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Zukunft Forschung 02/2019

Das Forschungsmagazin der Universität Innsbruck

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Ausgabe 2/2019, 11. Jg.

zukunft forschung 02 | 19

zukunft

forschung

GEMEINSAM

ZUKUNFT

DENKEN

thema: zukunft denken I pharmazie: heilende pilze I italien: kino der migration

gesundheitswesen: die vermessung der heilkunst I geotechnik: gefahr gebannt

geographie: digitalisierung der landschaft I politik: mediale stimmungsschwankungen

DAS MAGAZIN FÜR WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG DER UNIVERSITÄT INNS BRUCK


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2 zukunft forschung 02/19

Foto: Andreas Friedle


EDITORIAL

LIEBE LESERIN, LIEBER LESER,

Das vergangene Jahr war vom 350-Jahr-Jubiläum unserer

Universität geprägt. Unser Dank gilt allen, die die vielen

Veranstaltungen, Diskussionen, Führungen und Ausstellungen

einerseits vorbereitet und andererseits besucht und so

das Jubiläumsjahr zu einem großen Erfolg gemacht haben. Wir

haben in den vergangenen Monaten neue Dinge ausprobiert

und werden die eine oder andere Veranstaltungsform wohl

auch beibehalten, denn der Wunsch, mit Ihnen in Kontakt zu

kommen und zu bleiben, endet nicht mit dem Jubiläumsjahr.

Vielmehr verstehen wir das als Beginn eines Dialogs zur positiven

Weiterentwicklung unseres Standortes.

Dieser Dialog stand auch im Zentrum der großen Abschlussveranstaltung

unseres Jubiläumsjahres, dem „Diskussionsforum:

Zukunft denken“, bei dem wir gemeinsam mit der Tiroler

Bevölkerung an drei Tagen Ende November über die Entwicklung

der Gesellschaft und der Region diskutiert und neue Ideen

und Ansätze für die Zukunft entwickelt haben. Einen kleinen

Einblick in diese inhaltlichen Auseinandersetzungen geben wir

Ihnen im Schwerpunkt dieser Ausgabe unseres Forschungsmagazins.

Ausgewählte Beiträge, zusammengefasste Ergebnisse

und Bilder von der Veranstaltung sollen Ihnen einen Eindruck

von diesem allseits als überaus gelungen bezeichneten, neuen

Format geben.

Minion

Darüber hinaus finden Sie in dieser

DE

Ausgabe wieder zahlreiche

Beiträge zu aktuellen Forschungsprojekten aus der Grundlagenforschung

und der angewandten Forschung, in denen unsere

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler tagtäglich am Fundament

für unsere gemeinsame Zukunft arbeiten.

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stammt aus

nachhaltig

bewirtschafteten

Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre und freuen Wäldern und uns

über Ihre Fragen und Anregungen!

kontrollierten

Quellen

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TILMANN MÄRK, REKTOR

ULRIKE TANZER, VIZEREKTORIN FÜR FORSCHUNG

Myriad

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IMPRESSUM

Herausgeber & Medieninhaber: Leopold-Franzens-Universität Inns bruck, Christoph-Probst-Platz, Innrain 52, 6020 Inns bruck, www.uibk.ac.at

Projektleitung: Büro für Öffentlichkeitsarbeit und Kulturservice – Mag. Uwe Steger (us), Dr. Christian Flatz (cf); public-relations@uibk.ac.at

Verleger: KULTIG Werbeagentur KG – Corporate Publishing, Maria-Theresien-Straße 21, 6020 Inns bruck, www.kultig.at

Redaktion: Mag. Melanie Bartos (mb), Mag. Eva Fessler (ef), Mag. Andreas Hauser (ah), Mag. Stefan Hohenwarter (sh),

Lisa Marchl, MSc (lm), Daniela Pümpel, MA (dp), Mag. Susanne Röck (sr)

Layout & Bildbearbeitung: Florian Koch Fotos: Andreas Friedle, Universität Inns bruck Druck: Gutenberg, 4021 Linz

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Foto: Uni Inns bruck

zukunft forschung 02/19 3


BILD DER

WISSENSCHAFT


INHALT

TITELTHEMA

8

GESELLSCHAFT. Die Angst vor der Zukunft prägt aktuell westliche

Gesellschaften. Daher wurde an der Universität Innsbruck die Frage

diskutiert, wie eine wünschenswerte Zukunft aussehen könnte. 8

DIGITALISIERUNG. Die digitale Transformation beeinflusst die

Arbeitswelt und birgt Chancen, mit der Klimakrise umzugehen. 14

ENERGIE. Sonne, Wasser, Holz und Umweltwärme sind in

Tirol vorhandene Ressourcen, die das Land der Vision von

Energieautonomie im Jahr 2050 näherbringen. 16

NACHHALTIGKEIT. Das Klimabewusstsein in Tirol ist grundsätzlich

groß, die Bereitschaft zu nachhaltigem Handeln ausbaufähig.18

INTERVIEW. „Wir leben“, sagt Isolde Charim, „in einer Gesellschaft

neuen Typs, die nicht mehr alle umfasst.“ Einen Ausweg sieht sie in

einem Umgang mit Unterschieden.22

TITELTHEMA. Das „Diskussionsforum: Zukunft denken“

bildete den Abschluss der Feierlichkeiten rund

um das 350-Jahr-Jubiläum der Universität Innsbruck.

ZUKUNFT FORSCHUNG blickt auf die drei spannenden

Tage zurück.

30

FORSCHUNG

GEOGRAPHIE. Die Laserscanner des Instituts für Geographie liefern

hochgenaue Daten über Wälder, Berghänge, Gletscher

und Permafrostgebiete, seit Neuestem auch aus der Luft. 26

GEOTECHNIK. Menschen und Siedlungsraum vor Naturgefahren

zu schützen, ist eine der Aufgaben von Robert Hofmann. 30

ROMANISTIK. Mit dem engagierten cinema di migrazione antworten

italienische Filmemacher auf Fremdenfeindlichkeit. 32

GEOTECHNIK. Robert Hofmann arbeitet an Schutzmaßnahmen

vor Naturgefahren, so sollen etwa Wildbachsperren

das Eingraben des Baches in den Boden,

aber auch das Rutschen von Hängen verhindern..

36

PHARMAZIE. Bianka Siewert forscht zur ökologischen Bedeutung

der Farbstoffe in Pilzen und untersucht ihre lichtaktivierbaren Stoffe

für neue Möglichkeiten in der Krebstherapie. 36

GESUNDHEITSWISSENSCHAFT. Inns brucker Forscher untersuchen

die Entwicklung und Anwendung der Qualitätsmessung für

stationäre Krankenhausaufenthalte in Österreich. 38

POLITIKWISSENSCHAFT. Kohei Watanabe interessiert sich für

veröffentlichte Meinung und die darin ausgedrückte Stimmung. 42

PHARMAZIE. Bianca Siewert forscht an neuen Möglichkeiten

in der Lichttherapie, nutzt dazu Kreativität

und Vielfalt der Natur und verbindet sie mit bestehendem

Wissen zu lichtaktivierbaren Stoffen.

RUBRIKEN

EDITORIAL/IMPRESSUM 3 | BILD DER WISSENSCHAFT: QUASIKRISTALLINES LICHTMUSTER 4 | NEUBERUFUNG: EVELINE CHRISTOF 6 | FUNDGRUBE VERGANGEN HEIT: SAMMLUNG AM

INSTITUT FÜR KUNSTGESCHICHTE 7 | MELDUNGEN 29 + 41 | WISSENSTRANSFER 34 + 35 | UNIHOLDING 44 | PREISE & AUSZEICHNUNGEN 45 – 47 | ZWISCHENSTOPP: CHRISTIANE OPITZ

48 | SPRUNGBRETT INNS BRUCK: ELISABETH KUGLER 49 | ESSAY: ZUKUNFT – ZWISCHEN CHANCE UND BEDROHUNG von Claudia Paganini 50

In den von Nobelpreisträger Dan Shechtman entdeckten Quasikristallen

sind Atome oder Moleküle in einer geordneten, aber aperiodischen

Struktur angeordnet. Ultrakalte Atome in optischen Resonatoren sind

ein vielseitiges und sehr präzise kontrollierbares System zur Simulation

von solchen komplexen Festkörperphänomenen. In einem von Farokh

Mivehvar vom Institut für Theoretische Physik untersuchten vierfach

gekreuzten, optischen Resonator bildet das Licht spontan ein emergentes

quasikristallines, optisches Potenzial, wie im Bild dargestellt. Die

eingeschlossenen Atome ordnen sich dann aufgrund dieses entstehenden

Potenzials selbst in einem quasikristallinen Muster an.

Fotos: Uni Inns bruck (1), Robert Hofmann (1), Andreas Friedle (1); COVERFOTO: AdobeStock/greenbutterfly; BILD DER WISSENSCHAFT: Farokh Mivehvar

zukunft forschung 02/19 5


NEUBERUFUNG

GUTE SCHULE MACHEN

Sie lehrt und erforscht das Lehren: Als Professorin für Allgemeine Didaktik arbeitet

Eveline Christof an einer wichtigen Schaltstelle im Bildungssystem.

Schule kann nur dann moderner

und besser werden, wenn sich angehende

Lehrerinnen und Lehrer

auch mit ihren eigenen Schulerfahrungen

auseinandersetzen, sagt Eveline Christof.

Sie ist seit Mai 2019 Universitätsprofessorin

für Allgemeine Didaktik und leitet

seit knapp drei Jahren das Institut für

Leh rerInnenbildung und Schulforschung.

„Der Lehrberuf ist jener, in dem die Personen,

die den Beruf erlernen wollen, die

längs te Zeit auch selbst Teilnehmer in diesem

Berufsfeld waren“, erklärt Christof:

„Die Studierenden haben viele Bilder im

Kopf, die ihr zukünftiges Verhalten im

Unterricht oft stärker beeinflussen als

das, was sie über Didaktik bei uns gelernt

haben.“ Neben der fachlichen Ausbildung

und den didaktischen Kompetenzen sind

die persönlichen Erfahrungen und deren

Reflexion mit ausschlaggebend dafür, ob

aus Studierenden gute Lehrerinnen und

Lehrer werden. Die Reflexion der eigenen

Prägung muss daher einen festen Platz in

der PädagogInnenbildung haben, findet

Eveline Christof. In ihrer Forschung beschäftigt

sie sich immer wieder mit der

Rollenwerdung von Lehrpersonen, besonders

intensiv im Zuge ihrer 2017 abgeschlossenen

Habilitation: Darin hat sie die

Überzeugungen von angehenden Lehrern

in Hinblick auf Faktoren wie Leistungsbeurteilung,

Macht oder auch Lehren und

Lernen ermittelt und Formate entwickelt,

mit denen man diese im Rahmen der Ausbildung

aufarbeiten und reflektieren kann.

Jahrhundert-Chance

Die PädagogInnenbildung ist aber nicht

nur zentraler Forschungsgegenstand von

Eveline Christof, sondern schon seit vielen

Jahren in jeglicher Hinsicht Teil ihrer

täglichen Arbeit an der Universität Innsbruck,

an die sie bereits 2011 als Universitätsassistentin

gekommen ist. An der Fakultät

für LehrerInnenbildung hat sie die

Reform der LehrerInnenbildung im Verbund

West maßgeblich mitgestaltet und

die bildungswissenschaftlichen Anteile

der Curricula für die Lehramtsstudien

in Kooperation mit der Pädagogischen

Hochschule Tirol, der Katholischen Pädagogischen

Hochschule Edith Stein und der

Pädagogischen Hochschule Vorarlberg

„von der Pike auf“ entwickelt. „Das war

in den vergangenen Jahren eine meiner

Hauptaufgaben. Ich sehe die ganze Entwicklung

als Jahrhundertchance“, zieht

Eveline Christof Bilanz und verdeutlicht

die Bedeutung der LehrerInnenbildung:

„Wenn wir keine guten Lehrer haben, haben

wir auch keine guten Schüler und im

Weiteren keine guten Studierenden.“

Die laufende Verbesserung der Lehramtsausbildung

auf allen Stufen sieht sie

als große persönliche und gesellschaftliche

Herausforderung der nächsten Jahre.

Im vergangenen Sommersemester haben

an der Uni Inns bruck die ersten Studierenden

das neue Bachelor-Studium

Lehramt abgeschlossen, das nun im Rahmen

einer Absolventenbefragung evaluiert

wird. Neben der Ausbildung will

Christof gemeinsam mit ihren Kolleginnen

und Kollegen auch die Erforschung

der LehrerInnenbildung weiterentwickeln,

fokussieren und international

sichtbar machen. Ein Aspekt, der ihrer

EVELINE CHRISTOF, geboren 1966 in

Wien, studierte Pädagogik an der Universität

Wien. Am Institut für Bildungswissenschaft

war sie im Rahmen einer

wissenschaftlichen Stelle in Lehre und

Forschung tätig und promovierte 2008

an der Universität Wien. Von 2008 bis

2011 leitete sie den Bereich Weiterbildung

an der Universität für Bodenkultur

in Wien. 2011 kam Eveline Christof als

Universitätsassistentin an die Universität

Inns bruck, an der sie sich im Rahmen

einer Qualifizierungsstelle 2017 habilitierte

und die Leitung des Instituts für

LehrerInnenbildung und Schulforschung

übernahm. Im Mai 2019 wurde sie zur

Universitätsprofessorin für Allgemeine

Didaktik (Sekundarstufe Allgemeinbildung)

berufen.

Ansicht nach aufgrund der Neuausrichtung

der Lehramtsstudien ein wenig zu

kurz gekommen ist. Über den erfolgreichen

Beginn eines Forschungsprojekts

in Kooperation mit der Humboldt-Universität

zu Berlin im Frühjahr 2020 kann

sich Eveline Christof jedenfalls schon jetzt

freuen. Darin geht es um Ethos im Lehrberuf

und dessen Erlernbarkeit. ef

6 zukunft forschung 02/19

Foto: Eva Fessler


FUNDGRUBE VERGANGENHEIT

SAMMLUNGSSTÜCKE: Nachlass Hans Semper, Goldenes Dachl; Hilde Nöbl, Selbstporträt, 1954; Lois Weinberger, o. T., um 1983

KUNST FÜR DIE LEHRE

Kunst aus Tirol im 20. und frühen 21. Jahrhundert bildet den

Schwerpunkt der Sammlung am Institut für Kunstgeschichte.

Betritt man das Büro von Martina

Baleva, Leiterin der Sammlung

am Institut für Kunstgeschichte,

nimmt man einen Teil dieser Sammlung

in die Hand. Seit dem Jahr 2000 schmücken

kunstvolle Türschnallen die ansonsten

kühlen Bürotüren am Institut, die

Installation von Jeannot Schwartz ist

Teil der Artothek des Bundes. Alljährlich

erwirbt Österreich im Rahmen der

Kunstförderungsankäufe Kunstwerke,

seit 1986 verbleiben die Tiroler Ankäufe

als Dauerleihgaben am Institut für Kunstgeschichte.

„Als einziges Bundesland in

Österreich “, weiß Sammlungsbetreuerin

Claudia Mark. Der Verdienst geht auf den

Kunsthistoriker Christoph Bertsch zurück,

der lange Zeit Mitglied der Ankaufjury

war. Neuland war eine Sammlung

nicht für das Kunstgeschichte-Institut,

Otto Lutterotti hatte nach 1945 mit einer

solchen begonnen. „Künstlerinnen und

Künstler stellten Selbstporträts zur Verfügung“,

erzählt Mark. Lutterotti setzte diese

in der Lehre ein, um die Studierenden

mit Material, Techniken etc. vertraut zu

machen. 73 solcher Werke zählte man in

den 1970er-Jahren, das große Wachstum

der Sammlung begann dann ab 1986.

Kuratorische Praxis

„Das Prinzip, die Sammlung als Teil der

Lehre einzusetzen, blieb bestehen. Dazu

kam die kuratorische Praxis mit einem eigenen

Ausstellungsraum, der von 1981 bis

2008 bespielt wurde“, erklärt Mark. Teile

der Sammlung wurden immer wieder in

Ausstellungen präsentiert, aktuell etwa in

„Schönheit vor Weisheit“ anlässlich des

350-Jahr-Jubiläums der Universität Innsbruck.

Seit einigen Jahren läuft auch das

Projekt KIDS – Kunst in die Schule. „Wir

gehen mit Wanderausstellungen an Schulen,

um Kinder mit zeitgenössischer Kunst

DIE SAMMLUNG des Instituts für Kunstgeschichte

geht auf Otto Lutterotti zurück,

der von 1945 bis 1979 als Kunstgeschichte-Professor

in Inns bruck lehrte. Die

anfängliche kleine Sammlung von Selbstporträts

wächst seit 1986 kontinuierlich

durch die Kunstförderungsankäufe des

Bundes in Tirol, die als Dauerleihgaben die

Sammlung – derzeit rund 1.000 Werke –

erweitern. Teil der Sammlung sind auch

Nachlässe, unter anderem jener von Hans

Semper, ab 1885 erster Professor am Institut

für Kunstgeschichte in Inns bruck.

in Kontakt zu bringen“, erläutert Mark das

Konzept. Um Teile der Sammlung öfters

der Öffentlichkeit präsentieren zu können,

setzen Mark und Baleva auf einen angedachten

neuen Ausstellungsraum, Sammlungsleiterin

Balevea denkt dabei überhaupt

an ein Schaudepot, um die Werke

für Studienzwecke zugänglich zu machen.

Baleva wurde im Frühjahr 2019 als Professorin

für Kunstwissenschaft nach Innsbruck

berufen, seither stöbert sie immer

wieder in den Kellerdepots und stieß dabei

„per Zufall auf Fotografien aus den

70er-Jahren des 19. Jahrhunderts – ein Forschungsschwerpunkt

von mir“. Bei genauer

Durchsicht zeigte sich, dass es sich

dabei um den Nachlass von Hans Semper,

den ersten Inns brucker Kunstgeschichte-

Ordinarius, handelt. Semper nutzte Ende

des 19. Jahrhunderts das neue Medium

Fotografie und sammelte solche von

Kunstwerken, um sie in der Lehre einzusetzen.

Derzeit werden sie digitalisiert,

um sie wissenschaftlich aufzuarbeiten.

Baleva geht von knapp 10.000 Stück aus,

in dieser „Fundgrube Vergangenheit“ befinden

sich auch Raritäten, etwa von den

Brüdern Alinari, den Gründungsvätern

der italienischen Fotografie. ah

Fotos: Fotohandlung Groß (1), Institut für Kunstgeschichte/Jörg Moser (1), Institut für Kunstgeschichte (1)

zukunft forschung 02/19 7


GEMEINSAM ZUKUNFT

DENKEN

Zum Abschluss ihre 350-Jahr-Jubiläums lud die Universität Inns bruck die Bevölkerung zu einem

Diskussionsforum ein, um gemeinsam mit Expertinnen und Experten über die Zukunft der

Region und der Gesellschaft nachzudenken. Kuratiert wurde die Veranstaltung vom ehemaligen

Wissenschaftsminister und Rektor Karlheinz Töchterle. ZUKUNFT FORSCHUNG fasst einige der

diskutierten Themen zusammen und gibt Einblick in die dargelegten Standpunkte.

8 zukunft forschung 02/19

Foto: Andreas Friedle


Foto: Uni Inns bruck

zukunft forschung 02/19 9


TITELTHEMA

Ein Teil des Programms beim Diskussionsforum

stand unter dem

Motto: „Leben – Vielfalt – Teilhabe“.

Die KuratorInnen dieses Themenblocks

– Michaela Ralser, Martina Kraml

und Timo Heimerdinger – betonten, dass

bei aller Komplexität eine zukunftsweisende

Gegenwartsbeschreibung zutrifft:

die der Vielheit, der Pluralisierung von

Biografien, von Zugehörigkeiten und damit

von Herkünften und Zukünften jeder

Art. „Wir sind überzeugt, dass uns diese

Pluralität ändert, und zwar alle: ob wir es

wollen oder nicht. Und, dass sie unhintergehbar,

also nicht rückgängig machbar

ist. Mehr noch, wir sind überzeugt, dass

die gegenwärtige Geschwindigkeit der

Pluralisierung einschließlich ihrer migrationsgesellschaftlichen

Mobilisierung,

die ohne Zweifel eine Epochenschwelle

darstellt, letztlich bloß deutlicher anzeigt,

was auch sonst vonstatten geht und auch

schon früher und ohne diese eine machtvolle

Illusion war: die Homogenität von

Kulturen und Gesellschaften“, so die

ProgrammmacherInnen. Deshalb luden

sie die Sozialphilosophin und Publizistin

Isolde Charim ein, ihre Gedanken über

die Pluralisierung der Gesellschaft und

den damit einhergehenden Zukunftsherausforderung

dazulegen.

Von der Angst zum

guten Leben für alle

Angst vor der Zukunft ist eines der prägendsten

Phänomene aktueller westlicher

Gesellschaften: Soziale Ungleichheiten,

instabile politische und ökonomische

Verhältnisse, rasante technische

Entwicklungen und schwer kalkulierbare

populistische Strömungen bewirken Unsicherheit.

Dadurch gewinnen Bedrohungsszenarien,

Sicherheitsdiskurse

und ein Forcieren gesellschaftlicher Spaltungen

politisch zunehmend an Gewicht.

Die auch daraus erwachsende angstvolle

„Die mittel- und langfristige

Zukunft wird sich nicht einfach

schicksalshaft ereignen,

sondern sie wird mit unseren

gegenwärtigen Vorstellungen

und Entscheidungen angebahnt,

vorbereitet und vorentschieden.“

Michaela Ralser, Institut für Erziehungswissenschaft

10

zukunft forschung 02/19

Fotos: Andreas Friedle (1), AdobeStock/greenbutterfly (1)


TITELTHEMA

Sorge lähmt: kollektiv wie individuell.

Zu beobachten ist einerseits ein Rückgriff

auf Vergangenes und andererseits

ein Festhalten an der Gegenwart, so als

wäre sie vor einer unsicheren Zukunft zu

schützen oder selbst schon die denkbar

beste Zukunftshoffnung.

Dem gegenüber stellte die Erziehungswissenschaftlerin

Michaela Ralser

in ihrer Einführung die Frage nach dem

„guten Leben“. Die Frage, wie wir möglicherweise

leben werden, was auf uns gesellschaftlich

und individuell zukommt,

verdrängt oft das Nachdenken darüber,

wie wir eigentlich leben wollen. Die Gespräche

beim Diskussionsforum drehten

sich deshalb vor allem auch um die Frage,

wie eine wünschenswerte Zukunft

aussehen könnte.

