Zukunft Forschung 02/2019
Das Forschungsmagazin der Universität Innsbruck
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POLITIKWISSENSCHAFT
– und im Nachhinein in Kenntnis historischer
Ereignisse auch leicht erklärbar:
So zeigen zum Beispiel Berichte über
Deutschland in der Statistik im Vorfeld
und während des Ersten und des Zweiten
Weltkriegs eindeutige Ausschläge
„Wir können natürlich nicht
beobachten oder miterleben, wie
konkret Regierungen Einfluss auf
Presseagenturen nehmen. Was
wir aber messen können, ist der
Output der Agenturen.“ Kohei Watanabe
nach oben – in Richtung Feindseligkeit
und Bedrohung –, während für Russland
bzw. die Sowjetunion Ähnliches ab
Mitte der 1940er-Jahre zu beobachten ist.
Lassen sich so, mit der Untersuchung
aktueller Berichte, mögliche künftige
Konfliktherde ausmachen? Watanabe ist
vorsichtig: „Das kann man so klar nicht
beantworten. Wir untersuchen ja Daten
im Nachhinein und da kennen wir die
Zusammenhänge. Ob die Stimmung in
den Berichten und der veröffentlichten
Meinung negativer wird, weil ein militärischer
Konflikt mit einem Land in der
Luft liegt oder ob der Zusammenhang
nicht viel eher umgekehrt funktioniert,
ist nicht klar zu sagen.“
Einsatz in der Lehre
Grundsätzlich lassen sich mittels Quanteda
ganz unterschiedliche statistische
Auswertungen erstellen. Watanabe selbst
hat mit Kollegen auch japanische und israelische
Medien auf deren Berichte über
das Ausmaß der Bedrohung durch Nordkorea
(im Fall von Japan) und durch den
Iran (für Israel) untersucht, jeweils eine
konservativere und eine liberalere Zeitung.
„Unsere Grundannahme war, dass
konservative Medien die Bedrohung stärker
betonen als liberale. Für Japan lässt
sich das bestätigen, für Israel nicht so
deutlich.“ Derzeit ist der Algorithmus für
Englisch und Japanisch, Watanabes Muttersprache,
optimiert, kann aber für jede
andere Sprache angepasst werden. „Die
Grundlage bildet ein Lexikon von rund
1.000 Wörtern und Phrasen, die – einfach
gesagt – auf einer Skala von ‚gut‘ bis
‚schlecht‘ eingeteilt sind, und Synonyme
dieser Begriffe. Diese Einteilung muss für
jede Sprache gemacht und überarbeitet
werden, da steckt einiges an Arbeit dahinter“,
erklärt der Forscher.
KOHEI WATANABE studierte Literatur
und Soziologie an der Seikei-Universität
und der Musashi-Universität (beide Tokio,
Japan), danach Politikwissenschaft an der
Central European University in Budapest.
2017 promovierte er an der London School
of Economics and Political Science (LSE).
Zwischen 2014 und 2019 forschte Watanabe
an der LSE, der University of Oxford
und der Waseda University, zudem war er
Chefentwickler der Quanteda Initiative,
UK. Seit Sommer 2019 ist er am Institut für
Politikwissenschaft und am Digital Science
Center (DiSC) der Uni Inns bruck tätig.
Quanteda ist komplett quelloffen und
kann von jedem und jeder Interessierten
eingesetzt und angepasst werden. Watanabe
setzt Quanteda auch in der Lehre
in Inns bruck ein. Ein Problem ist hier der
Zugang zu den Quellen: Um Aussagen
treffen zu können, braucht es Zugriff auf
die Archive von Medien. Hier ist vieles
nicht oder nur sehr kompliziert oder teuer
zugänglich. „Die New York Times bietet
derzeit noch durch eine Programmierschnittstelle
Zugriff auf Artikeldaten für
wissenschaftliche Zwecke, das ist allerdings
international leider eher die Ausnahme
als die Regel.“
sh
zukunft forschung 02/19 43