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VPTMAGAZIN_02_2022

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REPORT<br />

Warum mehr Autonomie in<br />

der Therapiewahl sich auch<br />

wirtschaftlich auszahlt<br />

Zusammenarbeit auf Augenhöhe zwischen Physiotherapeut*innen und Ärzt*innen: Wie<br />

das gelingt, zeigt ein Beispiel aus der Schweiz, das Mut macht: Am Kantonsspital Winterthur sind<br />

die Physiotherapeut*innen nicht den Ärzt*innen unterstellt, sondern sie handeln fachlich und<br />

wirtschaftlich eigenverantwortlich. David Gisi, Leiter des Instituts für Therapien und Reha bilitation,<br />

verrät, wie es dazu kam und welche Vorteile diese Aufgabenteilung bietet.<br />

Foto: J. Hofmann,<br />

Kantonsspital<br />

Winterthur<br />

David Gisi ist Physiotherapeut und Master in<br />

Managed Health Care. Er leitet das Institut für<br />

Institut für Therapien und Rehabilitation am<br />

Kantonsspital Winterthur.<br />

Die Physiotherapeut*innen am Institut für Therapien und Rehabilitation<br />

des Kantonsspitals Winterthur behandeln stationär<br />

und ambulant. Ein Beispiel für die neue Aufgabenteilung:<br />

Bei einer Patientin mit unspezifischen Rückenschmerzen übernimmt<br />

ein Physiotherapeut anstelle des Rheumatologen/Orthopäden<br />

den Erstkontakt. Anfangs war das – bedingt durch die sinkende<br />

Ärzt*innenzahl – aus der Not geboren. Doch nach einigen<br />

Jahren zeigen sich viele Vorteile, so David Gisi: „Wir haben mehr<br />

Zeit für Patient*innen und begleiten sie über den gesamten Therapieprozess.<br />

Wir erreichen eine genauso gute Versorgungsqualität.<br />

Physiotherapeut*innen schätzen bei Rücken erkrankungen<br />

sehr kompetent die klinische Problematik ein. Durchschnittlich<br />

wissen etwa Hausärzt*innen weniger über den Bewegungsapparat<br />

als wir.“ Das Plus an Verantwortung wirkt sich positiv auf die<br />

Mitarbeitermotivation aus: „Diese Aufgaben und neuen Rollen<br />

machen unseren Beruf attraktiver.“ Die neue Aufgabenteilung<br />

entlastet die Klinik aber nicht nur fachlich, sondern auch ökonomisch,<br />

da die Vergütung der Physiotherapeut*innen derzeit geringer<br />

als jene der Ärzt*innen ist.<br />

Anfang eines Strukturwandels<br />

Natürlich war es nicht einfach, tradierte Strukturen und gewohnte<br />

Hierarchiemuster aufzubrechen und eine neue Kultur im klinischen<br />

Alltag zu etablieren, blickt Gisi zurück. Klinikmanagement,<br />

Ärzteschaft und Therapeut*innenteam mussten sich der Diskussion<br />

stellen. Letztlich gelang es, weil die Idee, die Rollen neu zu<br />

verteilen, Unterstützung von der ganzen Klinik fand. Manchmal<br />

ist auch Fingerspitzengefühl gefragt: „Wir hatten den Konflikt,<br />

dass wir den Assistenzärzt*innen interessante Aufgaben wegnehmen.<br />

Das muss noch weiter evaluiert und eventuell neu justiert<br />

werden, damit wir keine Akzeptanzprobleme bekommen.“<br />

Wirtschaftliches Potenzial entdecken und nutzen<br />

Um auszuloten, wie die neue Rollenverteilung der Klinik beim<br />

Sparen hilft, wird das wirtschaftliche Potenzial verschiedener<br />

Therapien analysiert und die Maßnahmen werden ständig angepasst.<br />

Gisi: „Wir haben Bereiche stark reduziert, die nicht<br />

rentabel sind, etwa aufwendige einzeltherapeutische Maßnahmen.<br />

Rentabel sind ambulante Reha-Angebote, die wir interprofessionell<br />

erbringen. Hier arbeiten wir als Physio therapeut*innen<br />

mit Fachärzt*innen, Ergotherapeut*innen und Ernäh<br />

rungswissenschaftler*innen Hand in Hand. Eine physiotherapeutisch<br />

geleitete Rehabilitation ist heute Kernelement<br />

der 12-wöchigen ambulanten Reha nach Myokardinfarkt:<br />

Physiotherapie ist heute eine zentrale Therapie. Patient*innen<br />

Patient*innen verbringen rund 70 Prozent der Zeit mit Physiotherapeut*innen<br />

und die restliche Reha gestaltet sich quasi<br />

um die Physiotherapie herum.“<br />

Neue wirtschaftlich erfolgreiche Handlungsfelder<br />

Neben der Behandlung bzw. Reha bei muskuloskelletalen Befunden<br />

sind die sogenannten Non-communicable Diseases (NCD)<br />

ein wichtiges Betätigungsfeld am Institut für Therapien und Rehabilitation<br />

des Kantonsspitals Winterthur. NCD sind nicht ansteckende<br />

Krankheiten wie COPD, Herz-Kreislauf-Erkrankungen,<br />

Krebserkrankungen und Diabetes. David Gisi erklärt: „Bei<br />

diesen Patient*innen gibt es eine hohe Evidenz für die ambulante<br />

Reha. Wir konnten uns schnell einen Platz in diesem unterversorgten<br />

Bereich sichern und mit Kostenträgern sogar Tarife aushandeln.<br />

80 bis 100 Prozent der Patient*innen kommen damit<br />

nun zu uns. Dank unserer NCD-Strategie konnten wir uns wirtschaftlich<br />

gut stabilisieren.“<br />

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