Zukunftskräfte entfesseln

Zukunft ist nicht eigentlich morgen: Sie

beginnt schon jetzt und sie beginnt in unseren

Köpfen, sagte der Ethnologe Timo

Heimerdinger. Es sei an uns, denn wir

gestalten die Zukunft durch unsere Vorstellungskraft

schon heute maßgeblich

mit. Die Gegenwart legt dabei Bahnen

für das zukünftig Mögliche, aber Zukunft

stößt uns nicht einfach bloß zu. Michaela

Ralser betonte, dass eine passive und

bloß reaktive Haltung womöglich dazu

führen kann, den günstigen Zeitpunkt,

der Veränderung möglich macht und von

uns eine Entscheidung fordert, ungenutzt

verstreichen lässt. „Wir denken also: Die

mittel- und langfristige Zukunft wird

sich nicht einfach schicksalshaft ereignen,

sondern sie wird mit unseren gegenwärtigen

Vorstellungen und Entscheidungen

angebahnt, vorbereitet und vorentschieden“,

so Ralser.

Nach dem Vortrag von Isolde Charim

luden die Gestalterinnen und Gestalter

des Programms die Anwesenden zu acht

Thementischen, an denen sehr konkret

darüber gesprochen wurde, wie die Zukunft

in unterschiedlichen gesellschaftlichen

Bereichen gestaltet werden kann,

wie wir zusammenleben wollen, wenn

wir alt und pflegebedürftig sind, welches

Verhältnis von Mensch und Maschine wir

zulassen, fördern und eingehen wollen,

welche Barrieren und Grenzen wir abschaffen

wollen und welche geistigen

Inspirationen wir dafür benötigen (siehe

Boxen „Zukunftsthema“).

Solidarität jenseits

der Gemeinschaft

Am zweiten Tag des Diskussionsforums

sprach die österreichische Philosophin

und Publizistin Isolde Charim über die

Möglichkeit, Gesellschaft neu zu denken

(ein ausführliches Interview finden

Sie auf den Seiten 22 und 23). Der Begriff

der Gesellschaft sei zentral, wenn

man von Zukunft spreche, sagte Charim

in Inns bruck: In den vergangenen

ZUKUNFTSTHEMA

ZUKUNFTSTHEMA

ZUKUNFTSTHEMA

R E L I

GION

In Hinblick auf RELIGION waren sich die

Teilnehmerinnen und Teilnehmer einig,

dass diese vor allem das Verhältnis der

Menschen untereinander und zueinander

mitgestalten, da Religion vor allem Werte,

Orientierung oder Handlungsoptionen

anbiete, die wesentlich zum Verhältnis der

Menschen beitragen. Es wurde auch festgestellt,

dass Religion gerade heute immer

wieder auch als destruktiv oder konfliktschürend

wahrgenommen wird. Es brauche

daher Räume für geteilte Erfahrungen, um

jenes Positive sichtbar und erfahrbar zu

machen, das Religionen zu Gesellschaft

beitragen können.

H E I

M A T

Mit dem Kunstwort „mehrheimisch“

wurde auf eine gewisse Unvollständigkeit

von „einheimisch“ verwiesen. Der Begriff

HEIMAT wurde allerdings nicht in Bausch

und Bogen verabschiedet. Damit sich jeder

heimisch fühlen kann, müssen entsprechende

Strukturen gestärkt werden: „Wir

haben eine Heimat für alle und wir wollen

mehr davon.“ Auf dieser Basis stellten die

Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum Beispiel

die Frage, wie eine Stadtgesellschaft

organisiert sein kann, so dass sie mit Vielfalt

umgehen kann. Wie müssen diese Städte

also gebaut sein und welche Strukturen

braucht es dafür?

ROBO

T E R

Der künftige Einsatz von ROBOTERN in der

Pflege ist eine Entwicklung, die heute noch

in den Kinderschuhen steckt, die uns in

Zukunft aber sicher beschäftigen wird. Hier

sei weder naiver Technikoptimismus noch

vorschnelle Maschinenstürmerei am Platz.

Es gehe vielmehr darum, die Potenziale, die

sinnvollen Einsatzmöglichkeiten dieser Technologien

zu ermessen. Gleichzeitig müssten

auch die Gefahren, die gesellschaftspolitisch

damit einhergehen können, im Blick behalten

werden. Die Diskussion habe aber auch

eine gender- und geschlechterpolitische

Dimension, denn der Pflegebereich ist ein

Bereich, in dem sich auch gesellschaftliche

Herrschaftsverhältnisse widerspiegeln. Wie

sich diese Verhältnisse durch die Automatisierung

transformieren, müsse ebenfalls

diskutiert werden.

Fotos: unsplash/Alex Knight (1), Tirol Werbung/Aichner Bernhard (1), AdobeStock/1STunningART (1)

zukunft forschung 02/19 11


TITELTHEMA

DER BEGRIFF der Gesellschaft sei zentral, wenn man von Zukunft spreche, sagte die Philosophin Isolde Charim in Innsbruck.

ZUKUNFTSTHEMA

KRAFT

Jahrzehnten habe sich die ökonomische

Globalisierung durchgesetzt, aber keine

Gesellschaft hervorgebracht, weder

national noch international. Ein Verhältnis,

wo völlig autonome, vereinzelte

Individuen in Konkurrenz zueinander

stehen, erzeugte Fliehkräfte für die Gesellschaft.

Zum einen ökonomische, was

sich am deutlichsten an der Sezession

der Reichen zeige, die sich abtrennen,

distanzieren, vom Gemeinwohl zurücktreten.

„Kurzum: Die ökonomischen

Eliten kündigen den Gesellschaftsvertrag

einseitig auf und damit auch jede

Vorstellung von Gleichheit“, so Charim.

Eine zweite Fliehkraft bilden für Isolde

Charim die Identitäten. Den Unterschied

zwischen Gesellschaft und Gemeinschaft

macht sie für den Einzelnen am Unterschied

zwischen Teil sein und teilhaben

fest. „In einer Gemeinschaft ist man eil

des Ganzen, in einer Gesellschaft hat

man teil“, sagt die Philosophin. „Und

Demokratie zielt auf Gesellschaft, auf

die Vergesellschaftung des Einzelnen.“

Heute haben wir es laut Charim mit

Um Gesellschaft zu verändern, benötigen wir

KRAFT. Nach Meinung der Diskutierenden

bedarf es einer besonderen Aufmerksamkeit

für die jeweils eigene Inspirationsquelle, gerade

auch in Diskussionen mit anderen Menschen,

die vielleicht eine andere Inspirationsquelle

haben. Für diese Gespräche brauche

es wiederum Räume, in denen „gefährliche

Begegnung“ – um es mit Isolde Charim zu

sagen – möglich ist, wo wir uns trauen, über

das zu reden, was uns Kraft gibt, und wo wir

akzeptieren können, dass die oder der Andere

eine andere Kraftquelle hat. So bleiben

wir offen für neue Ergebnisse.

einem Ausschluss neuen Typs zu tun: Die

Ausgeschlossenen sind nicht einfach die

Unterschicht, sondern auch die Zurückgelassenen,

die Abgehängten.

Zukunftskräfte

Gegen diese Entwicklungen präsentierte

Isolde Charim vier Strategien, die nicht

nur eine Zukunft, sondern eine andere

Zukunft denkbar und möglich machen:

Erstens erinnerte sie daran, dass Demokratie

die institutionalisierte Möglichkeit

darstellt, Konflikte auszutragen. „Das

Besondere an der Demokratie ist das

Verständnis jenes Potenzials, das durchgefochtene

Konflikte für die Gesellschaft

haben. Uns verbindet nicht nur der Konsens,

sondern ebenso sehr der gemeinsam

durchgestandene Konflikt.“ Die Wirkung

dieser Strategie sei heute aber begrenzt:

„In einer Gesellschaft mit Tendenzen zum

Auseinanderdriften, in einer Gesellschaft

mit massiver Gemeinschaftsbildung büßt

der Konflikt sehr schnell sein produktives

Moment ein.“ Für Charim braucht

es nicht mehr Zugehörigkeitsgefühl, sondern

Vorstellungen, wie man Solidarität

befördert in einer Gesellschaft, wo die

Leute einander eben nicht mehr alle ähn-

12

zukunft forschung 02/19

Fotos: www.vervievas.com (1) , pixabay/klimkin (1)


TITELTHEMA

lich sind. „Es braucht keine neue Heimat,

sondern vielmehr eine vermehrte soziale

Durchmischung in einer Gesellschaft, die

immer mehr zu allerlei Arten von Separatismus

tendiert.“ Es brauche geteilte

Praxis, geteilte Erfahrungen, und dafür

Orte der Durchmischung, Bereiche der

Kooperation statt Ghettoisierung und soziale

Abkoppelung.

„Wenn man heute den Eliten eine Rede

hält, wenn man sie überzeugen, bekehren,

verführen will, dann nicht, indem

man an ihr Gewissen appelliert, sondern

indem man ihnen ihren eigenen Diskurs

entgegenhält. Anders gesagt: Die neuen

Eliten werden nicht durch Moral gewonnen,

sondern durch ihr eigenes Prinzip“,

sagt Charim und verweist auf empirische

Studien, die zeigen, dass gerechte Gesellschaften

besser funktionieren – und zwar

für alle Beteiligten. Auch für Privilegierte

sind gerechtere Gesellschaften besser.

Gleichheit sei daher ein Gebot der Effizienz.

Die letzte und vielleicht wichtigste

Strategie aber ist für Isolde Charim jene,

ZUKUNFTSTHEMA

BARRI

EREN

welche die Fridays-for-Future-Bewegung

eröffnet hat. „Es sind Ansätze eines neuen

Denkens jenseits der neoliberalen Enthemmung,

ohne Rückgriff auf alte Konzepte.

Es ist dies eine Alternative, die

nicht über den Rückgriff auf Gemeinschaft

funktioniert.“ Gleichzeitig eröffnet

es auch die Möglichkeit einer Solidarität

jenseits von Fragen der Ähnlichkeit.

An einem weiteren Thementisch wurde über

den Abbau von BARRIEREN diskutiert: Wie

kann Zugänglichkeit für alle Menschen erreicht

werden? Dabei ging es um die Frage,

wie sind Institutionen, Einrichtungen und

Alltag zu gestalten, so dass Zugänglichkeit

gewahrt ist. Schon heute gibt es Strukturpläne,

mit denen man diese Zugänglichkeit

überprüfen kann. Zum anderen wurde in

der Diskussion aber auch klar, dass niemand

glauben dürfe, nicht von dieser Frage betroffen

zu sein. Denn Barrieren sind keine Frage

für eine kleine Minderheit, im Laufe des

Lebens sind eigentlich alle davon betroffen.

Denn die Gemeinsamkeit beruht weder

auf Herkunft noch auf Moral, sondern

auf der reinen Existenz. „Es geht um Zukunftskräfte,

die mehr sind als der Erhalt

des Gegenwärtigen. Denn um das Gegenwärtige

auch nur zu erhalten, muss es

auf neue Füße gestellt werden. Und das

heißt nichts anderes als Gesellschaft neu

denken.“

cf

ZUKUNFTSTHEMA

R E S

SOUR

C E N

Wir leben in einer vollen Welt, in der wir

die RESSOURCEN oft schon über deren

Grenzen hinaus nutzen. Dem setzt das

Konzept der Donut-Ökonomie ein Handeln

gegenüber, wo einerseits soziale und politische

Bedürfnisse erfüllt und andererseits

die planetarischen Grenzen eingehalten

werden. In der Diskussion wurde betont,

dass es für einen Wandel ganz viele Orte der

Veränderung brauche, zunächst auf individueller

Ebene. Aber auch auf der Ebene des

Marktes seien neue Regeln und Bewertungsmaßstäbe

notwendig, so wie es auch einen

übergeordneten Rahmen und entsprechende

Regeln brauche. Ein Wandel verlangt Veränderung

auf allen diesen Ebenen, es sind aber

auch Schnittstellen zwischen den Ebenen

nötig, um die Aktivitäten zu verhandeln und

mögliche Risiken zu verteilen.

ZUKUNFTSTHEMA

ZUSAM

M E N

LEBEN

Auch über mögliche Formen des ZUSAM-

MENLEBENS haben die TeilnehmerInnen

gesprochen, ausgehend von der Literatur

als Darstellungsraum von verschiedenen

Lebens- und Verbundenheitsmodellen, von

gelungenen bis hin zu tragischen. Dabei

zeigte sich, wie jede Zeit mit bestimmten

Familien- oder Partnerschaftsmodellen

haderte. Auch gegenwärtig haben wir uns

die Frage zu stellen, wie wir die Menschen

zusammenbringen, wie Begegnungszonen

oder Begegnungsräume beschaffen sein

müssen. Und für manche war gerade dieses

Diskussionsforum der Universität Innsbruck

eine sehr gelungene Form einer solchen

Begegnungszone.

ZUKUNFTSTHEMA

ALTER

Die persönliche Angst vor Abhängigkeit im

ALTER war für die TeilnehmerInnen gar

nicht zentral, wichtig waren ihnen zwei andere

Aspekte: Einerseits in Isolation zu geraten

und soziale Beziehungen zu verlieren

und andererseits den Familienmitgliedern

zur Last zu fallen. Es müsse gesellschaftlich

anerkannt werden, dass die Pflege von

Angehörigen eine enorme Last darstelle.

Wichtig sei auch, wie in der Gesellschaft

und in Familien mit Themen wie Tod,

Alterung und Gebrechlichkeit umgegangen

werde. Hier werden diese Themen oft

einfach weggeschoben, weil sie nicht in die

Idealvorstellung vom körperlich und/oder

geistig aktiven Leben passen. Diese Teile

des Lebens sollten deshalb stärker zu einer

Realität gemacht werden, besonders in den

Familien.

Fotos: unsplash/Andreea Popa (1), unsplash/William White (1), unsplash/Dominik Vanyi (1), AdobeStock/gradt (1)

zukunft forschung 02/19 13


TITELTHEMA

ARBEIT IM ZEICHEN

DER KLIMAKRISE

Der digitalen Wertschöpfung in Zeiten der Klimakrise war ein Themennachmittag

beim „Diskussionsforum: Zukunft denken“ gewidmet.

Die digitale Transformation und

ihr Einfluss auf unsere Arbeitsund

Lebenswelt stand im Mittelpunkt

des zweiten Themenblocks beim

„Diskussionsforum: Zukunft denken“,

kuratiert von Annette Ostendorf, Leonard

Dobusch und Martin Stuchtey. Die

Digitalisierung befördert neue Formen

des Wirtschaftens, des Arbeitens und des

Lernens. Beim Diskussionsforum ging es

deshalb auch um die Frage, welche der

historisch gewachsenen und kulturell in

Tirol verankerten Strukturen in der neu

anbrechenden Zeit erhaltenswert, ausbaufähig,

veränderbar erscheinen und

was gänzlich neu gedacht werden muss:

Eine Wanderung zwischen Bewahrung

des Bewährten und Denken des radikal

Neuen, zwischen Tradition und Disruption.

Die Keynote hielt mit der ehemaligen

dänischen Umweltministerin Ida Auken

eine Expertin aus der politischen Praxis:

Sie plädierte für ein Europa der grünen

Regionen und zeigte auf, wie man digitale

Werkzeuge sinnvoll zur Bewältigung

der Klimakrise nutzen könnte.

Im Anschluss wurden insgesamt drei

Themenkreise in mehreren Untergruppen

diskutiert: Teilnehmerinnen und

Teilnehmer des Diskussionsforums haben

die Themengebiete „Zukunft der

Arbeit“, „Wie wir zukünftig wirtschaften“

und die „Zukunft von Bildung

und Beruf“ anhand provokanter Thesen

besprochen und ihre Kernbotschaften

in kurzen Tweets zusammengefasst: So

identifizierten die Teilnehmerinnen und

Teilnehmer dieser Diskussionen Wege

zu nachhaltigem Leadership – „Toleranz,

Vielfalt und Chancengleichheit

ermöglichen einen neuen Stil von nachhaltigem

Leadership. Wir brauchen digitale

Stories, um diesen Ansatz weltweit

verbreiten zu können“, heißt es etwa als

Fazit eines der Themenkreise zum zukünftigen

Wirtschaften. Unternehmen

müssten radikal anders entscheiden und

agieren, wenn sie in der „Klimafrage“ eine

Rolle spielen wollten – und wir alle

unseren Konsum ändern, so lautet die

Zusammenfassung einer zweiten Runde.

Auch die Zukunft von Bildung und

Beruf sahen viele Teilnehmerinnen und

Teilnehmer in der Vielfalt: Unter anderem

sollten Bildungsmöglichkeiten und

-angebote an die Vielfalt heutiger Arbeitsformen

angepasst werden. Und ein

kritisch-ethischer Diskurs über Digitalisierung

und Energiefragen müsste schon

in den Schulen stattfinden.

14 zukunft forschung 02/19

Fotos: Uni Inns bruck (1), www.vervievas.com (1)


TITELTHEMA

Klimakrise & Digitalisierung

In ihrer Keynote „Ein Europa der grünen

Regionen – Gedanken zu einem neuen

Wohlstandsbegriff im Zeichen veränderter

Anforderungen und technologischer Möglichkeiten“

schlug die dänische Politikerin

Ida Auken einen Bogen zwischen den beiden

großen Herausforderungen der Gegenwart:

Der Klimakrise und der digitalen Disruption.

Dabei bietet die Digitalisierung auch Chancen

und Möglichkeiten, mit der Klimakrise

umzugehen. Themenkurator Martin Stuchtey

bezeichnete Ida Auken in seiner Einführung

als „Mutmacherin par excellence“: Die studierte

Theologin und Autorin ist seit 2007

gewählte Politikerin, erst für die links-grüne

„Socialistisk Folkeparti“, seit Anfang 2014

für die links-liberale „Radikale Venstre“. Von

2011 bis 2014 war sie dänische Umweltministerin,

davor und seither Parlamentarierin.

„Ida Auken gilt als die Architektin der

Energiewende, der Circular-Economy-Wende

in Dänemark, aber auch in Europa“, betonte

Martin Stuchtey in seiner Vorstellung. Hier

ihr Vortrag in einigen Auszügen:

„Die Integration der Energiemärkte steht

an erster Stelle, wenn wir erneuerbare

Energien einsetzen wollen. Ein Beispiel:

Dänemark produziert Windenergie und

nutzt Norwegen als Batterie, weil sie dort

mit Pumpspeicherkraftwerken die Energie

speichern können. Das ist ein guter

Deal für Dänemark und für Norwegen,

da Norwegen die Energie von uns auch

billig bekommt. Österreich mit dem hohen

Wasserkraftanteil hat die Chance,

„Wenn wir ein Geschäftsmodell

für nicht ausgelastete Produkte

entwickeln können, können wir

neues Wachstum ermöglichen,

das vom Material- und

Energieverbrauch entkoppelt ist.“

Ida Auken, Umweltministerin Dänemark 2011 bis 2014

ES GIBT VIELE Möglichkeiten, unseren Lebensstil nachhaltiger zu gestalten.

ebenfalls eine Batterie für die ganze Region

zu werden. Erneuerbare Energien sind

heute sehr viel billiger als die meis ten anderen

Energieformen, wir haben aber ein

Problem der Speicherung, und da kommen

die integrierten Märkte ins Spiel.

Wir sollten auch die Verbraucher dazu

bringen, Energie zum richtigen Zeitpunkt

zu konsumieren: Ziel ist, Stromsicherheit

zu haben und keine Energie dadurch

zu verlieren, dass niemand Strom verbraucht,

etwa nachts. Wenn wir die Leute

dazu bringen könnten, ihre Elektrofahrzeuge

nachts aufzuladen, weil es auch

dort Windkraft gibt, ist das eine Lösung.

Auch mit dem Internet der Dinge und der

Maschine-zu-Maschine-Kommunikation

könnte man das so gestalten – der Kühlschrank

muss nicht um vier bis fünf Uhr

nachmittags kühlen, wenn man Strom für

andere Dinge braucht, er könnte damit

bis später in der Nacht warten. Die Leute

müssen sich darüber nicht einmal selbst

kümmern, die Maschinen machen das

von selbst. Man könnte auch Geschirrspüler

und Waschmaschinen so programmieren,

dass sie zu Zeiten laufen, in denen

Stromnetze wenig ausgelastet sind.“

(…)

„Auch die Mobilität ist ein großer Teil:

Mein Traum wäre, dass wir uns in Richtung

Mobilität bewegen, im Gegensatz

dazu, Autos zu besitzen. Ich habe immer

noch keine dänische Stadt gefunden, die

sich freiwillig dafür einsetzt. Aber ich

bin überzeugt: Wenn man die private

Autonutzung in einer Stadt verbieten

würde, hätte man sehr schnell Mobilitätslösungen,

die auch technologisch unterstützt

würden, etwa durch Rideshare-Anbieter

und automatisch berechnete Routen.

Wir müssen die Menschen auch dazu

bringen, Fahrräder oder Roller zu benutzen.

So eine Stadt wäre sehr attraktiv, es

gäbe keinen Lärm, keinen Stau, Parkplätze

könnten in Grünflächen umgewandelt

werden. Das sind die Dinge, mit denen

wir jetzt anfangen müssen. Wir können

das jetzt schon umsetzen und wir haben

die Technologie dazu.“

(…)

„Ein weiterer Trend ist Konsum und Verbrauch:

In Schweden haben die Leute

vielfach aufgehört, Dinge zu kaufen, sie

weigern sich einfach. Das wird zu einem

großen Trend. Wie gestalten wir Produkte

für diese Welt? Entweder wir konzentrieren

uns auf High-End-Produkte,

von denen man eines statt zehn kauft

und es für eine lange Zeit hat, oder man

geht zu Leasing- oder Leih-Lösungen

über, bei dem man kein Produkt besitzt,

aber für eine Weile Zugang dazu hat.

Denken Sie an Dinge, die Sie besitzen

und die Sie eine Zeit lang nicht benutzen,

wie z.B. eine Bohrmaschine, wenn Sie eine

zu Hause haben – sie läuft insgesamt

drei Minuten, aber sie liegt die ganze Zeit

bei Ihnen zu Hause. Denken Sie über all

die Dinge nach, die Sie nicht benutzen.

Uber hat das mit dem Auto gemacht: Ihr

Auto läuft fünf Prozent der Zeit, das ist

extrem wenig Auslastung. Wenn wir ein

Geschäftsmodell für die nicht ausgelasteten

Produkte entwickeln können, können

wir neues Wachstum ermöglichen,

das vom Material- und Energieverbrauch

entkoppelt ist.“

sh

zukunft forschung 02/19 15


TITELTHEMA

ERNEUERBARE ENERGIE

NÜTZEN

Sonne, Wasser, Holz und Umweltwärme sind in Tirol vorhandene Ressourcen, die das Land der Vision

von Energieautonomie im Jahr 2050 näherbringen.

Eine vernetzte Welt, verflochtene

Wirtschaftssysteme, steigender Bedarf

an Wohnraum und eine hochmotorisierte

Gesellschaft fordern einen

hohen Energiebedarf. Noch wird dieser

zum größten Teil durch den Einsatz von

fossilen Energieträgern gedeckt. Die steigenden

Treibhausgasemissionen und

der dadurch verursachte Klimawandel

zeigen deutlich, dass sich das System

radikal verändern muss, um auch den

zukünftigen Generationen eine weiterhin

lebenswerte Umwelt zu hinterlassen.

