2022_04_24_Janowski-Wagner

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Musik und Struktur Das Orchester malt zu Beginn eine Urzeitstimmung vor der Erschaffung der Welt. Die Sopranstimme, die später einen Tonraum von zwei Oktaven ausfüllen muss, erhebt sich mit einer achttaktigen Melodie, die Sibelius im Mai 1909 in der Bar »Riché« in Berlin im Beisein von Eliel Aspelin-Haapkylä erfunden und ihm dann überreicht haben soll. Man hört die Elemente Wind und Wasser und die instrumentale Leere rund um die einsame Urmutter, auch ihre Verzweiflung in markanter Seufzermotivik. In Flötengestalt nähert sich die Ente, dramatisch rauscht die Musik auf während ihrer vergeblichen und von den Winden gestörten Suche nach einer Bleibe. Der dreimalige Angstschrei der Ente, am Schluss ein dreigestrichenes »ces« im Pianissimo, verlangt der Sängerin alles ab, denn sie hat abwechselnd die Rollen der Erzählerin, von Luonnotar und von der Ente inne. Wie in Trance erkennt Luonnotar ihre Aufgabe, hilft dem Vogel über mystischen Harfenakkorden, doch das Scheitern scheint bereits mit einkomponiert. »Visionarico« mündet Sibelius zum Ende in einen rätselhaften Dreiklang in Fis-Dur, den sich die Violinen teilen. Text und Wirkung Die Textauswahl nahm Sibelius selber aus den Zeilen 111-<strong>24</strong>2 des ersten »Kalevala«- Gedichtes vor. Doch zahlreiche Zeilenumstellungen und der ohnehin nicht vorhandene Charakter einer realen Handlung erschwerten das Textverständnis selbst beim finnischen Publikum. Jean Sibelius‘ Frau Aino berichtete von einer Aufführung: »Es war absolut phantastisch. Total gigantisch, was den Umgang mit dem 8
Thema betrifft. Ich glaube, gewöhnliche Leute verstanden überhaupt nichts. Es war wie ein fremder Adler, der Ursprung aller Existenz aus dem Urweltall.« Ende Oktober 1913 schickte Sibelius die überarbeitete Partitur von »Luonnotar« an Breitkopf & Härtel: »Heute beehre ich mich mein neuestes Werk: Luonnotar (Kalevala). für Sopran und Orchester. Op. 70, Ihnen zum Verlag anbieten.« Die Partitur erschien aber erst 1981 gedruckt! Noch 1978 befand Robert Layton: »‘Luonnotar‘ ist eines jener Werke, die häufiger gerühmt als aufgeführt werden.« JEAN SIBELIUS * 8. Dezember 1865 in Hämeenlinna † 20. September 1957 in Järvenpää bei Helsinki »Luonnotar« Tondichtung für Singstimme und Orchester op. 70 TEXT aus dem finnischen Nationalepos »Kalevala« von Elias Lönnrot, Textauswahl vom Komponisten ENTSTEHUNG Vollendet 1913 URAUFFÜHUNG 10. September 1913 auf dem Gloucester Music Festival in England, Solistin: Aino Ackté, Dirigent: Herbert Brewer, Festival Orchestra ERSTMALS IN EINEM KONZERT DER DRESDNER PHILHARMONIE BESETZUNG Solo-Sopran, 2 Flöten, 2 Oboen, 3 Klarinetten, Bassklarinette, 2 Fagotte, 4 Hörner, 2 Trompeten, 3 Posaunen, Pauken, 2 Harfen, Streicher DAUER ca. 10 Minuten 9
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