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Die Geier-Wally in trachtiger Umsetzung<br />
Die Ötztaler Tracht erobert die Herzen auf der Bühne des Theaters an der Wien<br />
Wilhelmine von Hillerns Erfolgsroman<br />
„Die Geier-Wally“<br />
ist bis heute ein Statuswerk geblieben,<br />
das seinesgleichen<br />
sucht. Alfredo Catalanis Oper<br />
„La Wally“ basiert darauf und<br />
wurde am Theater an der Wien<br />
aufgeführt. Auf der Suche nach<br />
angemessener Kostümierung<br />
wurde die Produktionsleitung<br />
im Ötztal beim Längenfelder<br />
Trachtenschneider Hermann<br />
Lunger fündig.<br />
Sie ist unbeugsam und steht jenseits<br />
aller Geschlechterklischees.<br />
Und soll gegen ihren Willen verheiratet<br />
werden. Mit einem zahmen<br />
Geier als einzigen Freund an<br />
ihrer Seite lehnt sie sich gegen die<br />
Gesellschaft auf. In Anlehnung an<br />
den Geier-Wally-Stoff stand eine<br />
außergewöhnliche Heldin auf der<br />
Bühne des Theaters an der Wien.<br />
Bewusst sollten bei der Kostümierung<br />
die originalen Trachten in<br />
Szene gesetzt werden. Kleidermacher<br />
Hermann Lunger aus Längenfeld<br />
stattete die Darsteller aus<br />
bzw. stand als Berater und Vermittler<br />
zur Verfügung. Das Ergebnis<br />
intensiver Zusammenarbeit:<br />
Stimmigkeit bis ins kleinste Detail<br />
vom Scheitel bis zur Sohle. „Passen<br />
muss alles“, meint der Herrenschneider<br />
im mehrdeutigen Sinne.<br />
Schneidermeister Hermann Lunger fertigt in seinem Atelier maßgeschneiderte<br />
originale Trachten an. Auf sein Know-how zählte das Theater an der Wien bei der<br />
Kostümierung der Darsteller.<br />
Foto: Praxmarer<br />
Leute machen Kleider<br />
Kleider machen bekanntermaßen<br />
Leute, aber inwiefern ist Kleidung<br />
umgekehrt noch das Ergebnis von<br />
lokalem Handwerk? Längst ist die<br />
Tracht zu einem Gegenstand von<br />
einer enormen symbolischen Aufladung<br />
geworden. Ein Symbol für<br />
alte Handwerkskunst, den nachhaltigen<br />
Wert der Schneiderei und<br />
langlebige Qualität – klare Akzente<br />
in der Wegwerfgesellschaft.<br />
Hermann Lunger widmet sich seit<br />
Jahrzehnten der Schneiderei. Er<br />
hat Erfahrungen damit, dass<br />
Tracht nicht gleich Tracht ist: „Im<br />
Ötztal sind zum Beispiel viele Leute,<br />
die in Gastronomie- und Hotellerie-Betrieben<br />
arbeiten, trachtig<br />
gekleidet. Bei dieser Arbeit<br />
stellt sich dann schnell heraus, ob<br />
Ein Wiedererkennungswert sondergleichen: Die Ötztaler Trachten auf der Opernbühne des Theaters an der Wien stechen<br />
bei der Inszenierung von „La Wally“ sofort ins Auge.<br />
Foto: Prammer<br />
beständige, gute Materialien verarbeitet<br />
worden sind, oder nicht.“<br />
„Interessanterweise gibt es nirgendwo<br />
genaue historische Beschreibungen<br />
der Ötztaler Herrentracht.<br />
Ich habe noch nicht herausfinden<br />
können, warum die<br />
Herrentracht auf ihre Weise bestickt<br />
ist. Ich kenne kaum eine<br />
Tracht, die so bestickt ist. Möglicherweise<br />
waren die Stickereien<br />
hier früher besonders herausragend<br />
und man wollte sie in Szene<br />
setzen. Aber eigentlich ist das Ötztal<br />
keine Gegend, die für die Stickkunst<br />
berühmt gewesen wäre. Es<br />
gibt nur Beschreibungen der Damentracht.<br />
Die Zillertaler sind im<br />
Vergleich dazu sehr genau mit den<br />
Beschreibungen!“, ist die Ötztaler<br />
Herrentracht eine interessante Besonderheit<br />
für den Trachtenmacher,<br />
der sich bereits in dritter Generation<br />
dem Schneiderhandwerk<br />
verschrieben hat.<br />
Tradition macht Qualität<br />
Wer kennt einen Schuster? Und<br />
wo kann man das Schneiderhandwerk<br />
erlernen? Die Serviceleistungen<br />
einer Gemeinde können wahre<br />
Schätze sein, kämpfen aber mit<br />
dem Trend der Zeit. Das wirkt sich<br />
auch auf die qualitative und nachhaltige<br />
Herstellung von Kleidung<br />
aus, wie Hermann Lunger feststellt:<br />
„Die Originaltrachten erleben<br />
derzeit schon einen leichten<br />
Aufschwung, aber die alte Handwerkskunst<br />
steht grundsätzlich vor<br />
großen Herausforderungen. Wenn<br />
es günstiger ist, sich etwas Neues<br />
zu kaufen, als eine Kleinigkeit reparieren<br />
zu lassen, zieht das Probleme<br />
für traditionell wertvolle<br />
Berufe mit sich.“<br />
Auftritt im Trachtengewand<br />
„Manche Kleidungsstücke habe<br />
ich vermittelt, aber regional ist alles<br />
an den Kostümen für das Theater<br />
an der Wien. Die Tracht ist ein<br />
österreichisches Produkt!“, erzählt<br />
Hermann. „Es ist schon etwas Besonderes,<br />
dass die originale Ötztaler<br />
Tracht auf einer international<br />
bekannten Opernbühne demonstriert<br />
wird! Meine Intention ist es,<br />
andere Sachen zu machen, als man<br />
es in der Konfektion bekommt. Ich<br />
halte mich am qualitativen Klassischen.“<br />
Halstücher aus einem alten<br />
originalen Stoff anstelle von<br />
Kunstseide. Naturfarbene Strümpfe<br />
anstelle von weißen Billiganfertigungen.<br />
Und Stickereien nach alten<br />
historischen Vorbildern. Auf<br />
der Opernbühne stellt die trachtige<br />
Kostümierung nicht nur eine authentische<br />
Atmosphäre her. Sondern<br />
setzt Appelle zu Traditionsbewusstsein,<br />
nachhaltigem Denken<br />
und zur Bewahrung alter Handwerkskunst<br />
an erste Stelle. (prax)<br />
25. Jänner <strong>2022</strong> 27