Welche Chancen neue Technologien und

IT bieten, um diese Herausforderungen

zu bewältigen, sollte beim „Diskussionsforum:

Zukunft denken“ zum Thema

„Siedlungsraum – Verkehr – Energie“

diskutiert werden. Ruth Breu, Leiterin

des Instituts für Informatik, Markus Mailer,

Professor am Institut für Infrastruktur

im Arbeitsbereich Intelligente Verkehrssysteme

und Wolfgang Streicher, Professor

am Institut für Konstruktion und

Materialwissenschaft im Arbeitsbereich

Energieeffizientes Bauen, waren als Kuratorin

und als Kuratoren für die Gestaltung

des Themenblocks verantwortlich.

Unter anderem präsentierten Streicher

und Mailer eine Studie, in der Wasser

Tirol, die Universität Inns bruck und das

MCI gemeinsam untersucht haben, ob

Tirol 2050 ein fossilfreies Energiesystem

haben kann.

Aus Potenzialen schöpfen

Tirol bietet viele erneuerbare Potenziale,

die genutzt werden können, um das Land

fit für die kommenden Generationen zu

machen. Die untersuchten Technologieeinsatzszenarien

zeigen, dass die verfügbare

Wasserkraft, Biomasse, Sonnen- und

Windenergie sowie Umweltwärme in

Kombination mit einer höheren Energieeffizienz

in den Sektoren Gebäude,

MIT WASSERKRAFT, Biomasse, Sonnen- und Windenergie hat Tirol viele erneuerbare

Potenziale, mit denen das Land fit für kommende Generationen gemacht werden könnte.

Mobilität und Industrie die Möglichkeiten

bieten, das Ziel der Energieautonomie

und die Energiewende zu erreichen.

Da Technologien besonders im Gebäudebereich

langlebig sind und das Treibhausgas-Emissionsbudget

zur Erreichung des

2 -°C-Klimaziels nur mehr sehr begrenzt

ist, muss mit dem Umbau des Energiesystems

sofort begonnen werden. Wege, um

dieses Ziel zu erreichen, gibt es viele. „Die

Vision ist vorgegeben. Die Aufgabe der

Studie war es, abzuschätzen, mit welchen

Technologien und Strategien das Ziel erreicht

werden kann“, verdeutlicht Mailer.

Dazu ist es notwendig, das aktuelle Energiesystem

in den nächsten Jahrzehnten so

umzubauen, dass die derzeit eingesetzten

fossilen Energieträger vollständig durch

erneuerbare, vorzugsweise heimische,

Energieträger ersetzt werden.

„Im Rahmen der Studie haben wir

auch untersucht, wie weit der Energiebedarf

im Jahr 2050 reduziert werden kann

und wie wir diesen Bedarf durch in Tirol

vorhandene erneuerbare Energien decken

können“, so Streicher. Insgesamt zeigt

sich, dass die erneuerbaren Ressourcen in

Tirol theoretisch ausreichend zur Verfü-

16 zukunft forschung 02/19

Fotos: AdobeStock/Alberto Masnovo (1), www.vervievas.com (1)


TITELTHEMA

gung stehen, um den Bedarf im Jahr 2050

decken zu können. Die Realisierbarkeit

der Vision wurde von den Wissenschaftlern

durch den Einsatz unterschiedlicher

Energieträger geprüft. „In der Studie haben

wir vier Grenzwertszenarien und ein

Energiemix-Szenario erstellt“, so Streicher.

Neben der Möglichkeit, in der zukünftigen

Energieversorgung hauptsächlich

auf Strom zu setzen, wurden auch

Szenarien mit dem verstärkten Einsatz

von Wasserstoff oder Methan untersucht.

Dabei war das Strom-Szenario das effizienteste.

Das Energiemix-Szenario beinhaltet

sowohl Strom als auch Wasserstoff

und Methan in der Bedarfsdeckung.

Mit Strom in die Zukunft

„In allen von uns durchgerechneten Szenarien

ist die Erreichung des Ziels möglich.

Die Frage ist nur, mit welchen Maßnahmen“,

erläutert Mailer. Alle betrachteten

Szenarien zeigen, dass dem Strom

zukünftig eine wesentliche Rolle zukommen

wird und dass der Ausbau der Stromerzeugung

notwendig ist. „Dafür ist es

jedenfalls erforderlich, die Wasserkraft

weiter um 50 Prozent auszubauen, zu

beginnen, das Windpotenzial zumindest

in beschränktem Maße zu nutzen, nahezu

alle nutzbaren Dachflächen mit Photovoltaik-Modulen

zu bestücken sowie die

gesamte heimisch nachwachsende und

für energetische Nutzung zur Verfügung

stehende Biomasse zu verwenden“, führt

Streicher aus. Ergänzend müssten bei

dem Wasserstoff- und Methan-Szenario

auch beträchtliche Freiflächen mit Photovoltaikanlagen

errichtet werden. In der

Raumwärme wird es künftig statt Öl und

Gas vor allem Wärmepumpen zur Nutzung

der Umweltwärme aus Luft, Erde

und Wasser, aber auch Biomasse und

Fernwärme aus erneuerbaren Energieträgern

geben. Aber auch Bio gas spielt eine,

wenn auch aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit

geringe, Rolle in der zukünftigen

Energiebedarfsdeckung.

„Im Bereich von Gebäuden können wir

den Energiebedarf um fast ein Drittel reduzieren,

wenn wir den Gebäudebestand

hochwertig sanieren und im Neubau

höchste Qualitätsstandards – wie etwa

Passivhausstandard – ansetzen, die sich

wesentlich über dem heutigen Niveau

befinden“, so Streicher. In der Mobilität

bietet der Wechsel von Verbrennungsmotoren

auf Elektromobilität die Chance,

den Energiebedarf um fast 70 Prozent zu

reduzieren. Die geringsten Einsparungen

sehen die Autoren in der Industrie, da

hier der Umstieg auf Strom und erneuerbare

Energieträger bereits eine sehr große

Herausforderung darstellt.

Eine gute Mischung

Für am ehesten politisch umsetzbar halten

die beiden Wissenschaftler das von ihnen

berechnete Energiemix-Szenario. Den

Hauptanteil an eingesetzten erneuerbaren

Energien sollen Strom und Umweltwärme

bilden, unterstützt von Wasserstoff

und Methan. In gewissen Bereichen wird

es nicht möglich sein, nur auf Strom zu

setzen. So sind in der Industrie prozessbedingt

manchmal eine Flamme oder

kohlenstoffhaltige Energieträger notwendig.

Auch der E-Mobilität sind Grenzen

gesetzt, selbst wenn Autobahnen für

den Güter- und Personenfernverkehr

mit Oberleitungen elektrifiziert werden

könnten. Doch im Flugverkehr erscheinen

flüssige Treibstoffe noch lange unverzichtbar

zu sein, wenn auch zukünftig

erzeugt aus erneuerbarem Strom und CO 2

aus der Atmosphäre.

Neben den neuen Antrieben werden

neue Konzepte zur gemeinsamen Nutzung

von Fahrzeugen oder neue Möglichkeiten

der Vernetzung im öffentlichen

Verkehr die Mobilität verändern. „Unumstritten

ist, dass sich Mobilität verändern

wird. Damit Verkehr dabei auch nachhaltiger

wird, muss sich das Verhalten auch

entsprechend ändern, das heißt beispielsweise

vermehrt Autos so zu teilen, dass

der Besetzungsgrad steigt, aber auch

Kurzstrecken wieder zu Fuß oder mit dem

Rad zurückzulegen“, sagt Mailer. „Wenn

wir all die uns zur Verfügung stehenden

erneuerbaren Energien nützen und gleichzeitig

alle Effizienzmaßnahmen voll ausschöpfen,

dann geht sich die Realisierung

der Energieautonomie im Jahr 2050 für

Tirol gerade aus“, so Streicher. Es wird

aber wesentlich von den Rahmenbedingungen

und der Akzeptanz der Menschen

abhängen. Jede zusätzliche Verhaltensänderung

der Bevölkerung in Richtung weniger

Energiebedarf ist zudem hilfreich.

„Es geht uns so gut wie noch nie. Dieses

Leben sollten wir auch unseren Kindern

und Enkeln ermöglichen“, sind sich die

Wissenschaftler einig.

dp

www.VerVieVas.com

„ES GEHT ZU LANGSAM!“, ruft Jonas Buchholz, Sprecher der „Fridays for Future“, Zukunft auf. denken

Impulsvortrag

21.-22.11.2019

Als Vertreter der Bewegung hielt er einen Impulsvortrag zum Auftakt der Veranstaltung

„Diskussionsforum: Zukunft Denken“ und vertrat somit die Meinungen, Ängste und Sorgen

der jungen Generation, die unzufrieden mit den derzeitigen Entwicklungen ist. „Die

jungen Menschen sind so unzufrieden, dass sie jede Woche auf die Straße gehen, um mit

einem gewaltfreien Protest radikale Veränderungen in der Klimapolitik zu erreichen“, so

Buchholz. Basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und Berichten des IPCC betonte

er die Notwendigkeit des Handelns der „Fridays for Future“-Bewegung. „Wir sind der

Meinung, dass eine umfassende Veränderung in der Klimapolitik sofort nötig ist, um eine

Klimakatastrophe noch irgendwie verhindern zu können“, verdeutlichte der junge Aktivist.

Mit den Forderungen nach sofortigem Handeln ist er nicht allein. In Österreich haben sich

über 150.000 Menschen beim letzten Earth Strike beteiligt. Buchholz bedankte sich auch

für das große Interesse in Inns bruck.

zukunft forschung 02/19 17


TITELTHEMA

18 zukunft forschung 02/19

Fotos: AdobeStock/smolaw11 (1), Uni Innsbruck (1)


TITELTHEMA

KLIMASCHUTZ ALS DIÄT

Das Klimabewusstsein im Tourismusland Tirol ist grundsätzlich groß, die Bereitschaft

zu nachhaltigem Handeln – wie anderswo auch – ausbaufähig: Warum das so ist und

wie man das ändern könnte, versuchte der Psychologe Claus Lamm beim letzten Panel

des Diskussionsforums zu erklären.

„Wir müssen den Klimawandel

als unmittelbares, lokales

und persönliches Risiko

veranschaulichen und seine

emotionale und greifbare

Erlebbarkeit steigern.“

Claus Lamm, Universität Wien

Nachhaltigkeit war das dominierende

Schlagwort beim Diskussionsforum

am Nachmittag des 22. November:

Das letzte Panel war dem Themenbereich

„Tourismus – Klima(wandel)

– Konsum“ gewidmet, und bereits die

Eingangsreferate der Kuratorin und der

Kuratoren Kerstin Neumann, Mike Peters

und Mathias Rotach machten deutlich,

dass nachhaltiges Handeln auf allen

gesellschaftlichen Ebenen erforderlich ist,

um dem Klimawandel entgegenzutreten.

„Die Begrenzung des Klimawandels erfordert

eine substanzielle nachhaltige Reduktion

von Treibhaus-Gasen“, verdeutlichte

Mathias Rotach, Universitätsprofessor

für Dynamische Meteorologie an

der Universität Innsbruck, bei seiner Präsentation

von Daten und Fakten über den

Klimawandel. Ein nicht ganz unwichtiges

Detail daraus: Die Österreicherinnen und

Österreich stehen, was die Pro-Kopf-

Emission von Treibhausgasen betrifft, auf

europäischer Ebene eher schlecht da. So

zeigen die Zahlen aus dem europäischen

Sachstandsbericht 2018, dass Österreich

mit 8,24 Tonnen CO 2 -Ausstoß pro Kopf

und Jahr deutlich über dem EU-28-Schnitt

von 6,97 liegt.

Nachhaltigkeit als Wert

Immerhin lässt sich jedoch ein gewisser

Bewusstseinswandel feststellen: Nachhaltigkeit

sei, so formulierte es Mike Peters

– Universitätsprofessor am Institut

für Strategisches Management, Marketing

und Tourismus – nicht mehr nur ein

Wort, sondern mittlerweile auch ein Wert,

der „ganz stark in unser Wertesys tem

aufgenommen wurde“. Das untermauerten

auch die Aussagen der im Vorfeld

des Diskussionsforums befragten Tirolerinnen

und Tiroler und die Beiträge des

anwesenden Publikums.

Auch Kerstin Neumann, Universitätsprofessorin

für Corporate Sustainability,

bekräftigte das theoretisch hohe Klimabewusstsein,

stellte diesem in ihren einleitenden

Worten aber ein eindringliches

Beispiel unseres tatsächlichen Konsumverhaltens

im Bereich Mode gegenüber:

Bei einer repräsentativen Umfrage in

Deutschland gaben zwar über 50 Prozent

der Befragten an, dass sie bereit wären, für

nachhaltige Mode mehr Geld auszugeben

als für konventionelle. Eine weitere Studie

mit mehr als 1.000 Teilnehmerinnen und

Teilnehmer ergab jedoch, dass Nachhaltigkeit

beim Kaufentscheid letztendlich

nur eine marginale Rolle spielt. Ausschlaggebend

sind letztendlich Preis und

Design – und das obwohl mittlerweile

bekannt ist, dass die Textilbranche, was

den sozialen und ökologischen Einfluss

betrifft, eine der schmutzigsten Produktionszweige

ist.

Warum wir beim Kleiderkauf und in

vielen anderen Situationen wider besseres

Wissen handeln und weitermachen wie

bisher, thematisierte Claus Lamm, Universitätsprofessor

für Soziale, Kognitive

und Affektive Neurowissenschaften an

der Universität Wien, in seiner Keynote

Speech mit dem Titel „Wir wissen es und

haben sogar Mitgefühl – und trotzdem

munter weiter wie immer?“.

Die mangelnde menschliche Fähigkeit

zur Verhaltensänderung in Bezug auf den

Klimawandel begründete Lamm aus kognitionswissenschaftlicher

Sicht mit einer

Reihe von individuellen, evolutionär entstandenen

Denk- und Verhaltensmustern:

WARUM SOLLTEN wir nachhaltig handeln

und wie? Menschen mit unterschiedlichsten

Hintergründen und Motivationen

haben beim Diskussionsforum ihre persönlichen

Antworten dazu geben. Per Videobotschaft,

im Rahmen einer Mentimeter-

Umfrage und in der Abschlussdiskussion.

Hier ein kleiner Einblick:

Maureen Habermann (Initiative Nachhaltige

Uni Innsbruck): „Nachhaltigkeit ist für

mich, mein Konsumverhalten zu überdenken,

weil die Ressourcen auf dieser Welt

nicht unendlich sind.“

Marcus Hofer (Geschäftsführer Standortagentur

Tirol): „Für uns als Standortagentur

ist es wichtig, (... ) die Unternehmen gerade

im Bereich Energie – Klimaanpassung –

Energieeffizienz bestmöglich zu betreuen,

damit wir Tirol als saubere alpine Region

entwickeln können.“

Tilmann Märk (Rektor): „Nachhaltigkeit

ist – glaube ich – eine selbstverständliche

Lebenshaltung. Alles andere wäre Verschwendung.“

Florian Phleps (Geschäftsführer Tirol

Werbung): „Ein nachhaltiges regionales

Handeln ist die Basis für unser Tun, um

auch in Zukunft ein Leben und Wirtschaften

mit der alpinen Natur abzusichern.“

zukunft forschung 02/19 19


TITELTHEMA

WORDCLOUD AUS DER MENTIMETER-UMFRAGE: Beim Diskussionsforum startete Mike Peters, Professor am Institut für Strategisches

Management, Marketing und Tourismus, eine Mentimeter-Umfrage, um den TeilnehmerInnen und Teilnehmern die Möglichkeit zu geben,

zu sagen, was sie tun, um dem Klimawandel zu begegnen: Jene Argumente, die groß sichtbar sind, wurden am meisten genannt: Neben

der Vermeidung von Plastik betreffen die meisten nachhaltigen Aktionen die Mobilität, den Konsum, häufig auch den Fleischkonsum.

So bewerten Menschen beispielsweise Situationen

grundsätzlich intuitiv und nicht

faktenbasiert. Was den Menschen in der

Evolution weitergebracht hat, funktioniert

jedoch angesichts der Komplexität

des Klimawandels nicht mehr.

Klimaschutz-Diät

Ein weiteres Beispiel sei die sogenannte

menschliche Verlustaversion, also die Tatsache,

dass der Großteil von uns Verluste

emotional stärker bewertet als potenzielle

Gewinne: Der Verzicht aufs Auto wird also

emotional stärker wahrgenommen als

die Vorstellung, welchen positiven Effekt

dieser aufs Klima hat. Hinzu kommt, dass

der subjektive Wert für etwas, das man

gleich haben kann, höher ist, als wenn

der positive Effekt zu einem späteren

Zeitpunkt eintritt, vielleicht sogar erst die

Nachkommen betrifft.

„Wir müssen deshalb den Klimawandel

als unmittelbares, lokales und persönliches

Risiko veranschaulichen und

seine emotionale und greifbare Erlebbarkeit

steigern“, ist einer der Vorschläge,

die Lamm am Schluss seines Vortrags

machte, den er mit der Idee einer Klimaschutz-Diät

abschloss. Er sieht viele Analogien

zwischen einem wirksamen Abnehmprogramm

und einem Programm

für mehr Nachhaltigkeit. Wie bei einer

Diät müsse man klare persönliche Ziele

definieren, diese niederschreiben, in regelmäßigen

Abständen überwachen und

bei Fehlverhalten Ausgleichsmaßnahmen

IN BEWEGUNG GESETZT

Um unser Verhalten zu reflektieren und zu

hinterfragen, lud Theaterpädagoge und

Politologe Armin Staffler nach der Pause

das Publikum zu einem Experiment ein,

bei dem er Anweisungen gab, welche die

Teilnehmerinnen und Teilnehmer zunächst

befolgen sollten, in einer weiteren Runde

sollten sie das Gegenteil des Kommandos

tun. In einer öffentlichen Feedbackrunde

konnten alle Interessierten ihre Beobachtungen

teilen.

setzen. Sich mit Gleichgesinnten zusammenzuschließen

ist eine weitere Möglichkeit,

die es erleichtern kann, persönliche

Ziele zu erreichen. „Natürlich muss man

das Vorhaben auch positiv framen“, verdeutlichte

Lamm eine weitere Parallele

zur Diät.

Diese Diät will der Neuropsychologe

nicht nur jedem einzelnen Menschen verordnen,

sondern auch dem politischen

System. Alle EntscheidungsträgerInnen

in den Institutionen müssten sich zu dieser

Klima-Diät verpflichten. „Denn die

beschriebenen Handlungsmechanismen

können wir nicht nur auf individueller

Ebene, sondern auch auf gesellschaftlicher

und politischer Ebene anwenden“,

sagte Lamm: „Entscheidend ist allerdings,

dass wir jetzt damit beginnen!“ Denn

sonst ist irgendwann in naher Zukunft jener

Punkt erreicht, an dem das Klima der

Erde kippt und Mechanismen in Gang

gesetzt werden, die jeder möglichen Kontrolle

durch den Menschen entzogen sind.

Lamm legte mit seinem Vortrag beim

Diskussionsforum klar dar, dass der Klimawandel

keineswegs nur ein physikalisches,

sondern vor allem auch ein zutiefst

soziales Phänomen ist. ef

20 zukunft forschung 02/19

Foto: Uni Innsbruck; Screenshot: mentimeter.com


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TITELTHEMA

GESELLSCHAFT NEU DENKEN

„Wir leben“, sagt Isolde Charim, „in einer Gesellschaft neuen Typs, die nicht mehr alle umfasst.“ Einen

Ausweg sieht sie nicht in einem neuen Wir-Gefühl, sondern in einem Umgang mit Unterschieden.

ZUKUNFT: Als wirtschaftliches Modell haben

sich freier Markt und ökonomische

Globalisierung durchgesetzt und gesellschaftliche

Institutionen wie z.B. Sozialstaat

oder Gewerkschaften geschwächt

bis aufgelöst. Hat dieses Modell aber eine

neue Gesellschaft hervorgebracht? Wenn

nein, warum nicht?

ISOLDE CHARIM: 1987 sagte Margaret

Thatcher ihren legendären Satz: „There

is no such thing as society.“ Heute, mehr

als 30 Jahre später, zeigt sich: Thatchers

Diktum war Drohung und Prophezeiung

in einem. Der enthemmte Markt, die

ökonomische Globalisierung ist tatsächlich

das Modell, das sich durchgesetzt

hat. Es ist dies ein Modell, das keine Gesellschaft,

die ihm entsprechen würde,

hervorgebracht hat. Weder national noch

international. Eben weil diesem Modell

keine Gesellschaft entspricht.

Denn Gesellschaft ist kein Ding, sondern

ein Verhältnis – das Verhältnis zwischen

Individuen. Wenn es nur Individuen

und keine Gesellschaft gibt – was

ist dann deren Verhältnis? Für Thatcher

war klar: Das Verhältnis zwischen den Individuen

soll nicht eines der Gesellschaft,

sondern eines des Marktes sein – also ein

Verhältnis von Angebot und Nachfrage,

ein Verhältnis, wo völlig autonome, vereinzelte

Individuen in Konkurrenz zueinander

stehen. Das alte Verhältnis ist also

zu einem Nicht-Verhältnis geworden.

ZUKUNFT: Statt einer Gesellschaft beobachten

Sie einen Zerfall in Gemeinschaften.

Was hat dies für Konsequenzen?

CHARIM: Gemeinschaften sind Gruppierungen

mit einer eigenen Verbundenheit

– durch Emotion, durch Tradition –, eine

Verbundenheit, die als „natürliche“, organische

erlebt wird. Eine Gesellschaft

hingegen ist eine wesentlich losere Verbindung,

in der die Individuen miteinander

in Austausch treten, interagieren,

kooperieren – aber doch getrennt bleiben.

Für den Einzelnen bedeutet das den Unterschied

zwischen Teil-Sein und Teil-

Haben: In einer Gemeinschaft ist man

Teil des Ganzen – in einer Gesellschaft

hat man teil.

Die Erosion der Gesellschaft erzeugt

heute einen Ausschluss neuen Typs: Die

Ausgeschlossenen sind nicht einfach die

Unterschicht, sondern die Zurückgelassenen,

die Abgehängten. Ob dem reale

Entwertungen zugrunde liegen – etwa

„Das gesellschaftliche Band

der Demokratie ist kein

konsensuales, sondern ein

konfliktuelles. Das heißt: Uns

verbindet nicht (nur) der

Konsens, sondern ebenso

sehr der gemeinsam

durchgestandene Konflikt.“

22 zukunft forschung 02/19

Fotos: Andreas Friedle


TITELTHEMA

von Ausbildungen – oder ob dies „nur“

empfunden wird, macht da keinen Unterschied.

