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WIRBELSÄULENCHIRURGIE<br />
Pathogenese der idiopathischen Thorakalskoliose<br />
Das Entstehen einer Thorakalskoliose ist ohne die Betrachtung<br />
des seitlichen Bildes (sagitales Profil) und<br />
der daraus resultierenden axialen Rotation nicht möglich.<br />
(Abb. 1a bis 1c)<br />
Abb. 1a b c<br />
Bilder zur Pathogenese der thorakalen Skoliose<br />
In Abb. 1a ist gut zu erkennen, dass bei der normalen<br />
Wirbelsäule die Schwerpunktlinie vor der Brustwirbelsäule<br />
liegt. Im danebenstehenden Röntgenbild ist<br />
mühelos zu erkennen, dass die Schwerpunktlinie hinter<br />
der Wirbelsäule liegt. Dies ist besonders wichtig.<br />
Unter dem lordosierenden Einfluss kommt es bei weiterem<br />
Wirbelsäulenwachstum zwangsläufig zu einer<br />
Auskrümmung der Wirbelsäule im thorakalen Bereich,<br />
zur Seite und nach vorne. Sekundär kommt es dann zu<br />
Formveränderungen im Bereich der Wirbelkörper, die<br />
dann wiederum das Ausbilden einer thorakalen Lordose<br />
verstärken.<br />
Zusammenfassend spielen 2 Punkte bei der Entstehung<br />
der thorakalen Skoliose eine besondere Rolle:<br />
1. Ca. 90 % der rein thorakalen Skoliosen sind mit einer<br />
Abflachung (Entkyphosierung) der BWS vergesellschaftet.<br />
2. Das Vorhandensein der Lordose führt aus biomechanischen<br />
Überlegungen zwangsläufig zu einem<br />
Ausweichen der BWS in der koronaren Ebene zur<br />
Konkavität und nach vorne, was wiederum dann die<br />
Lordose verstärkt.<br />
Therapie:<br />
In diesem Zusammenhang eine kurze Stellungnahme<br />
zur Korsettbehandlung: Der Korsettversorgung liegt<br />
eine eindimensionale Betrachtung der Skoliose zugrunde,<br />
was völlig falsch ist. Daher ist sie absolut obsolet<br />
und nicht indiziert.<br />
Operative Maßnahmen:<br />
Eine thorakale IAS tritt in der Regel im Alter von 12-14<br />
Jahren erkennbar auf, obwohl Screening-Untersuchungen<br />
gezeigt haben, dass bei genauer Untersuchung<br />
der Kinder schon früher leichte Skoliosen bestehen.<br />
Dabei ist es problematisch, bei einer leichten Skoliose<br />
- auch wenn man diese radiologisch erkennt und<br />
dokumentiert - vorauszusagen, ob diese Skoliose eine<br />
Zunahme erfahren wird oder nicht. Denn es gibt durchaus<br />
leichte Skoliosen bis etwa zu 20°, die entweder<br />
auf diesem Niveau stehenbleiben oder sich sogar verbessern<br />
können. Etwa 30-40 % der Fälle verschlechtern<br />
sich allerdings. Es ist deswegen notwendig, auch<br />
leichte Skoliosen klinisch und ggf. auch radiologisch<br />
regelmäßig zu überwachen. Wenn im Rahmen dieser<br />
Beobachtungen erkennbar ist, dass die Skoliose eine<br />
deutliche Progredienz aufweist, gilt allgemein, dass<br />
eine Skoliose, die 40 % überschreitet, einer operativen<br />
Therapie zugeführt werden sollte. Dieser Wert allein<br />
ist jedoch relativ bedeutungslos. Eine Skoliose, die<br />
z. B. mit einer starken Lordose und gleichzeitig einer<br />
starken Rotation der BWS einhergeht, stellt auch eine<br />
klare Indikation für eine operative Behandlung dar.<br />
Auch wenn der Skoliose-Winkel kleiner als 40° ist. In<br />
diesem Beitrag werden nur die Möglichkeiten der ventralen<br />
Skoliose dargestellt, die allerdings manchmal in<br />
Kombination mit einem hinteren Zugang kombiniert<br />
werden.<br />
Welche Operationsmöglichkeiten kennen wir?<br />
1. Ventrale Korrektur einer thorakalen IAS. Dies bedeutet,<br />
die Skoliose wird von vorne seitlich operiert.<br />
Dabei werden die gesamten Bandscheiben, einschließlich<br />
des hinteren Längsbandes entfernt. Die<br />
Korrektur wird dann über eine Instrumentation ebenfalls<br />
mit einem Schrauben-Stab-System, das von der<br />
Seite eingebracht wird, durchgeführt.<br />
2. Das sog. Anterior-Vertebral-Body-Tethering (VBT).<br />
Dies bedeutet, dass versucht wird, über einen ventralen<br />
Zugang eine Wachstumslenkung der Skoliose<br />
zu erreichen, ohne dass die Beweglichkeit der Wirbelsäule<br />
im instrumentierten Wirbelsäulenabschnitt<br />
verloren geht. Im Klartext heißt dies: Es wird versucht,<br />
eine Korrektur, ohne eine definitive Fusion wie<br />
bei den o. g. Methoden zu erreichen.<br />
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