PROMAGAZIN Februar 2022
Unsere Themen der Februar-Ausgabe: Die besten Produkte und Dienstleistungen, Verpackungstrends, Spezial: Gesundheit & Pflege, Initiative Zukunft
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SPEZIAL | Gesundheit<br />
Gesundheit | SPEZIAL<br />
Hochgeklappte Stühle in einem<br />
Café: Die Pandemie hat Selbstständige<br />
besonders belastet.<br />
Virus drückt auf die Psyche<br />
Die Corona-Pandemie und ihre Folgen führt manche Menschen<br />
direkt in die Depression. Immer mehr Menschen leiden. Dadurch<br />
steigt die Arbeitsbelastung in den Psychiatrien.<br />
Das neue Klinikgebäude der<br />
Psychiatrie des Krankenhauses<br />
Tauberbischofsheim (KHTBB)<br />
strahlt hell. Es kommt viel Sonnenlicht<br />
durch die runde Fensterfassade. Die<br />
Wände in den langen Gängen sind in<br />
freundlichen Farben gestrichen. Alle<br />
wirken zufrieden, das Klinikpersonal<br />
mit der Arbeit, die Patienten mit der<br />
Behandlung. Doch die Corona-Pandemie<br />
hat die Arbeit des Klinikpersonals<br />
erschwert.<br />
Die psychiatrische Abteilung im<br />
KHTBB ist kein Einzelfall. „Die Arbeit<br />
aller im Pflegebereich hat sich verändert.<br />
Die Hygiene spielt eine deutlich<br />
größere Rolle“, schildert Prof. Dr. Gerhard<br />
Längle die Situation. Er ist Leiter<br />
des Zentralbereichs Pflege und Medizin<br />
des Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg<br />
(ZfP). „Die Kliniken haben<br />
mittlerweile alle entsprechende<br />
Konzepte“, merkt Längle positiv an.<br />
Auch in Tauberbischofsheim wird nun<br />
noch penibler desinfiziert, auf Abstände<br />
geachtet und alle tragen FFP2-Masken.<br />
„Die Regeln bei der Patientenbehandlung<br />
einzuhalten, ist bei akut<br />
psychisch kranken Menschen sehr<br />
schwierig. Man ist dabei mehr mit der<br />
Organisation befasst als mit der wirklichen<br />
Behandlung“, bedauert Längle.<br />
Dabei hätten die Beschäftigten in<br />
der Klinik auch so schon genug zu tun.<br />
Weltweit ist die Zahl depressiver Menschen<br />
seit Pandemiebeginn gestiegen.<br />
Einer im Oktober veröffentlichten Studie<br />
der medizinischen Fachzeitschrift<br />
„The Lancet“ zufolge sind im Jahr 2020,<br />
dem ersten Corona-Jahr, 52 Millionen<br />
Menschen mehr an einer schweren<br />
Depression erkrankt, als das ohne Pandemie<br />
der Fall gewesen wäre.<br />
„Corona belastet alle Menschen“,<br />
erklärt Dr. Mathias Jähnel, Ärztlicher<br />
Direktor der psychiatrischen Klinik in<br />
Tauberbischofsheim. „Gerade bei<br />
Menschen, die an einer wiederkehrenden<br />
psychischen Erkrankung leiden,<br />
merkt man die Dauerbelastung“, sagt<br />
auch Längle. Als Regionaldirektor des<br />
ZfP hat er einen Überblick über die<br />
psychiatrische Arbeit in ganz Baden-Württemberg.<br />
Die Menschen, von<br />
denen er spricht, bräuchten intensivere<br />
Betreuung vor Ort.<br />
Das Problem für die psychiatrischen<br />
Einrichtungen sind dabei die<br />
Maßnahmen zur Eindämmung der<br />
Pandemie. Um eine Ansteckung möglichst<br />
zu vermeiden, mussten vielerorts<br />
die Kapazitäten der Betten verringert<br />
werden. „Es gab reihenweise<br />
Psychiatrien, die nur noch dringende<br />
Fälle aufnehmen konnten“, beschreibt<br />
Längle die Situation. In Tauberbischofsheim<br />
war die Situation vor der<br />
Pandemie folgende: Etwa ein Drittel<br />
der Patienten kam von außerhalb des<br />
Main-Tauber-Kreises. Seit Corona<br />
konnten diese Patienten nicht mehr<br />
alle aufgenommen werden.<br />
Die pandemiebedingten Depressionen<br />
haben vor allem Menschen mit<br />
Existenzängsten oder Selbstständige,<br />
die unter den Corona-Einschränkungen<br />
leiden. Diese sind häufig aus Be-<br />
Fotos: Adobe Stock/weyo, Krankenhaus Tauberbischofsheim<br />
reichen, die in den Lockdowns als nicht systemrelevant<br />
eingestuft wurden – eine für viele bedrückende Bewertung<br />
der eigenen Person.<br />
Im KHTBB befindet sich auch eine Tagesklinik. Dort<br />
bietet die Psychiatrie für Menschen aus diesen Bereichen<br />
Gesprächstherapien in Gruppen an. Die Gruppengröße<br />
musste während Corona allerdings aus Sicherheitsgründen<br />
drastisch reduziert werden. Die Nachfrage auf diese Plätze<br />
ist hingegen gestiegen.<br />
Längle berichtet von kurzfristigen Schließungen einzelner<br />
Stationen in Baden-Württemberg, weil Infektionen<br />
aufgetreten waren. „Wenn drei bis vier Personen auf einer<br />
Station infiziert sind, kam es zu einem zweiwöchigen Aufnahmestopp<br />
neuer Patienten“, erklärt er. Laut seinen<br />
Kenntnissen belief sich der Rückgang auf etwa fünf bis<br />
zehn Prozent.<br />
Auch im KHTBB konnten nicht alle Therapien wie geplant<br />
stattfinden. Gerade bei den Gruppentherapien mussten<br />
aufgrund von Infektionen auch mal Termine ganz ausfallen.<br />
Die Einzeltherapien dagegen wurden intensiviert.<br />
Oft reiche schon das therapeutische Gespräch. Danach<br />
gehe es den Menschen meist besser. Schwieriger sei es bei<br />
Patienten mit langwierigen Folgen einer Corona-Erkrankung.<br />
Der Ärztliche Direktor der Psychiatrie des KHTBB<br />
vergleicht dies mit einem schweren Autounfall, wonach<br />
Betroffene eine Reha benötigen. „Diese Patienten werden<br />
uns noch lange begleiten“, sagt Jähnel.<br />
Noch ist die Lage nicht befriedigend. Bis auf weiteres<br />
können die Psychiatrien nicht alle Patienten aufnehmen.<br />
Deshalb müssen die langfristigen Patienten priorisiert werden<br />
– so auch im KHTBB. Erst bei rückläufigen Inzidenzen<br />
können wieder mehr Patienten aufgenommen werden.<br />
Dann können mit den neuen Lockerungen der Bundesregierung<br />
auch die Therapiegruppen wieder größer werden. <br />
<br />
Yannis Gaukel<br />
Eine Gruppentherapie im KHTBB, wie sie noch vor Pandemiebeginn<br />
ausgesehen hat – ohne Maske.<br />
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