In Reaktion darauf gibt es nun

die Tendenz dieser „Ausgeschlossenen“,

sich zu Gemeinschaften zusammenzuschließen.

Auf der anderen Seite stehen die liberalen

Eliten. Diese werden von den

„Ausgeschlossenen“ aber nicht als Gesellschaft,

sondern als eine andere Gemeinschaft

erlebt. Eine Gemeinschaft, zu

der sie nicht dazugehören. Selbst wenn

dies nur eine perspektivische Illusion

wäre – so hat das alleine schon enorme

Auswirkungen. Denn Demokratie wird

damit als Elitenprojekt erfahren. Und das

ist eine katastrophale Entwicklung.

ZUKUNFT: Sie sagen, um eine andere Zukunft

denkbar zu machen, müsse man

dem Missverständnis, Demokratie sei

Harmonie, entgegentreten. Benötigt eine

demokratische Gesellschaft Diskussion

und Streit, aber auch Kompromiss und

Konsens?

CHARIM: Das Besondere an der Demokratie

ist, dass sie nicht über Harmonie

funktioniert. Ihr Ziel ist eben nicht eine

versöhnte Gesellschaft, denn das wäre eine

völlige gesellschaftliche Stillstellung.

Das Besondere an der Demokratie ist

das Verstehen, das Erkennen, das Handhaben,

das Institutionalisieren des Potenzials,

das durchgefochtene Konflikte

für die Gesellschaft haben. Das gesellschaftliche

Band der Demokratie ist kein

konsensuales, sondern ein konfliktuelles.

Das heißt: Uns verbindet nicht (nur) der

Konsens, sondern ebenso sehr der gemeinsam

durchgestandene Konflikt.

Zugleich aber muss man sagen, dass

die gesellschaftliche Produktivität von

Konflikten natürlich nicht unendlich ist.

Sie bedarf vieler Voraussetzungen, um

sich entfalten zu können. So muss der

Konflikt eingehegt – also eingeschränkt

werden. Das heißt, es braucht eine wechselseitige

Anerkennung der Streitparteien

als gesellschaftliche Akteure – sie

müssen sich als Gegner und nicht als

Feind akzeptieren. Das heißt, es braucht

eine grundlegende Akzeptanz der gesellschaftlichen

Ordnung – das ist das Minimum

an gemeinsamem gesellschaftlichen

Boden, auf dem man steht.

ZUKUNFT: Sie sprechen von einer Verschärfung

des Gegensatzes oben-unten

und einem neuen Gegensatz innen und

außen. Wie ist dies zu verstehen?

CHARIM: Wir haben nicht nur eine rasante

Verschärfung des Gegensatzes oben-unten

– sondern eine Situation, die zugleich auch

einen neuen Gegensatz hervorbringt: den

Gegensatz zwischen innen und außen. Der

Begriff der „Ungleichheit“ reicht nicht aus,

um das heutige soziale und gesellschaftliche

Defizit zu benennen. Das Problem ist

zugleich umfassender und diffuser.

Wir haben es heute mit einem Ausschluss

neuen Typs zu tun: Die Ausgeschlossenen

sind, wie gesagt, nicht

einfach die Unterschicht. Neben den

ökonomischen ist noch ein anderer Typ

von Ausschluss getreten: Jener der Abgehängten,

die in vielfältiger Weise – kulturell,

technisch, geografisch – nicht Anschluss

finden an eine völlig veränderte

Welt. Deshalb ist ein neuer Gegensatz hinzugekommen:

jener zwischen innen und

außen. Damit ist nicht die nationale oder

völkische Zugehörigkeit der Populisten

gemeint. Das Innen wird nicht durch die

äußeren Landesgrenzen bestimmt. Menschen

in strukturschwachen Regionen etwa

fühlen sich von der Politik vergessen,

von der Gesellschaft ausgeschlossen. Das

gesellschaftliche Außen sind soziale oder

geografische Räume an der Peripherie. Eine

andere Art von No-go- Area: Nicht eine,

wo keiner sich hintraut – sondern eine,

wo keiner hin will. Wir leben in einer Gesellschaft

neuen Typs: eine „Gesellschaft“,

die nicht mehr alle umfasst.

ZUKUNFT: Wie kann diesen Gegensätzen

entgegnet werden?

CHARIM: Die Gesellschaft, wenn sie eine

Gesellschaft sein möchte, müsste sich

heute dort versammeln, wo die neue Demarkationslinie

verläuft: an der Trennung

zwischen innen und außen. Diese Trennlinie

gilt es zu bearbeiten. Dazu braucht

es kein neues Wir-Gefühl, sondern einen

Umgang mit Unterschieden – mit unterschiedlichen

Gemeinschaften, mit unterschiedlichen

Vorstellungen vom guten

Leben. Es braucht nicht mehr Zugehörigkeitsgefühle,

sondern Vorstellungen, wie

man Solidarität befördert in einer Gesellschaft,

wo die Leute einander eben nicht

mehr alle ähnlich sind. Es braucht keine

neue Heimat, sondern vielmehr eine vermehrte

soziale Durchmischung in einer

Gesellschaft, die immer mehr zu allerlei

Arten von Separatismen tendiert.

ZUKUNFT: Sie sehen in Fridays for Future

eine Möglichkeit, Gesellschaft neu zu denken.

Warum?

CHARIM: Man kann hier Ansätze eines neuen

Denkens jenseits der neoliberalen Enthemmung

ausmachen – ohne Rückgriffe

auf alte Konzepte. Es ist dies das Angebot,

eine Alternative zur kapitalistisch usurpierten

Gesellschaft zu konzipieren, die

nicht über den Rückgriff auf Gemeinschaft

funktioniert. Es sind Konzepte für ein Gemeinwohldenken,

das nicht auf unhinterfragtem

Wachstum basiert. Es ist dies ein

doppelter Einspruch: gegen die Vorstellung

eines Immer-mehr ebenso wie gegen

die Vorstellung eines Immer-weiter-so.

ZUKUNFT: Können auch Universitäten ihren

Teil dazu beitragen? Wenn ja wie?

CHARIM: Universitäten können durch ihre

ureigenste Aufgabe, der Begriffsarbeit, dazu

beitragen. Gleichzeitig aber können sie

nur dann eine gesellschaftliche Wirksamkeit

entfalten, wenn sie ihre Mauern verlassen

und aktiver Teil des öffentlichen

Diskurses werden.

ah

ISOLDE CHARIM (* 1959 in Wien) studierte

Philosophie in Wien und Berlin und

arbeitet als freie Publizistin und ständige

Kolumnistin der „taz“ und des „FALTER“.

Charim war über lange Jahre Lehrbeauftragte

an der philosophischen Fakultät

der Universität Wien mit Schwerpunkt

Ideologietheorie, sie war auch Gastprofessorin

für Politische Theorie am Institut

für Politikwissenschaft der Universität

Wien. Seit 2007 ist sie am „Bruno Kreisky

Forum“ wissenschaftliche Kuratorin der

Reihen „Demokratie reloaded“, „Fundamentalismus

und Moderne“ sowie der

Reihe „Diaspora. Erkundungen eines Lebensmodells“,

die sich mit den Problemen

und Fragen der Pluralisierung beschäftigt.

Beim Diskussionsforum: Zukunft denken

der Universität Inns bruck hielt Isolde Charim

die Keynote „Gesellschaft denken“.

zukunft forschung 02/19 23


ZUM JUBILÄUM

Das „Diskussionsforum: Zukunft denken“ bildete den Abschluss

des Jubiläumsjahrs 2019 und war eine Einladung der Universität

Inns bruck an ihre Region und deren Bevölkerung. Expertinnen

und Experten stellten mögliche Szenarien, Denkansätze und

Perspektiven für die Zukunft unserer Gesellschaft vor. Interaktive

Formate luden die Menschen aus der Region zur Diskussion ein.

Vier verschiedene Themenschwerpunkte wurden behandelt. Für

jeden dieser vier Themenblöcke hatte die Universität aus dem

Kreis der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Kuratoren

bestellt, welche die Halbtage ausgestalteten. Namhafte Rednerinnen

und Redner wie die Philosophin und Publizistin Isolde

Charim, der Neuropsychologe Claus Lamm und die ehemalige

dänische Umweltministerin Ida Auken luden zum Zuhören und

Mitdiskutieren ein.

Fotos: Universität Inns bruck

24

zukunft forschung 02/19



GEOGRAPHIE

MULTICOPTER-LASERSCANNING ermöglicht Inns brucker Geografen Einblicke mit einem bisher nicht möglichen Detaillierungsgrad.

26

zukunft forschung 02/19

Fotos: Andreas Friedle (1), Thomas Zieher (1)


GEOGRAPHIE

DIE DIGITALISIERUNG

DER LANDSCHAFT

Die Laserscanner des Instituts für Geographie liefern hochgenaue Daten über Wälder, Berghänge,

Gletscher und Permafrostgebiete, seit Neuestem auch aus der Luft. Mit dem Multicopter-Laserscanner

können schwer zugängliche Gebiete beflogen werden, die gewonnenen Informationen erlauben

Aussagen über große Flächen und kleinste Details, über ganze Blockgletscher und Blätter im Wald.

Am Anfang“, gibt Magnus Bremer

lachend zu, „konnte ich mir nicht

mal vorstellen, dass er fliegen

kann.“ Er – das ist eine 25 Kilo schwere

Kombination aus einem Unmanned Aerial

Vehicle, kurz UAV genannt, und einem

Laserscanner, und dass das Ding fliegen

kann, weiß Bremer in der Zwischenzeit.

Zwar habe es noch einigen Feinschliff

gebraucht, um den Octocopter für seine

Forschungsaufgaben im Gebirge fit zu

machen, inzwischen liefert er aber Daten

über Wälder, Berghänge, Gletscher und

Permafrostgebiete. „Und das in einem Detaillierungsgrad,

der zuvor nicht möglich

war“, erläutert Martin Rutzinger, der am

Institut für Geographie die Forschungsgruppe

Laserscanning leitet. Bremer etwa

erstellt mit den Laser-Aufnahmen aus

der Luft und nach intensiver Rechenzeit

exakte 3D-Modelle von Waldflächen, die

als Basis weiterer wissenschaftlicher Analysen

dienen können – z.B. wie viel Sauerstoff

hier durch Photosynthese erzeugt

wird.

Seit über 15 Jahren forschen Inns brucker

Geografen im Bereich Laserscanning, Ausgangspunkt

war das EU-Projekt OMEGA,

bei dem die Volumensänderungen von

österreichischen und norwegischen Gletschern

untersucht wurden. 2006 wurde

der erste eigenständige terrestrische Laserscanner

angeschafft, heute zählen vier

Hightech-Messgeräte zur Infrastruktur

des Instituts, die von Forscherinnen und

Forschern rund um Johann Stötter genutzt

werden. Die letzte Neuanschaffung,

der 2017 erworbene Octocopter, wurde im

Rahmen des Projekts 4D-LAMB (4D Lidar

mountAin Monitoring laB) über Infrastruktur-

und Hochschulraumstrukturmittel

des Bundes finanziert. Als Partner sind

die TU Wien, die Uni Graz und das Institut

für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der

Österreichischen Akademie der Wissenschaften

dabei – gemeinsam will man die

neuen Laserscann-Möglichkeiten nutzen.

Laserscanning in den Alpen

„Laserscanning ist ein aktives Fernerkundungsverfahren

zur berührungslosen Erfassung

der Erdoberfläche. Aktiv bedeutet,

dass das Verfahren sich sein eigenes

Licht macht. Im Gegensatz zur Fotografie

braucht es kein Sonnenlicht“, beschreibt

Rutzinger die Methode. „Laserscanning ist

auch das einzige Verfahren, mit dem man

Informationen über das Gelände unter hoher

Vegetation erhalten kann, da der Laserstrahl

die Vegetationsdecke durchdringt“,

schildert Rutzinger. Die Auswertung der

Daten erlaubt somit einen „Blick unter den

Wald“ und dort die Untersuchung von geomorphologischen

Strukturen und Prozessen.

Ermöglicht wird dies alles durch Laserpulse,

die von einer Quelle ausgesendet

und von Objekten oder Oberflächen zur

Quelle zurück reflektiert werden. Über

die Laufzeit des Laserpulses kann die Entfernung

berechnet werden, mit dem Wissen

über den Standort der Quelle und den

Aussendewinkel lassen sich Objekte und

Oberflächen in geografischen Koordinaten

als 3D-Punktwolken abbilden.

„Beim Laserscanning mit unserem Octocopter

kommt noch dazu, dass wir für

jeden Laserpuls die Raumlage des Copters

wissen müssen“, erklärt Bremer. Mithilfe

von Trägheitssensoren und GNSS (Global

Navigation Satellite System) wird der

Octocopter lokalisiert, um den Ausgangspunkt

der 820.000 pro Sekunde abgegebene

Laserpulse exakt zu verorten. Die

Datenmengen, die dabei anfallen, sind

„Laserscanning ist das einzige

Fernerkundungsverfahren, mit

dem man Informationen über

das Gelände unter hoher

Vegetation erhalten kann, da der

Laserstrahl die Vegetationsdecke

durchdringt.“

Martin Rutzinger

enorm, Projektgrößen von bis zu 1,5 Milliarden

Punkten sind möglich. „Anfangs

gab es noch kaum Methoden, um diese

3D-Daten auszuwerten, am Institut ist

daher ein Schwerpunkt entstanden, solche

Methoden zu entwickeln“, sagt Rutzinger.

Verwendet wird Laserscanning vor

allem in urbanen Gebieten operationell

als 3D-Datenerfassungsmethode, für den

Einsatz im Umweltmonitoring hat sich

erst in den letzten Jahren eine eigene Community

herausgebildet. Die Inns brucker

Geografen spezialisierten sich dabei auf

zukunft forschung 02/19 27


GEOGRAPHIE

MAGNUS BREMER: „Mit dem Octocopter können wir ein Waldstück mit der Größe von 200 mal 200 Meter in zehn Minuten aufnehmen.“

alpines Gelände, die Durchführung und

Auswertung der Messungen führe dabei,

so Rutzinger, zu besonderen Herausforderungen:

„Dafür haben wir als eine der wenigen

Gruppen das entsprechende Knowhow.“

Auch für den Octocopter-Einsatz

galt es, einige Schwierigkeiten zu überwinden.

So benötigt es etwa für den Transport

ins Gelände ein vierköpfiges Team, das

Gerät samt Zubehör und Ersatzakkus an

den Einsatzort bringt. „Wir machten die

Erfahrung, dass Thermik und Fallwinde

nicht gut für das Flugverhalten sind“,

nennt Magnus Bremer einen weiteren

Punkt – geflogen wird daher meist direkt

nach Sonnenaufgang. Auch die Höhenlage

muss berücksichtigt werden, pro 1.000

Höhenmeter braucht es um einen Zoll

größere Propeller. „Wir können derzeit bis

3.000 Meter Seehöhe fliegen“, berichtet der

Geo graf, der auf einen im ganzen DACH-

Raum gültigen „Drohnen-Führerschein“

verweisen kann. Gemeinsam mit dem

Hersteller wurde das System so weiterentwickelt,

dass mit stärkeren Motoren und

30-Zoll-Propellern im nächsten Jahr 4.000

Meter möglich sein werden.

Gletscher, Hänge & Wälder

Die Effektivität, mit der die Forscher

nun Daten erheben können, hat durch

den fliegenden Laserscanner extrem zugenommen.

Bremer: „Wir können einen

ganzen Blockgletscher in einer Stunden

aufnehmen und sind in der Lage, jeden

einzelnen Block zu erkennen und zu verfolgen“

Trotz beschwerlicher Arbeit, weil

Fußmarsch, ist der organisatorische und

finanzielle Aufwand geringer als eine

Flugzeugbefliegung. Im Gegensatz zur

klassischen punktuellen Vermessung können

auch flächenbezogene Aussagen getroffen

werden. „Wir haben jetzt erste Gebiete,

die schon mehrmals aufgenommen

wurden, um Veränderungen fest- und

darstellen zu können“, sagt Bremer. „Wir

untersuchen z.B. tiefgründige gravitative

Massenbewegungen, also Hangrutschungen,

die sich langsam, aber kontinuierlich

nur um wenige Zentimeter bis zu einem

Meter im Jahr verändern“, führt Rutzinger

ein Beispiel an, mit dem wichtige

Aussagen bezüglich Naturgefahrenmanagement

getroffen werden können. Das

1

2

3

4

MIT LASERSCANNING kann man durch

das Vegetationsdach hindurch Informationen

über den Boden erhalten (1,2)

bzw. detaillierte 3D-Modelle von Wäldern

erstellen – mit Belaubung und ohne (3,4).

Scannen flachgründiger Rutschungen, zu

denen es z.B. nach extremen Niederschlägen

kommt, dient mehr der Dokumentation,

Aufnahmen dieses Geländes über

einen längeren Zeitraum hinweg geben

Einblick, wie und ob sich Flächen wieder

begrünen oder nicht. Diese Dynamik

wollen die Forscher besser verstehen. Rutzinger:

„Mit dem freien Auge sind Entwicklungen

solcher Erosionszonen kaum

erkennbar, wir sehen Veränderungen im

Zentimeterbereich.“

Magnus Bremer wiederum hat sich in

seinem Bereich der Landschaftsdigitalisierung

auf Wälder konzentriert. In zehn

Minuten wird eine 200 mal 200 Meter

große Waldfläche aufgenommen, die anschließende

automatisierte Rechenzeit

beträgt oft mehrere Tage, das Ergebnis ist

ein 3D-Modell des Waldstücks mit Informationen

über Anzahl, Größe und Holzvolumen

der Bäume, über die Dichte der

Blätter etc. Bremer entwickelte dafür die

entsprechenden Algorithmen, „um zu erkennen,

dass ein bestimmter Punkt haufen

in der riesigen Punktwolke ein Stamm,

ein anderer ein Blatt ist.“ Seine 3D-Modelle

bieten nun einzigartige Informationen

für diverse Fachdisziplinen. „Über das

Modell bekommt man z.B. Informationen

über das Holzvolumen der Bäume. In

Richtung Klimawandel ist dies von Interesse,

weil man damit weiß, wieviel Kohlenstoff

im Wald gespeichert ist. In Richtung

Forstwirtschaft wiederum, wie viel

Holz im Wald vorhanden ist“, sagt Bremer.

Ähnlich verhält es sich mit der Blattfläche.

Bremer: „Kennt man deren Größe,

kann man Aussagen treffen, was der

Wald zur Abkühlung beiträgt oder wie

viel Sauerstoff er durch Photosynthese

produziert.“

ah

Ein Video zum Projekt des Innsbrucker

Forscherteams finden sie auf Youtube:

www.youtube.com/watch?v=F1Nb0JB6eGE

28 zukunft forschung 02/19

Fotos: Andreas Friedle (1), Thomas Zieher (2); Renderings: Magnus Bremer (4)


KURZMELDUNGEN

QUANTENCOMPUTER

VERGLEICHEN

Physiker der Universität Inns bruck und des kanadischen Institute for

Quantum Computing haben eine Methode vorgestellt, mit der die

Leistungsfähigkeit von Quantencomputern gemessen werden kann.

Im Vergleich zu einem herkömmlichen

Computer können Quantencomputer

bestimmte Arten von Problemen effizienter

lösen. Allerdings sind Quantenbits

sehr fragil; jede Unvollkommenheit

oder Rauschquelle im System verursacht

Fehler, die zu falschen Lösungen führen.

„Ein erster wichtiger Schritt auf dem Weg

zu einem skalierbaren Quantencomputer

ist, die Kontrolle über einen kleinen

MEHRJÄHRIGE ÜBERREAKTION IM ÖKOSYSTEM

Quantencomputer mit nur wenigen

Quantenbits zu realisieren“, sagt Alexander

Erhard aus dem Team der Experimentalphysiker

um Rainer Blatt und

Thomas Monz. Die Forscher an der Universität

Inns bruck entwickeln Prototypen

von Quantencomputern auf Basis von

gespeicherten Ionen, die mit Hilfe von

Laserpulsen manipuliert werden. Ihre

kanadischen Kollegen Joseph Emerson

und Joel Wallman am Institute for Quantum

Computing sind auf stringente mathematische

Methoden zur Quantifizierung

und Verifizierung von Fehlern in

Quantencomputern spezialisiert. Gemeinsam

haben sie nun ein Verfahren zur

Charakterisierung aller Fehlerraten entwickelt,

die in einem Quantencomputer

entstehen können. Sie implementierten

diese neue Technik für den Ionenfallen-

Quantencomputer an der Universität

Inns bruck und fanden heraus, dass die

Fehlerraten nicht zunehmen, wenn die

Anzahl der Quantenbits im Quantencomputer

vergrößert wird.

S

eit mehr als 50 Jahren beobachten Forscher in Island die Erwärmung von Böden aufgrund

geothermischer Aktivität. Ein internationales Team unter Beteiligung von Michael Bahn

vom Institut für Ökologie untersuchte nun, wie subarktisches Grasland auf die Erwärmung der

Erde reagiert. „Es zeigte sich, dass fünf- bis achtjährige Erwärmung zu einer Überreaktion des

Ökosystems führte und sich nach mehreren Jahrzehnten ein neues Gleichgewicht einstellte“,

erklärt Bahn. „Verringerter

Artenreichtum, geänderte

Artenzusammensetzung, eine

deutlich geringere Biomasse und

drastisch weniger Kohlenstoffspeicherung

im Boden waren

die Folge“, ergänzt Andreas

Richter von der Uni Wien. Hier

werde klar, so die Forscher, dass

sich natürliche Ökosysteme mit

langfristiger Erwärmung nachhaltig

verändern.

INS HERZ DER CHEMIE

GETROFFEN

Die unter dem Namen Ribozyme zusammengefassten

RNA-Moleküle

beschleunigen chemische Reaktionen

in der Zelle. Vor einigen Jahren wurden

vier neue Klassen dieser Moleküle

entdeckt, an deren funktioneller Aufklärung

die Arbeitsgruppe um Ronald

Micura (Institut für Organische Chemie)

federführend mitwirkt. 2016 war

es dem Inns brucker Wissenschaftler

gelungen, die funktionelle Struktur

des Pistol-Ribozyms erstmals zu beschreiben

und somit ein dynamisches

Bild des Moleküls zu liefern. Ein Jahr

später konnten die Forscher jene Nukleotide

und ein Metallion identifizieren,

deren chemische Reaktion für die

Aufspaltung des Ribozyms verantwortlich

zeichnet. Diese Moleküle aktivieren

sich nämlich, in dem sie sich selbst entzweischneiden.

In einer Arbeit in der Fachzeitschrift

Angewandte Chemie International Edition

gehen die Forscher um Micura gemeinsam

mit Kollegen in den USA und in

China nun noch einen Schritt weiter.

