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4 FRANKFURT<br />
Kolumne<br />
Kommen jetzt die Goldenen<br />
Zwanziger Jahre des<br />
21. Jahrhunderts? Die Jahre<br />
von 1924 bis 1929 gelten<br />
in der in der Rückschau als<br />
eine kurze aber bedeutsame<br />
Ära des wirtschaftlichen<br />
Aufschwungs und einer Blüte<br />
von Kunst, Wissenschaft<br />
und Kultur. Auch verkrustete<br />
Moralvorstellungen wurden<br />
aufgebrochen, eröffneten<br />
gesellschaftlichen Fortschritt<br />
und nie gekannte Freiheiten.<br />
Mit der neuen Ungezwungenheit<br />
florierte auch die<br />
lesbisch-schwule Subkultur.<br />
Der neu gegründete<br />
„Bund für Menschenrecht“<br />
wurde zu einer maßgeblichen<br />
Interessenvertretung<br />
für Homo- und Bisexuelle<br />
und Transgender. Gleich<br />
mehrere zielgruppengerechte<br />
Zeitschriften wie das<br />
schwule „Freundschaftsblatt“,<br />
„Frauenliebe“ oder „Das<br />
dritte Geschlecht“ erschienen<br />
in fünfstelliger Auflage. Gemessen<br />
an dem Grauen eines<br />
industrialisierten Weltkrieges,<br />
der den Goldenen Zwanzigern<br />
im 20. Jahrhundert<br />
vorausging und der Barbarei,<br />
die sie beendete, ist die<br />
Corona-Pandemie des 21.<br />
Jahrhunderts keinesfalls eine<br />
Parallele. Dennoch haben wir<br />
während dieser Zeit unbefangenes<br />
Zusammensein, Feiern,<br />
Lieben und die Erfahrung<br />
von Bühnenspiel, Musik und<br />
Event oftmals bitter entbehrt.<br />
Das Nachholen eines<br />
mageren Jahres wird vielleicht<br />
kein ganzes Jahrzehnt<br />
vergolden, aber die Vorfreude<br />
darauf ist uns<br />
zumindest schon<br />
ein Silberstreif am<br />
Horizont ...<br />
... weiterlesen auf<br />
www.männer.<br />
media/regional/<strong>gab</strong><br />
ILLUSTRATION: JANIS CIMBULIS<br />
QUEERE<br />
GESCHICHTE<br />
FRANKFURT:<br />
Ein weißer Fleck?<br />
FORSCHUNG<br />
Wo findet man Infos zur queeren Geschichte Frankfurts? Eine Suche<br />
nach Orten, Quellen und Archiven eines noch relativ neuen Felds der<br />
Geschichtsforschung.<br />
Quellen zur queeren Geschichte Frankfurts<br />
gibt es viele. Zum Beispiel den Stadtführer<br />
Christian Setzepfandt, der Stadtspaziergänge<br />
zum Thema selbst erarbeitet hat<br />
oder in seinen Buchveröffentlichungen<br />
immer wieder homosexuelle Geschichte<br />
berücksichtigt. Das Lesbenarchiv im LSKH<br />
oder LIBS haben einiges zur lesbischen<br />
Stadtgeschichte gesammelt. Auch andere<br />
LSBTIQ*-Institutionen wie die AIDS-<br />
Hilfe oder der CSD-Verein haben Material<br />
zusammengetragen – meist anlässlich der<br />
eigenen Jubiläen. Und im Bereich der Kultur<br />
macht sich die Kinothek Asta Nielsen seit<br />
vielen Jahren aktiv auf die Suche nach der<br />
Filmarbeit von Frauen; dass dabei auch lesbische<br />
oder queere Themen entsprechend<br />
benannt werden, liegt – wie in den anderen<br />
Beispielen auch – an den sammelnden Personen,<br />
die ein eigenes Interesse an queerer<br />
Geschichte zeigen. Einfach weil sie die<br />
eigene Geschichte ist.<br />
Eine echte „Zentrale“ für queere Geschichte<br />
Frankfurts gibt es indes nicht. Vor einiger<br />
Zeit hat die Stadt Frankfurt in Zusammenarbeit<br />
mit dem Fritz-Bauer-Institut<br />
einen Historiker beauftragt, die „Lebensumstände<br />
von Lesben, Schwulen, Trans*-<br />
und Intersexuellen in Frankfurt 1933 bis<br />
1994“ zu erforschen; das Projekt ist<br />
nicht unumstritten; schon weil<br />
die zu untersuchende Gruppe<br />
viel zu divers und der zu<br />
untersuchende Zeitraum<br />
viel zu groß für ein einziges<br />
Projekt sei.<br />
Mehr Hoffnung darf man da<br />
auf eine andere Entwicklung<br />
legen: Eine vom überregionalen<br />
„Fachverband Homosexualität und<br />
Geschichte“ und dem Amt für multikulturelle<br />
Angelegenheiten organisierte Tagung<br />
brachte in Frankfurt erstmals die bislang<br />
fehlende Vernetzung queerer Institutionen<br />
mit Geschichtsforschern. Spannend ist hier<br />
das Historische Museum Frankfurt, das an<br />
queerer Geschichte großes Interesse zeigt<br />
und dabei nicht nur auf die Zusammenarbeit<br />
mit den queeren Institutionen, sondern<br />
auch mit Privatpersonen setzt. „Wir sammeln<br />
ja immer“, erklärt Dorothee Linnemann<br />
im Gespräch mit dem GAB Magazin. „Und<br />
wenn man das Gefühl hat, dass zum Beispiel<br />
ein Nachlass oder ähnliches etwas Relevantes<br />
im Sinne der Stadtgeschichte enthält,<br />
kann man sich bei uns melden“. Ziel sei es,<br />
in Zusammenarbeit mit der Community, den<br />
queeren Institutionen und Geschichtsexperten<br />
eine nachhaltige Erinnerung zu schaffen.<br />
Zur Aufarbeitung der LSBTIQ*-Geschichte<br />
gehöre auch, das bestehende Archiv neu<br />
zu betrachten und zu bewerten; denn mit<br />
der bisher heteronormativ geprägten Geschichtsforschung<br />
wurden queeren Themen<br />
oftmals gar nicht benannt: „Es gibt da zum<br />
Beispiel keine Verschlagwortung“, meint<br />
Dorothee Linnemann.<br />
Als Vorbild orientiere man sich auch an einem<br />
Stadtprojekt aus Tübingen: Im dortigen<br />
Forschungsprojekt „Queer durch Tübingen“<br />
recherchiert das Tübinger Stadtarchiv selbst<br />
nach Quellen und Geschichten von queeren<br />
Menschen in der Stadtgeschichte. Gutes<br />
Vorbild! *bjö<br />
Kontakt zum Historischen Museum<br />
Frankfurt über www.historischesmuseum-frankfurt.de<br />
FOTO: KATIE RAINBOW, UNSPLASH.COM, GEMEINFREI