweise<br />
kam die Initiative aus dem<br />
Landkreis, der hinterher nicht dabei war,<br />
dem Landkreis Northeim.<br />
Ich war als Landrat von Osterode am <strong>Harz</strong><br />
von Anfang an sehr aufgeschlossen, weil<br />
ich gemerkt habe, dass der kleine strukturschwache<br />
und von massivem Bevölkerungsrückgang<br />
betroffene Landkreis<br />
dringend Unterstützung benötigte. Das<br />
strukturelle Defizit im Kreishaushalt lag<br />
jedes Jahr bei einer Million Euro, Investitionen<br />
waren beinahe vollständig ausgeschlossen<br />
und die Spirale zeigte nach<br />
unten. Zudem mangelte es an qualifiziertem<br />
Personal. Deshalb habe ich mich dann<br />
entschieden, für den Posten des Landrates<br />
von Göttingen zu kandidieren und auch<br />
dort für eine politische Mehrheit für die<br />
Fusion zu werben. <strong>Der</strong> Landkreis Northeim<br />
war in der Zwischenzeit ausgestiegen, was<br />
die praktische Umsetzung der Kreisfusion<br />
übrigens vereinfacht hat. Die enorme<br />
Schwierigkeit, zwei Kreisverwaltungen zusammenzuführen,<br />
zeigte sich erst während<br />
des Prozesses.<br />
Heute ist diese Fusion bis auf wenige Kleinigkeiten<br />
als erfolgreich anzusehen. Insbesondere<br />
der ehemalige Landkreis Osterode<br />
hat sehr stark profitiert, aber auch der<br />
Landkreis Göttingen steht nun besser da,<br />
insbesondere die Entschuldungshilfe war<br />
eine große Unterstützung.<br />
Mittlerweile erwirtschaften wir Überschüsse,<br />
die Kreisumlage für die Gemeinden des<br />
Altkreises Osterode konnte deutlich gesenkt<br />
werden. Die Region um Göttingen<br />
wird heute als „Aufsteigerregion“ bezeichnet!<br />
Wir sitzen im Fahrstuhl nach oben!<br />
Welche Folgen ergaben sich für den <strong>Harz</strong>er<br />
Raum, hat der <strong>Harz</strong> von dem neuen,<br />
größeren Landkreis Göttingen profitieren<br />
können?<br />
Eindeutig: ja! Dazu als Beispiel: Dem Landkreis<br />
Osterode war es nicht möglich, das<br />
Weltkulturerbe finanziell und personell in<br />
der notwendigen Form zu unterstützen.<br />
Das kann nun der Landkreis Göttingen mit<br />
seiner Finanzkraft tatsächlich leisten. Wir<br />
hätten sonst eine schwächere Präsentation<br />
und weniger Unterstützung im touristischen<br />
Bereich.<br />
Kommt der <strong>Harz</strong> im neuen Landkreis Göttingen<br />
eventuell zu kurz?<br />
Ganz im Gegenteil. Ich habe festgestellt,<br />
dass sich der Raum Göttingen jetzt plötzlich<br />
viel mehr mit „seinem Gebirge“ identifiziert,<br />
als es vorher der Fall war. Die Bewegungen<br />
auf der Straße und mit der Bahn zwischen<br />
Göttingen und dem <strong>Harz</strong> sind viel intensiver<br />
geworden. Wir müssen uns aber weiter<br />
bemühen, die Kooperationskultur im Blick<br />
zu behalten und nicht zurückzufallen in<br />
das Kirchturmdenken der Vergangenheit.<br />
Wenn wir Einzelinteressen zurückstellen<br />
und an das Gesamtinteresse denken, dann<br />
wird der <strong>Harz</strong> – gemeinsam mit der Region<br />
–zukünftig stärker werden.<br />
Entwicklung und Perspektiven für den<br />
<strong>Harz</strong>. Haben Sie fertig, oder was hätten<br />
Sie gern noch abgeschlossen?<br />
Mein Eindruck ist, dass wir gemeinsam sehr<br />
viel erreicht haben und das ist auch einer<br />
der Gründe, warum ich nicht wieder antrete.<br />
Wir dürfen aber nicht stillstehen, sondern<br />
müssen uns weiterentwickeln. Im Bereich<br />
Tourismus und im eigenen Selbstbewusstsein<br />
ist noch Luft nach oben. Wir haben den<br />
Zug auf das Gleis gesetzt, aber die Lok muss<br />
weiter unter Dampf bleiben.<br />
Wir sitzen hier im Höhlenerlebniszentrum<br />
Bad Grund. Was war Ihre Rolle bei der aktuellen<br />
Neugestaltung?<br />
<strong>Der</strong> Ideengeber war Prof. Roseneck. Meine<br />
Rolle lag im Wesentlichen darin, die finanzielle<br />
Unterstützung zu organisieren. Es<br />
gab zunächst keine Mittel des Landes und<br />
von der EU nicht so viel, wie erhofft. Die<br />
großen Niedersächsischen Stiftungen sind<br />
dankenswerterweise eingesprungen. Nach<br />
der Fusion konnte der Landkreis Göttingen<br />
auch selbst den Um- und Ausbau unterstützen<br />
und wir kommen jetzt auf den Stand,<br />
den wir eigentlich von Anfang an erreichen<br />
wollten. Aufbauend auf unser Engagement<br />
haben wir jetzt auch starke Unterstützung<br />
durch Land und EU. Die Prognose, dass wir<br />
mit etwa 70.000 Besuchern aus dem defizitären<br />
Bereich herauskommen, hat sich<br />
erfüllt. Das Museum ist sehr faszinierend<br />
und hat in diesem Bereich zumindest im<br />
<strong>Harz</strong> ein Alleinstellungsmerkmal. Übrigens<br />
noch ein Beweis dafür, dass der Landkreis<br />
Osterode und der gesamte <strong>Harz</strong> von der<br />
Zusammenlegung profitieren.<br />
Im Entwurf des RROP für den neuen Landkreis<br />
Göttingen ist die Umgebung von Osterode<br />
und Bad Grund so etwas wie ein<br />
Suchraum für Windenergieanlagen. Wie<br />
stehen Sie persönlich zur Standortwahl<br />
der Windräder auf <strong>Harz</strong>er Bergeshöhen?<br />
Klar ist, dass wir aus Klimaschutzgründen<br />
die Windenergie brauchen und klar ist auch,<br />
dass das nicht schmerzfrei funktionieren<br />
wird. Wir müssen uns also bemühen, diesen<br />
Eingriff in die Natur, die Landschaft und für<br />
die dort lebenden Menschen verträglich<br />
zu gestalten. Generell meine ich, auch aus<br />
touristischen Gründen, dass der <strong>Harz</strong> für<br />
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