Während die Strukturaufklärung von

Ribozymen in der Regel an Molekülen

direkt vor dem Auseinanderschneiden

erfolgt, konnten sie jetzt auch den

Übergangszustand mimetisch nachbilden

und damit den gesamten mechanistischen

Ablauf der chemischen Reaktion

dokumentieren. „Diese Übergange

sind hochenergetische Zustände,

die im Allgemeinen nicht direkt untersucht

werden können. Deshalb haben

wir eine Anleihe in der anorganischen

Chemie genommen und mit einem sogenannten

Vanadat-System den chemischen

Übergangszustand nachgebildet.

Auf diese Weise konnten wir den

chemischen Mechanismus aufklären“,

erzählt Micura. Das Pistol-Molekül ist

erst das dritte Ribozym, das auf diese

Weise beschrieben werden konnte.

Fotos: IQOQI Inns bruck/Harald Ritsch (1), Olga Krasheninina (1), Andreas Richter (1)

zukunft forschung 02/19 29


GEOTECHNIK

GEFAHR GEBANNT

Menschen, Infrastruktur und Siedlungsraum vor Naturgefahren zu schützen, ist eine der Aufgaben von

Robert Hofmann, Professor am Institut für Infrastruktur am Arbeitsbereich Geotechnik und Tunnelbau.

Muren, Wildbäche, Steinschläge,

Überschwemmungen oder

Hangrutschungen – Robert

Hofmann arbeitet gemeinsam mit seinem

Team und in Kooperation mit der Wildbach-

und Lawinenverbauung, Agentur

für Bevölkerungsschutz-Südtirol, der ÖBB

und der ASFINAG daran, Siedlungsräume

und Infrastruktur vor Naturgefahren,

wie die sogenannten Massenbewegungen,

zu sichern. Vor seiner Berufung an die Uni

Inns bruck hat sich der Wissenschaftler

als Ziviltechniker mit Schutzbauwerken

beschäftigt. Basierend auf seinen umfangreichen

Erfahrungen in der Praxis ist

ihm die Verbindung zwischen den theoretischen

Berechnungen, Modellversuchen,

Messungen und den Beobachtungen in

der Natur besonders wichtig. Dämme,

Wildbachsperren, Steinschlag- und Lawinenschutz

oder die Sicherung von Massenbewegungen

sind Gegenstand seiner

Forschungen an der Uni Inns bruck.

Wildbäche zähmen

Um zu verhindern, dass sich Wildbäche

weiter in die Bachsohle eingraben

und damit auch die Hänge ins Rutschen

kommen, sollen sogenannte Wildbachsperren

helfen. „Diese, meist aus Beton

hergestellten Querbauwerke in Wildbächen,

sollen genau diese Bewegungen

stoppen oder reduzieren. Als Murbrecher

oder Konsolidierungssperren sind sie ein

wichtiges Instrument, um Menschen vor

diesen Gefahren zu schützen“, erläutert

Hofmann. Berechnungen deuten in der

Theorie darauf hin, dass der enorme Erdund

Wasserdruck auf die Bauwerke diese

langfristig schädigen wird. „Die Beobachtungen

in der Natur widersprechen den

Berechnungen auf dem Papier. Wenn der

Druck von Boden und Wasser tatsächlich

so groß wäre, wie das die Berechnungen

zeigen, dann wären viele Bauwerke schon

eingestürzt. Diese Diskrepanz zwischen

Theorie und den tatsächlichen Beobachtungen

in der Natur werden wir genauer

untersuchen“, so Hofmann.

ROBERT HOFMANN: „Die Beobachtungen in der Natur widersprechen den Berechnungen

auf dem Papier. Diese Diskrepanz werden wir genauer untersuchen.“

Je höher der Druck auf die Bauwerke,

umso weiter müssen sie auch in die Hänge

eingebunden werden, um sie zu stabilisieren.

Zu große seitliche Einschnitte in

den Hang führen aber zu einem erhöhten

Risiko, dass gerade in rutschgefährdeten

Bereichen eine Massenbewegung entsteht.

Insbesondere im Bauzustand sind somit

die Gefahren für die Arbeiterinnen und

Arbeiter, aber auch die Gefahr einer Massenbewegung

besonders groß.

Hofmann und sein Team arbeiten deshalb

daran, den Druck auf die Bauwerke

besser zu berechnen, um die Notwendigkeit

des Einschneidens in die Böschung zu

minimieren. Dazu werden die Wildbach-

30

zukunft forschung 02/19

Fotos: Andreas Friedle (1), Robert Hofmann (2)


GEOTECHNIK

sperren mit Porenwasserdruckgebern

und Erddruckmessgebern instrumentiert.

„Diese Messungen führen wir derzeit

an unterschiedlichen Standorten in Tirol

durch. Es ist wichtig, die Einwirkungen

auf diese Schutzbauwerke zu kennen,

damit man sie standsicher dimensionieren

und die Notwendigkeit des Einschneidens

in die Böschung minimieren

kann“, so Hofmann. „Im Lattenbach im

Tiroler Oberland befindet sich der ‚Friedhof

der Wildbachsperren‘. Über 30 Sperren

wurden bei Murgängen zerstört. Bei

der Entwicklung neuer Bauwerke sollen

unsere neuen Berechnungen berücksichtigt

werden“, betont der Wissenschaftler.

Ziel der Forschungen ist es, mithilfe der

Berechnungen, standsichere und wirtschaftlichere

Bauwerke, die über einen

längeren Zeitraum die enormen Beanspruchungen

schadlos überstehen sollen,

zu entwickeln. So wird nicht nur das Eingraben

des Baches in die Sohle reduziert,

sondern auch die Kriechbewegung des

Hanges aufgehalten.

ROBERT HOFMANN arbeitet gemeinsam

mit seinem Team an Schutzmaßnahmen

vor Naturgefahren, wie hier am Eiblschrofen

in Schwaz, wo es im Jahr 1999

zu einer Massenbewegung gekommen ist.

WILDBACHSPERREN sollen das Eingraben

des Baches in den Boden, aber auch

das Rutschen von Hängen verhindern.

Brückenschlag

Die Verbindung von Wissenschaft und

Praxis ist dem Ziviltechniker ein großes

Anliegen. Neben den unterschiedlichen

Druckeinwirkungen auf Wildbachsperren

arbeiten Hofmann und sein Team

auch daran, beispielsweise Sturzbahnen

von Felsstürzen genauer zu berechnen

und auch so neue Schutzbauwerke zu

entwickeln. „Wir untersuchen, wie weit

Auslaufbereiche reichen müssen und wie

groß die Drücke auf Schutzbauwerke wie

Dämme oder Stahlbetonbauwerke sein

werden“, verdeutlicht der Wissenschaftler,

der unter anderem an Berechnungen

von Schutzbauwerken in Tirol beteiligt

war. Neben der Wahl des geeigneten Ortes

für eine solche Maßnahme, Berechnungen

für die Transportzone und Auslaufbereiche,

ist auch der Vergleich zwischen

Modellversuch, der Berechnung und

der Beobachtung in der Natur wichtig.

„Auch hier sind die Beobachtungen eine

wesentliche Ergänzung zur Theorie. Für

Parameterstudien arbeiten wir aber auch

mit Modellversuchen, um Schutzdämme

bestmöglich zu dimensionieren“, so Hofmann.

So geschehen auch im Jahr 1999

nach dem Steinschlag am Eiblschrofen in

Schwaz.

Robert Hofmann war damals schon für

die Beratung zur Errichtung des Schutzdamms

im Einsatz. „Die Möglichkeiten

zur Bemessung solcher Schutzbauwerke

sind heute ganz andere. Mithilfe einer

Schussanlage können Steinschlagschutznetze

oder Dämme in einem Eins-zueins-Versuch

überprüft werden. Diese

aufwendige Möglichkeit haben wir aber

nur selten“, erläutert der Experte, der

normalerweise auf Modellversuche angewiesen

ist. „In über 200 Modellversuchen

haben wir untersucht, wie hoch das

Freibord von der Blockoberkante bis zur

Dammkrone sein muss, damit der Block

bei dem Steinschlag den Schutzdamm

nicht überspringt. Zudem haben wir auch

die maximale Neigung berechnet, damit

ein Damm auch nicht zur Sprungschanze

wird“, erläutert der Wissenschaftler. Basierend

auf den Ergebnissen hat Hofmann

ein Diagramm entwickelt, mit dem eine

einfache und schnelle Ermittlung der Eindringtiefe

von Blöcken in unterschiedliche

Dammtypen ermittelt werden kann. Mit

der Entwicklung von Ö-Norm-Regeln für

Wildbachsperren, Steinschlag und Lawinen

nimmt Österreich eine Vorreiterrolle

im Bereich der Naturgefahren ein.

Wandernde Hänge

Mit den Klimaveränderungen beobachtet

Hofmann auch eine Zunahme an Massenbewegungen.

„Der Motor von Massenbewegungen

ist oft das im Schuttstrom

vorhandene Wasser“, so Hofmann. Ein

heikles Beispiel zur raschen Stabilisierung

eines sich bewegenden Hanges ist die

Kerschbaumsiedlung in Navis. „82 Häuser

haben sich mit dem Hang etwa vier

Zentimeter pro Jahr nach unten bewegt.

Die unterschiedlichen Geschwindigkeiten

von zwei Schuttzungen haben zu Schäden

an den Häusern geführt“, erläutert der Experte.

Mithilfe von 50 Brunnen ist es den

Beteiligten gelungen, das Wasser auszuleiten

und den Wasserdruck abzubauen,

die Bewegung deutlich zu reduzieren

und so den Hang zu stabilisieren. „Durch

die Notwendigkeit rasch zu handeln und

durch fehlende Theorien ist es schwierig,

die Wirksamkeit der Maßnahmen schon

vorab abzuschätzen. Mit unseren Forschungen

und Erfahrungen möchten wir

helfen, Prognosen in Zukunft genauer

gestalten zu können“, so Hofmann. Der

Einsatz von Brunnen hat sich auch in einer

Notsituation beim Gschliefgraben am

Traunsee bewährt, wo eine sich schnell

bewegende Massenbewegung Häuser am

Seeufer bedroht hat.

Eine neue Erosionsanlage zur Untersuchung

von Materialtransport soll zukünftig

die Forschungen im Labor ergänzen.

„Mit der neuen Anlage wird es möglich,

verschiedene Böden zu untersuchen, um

die Veränderungen des Materials und die

Dichte zu messen. Gerade im Hochwasserschutz

in Tirol ist Erosion ein zentrales

Thema. So könnten wir zukünftig auch

dazu beitragen, ein einfaches Kriterium

für Erosionsstabilität zu entwickeln“, verdeutlicht

der Wissenschaftler. Dieses Wissen

gibt der Experte auch gerne an seine

Studierenden weiter, die ihn bei seinen

Forschungen unterstützen. Mit dem Ziel,

die Menschen zu sichern, arbeitet Robert

Hofmann in Kooperation mit unterschiedlichen

Partnern aus der Praxis ständig daran,

Problemstellungen mit Konstruktionen

zu bearbeiten und Siedlungsräume

und Infrastruktur zu sichern. dp

zukunft forschung 02/19 31


ROMANISTIK

CINEASTISCHES GEGENBILD

Italien ist seit 1980er-Jahren ein Einwanderungsland, die mediale und politische Reaktion darauf ist

eine polemisch-fremdenfeindliche. Der italienische Film hingegen antwortet mit dem engagierten cinema

di migrazione. Wie diese Antwort umgesetzt wird, untersucht die Romanistin Sabine Schrader.

Es waren erschütternde Bilder, es waren

unvorstellbare Ereignisse – doch

wir haben sie (fast) schon wieder

vergessen. Am Morgen des 8. August 1991

steuert der albanische Frachter Vlora den

Hafen von Brindisi an, mehr als zehntausend

Albanerinnen und Albaner befinden

sich an Bord. Am Vor abend haben sie im

Hafen von Durrës das 150 Meter lange

Frachtschiff gestürmt, verzweifelt ob der

katastrophalen wirtschaftlichen Bedingungen,

verzweifelt ob der unsicheren

politischen Verhältnissen in ihrer Heimat.

Brindisi jedoch verweigert die Einfahrt.

Erst rund 36 Stunden später, ohne Wasser

und Nahrung der heißen Augustsonne

ausgesetzt,legt das vollkommen überladene

Schiff in Bari am. Die Flüchtlinge

aber dürfen den Pier nicht verlassen. Es

kommt zu Unruhen, schließlich werden

sie in ein altes Fußballstadion verbracht,

dort festgehalten und letztendlich mit Militärflugzeugen

und konfiszierten Fähren

nach Albanien zurückgebracht.

Ende der 1980er-, Anfang der 1990er-

Jahre, mit dem Zusammenbruch der kommunistisch

regierten Länder Osteuropas,

ist Italien mit einer ersten großen Flüchtlingswelle

konfrontiert. Schon vor der

Vlora fliehen allein im März 1991 mehr als

20.000 Albaner übers Meer, auch aus Jugoslawien

kommen Flüchtlinge nach Italien.

„Italien war immer ein Auswanderungsland,

ab Mitte der 1980er-Jahre wandelt es

sich zum Einwanderungsland“, sagt die

Romanistin Sabine Schrader. In der Folge

kippt die Stimmung, auch die Berichterstattung

in den Medien. Nicht so das Ki-

DER FILM Lamerica (1994) von Gianni

Amelio thematisiert die albanische Emigration

Anfang der 1990er-Jahre und verknüpft

dies mit der Geschichte Albaniens,

in der Italien als faschistische Besatzungsmacht

eine wichtige Rolle spielt (großes

Bild, in der Bildmitte Hauptdarsteller

Enrico Lo Verso). Mit Lamerica nimmt

Amelio Bezug auf die Ereignisse rund um

den Frachter Vlora, auf dem 1991 über

10.000 Albanerinnen und Albaner nach

Italien flüchten wollten (kleines Bild).

32 zukunft forschung 02/19

Fotos: Andreas Friedle (1), Alamy Stock Foto/RGR Collection (1)


ROMANISTIK

no. Das cinema di migrazione antwortet mit

einer Art Gegenbild. Wie diese Antwort

künstlerisch verarbeitet wird, untersucht

Schrader mit ihren Mitarbeiterinnen und

Mitarbeitern in dem FWF-Projekt Cinema

of Migration in Italy since 1990 – Ausgangspunkt

ist die Beobachtung, dass Migration

ab den 1990ern im italienischen Film

vermehrt zum Thema wird. Ein Jahrzehnt

zuvor befand sich das italienische Kino in

einer Krise, „die Zeit der großen Filmemacher

war vorbei, das Fernsehen kam von

der Bar ins Wohnzimmer, es gab kaum

Filmförderung“, nennt Schrader einige

Gründe. Als Folge organisiert sich die

Filmlandschaft ab Ende der 1980er neu,

es entstehen neue kleine Filmfirmen, die

auf alternative Arten der Produktion und

Finanzierung setzen – und sich neuen

Themen widmen.

Filmografie der Migration

„Mit Pummarò macht Michele Placido 1990

den ersten Film, in dem Migration eine

entscheidende Rolle spielt“, weiß Schrader.

Der Regieerstling des Schauspielers

beschreibt die Suche eines jungen Afrikaners

nach seinem Bruder, der in Süditalien

als Tomatenpflücker gearbeitet hat – eine

Suche, die ihn von Süd- über Norditalien

„Die eigene italienische

Migrationsgeschichte wird

in aktuellen filmischen

Immigrationsgeschichten kaum

reflektiert.“

Sabine Schrader

bis nach Deutschland führt. „Einer unser

ersten Schritte im Projekt war die Erstellung

einer Filmografie zum Thema Migration“,

berichtet Schrader. Auf rund 300

Kinofilme kann man in der Zwischenzeit

verweisen, der Schwerpunkt liegt auf Produktionen

nach 1990. Das Projekt-Team

interessiert aber auch der historische Blick

auf das größte Auswanderland Europas,

das allein zwischen 1876 und 1915 rund 14

Millionen Menschen verließen – ein Drittel

der damaligen Bevölkerung Italiens.

„Wir haben festgestellt, dass diese eigene

italienische Migrationsgeschichte in aktuellen

filmischen Immigrationsgeschichten

kaum reflektiert wird“, schildert die Forscherin.

Die Suche nach Filmen, welche diese

italienische Auswanderung thematisieren,

führte bis in die Stummfilmzeit, zu

einer US-amerikanischen Produktion

aus dem Jahr 1905, „die italienische Immigranten

auf Zelluloid bannt“. Auch

Charlie Chaplin befasst sich mit Migration,

dass es sich bei The Immigrant aus

dem Jahr 1917 um Italiener handelt, zeigt

allerdings nur das Filmplakat. Schrader:

„Chaplin sitzt vor einem Teller Spaghetti.“

Schließlich wurde man auch in

Italien fündig, im Film Napoli che canta

(1926) kommt, so Schrader, „Migration

aber nur als Leerstelle vor: Man sieht,

wie in der Stadt Plätze leer werden,

wie zum Abschied gewinkt wird, wie

Schiffe wegfahren.“ Insofern zeige der

Film, dass das Thema Migration in dem

jungen italienischen Staat, im aufkommenden

Faschismus keinen Platz hat,

dementsprechend dominieren in dieser

Zeit Historien- und Monumentalfilme,

„die an die Größe Italiens erinnern“. In

späteren Jahren sind es oft Koproduktionen

mit Frankreich, in denen Migration

abgehandelt wird. „Das zieht sich bis

in die 1950er-Jahre“, sagt Schrader, „in

Cammino della Speranza nimmt es eine

süd italienische Familie auf sich, durch

ganz Italien zu reisen, um über die Berge

nach Frankreich zu kommen – also der

gleichen Weg wie ihn heute Menschen

aus Afrika nehmen.“ Viele Filme beschäftigen

sich damit, wie Italienerinnen und

Italiener im Ausland Fuß fassen, geht

es dabei um Amerika, ist dies meist mit

Kriminalität und Mafia verbunden, oft

umgesetzt von Regisseuren wie Francis

Ford Coppola oder Martin Scorsese – beide

selbst Italoamerikaner.

Mit der eigenen italienischen Geschichte

setzt sich auch Lamerica (1994)

auseinander. Angeregt durch die Ereignisse

rund um die Vlora schickt Regisseur

Gianni Amelio zwei Männer, Fiore

(Michele Placido) und Gino (Enrico Lo

Verso), nach Albanien – dort wollen die

beiden vom Zerfall Albaniens profitieren.

„Der Film verschränkt die Zeit Albaniens

als italienische Kolonie, die faschistische

Besatzung, die Goldgräberstimmung des

Wild-West-Kapitalismus und die Emigration

der Albaner“, erzählt Schrader. „Lamerica“,

als Hoffnung auf das gelobte

Land, nennen die Flüchtlinge – unter ihnen

auch Gino – das Schiff, das tausende

von ihnen nach Italien bringen soll.

In anderen Filmen, wie etwa Quando sei

nato non puoi piú nasconderti (2005), Il vento

SABINE SCHRADER studierte Romanistik,

Geschichte und Philosophie/Pädagogik

an den Universitäten Göttingen, Venedig

und Köln, an letzterer promovierte sie

im Jahr 1998. Von 1999 bis 2005 war sie

Wissenschaftliche Assistentin am Institut

für Romanistik der Univer sität Leipzig,wo

sie 2006 über Literatur und Film in der

Stummfilmzeit Italiens habilitierte. Von

2006 bis 2009 war sie Wissenschaftliche

Mitarbeiterin an der TU Dresden, 2009

wurde sie als Professorin für Romanische

Literatur- und Kulturwissenschaften an

die Universität Inns bruck berufen.

fa il suo giro (2005), Io sono Li (2011), La prima

neve (2013), sind die „Einwanderer“

schon im Land, die Thematisierung der

Migration, sagt Schrader, „ist ein erster

Schritt der Repräsentation“, sie räumt

aber auch ein, dass dabei viele Klischees

bedient werden, unter anderem das des

Opfers. „In vielen Filmen sind Migrantinnen

und Migranten nur Opfer der italienischen

Gesellschaft, die scheitern müssen.

Es wird unterschlagen, dass sie auch

Akteure ihres Lebens sind“, hält Schrader

fest, „da müssen wir unsere Ausgangsthese,

dass das cinema di migrazione ein cinema

d’impegno, ein engagiertes Kino ist, doch

kritisch hinterfragen.“ Zeit dafür bleibt

Sabine Schrader und ihrem Team: Das

FWF-Projekt ist auf drei Jahre angelegt,

Start war im Herbst 2018. ah

zukunft forschung 02/19 33


WISSENSTRANSFER

KINCON-BIOLABS TEAM: Eduard Stefan, Philipp Tschaikner, Florian Enzler und Rainer Schneider (v.li.)

NEUE BIOSENSOREN

Mit einem neu entwickelten Biosensor validieren Inns brucker Forscher Kinase-Medikamente. Eine von

der FFG geförderte Machbarkeitsstudie soll die Basis für die Gründung der KinCon-biolabs schaffen.

Vier visionäre Wissenschaftler, die

auf dem Gebiet der Biochemie,

Zellbiologie und Biotechnologie

in Inns bruck forschen und lehren, haben

KinCon-biolabs ins Leben gerufen, um

mit einer einzigartigen und patentierten

Biosensor-Plattform direkt in lebenden

Zellen zu testen, wie Medikamente die

Struktur und damit die Funktion von Kinasen

verändern. „In den vergangenen

Jahren wurde die Proteinfamilie der Kinasen

zu einem Hauptziel für die Medikamentenentwicklung

und dies mit einem

besonderen Fokus auf die Eindämmung

von Tumorwachstum“, erzählt Eduard

Stefan, der sich gemeinsam mit Rainer

Schneider, Philipp Tschaikner und Florian

Enzler zum KinCon-biolabs zusammengeschlossen

hat. Bisher wurden mehr

als 50 Kinase-Hemmer für die klinische

Anwendung, und hier vor allem für die

Krebstherapie, zugelassen. Diese auf Kinasen

ausgerichteten Therapien gehen

aber tragischerweise häufig mit erworbenen

Resistenzen und Nebenwirkungen

von den eingesetzten Arzneimitteln einher.

„Die mangelnde Wirksamkeit von

klinisch eingesetzten Kinase-Hemmern

motivierte uns, dem auf den Grund zu

gehen“, erzählt Projektmanager Philipp

Tschaikner. „Deshalb haben wir hier am

Institut zelluläre Reporter entwickelt, um

die molekularen Mechanismen der Kinase-Hemmung

direkt in Zelllinien von

Patienten zu untersuchen.“

Die Mission des KinCon-biolabs für die

nächsten 18 Monate ist die Ausweitung

der Kinase-zentrierten Biosensorplattform

für eine systematische und zellbasierte

Validierung von Kinase-Hemmern,

die sich in der Entwicklung oder auch

schon in klinischer Anwendung befinden.

