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gab Januar / Februar 2022

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4 FRANKFURT<br />

Kolumne<br />

Kommen jetzt die Goldenen<br />

Zwanziger Jahre des<br />

21. Jahrhunderts? Die Jahre<br />

von 1924 bis 1929 gelten<br />

in der in der Rückschau als<br />

eine kurze aber bedeutsame<br />

Ära des wirtschaftlichen<br />

Aufschwungs und einer Blüte<br />

von Kunst, Wissenschaft<br />

und Kultur. Auch verkrustete<br />

Moralvorstellungen wurden<br />

aufgebrochen, eröffneten<br />

gesellschaftlichen Fortschritt<br />

und nie gekannte Freiheiten.<br />

Mit der neuen Ungezwungenheit<br />

florierte auch die<br />

lesbisch-schwule Subkultur.<br />

Der neu gegründete<br />

„Bund für Menschenrecht“<br />

wurde zu einer maßgeblichen<br />

Interessenvertretung<br />

für Homo- und Bisexuelle<br />

und Transgender. Gleich<br />

mehrere zielgruppengerechte<br />

Zeitschriften wie das<br />

schwule „Freundschaftsblatt“,<br />

„Frauenliebe“ oder „Das<br />

dritte Geschlecht“ erschienen<br />

in fünfstelliger Auflage. Gemessen<br />

an dem Grauen eines<br />

industrialisierten Weltkrieges,<br />

der den Goldenen Zwanzigern<br />

im 20. Jahrhundert<br />

vorausging und der Barbarei,<br />

die sie beendete, ist die<br />

Corona-Pandemie des 21.<br />

Jahrhunderts keinesfalls eine<br />

Parallele. Dennoch haben wir<br />

während dieser Zeit unbefangenes<br />

Zusammensein, Feiern,<br />

Lieben und die Erfahrung<br />

von Bühnenspiel, Musik und<br />

Event oftmals bitter entbehrt.<br />

Das Nachholen eines<br />

mageren Jahres wird vielleicht<br />

kein ganzes Jahrzehnt<br />

vergolden, aber die Vorfreude<br />

darauf ist uns<br />

zumindest schon<br />

ein Silberstreif am<br />

Horizont ...<br />

... weiterlesen auf<br />

www.männer.<br />

media/regional/<strong>gab</strong><br />

ILLUSTRATION: JANIS CIMBULIS<br />

QUEERE<br />

GESCHICHTE<br />

FRANKFURT:<br />

Ein weißer Fleck?<br />

FORSCHUNG<br />

Wo findet man Infos zur queeren Geschichte Frankfurts? Eine Suche<br />

nach Orten, Quellen und Archiven eines noch relativ neuen Felds der<br />

Geschichtsforschung.<br />

Quellen zur queeren Geschichte Frankfurts<br />

gibt es viele. Zum Beispiel den Stadtführer<br />

Christian Setzepfandt, der Stadtspaziergänge<br />

zum Thema selbst erarbeitet hat<br />

oder in seinen Buchveröffentlichungen<br />

immer wieder homosexuelle Geschichte<br />

berücksichtigt. Das Lesbenarchiv im LSKH<br />

oder LIBS haben einiges zur lesbischen<br />

Stadtgeschichte gesammelt. Auch andere<br />

LSBTIQ*-Institutionen wie die AIDS-<br />

Hilfe oder der CSD-Verein haben Material<br />

zusammengetragen – meist anlässlich der<br />

eigenen Jubiläen. Und im Bereich der Kultur<br />

macht sich die Kinothek Asta Nielsen seit<br />

vielen Jahren aktiv auf die Suche nach der<br />

Filmarbeit von Frauen; dass dabei auch lesbische<br />

oder queere Themen entsprechend<br />

benannt werden, liegt – wie in den anderen<br />

Beispielen auch – an den sammelnden Personen,<br />

die ein eigenes Interesse an queerer<br />

Geschichte zeigen. Einfach weil sie die<br />

eigene Geschichte ist.<br />

Eine echte „Zentrale“ für queere Geschichte<br />

Frankfurts gibt es indes nicht. Vor einiger<br />

Zeit hat die Stadt Frankfurt in Zusammenarbeit<br />

mit dem Fritz-Bauer-Institut<br />

einen Historiker beauftragt, die „Lebensumstände<br />

von Lesben, Schwulen, Trans*-<br />

und Intersexuellen in Frankfurt 1933 bis<br />

1994“ zu erforschen; das Projekt ist<br />

nicht unumstritten; schon weil<br />

die zu untersuchende Gruppe<br />

viel zu divers und der zu<br />

untersuchende Zeitraum<br />

viel zu groß für ein einziges<br />

Projekt sei.<br />

Mehr Hoffnung darf man da<br />

auf eine andere Entwicklung<br />

legen: Eine vom überregionalen<br />

„Fachverband Homosexualität und<br />

Geschichte“ und dem Amt für multikulturelle<br />

Angelegenheiten organisierte Tagung<br />

brachte in Frankfurt erstmals die bislang<br />

fehlende Vernetzung queerer Institutionen<br />

mit Geschichtsforschern. Spannend ist hier<br />

das Historische Museum Frankfurt, das an<br />

queerer Geschichte großes Interesse zeigt<br />

und dabei nicht nur auf die Zusammenarbeit<br />

mit den queeren Institutionen, sondern<br />

auch mit Privatpersonen setzt. „Wir sammeln<br />

ja immer“, erklärt Dorothee Linnemann<br />

im Gespräch mit dem GAB Magazin. „Und<br />

wenn man das Gefühl hat, dass zum Beispiel<br />

ein Nachlass oder ähnliches etwas Relevantes<br />

im Sinne der Stadtgeschichte enthält,<br />

kann man sich bei uns melden“. Ziel sei es,<br />

in Zusammenarbeit mit der Community, den<br />

queeren Institutionen und Geschichtsexperten<br />

eine nachhaltige Erinnerung zu schaffen.<br />

Zur Aufarbeitung der LSBTIQ*-Geschichte<br />

gehöre auch, das bestehende Archiv neu<br />

zu betrachten und zu bewerten; denn mit<br />

der bisher heteronormativ geprägten Geschichtsforschung<br />

wurden queeren Themen<br />

oftmals gar nicht benannt: „Es gibt da zum<br />

Beispiel keine Verschlagwortung“, meint<br />

Dorothee Linnemann.<br />

Als Vorbild orientiere man sich auch an einem<br />

Stadtprojekt aus Tübingen: Im dortigen<br />

Forschungsprojekt „Queer durch Tübingen“<br />

recherchiert das Tübinger Stadtarchiv selbst<br />

nach Quellen und Geschichten von queeren<br />

Menschen in der Stadtgeschichte. Gutes<br />

Vorbild! *bjö<br />

Kontakt zum Historischen Museum<br />

Frankfurt über www.historischesmuseum-frankfurt.de<br />

FOTO: KATIE RAINBOW, UNSPLASH.COM, GEMEINFREI

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