Zukunft Forschung 02/2019
Das Forschungsmagazin der Universität Innsbruck
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TITELTHEMA
gung stehen, um den Bedarf im Jahr 2050
decken zu können. Die Realisierbarkeit
der Vision wurde von den Wissenschaftlern
durch den Einsatz unterschiedlicher
Energieträger geprüft. „In der Studie haben
wir vier Grenzwertszenarien und ein
Energiemix-Szenario erstellt“, so Streicher.
Neben der Möglichkeit, in der zukünftigen
Energieversorgung hauptsächlich
auf Strom zu setzen, wurden auch
Szenarien mit dem verstärkten Einsatz
von Wasserstoff oder Methan untersucht.
Dabei war das Strom-Szenario das effizienteste.
Das Energiemix-Szenario beinhaltet
sowohl Strom als auch Wasserstoff
und Methan in der Bedarfsdeckung.
Mit Strom in die Zukunft
„In allen von uns durchgerechneten Szenarien
ist die Erreichung des Ziels möglich.
Die Frage ist nur, mit welchen Maßnahmen“,
erläutert Mailer. Alle betrachteten
Szenarien zeigen, dass dem Strom
zukünftig eine wesentliche Rolle zukommen
wird und dass der Ausbau der Stromerzeugung
notwendig ist. „Dafür ist es
jedenfalls erforderlich, die Wasserkraft
weiter um 50 Prozent auszubauen, zu
beginnen, das Windpotenzial zumindest
in beschränktem Maße zu nutzen, nahezu
alle nutzbaren Dachflächen mit Photovoltaik-Modulen
zu bestücken sowie die
gesamte heimisch nachwachsende und
für energetische Nutzung zur Verfügung
stehende Biomasse zu verwenden“, führt
Streicher aus. Ergänzend müssten bei
dem Wasserstoff- und Methan-Szenario
auch beträchtliche Freiflächen mit Photovoltaikanlagen
errichtet werden. In der
Raumwärme wird es künftig statt Öl und
Gas vor allem Wärmepumpen zur Nutzung
der Umweltwärme aus Luft, Erde
und Wasser, aber auch Biomasse und
Fernwärme aus erneuerbaren Energieträgern
geben. Aber auch Bio gas spielt eine,
wenn auch aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit
geringe, Rolle in der zukünftigen
Energiebedarfsdeckung.
„Im Bereich von Gebäuden können wir
den Energiebedarf um fast ein Drittel reduzieren,
wenn wir den Gebäudebestand
hochwertig sanieren und im Neubau
höchste Qualitätsstandards – wie etwa
Passivhausstandard – ansetzen, die sich
wesentlich über dem heutigen Niveau
befinden“, so Streicher. In der Mobilität
bietet der Wechsel von Verbrennungsmotoren
auf Elektromobilität die Chance,
den Energiebedarf um fast 70 Prozent zu
reduzieren. Die geringsten Einsparungen
sehen die Autoren in der Industrie, da
hier der Umstieg auf Strom und erneuerbare
Energieträger bereits eine sehr große
Herausforderung darstellt.
Eine gute Mischung
Für am ehesten politisch umsetzbar halten
die beiden Wissenschaftler das von ihnen
berechnete Energiemix-Szenario. Den
Hauptanteil an eingesetzten erneuerbaren
Energien sollen Strom und Umweltwärme
bilden, unterstützt von Wasserstoff
und Methan. In gewissen Bereichen wird
es nicht möglich sein, nur auf Strom zu
setzen. So sind in der Industrie prozessbedingt
manchmal eine Flamme oder
kohlenstoffhaltige Energieträger notwendig.
Auch der E-Mobilität sind Grenzen
gesetzt, selbst wenn Autobahnen für
den Güter- und Personenfernverkehr
mit Oberleitungen elektrifiziert werden
könnten. Doch im Flugverkehr erscheinen
flüssige Treibstoffe noch lange unverzichtbar
zu sein, wenn auch zukünftig
erzeugt aus erneuerbarem Strom und CO 2
aus der Atmosphäre.
Neben den neuen Antrieben werden
neue Konzepte zur gemeinsamen Nutzung
von Fahrzeugen oder neue Möglichkeiten
der Vernetzung im öffentlichen
Verkehr die Mobilität verändern. „Unumstritten
ist, dass sich Mobilität verändern
wird. Damit Verkehr dabei auch nachhaltiger
wird, muss sich das Verhalten auch
entsprechend ändern, das heißt beispielsweise
vermehrt Autos so zu teilen, dass
der Besetzungsgrad steigt, aber auch
Kurzstrecken wieder zu Fuß oder mit dem
Rad zurückzulegen“, sagt Mailer. „Wenn
wir all die uns zur Verfügung stehenden
erneuerbaren Energien nützen und gleichzeitig
alle Effizienzmaßnahmen voll ausschöpfen,
dann geht sich die Realisierung
der Energieautonomie im Jahr 2050 für
Tirol gerade aus“, so Streicher. Es wird
aber wesentlich von den Rahmenbedingungen
und der Akzeptanz der Menschen
abhängen. Jede zusätzliche Verhaltensänderung
der Bevölkerung in Richtung weniger
Energiebedarf ist zudem hilfreich.
„Es geht uns so gut wie noch nie. Dieses
Leben sollten wir auch unseren Kindern
und Enkeln ermöglichen“, sind sich die
Wissenschaftler einig.
dp
www.VerVieVas.com
„ES GEHT ZU LANGSAM!“, ruft Jonas Buchholz, Sprecher der „Fridays for Future“, Zukunft auf. denken
Impulsvortrag
21.-22.11.2019
Als Vertreter der Bewegung hielt er einen Impulsvortrag zum Auftakt der Veranstaltung
„Diskussionsforum: Zukunft Denken“ und vertrat somit die Meinungen, Ängste und Sorgen
der jungen Generation, die unzufrieden mit den derzeitigen Entwicklungen ist. „Die
jungen Menschen sind so unzufrieden, dass sie jede Woche auf die Straße gehen, um mit
einem gewaltfreien Protest radikale Veränderungen in der Klimapolitik zu erreichen“, so
Buchholz. Basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und Berichten des IPCC betonte
er die Notwendigkeit des Handelns der „Fridays for Future“-Bewegung. „Wir sind der
Meinung, dass eine umfassende Veränderung in der Klimapolitik sofort nötig ist, um eine
Klimakatastrophe noch irgendwie verhindern zu können“, verdeutlichte der junge Aktivist.
Mit den Forderungen nach sofortigem Handeln ist er nicht allein. In Österreich haben sich
über 150.000 Menschen beim letzten Earth Strike beteiligt. Buchholz bedankte sich auch
für das große Interesse in Inns bruck.
zukunft forschung 02/19 17