Die Forscher haben sich dabei für einen

präzisionsmedizinischen Ansatz entschieden,

indem sie Wechselwirkungen

von Wirkstoffen mit mutierten Kinasen

analysieren. Das zukünftige Hauptziel

von KinCon-biolabs ist es, Pharmaunternehmen

bei der Entscheidungsfindung

zu unterstützen: „Welcher ist der richtige

Wirkstoff, um deregulierte Kinasen, die

patienten-spezifische Mutationen aufweisen,

effizient zu hemmen?“

Basis für Firmengründung

Als Ausgangspunkt validieren die Mitarbeiter

von KinCon-biolabs in Zellkulturmodellen

eine Reihe krankheitsrelevanter

Kinaseaktivitäten, die bei der Entstehung

vom Melanom und von Lungenkrebs eine

wichtige Rolle spielen. Zudem sind die

Wissenschaftler sehr daran interessiert,

ihre KinCon-Reporteranalysen auf bislang

vernachlässigte Kinase-Wirkstoffziele

der Kinase-Superfamilie – mit insgesamt

mehr als 500 Mitgliedern – auszudehnen.

Das mit beinahe 380.000 Euro

dotierte Spin-off-Fellowship soll dazu

beitragen, den universellen Nutzen der

patentierten KinCon-Biosensorplattform

für die Vorhersage der Wirksamkeit von

Kinase-Arzneimitteln zu bestätigen. Auf

dieser Basis hoffen die vier Wissenschaftler,

das Biotech-Unternehmen KinConbiolabs

gründen zu können. cf

34 zukunft forschung 02/19

Fotos: Uni Inns bruck


WISSENSTRANSFER

QUANTENCHIP

Infineon Austria forscht mit der Uni Inns bruck an konkreten

Fragestellungen zum kommerziellen Einsatz von Quantencomputern.

Ionenfallen haben sich als sehr erfolgreiche

Technologie für die Kontrolle

und Manipulation von Quantenteilchen

erwiesen. Sie bilden das Herzstück

der ersten funktionsfähigen Quantencomputer

und gelten neben supraleitenden

Quantenbits als vielversprechendste

Technologie für den Bau von kommerziellen

Quantencomputern. In dem EU-Horizon-2020-Projekt

PIEDMONS – Partner

sind Infineon Technologies Austria, die

Universität Inns bruck, die ETH Zürich

und Interactive Fully Electrical Vehicles

aus Italien – loten Ingenieure und Forscher

seit 2018 gemeinsam aus, wie Ionenfallen

mittels Halbleiter-Fertigungstechnologien

gebaut werden können

und welche Quantenchip-Architekturen

besonders von der erhöhten Präzision

und Skalierbarkeit moderner Halbleiterfertigung

profitieren.

Silke Auchter forscht in ihrer Doktorarbeit

an solchen Ionenfallen. Diese sollen

mittels Halbleiter-Fertigungstechnologien

weiterentwickelt werden. So können die

Fallen sehr einheitlich und präzise produziert

und leichter mit miniaturisierter

Elektronik und Optik verbunden werden.

QUANTENTECHNOLOGIEN „MADE IN AUSTRIA“

Auch lassen sich auf diese Weise komplexere

und umfangreichere Fallenkonzepte

umsetzen, die robust gegenüber äußeren

Störeinflüssen sind. Mit den ersten Quantenchip-Prototypen,

entwickelt in der

MEMS-Abteilung in Villach, führen Innsbrucker

Physiker um Silke Auchter bereits

Experimente durch. Auchter arbeitet als

Doktorandin bei Infineon und wird am

Institut für Experimentalphysik der Uni

Inns bruck vom Quantenphysiker Rainer

Blatt betreut.

SILKE AUCHTER mit dem Wafer, auf

dem sich etwa 1.000 Chips für die Quantenforschung

befinden.

Im vergangenen Jahr hat sich die Universität Inns bruck am Spin-off Alpine Quantum Technologies

(AQT) beteiligt. Das 2017 gegründete Unternehmen hat sich der Entwicklung und

dem Vertrieb eines kommerziellen Quantencomputers verschrieben. Der Marktvorsprung

von AQT entsteht aus der engen Zusammenarbeit mit der

Inns brucker Quantenphysik, welche die theoretischen und

experimentellen Grundlagen für den Quantencomputer

geschaffen hat und bereits über einen programmierbaren

Ionenfallen-Quantencomputer mit 20 Quantenbits verfügt.

Rainer Blatt, gemeinsam mit Peter Zoller und Thomas

Monz einer der drei Quantenphysiker, welche die AQT

gegründet haben, berichtet: „Die enge Zusammenarbeit

zwischen Universität Inns bruck, IQOQI Inns bruck und

der AQT wird es uns erlauben, den wissenschaftlichen

Vorsprung Europas bei den Quantentechnologien auch in

einen kommerziellen Vorsprung Europas umzumünzen.“

Neben der Universität hat sich auch die Österreichische

Forschungsförderungsgesellschaft FFG an dem zukunftsträchtigen

Unternehmen beteiligt.

GEMEINSAMES

UNTERNEHMEN

Die Bank für Tirol und Vorarlberg

AG (BTV) und die Universität

Inns bruck haben gemeinsam das Unternehmen

Innfoliolytix gegründet.

Dieses entwickelt Kapitalmarktstrategien,

die ausschließlich auf neuesten

wissenschaftlichen Forschungsergebnissen

basieren. Als universitäres

Spin-off forscht es im Bereich der modernen

Kapitalmarkttheorie macht die

Forschungsergebnisse in Form von

quantitativen Anlagestrategien Kapitalmarktanlegern

zugänglich. Wichtig

sei aber vor allem der gegenseitige

Know-how-Transfer, betont BTV-Vorstandsvorsitzender

Gerhard Burtscher:

„115 Jahre Erfahrung der BTV an den

Kapitalmärkten und wissenschaftliche

Kapitalmarktforschung mit modernsten

Methoden durch die Universität

Inns bruck bilden die Basis für herausragende

Lösungen und Ergebnisse.“

„Modernes, erfolgreiches Asset Management

basiert mehr und mehr auf

Erkenntnissen der quantitativen Kapitalmarktforschung.

Durch die Kooperation

der BTV mit der Uni Inns bruck ist

es gelungen, den Grundstein dafür zu

legen, dass wissenschaftliche Forschung

im Bereich der Vermögensveranlagung

einen sichtbaren Nutzen für Privatanleger

in der Region schaffen kann“, erklärt

Geschäftsführer Jochen Lawrenz. Er ist

genauso wie Matthias Bank als Miteigentümer

maßgeblich an der Gründung

beteiligt. Beide sind ausgewiesene Experten

im Bereich der Banken- und Kapitalmarktforschung:

Jochen Lawrenz

ist Professor für Risikomanagement am

Institut für Banken und Finanzen der

Universität Inns bruck und Matthias

Bank Dekan der Fakultät für Betriebswirtschaft

und Professor für Bankwirtschaft.

Fotos: Infineon Austria (1), IQOQI Inns bruck/Harald Ritsch (1), Gerhard Berger (1)

zukunft forschung 02/19 35


PHARMAZIE

BUNTE, HEILENDE PILZE

Die Chemikerin Bianka Siewert forscht mit ihrem Team zur ökologischen Bedeutung der Farbstoffe in

Pilzen und untersucht ihre lichtaktivierbaren Stoffe für neue Möglichkeiten in der Krebstherapie.

Bereits seit einigen Jahren forscht Bianka

Siewert im Bereich der Krebstherapie

– zu Beginn an Naturstoffen

und später an lichtaktivierbaren

Tumormedikamenten, basierend auf

synthetisch hergestellten Metallverbindungen.

Seit 2016 arbeitet die junge Wissenschaftlerin

am Institut für Pharmazie

und versucht, diese beiden Bereiche zu

verbinden. „Ich forsche an neuen Möglichkeiten

in der Lichttherapie. Dazu

nutze ich die Kreativität und die Vielfalt

der Natur und verbinde sie mit bereits

bestehendem Wissen zu lichtaktivierbaren

Stoffen“, erklärt Siewert. Ihr Ziel

ist eine bessere und gezieltere Therapie

von TumorpatientInnen. Dafür möchte

Siewert aus Pilzen gewonnene Wirkstoffe

entwickeln, die mittels lokaler Belichtung

nur im Tumorgewebe aktiv sind.

BIANCA SIEWERT forscht an neuen Möglichkeiten in der Lichttherapie, nutzt dazu Kreativität

und Vielfalt der Natur und verbindet sie mit bestehendem Wissen zu lichtaktivierbaren Stoffen.

Lichttherapie

Neben der lokalen Aktivierung bringen

lichtaktivierbare Medikamente weitere

Vorteile: Zum einen geht man davon

aus, dass es nicht zur Ausbildung resistenter

Tumoren kommt, zum anderen ist

die Rückkehrrate gering. Das liegt daran,

dass lichtaktivierbare Verbindungen, sobald

sie belichtet werden, reaktive Sauerstoffspezies

produzieren, die alle bestrahlten

Zellen vernichten. Klassische,

selektive Tumormedikamente hingegen

erkennen Krebszellen an spezifischen Rezeptoren,

die diese an ihrer Außenwand

tragen. Da ein Tumor von Natur aus aber

ein Konglomerat verschiedenster mutierter

Zellen ist, die nicht alle den gleichen

Rezeptor tragen, können nie alle Tumorzellen

getötet werden. Zudem setzen sich

während der klassischen Therapie vermehrt

die Mutationen im Tumor durch,

die keinen oder einen anderen Rezeptor

tragen. Die photodynamische Lichttherapie

ist bereits seit mehreren Jahren zugelassen.

Durch die zusätzlich notwendige

Belichtung ist ihre klinische Anwendung

wesentlich komplexer als klassische Chemotherapien,

weshalb sie bisher nur ei-

36

zukunft forschung 02/19

Fotos: Andreas Friedle


PHARMAZIE

ne Nebenrolle spielt. Das soll sich aber

ändern: „Immense Fortschritte in der

LED-Technik führten in den vergangenen

Jahren zu signifikanten Fortschritten

in den Lichtdarbietungsformen, die die

photodynamische Therapie revolutionieren“,

sagt Siewert.

Ein noch bestehender Nachteil dieser

Therapieform ist die limitierte Anzahl

zugelassener Medikamente. Eines, Hypericin,

kommt natürlich im Johanniskraut

vor, alle anderen sind synthetisch

hergestellte Moleküle. Aktuell wird

viel an lichtaktivierbaren Metallverbindungen

geforscht, wie etwa an Platinverbindungen,

die in der Chemotherapie

eingesetzt werden. Diese sind dem

menschlichen Körper jedoch fremd. Eine

Hypothese von Siewert ist, dass lichtaktivierbare

Verbindungen aus Naturstoffen

harmonischer im menschlichen Organismus

wirken.

Pilze

Während von Pflanzen bereits bekannt

ist, dass sie chemische Verbindungen besitzen,

die durch Licht aktiviert werden

und sie so vor Fraßfeinden schützen,

wurden Pilze dahingehend noch nicht

untersucht. Erste Forschungsergebnisse

von Siewert weisen jedoch darauf hin,

dass auch Pilze solche Verbindungen

aufweisen. „Pilze und ihre bunten Farben

üben schon länger eine große Faszination

auf mich aus“, sagt Siewert. „Aus Neugierde

habe ich mich gefragt, was das

für Stoffe sind, die ihre Farben entstehen

lassen. Aufgrund meiner bisherigen

Forschungsarbeit konnte ich sehen, dass

die Pilz-Farbpigmente anderen, bereits

bekannten lichtaktivierbaren Verbindungen

sehr ähnlich sind“, erklärt die

Chemikerin.

Einige Pilzarten ändern ihre Farbe

erst dann, wenn sie beispielsweise von

BIANKA SIEWERT studierte an der

Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

und promovierte 2013 auf dem

Gebiet der antitumoraktiven Naturstoffe.

Anschließend forschte sie an der

Universität Leiden (Niederlande) auf dem

Gebiet der lichtaktivierbaren metallorganischen

Verbindungen. Seit 2016 ist sie

an der Universität Inns bruck tätig, wo sie

2017 eine Nachwuchsförderung für ihr

Projekt „neue Photosensibilisatoren aus

Pilzen“ erhielt. Darauf aufbauend konnte

sie 2018 erfolgreich ein TWF- sowie ein

FWF-Projekt einwerben und ein hochmotiviertes

Forscherteam aufbauen.

Tieren angebissen werden. Könnten

Siewert und ihr Team zeigen, dass es

sich dabei um lichtaktivierbare Verbindungen

handelt, die der Pilz erst produziert,

wenn er beschädigt ist, wäre das

ein weiterer Fortschritt. „Wenn wir das

nachweisen könnten, ist es in Zukunft

vielleicht möglich, dass das lichtaktivierbare,

natürliche Medikament erst in

der Tumorzelle synthetisiert wird, bevor

es durch das Licht seine Wirkung entfaltet.

Dadurch könnte die unangenehme

Nebenwirkung der Lichttherapie, die

Lichtsensibilität, bezwungen werden“,

erklärt Bianka Siewert. Die ersten drei

Photosensibilisatoren, das sind durch

Licht aktivierbare Verbindungen, konnte

Bianka Siewert mit ihrem Team kürzlich

aus rot-orangen, in Tirol beheimateten

Waldpilzen isolieren und charakterisieren.

Damit sind sie der Frage nach der

ökologischen Bedeutung der Farben in

Pilzen und dem Ziel, neue lichtaktivierbare

Verbindungen zu finden, bereits ein

Stück nähergekommen.

Antimikrobielle Forschung

Pilze spielen in der Medizin spätestens

seit der Entdeckung von Penicilline 1928

eine große Rolle. Denn auch das Antibiotikum

wird durch Pilze, genauer durch

Schimmelpilze, erzeugt. Trotz zahlreicher

Bakterienstämme, die gegen dieses Antibiotikum

mittlerweile resistent sind, ist

es nach wie vor erfolgreich im Einsatz.

„Wirtschaftlich gesehen haben Pilze einen

großen Vorteil: Sie synthetisieren

schnell und kostengünstig chemische

Moleküle“, sagt die Chemikerin. Diese

Eigenschaft von Pilzen will Siewert

nicht nur für die Krebstherapie, sondern

auch für die Behandlung multiresistenter

Bakterieninfektionen nutzen. Gemeinsam

mit Mikrobiologinnen und Mikrobiologen

der Uni Inns bruck geht sie deshalb

auch der Frage nach, ob lichtaktivierbare

Pilz inhaltsstoffe zur antimikrobiellen Behandlung

eingesetzt werden können.

Gefördert wird ihre Forschung vom

FWF und auch vom TWF. Die gute Forschungsinfrastruktur

in Inns bruck und

Siewerts gutes Netzwerk bieten ihr ideale

Voraussetzungen für ihre Projekte: „Ich

forsche interdisziplinär. So arbeite ich zur

genauen Bestimmung meiner zu untersuchenden

Pilze eng mit der Mikrobiologie

zusammen. Die Universität Inns bruck ist

durch den 2002 verstorbenen Mykologen

Meinhard Moser, der den Grundstein für

ein systematisches Pilzregister gelegt hat,

ja quasi prädestiniert für die Forschung

mit und an Pilzen“, sagt Siewert. lm

DREI PHOTOSENSIBILATOREN konnte Bianka Siewert mit ihrem Team kürzlich aus Pilzen isolieren und charakterisieren.

zukunft forschung 02/19 37


GESUNDHEITSWISSENSCHAFT

INNS BRUCKER Forscherinnen und Forschern untersuchten „A-IQIs“, die Indikatoren zur Bewertung der Qualität in Krankenhäusern.

VERMESSUNG

DER HEILKUNST

Wie wird in österreichischen Krankenhäusern Qualität gemessen? Und welche Kriterien

können dafür herangezogen werden? Forscherinnen und Forscher vom Institut für Organisation

und Lernen untersuchen die Entwicklung und Anwendung der Qualitätsmessung

für stationäre Krankenhausaufenthalte in Österreich.

Im Rahmen der Gesundheitsreform

2013 wurde österreichweit ein neues

System zur Qualitätsmessung von

Gesundheitsdienstleistungen in Krankenhäusern

eingeführt. Dieses System

orientiert sich vor allem an einem zuvor

in Deutschland entwickelten Verfahren.

„Im Zuge der Reform wurde das System

dann für die österreichischen Verhältnisse

adaptiert und die sogenannten

A-IQIs, die Austrian Inpatient Quality

Indicators, eingeführt“, erklären Silvia

Jordan und Albrecht Becker vom Bereich

Management Accounting am Institut für

Organisation und Lernen der Universität

Inns bruck. Sie leiten gemeinsam mit

ihrem Team seit Herbst 2018 ein vom österreichischen

Wissenschaftsfonds FWF

gefördertes Projekt mit dem Titel „Qualitätsmessung

im Gesundheitswesen:

Diskurse und Praktiken“. Die A-IQIs stehen

dabei im Mittelpunkt des Interesses

des vierköpfigen Projektteams. „Bei den

A-IQIs handelt es sich um Indikatoren

zur Bewertung der Qualität der Resultate

von stationären Aufenthalten. Diese

Indikatoren werden für alle Krankenhäuser

in Österreich gleichermaßen angewendet

und bundesweit in Form einer

sogenannten Ergebnisqualitätsmessung

einheitlich erfasst“, sagt Silvia Jordan.

Die Qualitätsindikatoren basieren dabei

auf Daten, die ohnehin von den Krankenhäusern

erhoben werden müssen.

„In den österreichischen Krankenhäusern

– und das gilt für viele andere Systeme

in anderen Ländern auch – erfolgt

die Abrechnung nach einem stationären

Aufenthalt nicht auf Basis der tatsächlich

erbrachten Leistungen. Es gibt für

jede Diagnose- und Leistungsgruppe,

also im Grunde für bestimmte Erkran-

38 zukunft forschung 02/19

Fotos: Bernhard Mayr (1), Uni Inns bruck (1)


GESUNDHEITSWISSENSCHAFT

kungen und Behandlungsformen, einen

Standardwert, dem eine gewisse Punkteanzahl

zugewiesen ist. Nach erfolgter

Behandlung werden dem Krankenhaus

dann die entsprechenden Punkte gutgeschrieben

und in einen Geldwert umgerechnet.

Dieser Vorgang wird als LKF, als

leistungsorientierte Krankenanstaltenfinanzierung,

bezeichnet und ist bereits

seit 1997 in dieser Form in Österreich

im Einsatz“, verdeutlicht Becker. Die

Herausforderung aus Sicht der Krankenhäuser

ist offensichtlich: „Es handelt sich

um eine Pauschale. Im Wesentlichen unabhängig

davon, wie der Eingriff verlaufen

ist, ob Komplikationen aufgetreten

sind oder wie lange der stationäre Aufenthalt

gedauert hat: Der an das Krankenhaus

ausbezahlte Geldbetrag bleibt

der gleiche. Das ist bereits eine Form der

Qualitätskontrolle, da dadurch natürlich

Anreize zu möglichst effizientem Handeln

geschaffen werden sollen.“

Komplexität

Im Zuge der Abrechnung erheben Krankenhäuser

somit eine Reihe von Daten,

die auch für andere Bereiche von großem

Interesse sind. Aus ihnen ergeben sich in

gleicher Weise auch die Qualitätsauswertungen

in Form der genannten A-IQIs:

Dazu zählen insbesondere Parameter

wie Sterbehäufigkeiten, Aufenthalte in

Intensivstationen, Komplikationen bei

Eingriffen oder im Heilungsprozess,

Operationstechniken oder Versorgungs-

„Eine statistisch stärker

ausgeprägte Sterberate heißt

zum Beispiel noch lange nicht,

dass im Krankenhaus etwas

nicht gut läuft. “

Silvia Jordan

bzw. Prozessindikatoren. „Dadurch soll

die Qualität stationärer Leistungen in

Österreichs Krankenhäusern transparent,

vergleichbar und steuerbar werden“, so

Jordan.

Die Ergebnisse der Erhebungen werden

in Jahresberichten veröffentlicht und

sind – zumindest teilweise – einsehbar,

die Daten sind allerdings nicht einzelnen

Krankenhäusern zuordenbar. Das Dilemma:

Die Bewertung von Qualität in

teilweise sehr großen, logistisch herausfordernden

Krankenhausbetrieben, die

mit der Behandlung von wiederum sehr

individuellen Erkrankungen und Bedürfnissen

der Patientinnen und Patienten

betraut sind, ist äußerst schwierig. „Die

Qualitätsmessung ist im Gesundheitswesen

einerseits ein zentraler Steuerungsparameter,

andererseits eine hochkomplexe

Herausforderung“, wie Silvia Jordan

erklärt. „Eine statistisch stärker ausgeprägte

Sterberate heißt zum Beispiel noch

lange nicht, dass im Krankenhaus etwas

nicht gut läuft. Es kann auch heißen, dass

das Einzugsgebiet des Krankenhauses

in einem von Umweltfaktoren negativ

beeinflussten Bereich liegt oder dass es

besonders viele Hochrisikopatientinnen

und -patienten versorgt.“ Ein System wie

die A-IQIs bildet „Qualität“ nicht einfach

neutral ab, sondern jede Art der Qualitätsmessung

basiert auf einer bestimmten

Sichtweise von Qualität und spiegelt spezifische

Interessen wider.

Eine weitere Herausforderung betrifft

die Diskussion dieser Kennzahlen in den

einzelnen Krankenhäusern in Hinblick

auf mögliche Qualitätsverbesserungen.

„Innerhalb der immer noch sehr stark

hierarchisch geprägten Krankenhausorganisation

ist es alles andere als selbstverständlich,

dass fächer- und hierarchieübergreifend

medizinische Behandlungsweisen

und Prozesse diskutiert werden.

Kennzahlen, die einen solchen Dialog in

Krankenhäusern anregen sollen und die

noch dazu außerhalb der Organisation

entwickelt wurden, können daher auf

diverse Widerstände treffen“, ergänzt

Becker.

Fallstudien

Das Team nähert sich in seinem Forschungsprojekt

der Thematik von verschiedenen

Seiten und hat zwei Teilprojekte

definiert, in denen derzeit die Datenerhebung

stattfindet. „Wir schauen

uns im ersten Teilprojekt – auch aus einer

DAS FORSCHUNGSPROJEKT „Qualitätsmessung

im Gesundheitswesen:

Diskurse und Praktiken“ wird vom Wissenschaftsfonds

FWF gefördert und läuft

noch bis September 2021. Das Projektteam

wird von Silvia Jordan und Albrecht

Becker geleitet, Patrick Neff und Michael

Wörndle sind Projektmitarbeiter und

verfassen im Rahmen ihrer Verantwortlichkeit

für Teilprojekte ihre Dissertationen.

Das Projekt ist in den Life & Health

Science Cluster Tirol eingebunden. (Im

Bild v.l.n.r.: Michael Wörndle, Albrecht

Becker, Patrick Neff und Silvia Jordan)

historischen Perspektive – genau an, wie

sich die A-IQIs, die Qualitätsindikatoren,

für Österreich entwickelt haben und auf

Basis welcher Kriterien sie speziell für

Österreich entstanden sind. Dabei interessiert

uns auch die Frage, welche Perspektiven

auf die Leistungen eines Krankenhauses

dabei tatsächlich ermöglicht

werden – und welche Alternativen dazu

vielleicht auch ausgeblendet werden“,

ergänzen Jordan und Becker.

