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2022_01_impuls

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Die Geier-Wally in trachtiger Umsetzung<br />

Die Ötztaler Tracht erobert die Herzen auf der Bühne des Theaters an der Wien<br />

Wilhelmine von Hillerns Erfolgsroman<br />

„Die Geier-Wally“<br />

ist bis heute ein Statuswerk geblieben,<br />

das seinesgleichen<br />

sucht. Alfredo Catalanis Oper<br />

„La Wally“ basiert darauf und<br />

wurde am Theater an der Wien<br />

aufgeführt. Auf der Suche nach<br />

angemessener Kostümierung<br />

wurde die Produktionsleitung<br />

im Ötztal beim Längenfelder<br />

Trachtenschneider Hermann<br />

Lunger fündig.<br />

Sie ist unbeugsam und steht jenseits<br />

aller Geschlechterklischees.<br />

Und soll gegen ihren Willen verheiratet<br />

werden. Mit einem zahmen<br />

Geier als einzigen Freund an<br />

ihrer Seite lehnt sie sich gegen die<br />

Gesellschaft auf. In Anlehnung an<br />

den Geier-Wally-Stoff stand eine<br />

außergewöhnliche Heldin auf der<br />

Bühne des Theaters an der Wien.<br />

Bewusst sollten bei der Kostümierung<br />

die originalen Trachten in<br />

Szene gesetzt werden. Kleidermacher<br />

Hermann Lunger aus Längenfeld<br />

stattete die Darsteller aus<br />

bzw. stand als Berater und Vermittler<br />

zur Verfügung. Das Ergebnis<br />

intensiver Zusammenarbeit:<br />

Stimmigkeit bis ins kleinste Detail<br />

vom Scheitel bis zur Sohle. „Passen<br />

muss alles“, meint der Herrenschneider<br />

im mehrdeutigen Sinne.<br />

Schneidermeister Hermann Lunger fertigt in seinem Atelier maßgeschneiderte<br />

originale Trachten an. Auf sein Know-how zählte das Theater an der Wien bei der<br />

Kostümierung der Darsteller.<br />

Foto: Praxmarer<br />

Leute machen Kleider<br />

Kleider machen bekanntermaßen<br />

Leute, aber inwiefern ist Kleidung<br />

umgekehrt noch das Ergebnis von<br />

lokalem Handwerk? Längst ist die<br />

Tracht zu einem Gegenstand von<br />

einer enormen symbolischen Aufladung<br />

geworden. Ein Symbol für<br />

alte Handwerkskunst, den nachhaltigen<br />

Wert der Schneiderei und<br />

langlebige Qualität – klare Akzente<br />

in der Wegwerfgesellschaft.<br />

Hermann Lunger widmet sich seit<br />

Jahrzehnten der Schneiderei. Er<br />

hat Erfahrungen damit, dass<br />

Tracht nicht gleich Tracht ist: „Im<br />

Ötztal sind zum Beispiel viele Leute,<br />

die in Gastronomie- und Hotellerie-Betrieben<br />

arbeiten, trachtig<br />

gekleidet. Bei dieser Arbeit<br />

stellt sich dann schnell heraus, ob<br />

Ein Wiedererkennungswert sondergleichen: Die Ötztaler Trachten auf der Opernbühne des Theaters an der Wien stechen<br />

bei der Inszenierung von „La Wally“ sofort ins Auge.<br />

Foto: Prammer<br />

beständige, gute Materialien verarbeitet<br />

worden sind, oder nicht.“<br />

„Interessanterweise gibt es nirgendwo<br />

genaue historische Beschreibungen<br />

der Ötztaler Herrentracht.<br />

Ich habe noch nicht herausfinden<br />

können, warum die<br />

Herrentracht auf ihre Weise bestickt<br />

ist. Ich kenne kaum eine<br />

Tracht, die so bestickt ist. Möglicherweise<br />

waren die Stickereien<br />

hier früher besonders herausragend<br />

und man wollte sie in Szene<br />

setzen. Aber eigentlich ist das Ötztal<br />

keine Gegend, die für die Stickkunst<br />

berühmt gewesen wäre. Es<br />

gibt nur Beschreibungen der Damentracht.<br />

Die Zillertaler sind im<br />

Vergleich dazu sehr genau mit den<br />

Beschreibungen!“, ist die Ötztaler<br />

Herrentracht eine interessante Besonderheit<br />

für den Trachtenmacher,<br />

der sich bereits in dritter Generation<br />

dem Schneiderhandwerk<br />

verschrieben hat.<br />

Tradition macht Qualität<br />

Wer kennt einen Schuster? Und<br />

wo kann man das Schneiderhandwerk<br />

erlernen? Die Serviceleistungen<br />

einer Gemeinde können wahre<br />

Schätze sein, kämpfen aber mit<br />

dem Trend der Zeit. Das wirkt sich<br />

auch auf die qualitative und nachhaltige<br />

Herstellung von Kleidung<br />

aus, wie Hermann Lunger feststellt:<br />

„Die Originaltrachten erleben<br />

derzeit schon einen leichten<br />

Aufschwung, aber die alte Handwerkskunst<br />

steht grundsätzlich vor<br />

großen Herausforderungen. Wenn<br />

es günstiger ist, sich etwas Neues<br />

zu kaufen, als eine Kleinigkeit reparieren<br />

zu lassen, zieht das Probleme<br />

für traditionell wertvolle<br />

Berufe mit sich.“<br />

Auftritt im Trachtengewand<br />

„Manche Kleidungsstücke habe<br />

ich vermittelt, aber regional ist alles<br />

an den Kostümen für das Theater<br />

an der Wien. Die Tracht ist ein<br />

österreichisches Produkt!“, erzählt<br />

Hermann. „Es ist schon etwas Besonderes,<br />

dass die originale Ötztaler<br />

Tracht auf einer international<br />

bekannten Opernbühne demonstriert<br />

wird! Meine Intention ist es,<br />

andere Sachen zu machen, als man<br />

es in der Konfektion bekommt. Ich<br />

halte mich am qualitativen Klassischen.“<br />

Halstücher aus einem alten<br />

originalen Stoff anstelle von<br />

Kunstseide. Naturfarbene Strümpfe<br />

anstelle von weißen Billiganfertigungen.<br />

Und Stickereien nach alten<br />

historischen Vorbildern. Auf<br />

der Opernbühne stellt die trachtige<br />

Kostümierung nicht nur eine authentische<br />

Atmosphäre her. Sondern<br />

setzt Appelle zu Traditionsbewusstsein,<br />

nachhaltigem Denken<br />

und zur Bewahrung alter Handwerkskunst<br />

an erste Stelle. (prax)<br />

25. Jänner <strong>2022</strong> 27

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