lgbb_04_2021_web
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Inzwischen ist LateinPlus eher ein sprachsensibles<br />
Unterrichtsprinzip, der Blick auf Sprachstrukturen<br />
verschiedener Sprachen selbstverständlich. Da<br />
der Lateinunterricht angesichts der Zielsprache<br />
Deutsch permanent grammatische Strukturen,<br />
die Frage einer kontextadäquaten Übersetzung,<br />
die Reflexion darüber, welche Übersetzung als synonym<br />
zu verstehen ist und welche eher anderes<br />
meint, in den Blick nimmt, ist Lateinunterricht gerade<br />
mit der LateinPlus-Fokussierung besonders<br />
sprachsensibel. Das aktuelle Lehrwerk ROMA unterstützt<br />
das Unterfangen der Sprachreflexion mit<br />
der Rubrik „Deutsch ist anders“.<br />
Ist LateinPlus ein Erfolg? Er scheint mir ein grundsätzlich<br />
richtiger und wichtiger Ansatz zu sein,<br />
den Herausforderungen heterogener Klassen und<br />
wachsender sprachlicher Disparitäten zu begegnen.<br />
Der Lateinunterricht kann seine Stärken hier<br />
sehr deutlich nutzen und seinen Wert hervorheben.<br />
Die intensive interessierte Nachfrage z.B. an Tagen<br />
der offenen Tür belegt, dass auch in gutbürgerlichen<br />
Milieus der Wunsch nach stärkerer und gezielterer<br />
Sprachbildung besteht. Denn der Alltag<br />
zeigt uns deutlich, dass erstaunlich viele Schüler*<br />
innen mit der Erstsprache Deutsch zunehmend<br />
Probleme mit dem sicheren Gebrauch der deutschen<br />
Sprache haben. Nicht die Identifizierung<br />
von Formen und Strukturen der lateinischen Sprache<br />
stellt für diese Schüler*innen die größte Herausforderung<br />
dar – diese besteht in der adäquaten<br />
Wiedergabe im Deutschen und beginnt selbst<br />
bei leistungsstarken Schüler*innen bei den Fragen<br />
nach dem treffenden Artikel, der treffenden<br />
Zeit oder auch der Wiedergabe von Passivformen<br />
und Zeitverhältnissen. Der Lateinunterricht als<br />
Ort der gezieltesten Sprachreflexion gewinnt so<br />
an Bedeutung.<br />
Dies bestätigt die (indirekte) Rückmeldung der<br />
Schüler*innen. So werde ich häufig gefragt, warum<br />
wir so oft Deutsch- anstelle von Lateinunterricht<br />
machen. Auch wenn die Schüler*innen dies<br />
eher mit kritisierendem Unterton fragen, zeigt es<br />
mir doch, dass wir auf dem richtigen Weg sind.<br />
Bei Umfragen in den Klassen gibt die deutliche<br />
Mehrheit an, dass Latein das Fach sei, in dem die<br />
deutschen Sprachfähigkeiten am meisten gefördert<br />
würden. Und auch Kolleg*innen nicht nur<br />
sprachlicher Fächer merken an, dass sie von der<br />
gezielten Spracharbeit profitieren.<br />
Es ließe sich einwenden, dass LateinPlus nichts<br />
grundsätzlich Neues sei. Das ist richtig, aber die<br />
neue Fokussierung und Schwerpunktsetzung haben<br />
deutlich zu einer größeren Akzeptanz des<br />
Lateinunterrichts beigetragen. Und ja, die intensive<br />
Beschäftigung mit deutscher und anderer<br />
fremdsprachiger Grammatik kostet Zeit, kommt<br />
aber letztlich einem besseren Verständnis der<br />
Schüler*innen zugute. Alternativ selbst in der<br />
Lektürephase noch grundlegende Grammatikfragen<br />
zu klären, wäre für alle Seiten nicht besser.<br />
Gleichwohl bleibt noch viel zu tun: die Erarbeitung<br />
sprachbildender Materialien, die auf das<br />
neue Lehrwerk abgestimmt sind, engere Absprachen<br />
der Latein- und Deutschkolleg*innen, die<br />
Erweiterung des Wissens der Kolleg*innen um<br />
die Strukturen anderer Sprachen, um noch besser<br />
sprachvergleichend arbeiten und noch mehr<br />
Sensibilität für Fehler, die aus Übertragungen der<br />
Struktur der jeweiligen Erstsprache stammen,<br />
entwickeln zu können, die sprachbildende Gestaltung<br />
des Vokabelverzeichnisses und etliche<br />
sprachbildende didaktische Maßnahmen bleiben<br />
Desiderate, die angesichts der vielfältigen schulischen<br />
Anforderungen und Organisationshemmnisse<br />
nicht immer im gewünschten Umfang angegangen<br />
werden (können). Vieles ist „discere<br />
agendo“, aber wir freuen uns über die schrittweise<br />
sprachbildende Veränderung des Lateinunterrichts<br />
im Sinne von LateinPlus.<br />
Um der Sprachbildung aber zu wirklichem Erfolg<br />
zu verhelfen, ist es nötig, dass, aufbauend auf der<br />
230 JAHRGANG LXV · LGBB <strong>04</strong> / <strong>2021</strong>