Das zweite Teilprojekt umfasst einen

detaillierten Blick in die inneren Abläufe

der Krankenhäuser. Dazu hat das Team

Krankenanstalten ausgewählt, in denen

so genannte ethnografische Fallstudien

durchgeführt werden. „Mit diesen Fallstudien

untersuchen wir den tatsächlichen

Umgang mit diesen Qualitätsindikatoren

im Krankenhausalltag. Hier ist es

uns wichtig, die Perspektiven und Erfahrungen

der Beteiligten zu erfassen und

zu identifizieren, welche Möglichkeiten

oder auch Schwierigkeiten sich aus dieser

Form der Qualitätsbewertung ergeben.“

Die Ergebnisse des Projekts sollen

auch den Entscheidungsträgerinnen undträgern

im Ministerium und den Krankenhäusern

zugutekommen – beispielsweise

in Form von Workshops. mb

zukunft forschung 02/19 39


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KURZMELDUNGEN

DAS GROSSE QUAKEN

Ein Forschungsteam um Michael Traugott hat gemeinsam mit der

Bevölkerung 100 Gewässer in Tirol untersucht.

In den heimischen Gewässern leben

nicht nur Erdkröten, Bergmolche oder

Grasfrösche. Ein Forschungsteam um

Michael Traugott vom Institut für Ökologie

hat in dem Citizen-Science-Projekt

„Der Frosch im Wassertropfen“ gemeinsam

mit der Bevölkerung 100 Gewässer in

Tirol untersucht. Neben einer großen Fülle

an unterschiedlichen Amphibien wurde

dabei auch die DNA des für Amphibien

gefährlichen Chytridpilzes festgestellt.

Der Pilz befällt die Haut der Amphibien,

ein wichtiges Atmungsorgan der Tiere.

Von den 13 für Tirol nachgewiesenen

in Gewässern lebenden Amphibienarten

konnten neun Arten sicher nachgewiesen

werden. Das waren der Feuersalamander,

der Bergmolch, der Teichmolch, der

Alpen-Kammmolch, die Gelbbauchunke,

die Erdkröte, der Laubfrosch, der Grasfrosch

und der Teichfrosch. „Zusätzlich

wurden auch DNA-Spuren des italienischen

Wasserfrosches gefunden. Sollte

dieses Vorkommen bestätigt werden,

dann ist das der erste Nachweis für Tirol“,

erläutert Daniela Sint.

„Mit dieser ersten Untersuchung in

Teichen aus allen Bezirken Tirols ist es

uns gelungen, einen Überblick über das

Amphibienleben zu bekommen. Für den

Natur- und Artenschutz ist es von Bedeutung,

weitere Untersuchungen in den

vom Pilz betroffenen Gebieten durchzuführen“,

verdeutlicht Traugott.

WARUM FRAUEN PERSONAL-

VORSTAND WERDEN

Es gehört inzwischen dazu, dass

wenigstens eine Frau im Vorstand

vertreten ist. Wenn Unternehmen über

die Neuberufung weiblicher Vorstandsmitglieder

berichten, fällt auf, dass Frauen

häufig für das Personalressort bestellt

werden. Der Frage, warum das so ist, sind

Forscherinnen der Universitäten Inns bruck

und Salzburg um Julia Brandl auf Basis

von Daten zu Vorstandsgremien aus 172

Unternehmen nachgegangen. Ihre Studie

legt nahe: Wo der gesellschaftliche Druck

hoch ist, im Vorstand Genderdiversität zu

fördern, berufen Unternehmen Frauen

systematisch als Personalvorstand. Und

sofern Unternehmen bislang kein eigenes

Personalressort haben, richten sie dieses

Ressort oftmals mit der Berufung des

weiblichen Vorstandsmitglieds erstmals

ein. Im Ergebnis bestätigt die Studie, dass

Druck auf Unternehmen zur Berufung von

Frauen in den Vorstand wirksam ist. Sie

zeigt allerdings auch, dass Unternehmen

ihren Spielraum unter diesem Druck so

nutzen, dass die traditionelle Arbeitsteilung

zwischen Frauen und Männern im

Management bestehen bleibt.

NACHHALTIGE MOBILITÄT

E

lektroautos, mit Wasserstoff betriebene LKW, neue Konzepte zur gemeinsamen Nutzung

von Fahrzeugen oder neue Möglichkeiten der Vernetzung im öffentlichen Verkehr werden

die Mobilität verändern. Wie die Menschen darauf reagieren werden, welche Angebote

sie annehmen und wie sehr sie ihr eigenes Mobilitätsverhalten anpassen und verändern

müssen, ist noch unklar. „Unumstritten ist, dass sich Mobilität verändern wird. Damit Verkehr

dabei auch nachhaltiger wird, muss sich das Verhalten auch entsprechend ändern, das

heißt beispielsweise vermehrt Autos zu teilen, aber auch Kurzstrecken wieder zu Fuß oder

mit dem Rad zurückzulegen“, so Markus Mailer vom Institut für Infrastruktur der Universität

Inns bruck. Das von ihm geleitete Centre for Mobility Change – Zentrum für Mobilitätsverhaltensänderung

(CMC) sammelt Wissen zu Potenzialen und Herausforderungen der Mobilitätsverhaltensänderung

im digitalen Zeitalter und gibt dieses an alle Akteurinnen und Akteure

weiter, die mit Verkehrsproblemen konfrontiert sind und Lösungen dazu erarbeiten und

entwickeln. „Das CMC will dazu beigetragen, Rahmenbedingungen und disruptive Potenziale

zu identifizieren sowie die Praxiswirksamkeit themenrelevanter Forschung zu erhöhen“,

so Markus Mailer.

Fotos: Bianca Zerobin (1), Snapwire (1), Commerz Real (1)

zukunft forschung 02/19 41


POLITIKWISSENSCHAFT

MEDIALE STIMMUNGS-

SCHWANKUNGEN

Der Politikwissenschaftler Kohei Watanabe untersucht veröffentlichte

Meinung und die darin ausgedrückte Stimmung in großem Stil.

Seit 2014 herrscht in der Ukraine

Krieg: Russland annektierte die

Halbinsel Krim, Verwaltungsbezirke

im Osten der Ukraine werden von

Separatisten beherrscht und bezeichnen

sich als von der Ukraine unabhängig.

„Um derartige Konflikte zu verstehen,

ist die breite Bevölkerung auf Berichte in

Medien angewiesen. Besonders einflussreich

sind dabei größere Nachrichtenagenturen,

deren Berichte anderen Medien

als Grundlage dienen. Die Unabhängigkeit

dieser Agenturen ist deshalb

besonders wichtig“, erklärt der Politikwissenschaftler

Kohei Watanabe. Für den

Westen, insbesondere für Westeuropa und

Nordamerika, sind hier Reuters, Associated

Press (AP) und der englischsprachige

Dienst der Agence France Presse (AFP)

einflussreich; für Russland erfüllen TASS

(bis 2014: ITAR-TASS) und Interfax eine

ähnliche Rolle. Diese beiden Agenturen

verfügen auch über einen englischsprachigen

Dienst für ein internationales Publikum.

In seiner Dissertation hat Kohei

Watanabe die Unabhängigkeit der staatlichen

Agentur TASS durch einen Vergleich

ihrer Berichterstattung mit jener der

kommerziellen Agentur Interfax näher

beleuchtet – der Untersuchungszeitraum

reichte vom Rückzug der Janukowitsch-

Regierung aus den Verhandlungen mit

der EU im November 2013 über das Referendum

über die Abspaltung der Krim

im März 2014 bis zur Militäroperation der

pro-westlichen ukrainischen Regierung in

ihren östlichen Regionen im April desselben

Jahres.

„Wir können natürlich nicht beobachten

oder miterleben, wie konkret Regierungen

Einfluss auf Presseagenturen

nehmen. Was wir aber messen können,

ist der Output der Agenturen. Im Fall von

ITAR-TASS, die ja ein Staatsunternehmen

ist, lässt sich ein Einfluss des russischen

Staates deutlich nachweisen“, sagt Watanabe.

Positive Entwicklungen für Russland

in der Ukraine wurden von TASS

positiver berichtet, während negative

Ereignisse ebenfalls negativer vorkamen.

BERICHTERSTATTUNG in der New York Times über Deutschland und Japan von den

1860ern bis heute: Die y-Achse zeigt das Maß, in dem die Länder als Bedrohung für die

USA gezeigt werden, die x-Achse den Zeitverlauf.

„Interessant ist, dass diese Änderungen

im Tonfall der Berichterstattung bei der

TASS deutlicher ausgeprägt waren als

bei Interfax. Interfax ist im Gegensatz zur

TASS privatwirtschaftlich organisiert.

Aber auch bei Interfax ist ein gewisser

Einfluss zu bemerken, besonders im Framing

von politischen Ereignissen – auch

Interfax ist von der staatlichen Agentur

TASS abhängig, was den Zugang zu bestimmten

Informationen betrifft, und

übernimmt damit deren Sicht.“

Digitale Methoden

Derartige statistische Auswertungen

beruhen auf Medientexten, die ein Algorithmus

auf darin ausgedrückte Stimmungen

untersucht und einordnet. Kohei

Watanabe verwendet einen Großteil seiner

Zeit dafür, diesen Algorithmus weiterzuentwickeln

und zu verfeinern; das in

der Programmiersprache R geschriebene

Paket heißt „Quanteda“ und ist vielfältig

einsetzbar. Watanabe ist seit Sommer 2019

am Institut für Politikwissenschaft und

am Digital Science Center (DiSC) der Uni

Inns bruck tätig. Derzeit arbeitet er an einer

Auswertung des Archivs der New York

Times: „Ich interessiere mich dafür, welche

Länder zu welchen Zeitpunkten in

der New York Times – und damit im Mainstream

der Meinungen in den USA – als

Bedrohung für die Sicherheit beschrieben

wurden. Grundlage sind Beitragszusammenfassungen

der New York Times seit

den 1860ern“, sagt der Wissenschaftler.

Die Beiträge werden nach zwei Kriterien

sortiert und klassifiziert: Der Algorithmus

durchsucht sie nach geografischen

Informationen, außerdem auf

den Achsen zwischen Feindseligkeit und

Freundlichkeit einerseits und Bedrohung

für die Sicherheit oder Harmlosigkeit andererseits.

Das Ergebnis ist faszinierend

42

zukunft forschung 02/19

Foto: Andreas Friedle; Grafik: Kohei Watanabe


POLITIKWISSENSCHAFT

– und im Nachhinein in Kenntnis historischer

Ereignisse auch leicht erklärbar:

So zeigen zum Beispiel Berichte über

Deutschland in der Statistik im Vorfeld

und während des Ersten und des Zweiten

Weltkriegs eindeutige Ausschläge

„Wir können natürlich nicht

beobachten oder miterleben, wie

konkret Regierungen Einfluss auf

Presseagenturen nehmen. Was

wir aber messen können, ist der

Output der Agenturen.“ Kohei Watanabe

nach oben – in Richtung Feindseligkeit

und Bedrohung –, während für Russland

bzw. die Sowjetunion Ähnliches ab

Mitte der 1940er-Jahre zu beobachten ist.

Lassen sich so, mit der Untersuchung

aktueller Berichte, mögliche künftige

Konfliktherde ausmachen? Watanabe ist

vorsichtig: „Das kann man so klar nicht

beantworten. Wir untersuchen ja Daten

im Nachhinein und da kennen wir die

Zusammenhänge. Ob die Stimmung in

den Berichten und der veröffentlichten

Meinung negativer wird, weil ein militärischer

Konflikt mit einem Land in der

Luft liegt oder ob der Zusammenhang

nicht viel eher umgekehrt funktioniert,

ist nicht klar zu sagen.“

Einsatz in der Lehre

Grundsätzlich lassen sich mittels Quanteda

ganz unterschiedliche statistische

Auswertungen erstellen. Watanabe selbst

hat mit Kollegen auch japanische und israelische

Medien auf deren Berichte über

das Ausmaß der Bedrohung durch Nordkorea

(im Fall von Japan) und durch den

Iran (für Israel) untersucht, jeweils eine

konservativere und eine liberalere Zeitung.

„Unsere Grundannahme war, dass

konservative Medien die Bedrohung stärker

betonen als liberale. Für Japan lässt

sich das bestätigen, für Israel nicht so

deutlich.“ Derzeit ist der Algorithmus für

Englisch und Japanisch, Watanabes Muttersprache,

optimiert, kann aber für jede

andere Sprache angepasst werden. „Die

Grundlage bildet ein Lexikon von rund

1.000 Wörtern und Phrasen, die – einfach

gesagt – auf einer Skala von ‚gut‘ bis

‚schlecht‘ eingeteilt sind, und Synonyme

dieser Begriffe. Diese Einteilung muss für

jede Sprache gemacht und überarbeitet

werden, da steckt einiges an Arbeit dahinter“,

erklärt der Forscher.

KOHEI WATANABE studierte Literatur

und Soziologie an der Seikei-Universität

und der Musashi-Universität (beide Tokio,

Japan), danach Politikwissenschaft an der

Central European University in Budapest.

2017 promovierte er an der London School

of Economics and Political Science (LSE).

Zwischen 2014 und 2019 forschte Watanabe

an der LSE, der University of Oxford

und der Waseda University, zudem war er

Chefentwickler der Quanteda Initiative,

UK. Seit Sommer 2019 ist er am Institut für

Politikwissenschaft und am Digital Science

Center (DiSC) der Uni Inns bruck tätig.

Quanteda ist komplett quelloffen und

kann von jedem und jeder Interessierten

eingesetzt und angepasst werden. Watanabe

setzt Quanteda auch in der Lehre

in Inns bruck ein. Ein Problem ist hier der

Zugang zu den Quellen: Um Aussagen

treffen zu können, braucht es Zugriff auf

die Archive von Medien. Hier ist vieles

nicht oder nur sehr kompliziert oder teuer

zugänglich. „Die New York Times bietet

derzeit noch durch eine Programmierschnittstelle

Zugriff auf Artikeldaten für

wissenschaftliche Zwecke, das ist allerdings

international leider eher die Ausnahme

als die Regel.“

sh

zukunft forschung 02/19 43


UNI-HOLDING

DAS SPIN-OFF incremental3d hat eine 3D-Drucktechnik für Beton entwickelt.

NEUE UNTERNEHMENS-

GRÜNDUNGEN

Im vergangenen Jahr hat sich die Universität Inns bruck über

die Uni-Holding an mehreren Spin-off-Unternehmen beteiligt.

Die aktuell 17 Unternehmen im

Portfolio der Beteiligungsgesellschaft

entwickeln Ergebnisse

aus der Forschung zur Marktreife weiter

und verwerten diese kommerziell.

So konnten in den vergangenen Jahren

knapp 100 neue Arbeitsplätze in Tirol

geschaffen werden. Eine Studie des Instituts

für Höhere Studien (IHS) attestiert

der Universität Inns bruck mit ihrer

erfolgreichen Spin-off-Strategie samt

Beteiligungsportfolio und Beteiligungsmanagement

eine Sonderstellung in der

österreichischen Universitätslandschaft.

Bestätigt wird diese Rolle auch in einer

aktuellen OECD-Studie zum Thema Supporting

Entrepreneurship and Innovation

in Higher Education in Austria.

Zu den erfolgreichen Ausgründungen,

an denen sich die Universität Inns bruck

direkt beteiligt hat, zählt die Urisalt

GmbH, die eine patentierte Lösung für

die Bestimmung gesundheitsrelevanter

Elektrolytwerte vermarktet. Mit dem

nicht-invasiven Test können Ärzte und

Laien mit Hilfe von Urin-Teststreifen und

einem tragbaren Analysegerät den Status

aufwendiger Blutanalysen überprüfen.

In Kooperation mit dem Baustoffproduzenten

Baumit entwickelten drei Architekten

der Uni Innsbruck eine 3D-Drucktechnik

für Beton, mit der sie Betonobjekte

in fast jeder beliebigen Form schnell und

günstig herstellen können. Die 2017 gegründete

incremental3d GmbH produziert

derzeit vor allem Objekte für den

öffentlichen Raum und die Gartengestaltung

– vertrieben werden sie unter dem

Namen myPot. Gemeinsam mit der ETH

Zürich wollen die Jungunternehmer die

Technologie auch für den Hochbau marktfähig

machen.

UNI-HOLDING: Die Universität Innsbruck

Unternehmensbeteiligungsgesellschaft

mbH ist ein Unternehmen, das sich

seit seiner Gründung 2008 an kommerziell

ausgerichteten Spin-offs der Universität

Inns bruck beteiligt. Aktuell umfasst

das Portfolio insgesamt 17 Unternehmen

aus den Bereichen Chemie und Ökologie,

Digitalisierung, Finanzen, Umwelttechnik,

Geoinformatik, Informations- und Kommunikationstechnik,

Textiltechnologie,

Betondruck und Quantenphysik.

Das Spin-off-Unternehmen Sinsoma ist

ein ist ein Generalanbieter für DNA-Analysen,

verfügt über das breiteste Spektrum

an Analyseverfahren am Markt und

kann auf mehr als 20 Jahre Know-how in

Umwelt-DNA-Analysen verweisen. Sinsoma

bestimmt das Vorkommen von Organismen

über DNA-Spuren in verschiedensten

Lebensräumen und Probentypen,

analysiert Nahrungsbeziehungen mittels

Hochdurchsatz-DNA-Methoden und bietet

populationsgenetische Analysen an.

Das ehemalige Kompetenzzentrum

alpS wurde als kommerzielle Beteiligung

in das Portfolio aufgenommen und hat

sich mit seinen Consultingleistungen in

den Bereichen Klimawandelanpassung

und Klimaschutz als international tätiges

Ingenieur- und Beratungsunternehmen für

Betriebe, Kommunen und Länder etabliert.

Als weitere Beteiligungen wurden im

vergangenen Jahr die beiden Quanten-

Spin-offs Alpine Quantum Technologies

(AQT) und ParityQC aufgenommen, ebenso

das von der Bank für Tirol und Vorarlberg

sowie der Uni Innsbruck gegründete,

auf Kapitalmarktstrategien spezialisierte

Spin-off Innfoliolytix (siehe Seite 35).

44 zukunft forschung 02/19

Foto: incremental3d


FÖRDERUNGEN

PHOTONISCHE PLATTFORM

Barbara Kraus und Gregor Weihs sind an einer neugegründeten FWF-Forschungsgruppe

zu Multiphotonen-Experimenten mit Halbleiter-Quantenpunkten beteiligt.

GREGOR WEIHS ist Universitätsprofessor für Photonik am Institut für Experimentalphysik der Universität Inns bruck.

Forschungsgruppen sind ein neues

FWF-Förderinstrument, mit dem

Teams aus drei bis fünf international

herausragenden Forscherinnen und

Forschern unterstützt werden. Die Theoretikerin

Barbara Kraus und der Experimentalphysiker

Gregor Weihs von der

Universität Inns bruck haben sich nun

gemeinsam mit Armando Rastelli von

der Universität Linz und Philip Walther

von der Universität Wien das Ziel gesetzt,

eine weltweit führende photonische

Plattform zu etablieren, die sich

auf einen neuartigen Typ von Halbleiterphotonenquellen

in Kombination mit

innovativen photonischen Schaltkreisen

stützt, und diese zur Demonstration von

Multiphotonen-Quantenprotokollen zu

benutzen. Sie werden dabei vom österreichischen

Wissenschaftsfonds FWF

finanziell unterstützt. In der letzten Kuratoriumssitzung

wurden für die ersten

drei Forschungsgruppen insgesamt 4,2

Millionen Euro bewilligt.

Photonen eignen sich ideal für die

Quantenkommunikation und sind auch

geeignet für Anwendungen im Bereich

der Quantencomputer. Eine der Hürden

auf dem Weg zu diesen Anwendungen

war immer das Fehlen von Lichtquellen,

die imstande sind, „auf Befehl“ Einzelund

Mehrfachphotonen zu emittieren.

Die Lösung dieses Problems könnten

Strukturen von Halbleitermaterialien im

BARBARA KRAUS konzentriert sich in

ihrer Forschung auf die Untersuchung

grundlegender Probleme der Quanteninformationstheorie.

Nanometerbereich liefern, wie sie nun

von den österreichischen Forscherinnen

und Forscher entwickelt werden. Sie konzentrieren

sich auf Halbleiter-Quantenpunkte

aus Galliumarsenid, welche sehr

vorteilhafte Eigenschaften zeigen, wie

etwa die Fähigkeit, einzelne und verschränkte

Photonen mit Emissionsraten

im Gigahertzbereich zu erzeugen. Dabei

passt die Farbe ihres Lichts zu dem Bereich,

in welchem Silizium-Detektoren

sehr empfindlich sind. Es werden allerdings

noch erhebliche Anstrengungen

nötig sein, um die Helligkeit der Lichtquellen

und die Qualität der Photonen zu

erhöhen. Parallel zur Verbesserung der

Photonenquellen werden die Wissenschaftler

immer komplexere Anwendungen

realisieren und in photonische

Hochleistungsbauelemente integrieren.

Unter anderem ist ein Ziel die Erzeugung

von „Clusterzuständen“ einiger Photonen

für sichere Quantencomputer.

„Auf lange Sicht erwarten wir, dass dieser

Ansatz es uns ermöglichen wird, uns

den ultimativen Grenzen der photonischen

Quanteninformationsverarbeitung

anzunähern“, sagen die vier Forscherinnen

und Forscher.

Fotos: Andreas Friedle, ÖAW

zukunft forschung 02/19 45


PREISE & AUSZEICHNUNGEN

GEMEINSAM GEEHRT

Der Quantenphysiker

Helmut Ritsch (li.

ob.) vom Institut für

Theoretische Physik

erhielt den Erwin

Schrödinger-Preis

der Österreichischen

Akademie der Wissenschaften.

Er wurde für seine hervorragenden

Forschungsleistungen auf dem Gebiet der

Quantenoptik ausgezeichnet. Ritsch teilt sich

den mit 15.000 Euro dotierten Preis mit dem

Wiener Mathematiker Karlheinz Gröchenig.

Den ebenfalls von der ÖAW vergebenen Dissertationspreis

für Migrationsforschung

in

Höhe von 4.000 Euro

erhielt Claudius Ströhle

(li. un.) vom Institut

für Geschichtswissenschaften

und Europäische

Ethnologie.

VIELFACH AUSGEZEICHNET

Die Experimentalphysikerin

Francesca

Ferlaino erhielt den

Cécile DeWitt-Morette,

School of Physics

of the Houches Preis,

den die Französische

Akademie der Wissenschaften

2019 zum ersten Mal vergab. Der

Preis erinnert an die französische Physikerin

Cécile DeWitt-Morette, die in Savoyer Alpen

eine international bekannte Denkwerkstatt

für die moderne Physik gegründet hat. Ferlaino

wurde außerdem mit dem BEC 2019

Junior Preis ausgezeichnet und zum Fellow

der American Physical Society (APS) gewählt.

