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Tonio Hölscher, Der Taucher von Paestum.<br />

Jugend, Eros und das Meer im antiken<br />

Griechenland, Klett-Cotta Verlag, Stuttgart<br />

<strong>2021</strong>. 160 S., ISBN: 978-3-608-96480-6<br />

(Gebunden), 25,- €<br />

Im Sommer des Jahres 1968 entdeckten italienische<br />

Archäologen ein mysteriöses Grab,<br />

das sie in der Nekropole ausserhalb des Siedlungsgebiets<br />

von Paestum gefunden hatten.<br />

Das Besondere daran ist ein Freskenzyklus<br />

von fünf bemalten Grabplatten und speziell ein<br />

Motiv. Die Deckplatte zeigt einen jungen Mann ,<br />

der kopfüber höchst elegant ins Wasser springt;<br />

das Deckenbild gab dem ganzen Grab den Namen,<br />

Grab des Tauchers (Tomba del Tuffatore);<br />

die vier übrigen Platten, die den Sarg bilden, sind<br />

auf der Innenseite mit Szenen eines Trinkgelages<br />

bemalt.<br />

LGBB <strong>04</strong> / <strong>2021</strong> · JAHRGANG LXV<br />

Das Symposion spielt sich auf sechs Gelagebetten<br />

(Klinen) ab, auf denen zumeist Paare von erwachsenen<br />

und jugendlichen Männern lagern. Die<br />

Altersstufen sind fein differenziert: erwachsene<br />

Männer mit vollem Bart und Schnurrbart, jüngere<br />

mit Schläfen- und Kinnbart, Epheben ohne Bart,<br />

in immer wieder anderen Konstellationen. Zwei<br />

der jüngeren Teilnehmer des Symposions sind<br />

Musiker, einer von ihnen spielt eine Doppelflöte,<br />

der andere hält eine Lyra in der Hand. Ein weiterer<br />

junger Mann spielt Kottabos – ein oft bei Trinkgelagen<br />

gespieltes Geschicklichkeitsspiel. Auf der<br />

westlichen Kurzseite kommt (erkennbar am Grußgestus<br />

des vorderen jungen Manns) ein weiterer<br />

Gast, er wird von einem Mann in einem Himation<br />

und einem Mädchen mit Flöte begleitet. Die<br />

Ostseite zeigt einen Diener neben einem Krater,<br />

einem Mischgefäß für Wein. Tonio Hölscher (1959<br />

Abitur am Gymnasium Steglitz, von 1975-2009<br />

Professor für Archäologie in Heidelberg - https://<br />

www.uni-heidelberg.de/fakultaeten/philosophie/<br />

zaw/klarch/mitarbeiter/hoelscher_cv.html) gibt<br />

eine höchst sorgfältige Beschreibung des Freskenzyklus<br />

und bekennt augenzwinkernd: „Wenn<br />

man schon in einem Grab liegen muss, ist ein<br />

schöneres Ambiente kaum denkbar (S. 18). Zur<br />

Bedeutung dieses exzeptionellen Kunstwerks<br />

muss man wissen, dass die große griechische<br />

Malerei dieser Zeit, die in der Antike noch höher<br />

geschätzt wurde als die in der Neuzeit gefeierte<br />

Skulptur der Griechen, nahezu völlig verloren ist<br />

(abgesehen von Funden aus den fremden Kulturen<br />

jenseits der griechischen Welt) (23).<br />

Die Grabkammer, ein kistenartiger Innenraum –<br />

er ist 1,93 x 0,96 m groß bei einer Höhe von 0,70<br />

m - enthielt die Reste eines jungen Mannes. Als<br />

Grabbeigaben fanden sich lediglich eine Lekythos,<br />

zwei Aryballoi und ein Schildkrötenpanzer.<br />

Anhand der Lekythos wird das Grab in die Jahre<br />

von 480 bis 470 v. Chr. datiert.<br />

In der Fachwelt zählen die fünf bemalten Grabplatten<br />

von hohem künstlerischen Rang, deren<br />

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