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2022_04_24_Janowski-Wagner

Jean Sibelius Sinfonie Nr. 7 C-Dur (1924) Jean Sibelius „Luonnotar“ Tondichtung für Sopran und Orchester op. 70 (1913) Richard Wagner „Siegfried-Idyll“ (1870) Alban Berg Drei Bruchstücke aus „Wozzeck“ (1923) Marek Janowski | Dirigent Camilla Nylund | Sopran Dresdner Philharmonie

Jean Sibelius
Sinfonie Nr. 7 C-Dur (1924)
Jean Sibelius
„Luonnotar“ Tondichtung für Sopran und Orchester op. 70 (1913)
Richard Wagner
„Siegfried-Idyll“ (1870)
Alban Berg
Drei Bruchstücke aus „Wozzeck“ (1923)

Marek Janowski | Dirigent
Camilla Nylund | Sopran
Dresdner Philharmonie

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trierung, die an sich banalen, hier aber<br />

überschießenden Quarten und Quinten,<br />

die aufdringliche Lautstärke. Irgendwie<br />

scheint er immer zu schnell zu kommen.<br />

Doch das Imponiergehabe des Blenders<br />

funktioniert: »Soldaten, Soldaten sind<br />

schöne Burschen«, trällert Marie. Das<br />

Frappierende daran ist, dass Bergs Musik<br />

keinen Zweifel daran lässt, welchen Soldaten<br />

Marie mit ihrer Schwärmerei meint.<br />

Sie besitzt doch nichts als die Liebe zu<br />

ihrem »Hurenkind« mit dem »unehrlichen<br />

Gesicht«. Warum sollte sie nicht<br />

von einem schmucken Soldaten träumen<br />

dürfen? Der andere, ihr Freund Wozzeck,<br />

sagt nichts dazu, die Musik tut es für ihn.<br />

Sünde und Strafe<br />

Im zweiten Bruchstück treffen wir auf<br />

Marie nach dem Treuebruch. Sie liest aus<br />

der Bibel Passagen über Ehebruch und<br />

Verzeihen. Mit tonloser Stimme spricht<br />

sie die Verse. Berg führt hier das Stilmittel<br />

des Melodramas ein, exakt rhythmisch<br />

vorgegebener Sprechgesang mit ungefähren<br />

Tonhöhen. Schneidend scharf<br />

brechen Maries persönliche Reflexionen<br />

immer wieder aus ihr heraus und mitten<br />

in das Gelesene hinein. Die Ebene der<br />

bitteren Realität verdeutlicht Berg mit expressivem<br />

Gesang. Zwei Seelen tönen hier<br />

aus einer Brust, die Identifikation mit der<br />

heiligen Maria Magdalena und die Wahrnehmung<br />

der eigenen heillosen Situation.<br />

Berg wählt eine symbolgetränkte Form:<br />

Einem siebentaktigen Thema (vier Takte<br />

für den Bibeltext, drei für Maries Exaltation)<br />

folgen sieben Variationen und eine<br />

Fuge. Beide Themen der abschließenden<br />

Doppelfuge sind siebentönig. Insgesamt<br />

ist die Szene 70 Takte lang. Wozzeck war<br />

in der Apokalypse an die sieben Todsünden<br />

gelangt, Marie las von den sieben<br />

Dämonen, die Jesus der Maria Magdalena<br />

austrieb. Wird er auch ihr vergeben? Marie<br />

fragt ihn im verzweifelten Duktus des<br />

Gekreuzigten, »Mein Gott, warum hast<br />

du mich verlassen?« aus Bachs Matthäuspassion.<br />

Der Schluss des Satzes bohrt sich<br />

tief in die Seele. Ein tröstlicher tonaler<br />

Ruhepunkt scheint endlich erreicht. Harfe<br />

und Celesta perlen gen Himmel. Doch<br />

der tiefe Orgelpunkt der Trompeten, Celli<br />

und Kontrabässe drückt bedrohlich nach,<br />

leise und böse.<br />

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