ERIKA-CREMER-PREIS

Die Molekularbiologin Nadine Jasmin Ortner

erhielt für ihre

hervorragenden Forschungsleistungen

die Förderung des

Erika-Cremer-Habilitationsprogramms.

Mit

dem Erika-Cremer-Habilitationsprogramm

fördert die Universität Inns bruck seit 2009

gezielt wissenschaftliche Frauenkarrieren.

Ortner forscht am Institut für Pharmazie zum

Dopamin-System in einem Kalziumkanal-

Autismus-Modell.

PREISE DER

STADT INNSBRUCK

Sechs PreisträgerInnen, darunter vier der Universität Inns bruck,

wurden mit dem „Preis der Landeshauptstadt Inns bruck für

wissenschaftliche Forschung 2019“ ausgezeichnet.

PREIS-ÜBERREICHUNG: Rektor Tilmann Märk (li.) und Vizerektorin Ulrike Tanzer gemeinsam

mit den PreisträgerInnen (v.l.): Walter Kuntner, der den Preis für Sandra Heinsch-

Kuntner entgegengenommen hat, Jerome Mertens, Florian Martin Müller und Thomas

Magauer bei der Verleihung in der Stadtbibliothek Innsbruck.

Aus Anlass des 350-Jahr-Jubiläums

der Universität Inns bruck wurde

das Preisgeld für den Preis der

Landeshauptstadt Inns bruck für wissenschaftliche

Forschung 2019 einmalig auf

30.000 Euro erhöht. Während der Preis

regulär jeweils in einem Jahr an die Medizinische

Universität Inns bruck und

in den beiden darauffolgenden Jahren

an die Leopold-Franzens-Universität

in den Sparten Geisteswissenschaft

und Naturwissenschaft verliehen wird,

wurden im Jubiläumsjahr Wissenschaftlerinnen

und Wissenschaftler beider

Universitäten ausgezeichnet.

„Die Stadt Inns bruck fördert damit

junge Forscherinnen und Forscher

und rückt den Wert der Wissenschaft

in den Vordergrund,“ würdigte Vizebürgermeisterin

Uschi Schwarzl die

akademischen Leistungen und hob den

wichtigen Beitrag der universitären Forschung

zum internationalen Ruf Innsbrucks

als Universitäts- und Bildungsstandort

hervor.

Von der Universität Inns bruck wurden

die ERC-Preisträger Jerome Mertens

(Institut für Molekularbiologie) und

Thomas Magauer (Institut für Organische

Chemie) sowie Sandra Heinsch-

Kuntner und Florian Martin Müller

vom Institut für Archäologien ausgezeichnet.

Von der Medizinischen Universität

wurden Peter Willeit von der

Universitätsklinik für Neurologie und

Victoria Klepsch vom Institut für Zellgenetik

geehrt. Bei einem Festakt in der

Stadtbibliothek im Dezember nahmen

die jungen Forscherinnen und Forscher

die Auszeichnung entgegen.

Der Preis wurde 1979 von der Landeshauptstadt

Inns bruck ins Leben gerufen.

Seit 2006 wird die Auszeichnung jedes

Jahr in Anerkennung der wissenschaftlichen

Forschung an den beiden Universitäten

im Wechsel vergeben.

46 zukunft forschung 02/19

Fotos: ÖAW (2), Uni Inns bruck (1), Andreas Friedle (1), Stadt Inns bruck/Lerche (1)


PREISE & AUSZEICHNUNGEN

LAUDATOR Roland Psenner, Preisträgerin Ulrike Tappeiner, Preisträger Alexander Ostermann

und Laudator Michael Oberguggenberger (v.li.)

LEISTUNGEN

AUSGEZEICHNET

Ulrike Tappeiner und Alexander Ostermann wurden für ihr

wissenschaftliches Gesamtwerk mit dem Wissenschaftspreis der

Stiftung Südtiroler Sparkasse ausgezeichnet.

Seit dem Jahr 2008 verleiht die Universität

Inns bruck im Namen der

Stiftung Südtiroler Sparkasse den

„Wissenschaftspreis für außergewöhnliche

Forschungsleistung der Stiftung

Südtiroler Sparkasse“ als Würdigung

für das wissenschaftliche Gesamtwerk

von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern

an der Universität Inns bruck.

Der Preis ist mit insgesamt 10.000 Euro

dotiert. Stellvertretend für Konrad Bergmeister,

Präsident der Stiftung Südtiroler

Sparkasse, überreichte Marjan Cescutti

die Wissenschaftspreise an die Ausgezeichneten.

„Der Preis der Stiftung Südtiroler

Sparkasse ermöglicht es uns, engagierte

wissenschaftliche Mitarbeiterinnen

und Mitarbeiter zu unterstützen und zu

fördern. Dafür möchte ich mich bedanken“,

sagte Rektor Tilmann Märk. „Die

Motivation, welche die öffentliche Anerkennung

hervorragender Leistungen mit

sich bringt, trägt zu einer erfolgreichen

Universität und zu Forschungsleistungen

auf hohem internationalen Niveau bei.“

Für ihr wissenschaftliches Gesamtwerk

wurden in diesem Jahr die Ökologin

Ulrike Tappeiner und der Mathematiker

Alexander Ostermann gewürdigt.

Tappeiner hat sich auf die ökologische

Forschung in Bergregionen spezialisiert,

die Laudatio für sie hielt Roland Psenner,

emeritierter Professor am Institut

für Ökologie und ehemaliger Vizerektor

der Uni Innsbruck. Ostermann bewegt

sich in seiner Forschung im Spannungsfeld

von mathematischer Grundlagenforschung

und angewandten Fragestellungen

aus dem mathematisch-naturwissenschaftlichen

Bereich, die Lobrede

für ihn hielt Michael Oberguggenberger,

Professor am Institut für Grundlagen der

Technischen Wissenschaften.

Die Forschungspreise gingen heuer an

Elisabeth Dietrich-Daum vom Institut

für Geschichtswissenschaften und Europäische

Ethnologie, Barbara Kraus vom

Institut für Theoretische Physik, Hubert

Huppertz vom Institut für Allgemeine,

Anorganische und Theoretische Chemie

sowie Martin Messner vom Institut für

Organisation und Lernen.

SÜDTIROL-EXPERTIN

Die italienische Regierung

hat Esther Happacher,

Professorin für

Italienisches Verfassungsrecht

und Südtiroler

Autonomierecht

an der Rechtswissenschaftlichen

Fakultät,

als deutschsprachige Vertreterin des Staates

und Expertin für die Südtirolautonomie in der

sogenannten 6er- und 12er-Kommission ernannt.

Diese paritätisch zusammengesetzten

Gremien befassen sich mit den Durchführungsbestimmungen

zum Sonderstatut der

Autonomen Region Trentino-Südtirol, auch

bekannt als Südtiroler Autonomiestatut.

TIROLER DES JAHRES

Beim „Tirol-Empfang“

des Landes Tirol in

der Aula der Wissenschaften

in Wien

wurde Peter Zoller

zum Tiroler des Jahres

2019 gekürt. „Es ist

beachtlich, was Peter

Zoller mit seinen Forschungskolleginnen

und -kollegen auf dem Gebiet der Quantenphysik

leistet. Österreich ist in der Quantenphysik

weltweit angesehen und Peter

Zoller prägt diese Entwicklung maßgeblich

mit“, sagte Landeshautmann Günther Platter.

Zoller erhielt im Herbst auch den Preis

der chinesischen Micius Quantum Foundation

sowie den John-Stewart-Bell-Preis

für die Erforschung grundlegender Fragen

der Quantenmechanik und ihrer Anwendungen.

EHRENKREUZ

Karl Weber vom Institut

für Öffentliches

Recht, Staats- und

Verwaltungslehre

erhielt für seine herausragende

wissenschaftliche

Arbeit und

sein verdienstvolles

Wirken an der Leopold-Franzens-Universität

das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst

I. Klasse. „Karl Weber hat sich stets durch

aktuelle und originelle Forschungsthemen in

den unterschiedlichsten Bereichen wie dem

Umweltrecht, dem Energierecht oder der

Bundesstaatsreform profiliert. Auf manche

Themen wurde dadurch erst aufmerksam

gemacht“, sagte Laudator Arno Kahl.

Fotos: M.R.Knabl (1), Uni Inns bruck (2), Axel Springer (1)

zukunft forschung 02/19 47


ZWISCHENSTOPP INNS BRUCK

CHRISTIANE OPITZ studierte in Heidelberg

Medizin (1998 – 2005) und absolvierte

parallel dazu den Internationalen

Masterstudiengang Molecular Cell Biology

(2001 – 2004). Auslandsaufenthalte führten

sie nach Uppsala/Schweden, Indianapolis/

USA sowie Bern/Schweiz. Ende 2005 legte

sie die Ärztliche Prüfung ab, 2006 wurde

sie in Heidelberg mit summa cum laude

promoviert. Ihre ärztliche Tätigkeit begann

sie 2006 als Ärztin an der Neurologischen

Klinik der Universität Tübingen, seit 2007 ist

sie als Ärztin in der Neurologischen Universitätsklinik

Heidelberg tätig. Anfang 2013

übernahm sie parallel dazu die Leitung

einer Arbeitsgruppe am Deutschen Krebsforschungszentrum,

DKFZ, Heidelberg.

DIE LÜCKE SCHLIESSEN

Die Neurologin und Zellbiologin Christiane Opitz versucht komplexe Stoffwechselprozesse zu verstehen,

um durch einen immunonkologischen Ansatz neue Wege für die Krebstherapie zu eröffnen.

Nicotinamid-Adenin-Dinukleotid

(NAD) stellt eine Drehscheibe

dar, die den Zellstoffwechsel mit

der Signalweiterleitung in der Zelle verbindet.

Viele dieser Signalwege sind bei

Krebs fehlreguliert, was NAD zu einem

attraktiven Ziel für die Krebstherapie

macht. „Die komplexen Abläufe des

NAD-Stoffwechsels in Krebszellen sind

allerdings noch wenig verstanden, insbesondere

unter Stressbedingungen wie

beispielsweise Nährstoffmangel, unter

dem schnell wachsende Tumoren leiden“,

erklärt Christiane Opitz. Die Neurologin

und Zellbiologin beschäftigt sich

in ihrer Arbeitsgruppe am Deutschen

Krebsforschungszentrum Heidelberg intensiv

mit diesem wichtigen Stoffwechselprozess

und verspricht sich davon,

einen neuen Weg für die Krebstherapie

zu eröffnen. „Solide Tumoren verfügen

über Mechanismen, die das menschliche

Immunsystem daran hindern, sie zu bekämpfen.

Sehr vereinfacht erklärt, könnte

der NAD-Stoffwechsel ein möglicher

Angriffspunkt dafür sein, diese immunsuppressive

Fähigkeit der Tumoren zu

unterbinden und es so dem Immunsystem

zu ermöglichen, die Krebszellen zu

bekämpfen“, beschreibt Christiane Opitz.

„Dies wäre auch für mögliche Rückfälle

optimal, da Immunzellen über ein Gedächtnis

verfügen und so mögliche Rezidive

sehr früh erkennen und bekämpfen

könnten.“

Kooperation

Mit der Universität Inns bruck verbindet

die Wissenschaftlerin vor allem eine erfolgreiche

Zusammenarbeit mit Kathrin

Thedieck, der Leiterin des Instituts für

Biochemie. „Kathrin Thedieck verfügt

über jahrelange Expertise in der Erforschung

der Wechselwirkungen zwischen

zellulären Signalnetzwerken und dem

Stoffwechsel in Tumoren. Unter anderem

erforscht sie den bedeutenden metabolischen

Regulator mammalian/mechanistic

target of rapamycin (mTOR). Zwischen

mTOR und meinem Forschungsgebieten

– dem Aminosäure- und NAD-

Stoffwechsel – gibt es sehr viele Schnittstellen

und so ist unsere Kooperation

schon vor einigen Jahren entstanden und

hat mittlerweile in zahlreiche internationale

Konsortien gemündet“, sagt Christiane

Opitz. Während ihres zweimonatigen

Forschungsaufenthalts an der Universität

Inns bruck im Rahmen einer vom Förderkreis

der Universität Inns bruck finanzierten

Gastprofessur hat sich die Krebsforscherin

gemeinsam mit Kathrin Thedieck

auf die Zusammenhänge zwischen

dem NAD-Stoffwechsel und Signalnetzwerken

fokussiert. „Enorm profitiert haben

wir dabei neben dem Austausch unserer

Expertisen zu den jeweiligen Signalwegen

auch von den hervorragenden

Bedingungen am Institut für Biochemie,

die uns neue massenspektrometrische

Untersuchungen ermöglicht haben“ beschreibt

Christiane Opitz. sr

48 zukunft forschung 02/19

Foto: Uni Inns bruck


SPRUNGBRETT INNS BRUCK

KUGELN IM GEHIRN

AUFGESPÜRT

Elisabeth Kugler erforscht das Herz-Kreislauf-System von Zebrafischen und liefert

dabei mögliche Hinweise für die Ursachen von Erkrankungen beim Menschen.

„Österreich bietet eine sehr

laborbasierte Ausbildung,

während das englische Studium

sehr auf Rhetorik

und Kommunikation fokussiert.“

Elisabeth Kugler

Wer in der Wissenschaft etwas

Neues entdeckt, der kann ihm

einen Namen geben. Diese Tradition

durfte auch die PhD-Studentin Elisabeth

Kugler in der Forschungsgruppe

von Tim Chico an der Universität Sheffield

fortsetzen. Die Bio wissenschaftler

haben vor Kurzem im Gehirn von Zebrafischen

kugelförmige Ausformungen

der Zellmembran von Blutgefäßen entdeckt.

Diese bisher unbekannten Strukturen

nannten die Forscher „kugeln“.

Sie könnten neue Erkenntnisse über die

Ursachen von Schlaganfällen und Erkrankungen

des Blutgefäßsystems liefern,

denn wie die Forscher in Sheffield

herausfanden, haben die zellulären Signalwege,

die im Zusammenhang mit

genetischen Formen von Schlaganfällen

eine Rolle spielen, auch einen Einfluss

auf die „kugeln“.

Eigentlich arbeitet Elisabeth Kugler

in ihrem PhD-Projekt an einer Bildanalyse-Software

zur Quantifizierung des

Herz-Kreislauf-Systems im Zebrafisch.

Aber anstatt einfach nur Daten zu analysieren,

sammelt sie diese auch selbst.

„Die direkte Arbeit an Zebrafischen und

Mikroskopen war ausschlaggebend, um

die ‚kugeln‘ zu entdecken“, erzählt die

Biologin. „Das bestätigt einmal mehr,

dass interdisziplinäre Arbeit neue Entdeckungen

und Entwicklungen hervorbringen

kann.“ Dieser interdisziplinäre

Ansatz hat Elisabeth Kugler auch an die

Universität Sheffield gebracht. Nach dem

Studium an der Universität Inns bruck

hatte sie sich einen Forschungsaufenthalt

am Europäischen Molekularbiologischen

Labor in Heidelberg organisiert und im

Anschluss ihr Masterstudium am Institut

für Molekularbiologie der Uni Inns bruck

erfolgreich abgeschlossen.

Während ihrer Ausbildung in Innsbruck

hat Kugler als Fachtutorin verschiedener

Kurse an den Instituten für

Zoologie und Mikrobiologie gearbeitet.

„Dies hat mir geholfen, das Studium aus

der lehrenden Perspektive zu betrachten“,

erzählt die Biologin, die ihrer Ausbildung

in Inns bruck ein sehr gutes

Zeugnis ausstellt: „Sie hat mir ein sehr

gutes Grundlagenwissen vermittelt.“ Vor

allem aber die Chance, Praktika absolvieren

zu können und mit interdisziplinär

ausgerichteten Forscherinnen und Forschern

zusammenzuarbeiten, hat sie sehr

geschätzt. Diesen Weg geht sie nun auch

an der Universität Sheffield weiter, wo sie

in der Forschungsgruppe von Tim Chico

am Department of Infection, Immunity

und Cardiovascular Disease arbeitet.

Zwischen den beiden Wissenschaftskulturen

sieht sie deutliche Unterschiede:

„Persönlich würde ich sagen, dass Österreich

eine sehr laborbasierte Ausbildung

bietet, während das englische Studium

sehr auf Rhetorik und Kommunikation

fokussiert.“

cf

ELISABETH KUGLER wurde in Wels

geboren und hat an der Universität Innsbruck

Biologie studiert. Ihren Master in

Zell- und Entwicklungsbiologie absolvierte

sie an der Uni Inns bruck und dem

Europäischen Molekularbiologischen

Labor (EMBL) in Heidelberg. Seit 2017 ist

Elisabeth Kugler PhD-Studentin an der

Universität Sheffield in Großbritannien.

Fotos: University of Sheffield

zukunft forschung 02/19 49


ESSAY

ZUKUNFT: ZWISCHEN CHANCE

UND BEDROHUNG

Philosophin Claudia Paganini zu hoffnungsvollen Utopien

und negativen Zukunftserwartungen.

„Die Faszination der

Zukunft war und ist

so groß, dass in der

Populärkultur sogar

ein eigener Terminus

geprägt wurde:

Science-Fiction.“

CLAUDIA PAGANINI studierte

Philosophie und Theologie

an den Universitäten Innsbruck

und Wien. Nach einer

Promotion in Kulturphilosophie

2005 widmete sie sich in ihrer

Habilitationsschrift der Medienethik.

Weitere Forschungsschwerpunkte

sind Medizin-,

Tier- und Umweltethik. Derzeit

lehrt und forscht Paganini als

Vertretungsprofessorin an

der Universität Erfurt, in den

vergangenen Jahren war sie als

Gastdozentin an den Universitäten

von Mailand, Athen

und Zagreb tätig. Als erfahrene

Science-Slammerin ist es ihr

ein besonderes Anliegen, die

Inhalte der moralphilosophischen

Forschung für ein breites

Publikum verständlich und

spannend aufzubereiten.

Die Zukunft hat immer schon die

menschliche Vorstellungskraft inspiriert.

Als Spielraum des Möglichen ist

sie Gegenstand strahlender Hoffnungen ebenso

wie düsterer Befürchtungen. Literarische

Zeugnisse dieser ambivalenten Haltung gibt

es viele: Platons Atlantis um 400 v. Chr., Utopia

von Thomas Morus im 16. Jh. oder 1984 von

George Orwell im 20. Jh. Die Faszination der

Zukunft war und ist so groß, dass in der Populärkultur

sogar ein eigener Terminus geprägt

wurde: Science-Fiction. Gesichertes Wissen

und die Erfahrungen mit dem bisherigen Gang

der Geschichte werden extrapoliert, um Bilder

dessen zu entwerfen, was noch nicht existiert.

Einmal mehr finden sich hier fantastisch schillernde

Phantasien Seite an Seite mit schaurigen

Szenarien des Weltendes.

Und das ist kein Zufall. Denn auch der Abgrund

ist ein Thema, das die Einbildungskraft

des Menschen seit jeher beflügelt hat. „Ich bin

verschont geblieben, aber ich beschreibe den

Untergang“, hat der Schweizer Dramatiker

Friedrich Dürrenmatt einmal gesagt. Wie er

haben viele Künstler – Literaten, Maler, Komponisten

– das Scheitern in dunklen Farben

und bedrückenden Tönen ausgemalt. Der

tragische Held, das bloß vorgestellte Scheitern

vermögen in gewisser Weise zu beruhigen,

weil ich selbst davon nicht betroffen bin. Mitunter

aber sind wir nicht nur im Roman, auf

der Bühne oder im Film mit dem Untergang

konfrontiert. Manchmal steht man sehr konkret

vor einem Abgrund, wenn man am Berg

den Weg verfehlt hat oder wenn man sich mit

den Zahlen und Statistiken zum Klimawandel

bzw. dem Arm-Reich-Gefälle in der globalen

Gesellschaft auseinandersetzt. Zukunft, hoffnungsvolle

Utopie, antizipierter Untergang

oder reale Bedrohung?

Welche Interpretation man wählt, hängt zu

einem guten Teil vom eigenen Charakter ab,

davon, wie ich mit Unsicherheit umgehen

kann, ob es mir wichtig ist, Gewohntes beizubehalten

oder ob ich dazu tendiere, mich

begeistert in neue Abenteuer zu stürzen. Zugleich

wird die Wahrnehmung davon beeinflusst,

welche Diskurse in einer Gesellschaft

vorherrschen. Auch diese sind häufig ambivalent.

So etwa das Sprechen über Neue Medien

und Digitalisierung, wo einerseits euphorische,

den Fortschritts-Topos bedienende Szenarien

dominieren – wenn etwa eine Universität wie

die Uni Inns bruck sehr viel Geld in die Hand

nimmt, um ein Digital Science Center zu gründen

–, andererseits aber düstere Bilder – wenn

sich Bücher mit dem Titel Digitale Demenz zu

Bestsellern entwickeln und einer ganzen Generation

von Eltern tiefe Sorgenfalten auf die

Stirn treiben, sobald sie ihre Kinder beim Computerspielen

ertappen. Diese von Psychologen

wie George Milzner als „digitale Hysterie“ bezeichnete

negative Zukunftserwartung ist das

Ergebnis eines Bedrohungs-Topos, den man

regelmäßig finden kann, wenn es zu sogenannten

Medienumbrüche kommt.

Dann nämlich passen die alten Gewohnheiten

nicht mehr zu den je neuen Medien, müssen

reflektiert und verändert werden. Dies wird üblicherweise

am schmerzlichsten bewusst, wenn

die neue Technologie massenhafte Verbreitung

findet. So im alten Rom, wo der Siegeszug der

Sonnenuhr von lauten Unkenrufen begleitet

wurde. Denn für die Zeitgenossen war klar:

Mit der Sonnenuhr hatte man einen Abgott geschaffen,

der wahre Glaube war in Gefahr, der

Mensch der Tyrannei der Technik von nun an

hilflos ausgeliefert. Wenig besser ging es lange

danach dem Kabeltelefon, dem man aufgrund

der zu erwartenden Reizüberflutung und des

durch das Klingeln ausgelösten gesundheitsschädlichen

Schocks höchste Gefährlichkeit

attestierte. Beispiele wie diese gibt es viele. Sie

sollen aber nicht dazu ermuntern, aus der privilegierten

Position der später Geborenen über

die Dummheit anderer zu spotten, sondern

vielmehr aufzeigen, wie subjektiv und fehleranfällig

Zukunftsprognosen sein können. Vor

diesem Hintergrund scheint es nicht zu schaden,

die eigenen Zukunftserwartungen immer

wieder kritisch zu hinterfragen und vor allem

der Versuchung zu widerstehen, dogmatische

Positionen einzunehmen.

50 zukunft forschung 02/19

Foto: Andreas Friedle


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52 zukunft forschung 02/19

Foto: Andreas Friedle

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