HERO STORY Welten wechseln in Hochgeschwindigkeit. Mit Blick auf die LED-Wand spielen die beiden Programmierer die Kulisse für den nächsten Dreh ein. Wo eben noch eine einsame Landstraße verlief (Foto oben), stehen plötzlich Wolkenkratzer. FOTO: MARCUS MÜLLER 36
In der Halle C5 der Messe München geht die Sonne auf und Sekunden später wieder unter: Auf den konkav geformten LED-Bildschirmen der Hyperbowl kann man der Natur erstaunlich rasant auf die Sprünge helfen. Die rund 500 Quadratmeter große LED-Fläche kann sich in die Skyline einer fiktiven Stadt verwandeln, genauso wie in einen dichten Nadelwald oder eine Mondlandschaft. In der Hyperbowl, einem virtuellen 360-Grad-Filmstudio, werden über eine Echtzeit-3D-Software virtuelle Welten dargestellt und reale Schauplätze aus der ganzen Welt eingeblendet. Die Technologie kommt aus Hollywood. Zum ersten Mal wurde sie für die Serie „The Mandalorian“ eingesetzt. Im Frühjahr 2<strong>02</strong>0, als der Lockdown auch die Filmbranche zum Stillstand brachte, haben das Hamburger Planungsbüro für audiovisuelle Medien TFN und die Frankfurter Kreativstudios ACHT und NSYNK das erste europäische Studio dieser Art in München gebaut. Die drei Firmen arbeiten schon seit Jahren zusammen, planen und begleiten digitale Messeauftritte von Autoherstellern. „Bayern ist der perfekte Standort für unser Studio“, sagt Frank Foerster, CEO von Hyperbowl und TFN. Die meisten Julian F. Krüger, Director of Virtual Production, arbeitet an der Schnittstelle zwischen Produktionsfirmen und Studio. deutschen Automobilhersteller, die zu den wichtigsten Kunden von Hyperbowl gehören, haben in Süddeutschland ihren Firmensitz, und in der Messe München, die pandemiebedingt nicht ausgelastet war, gab es genug Platz für das Konstrukt aus 2.000 LED-Modulen. Allein das LED- Dach wiegt 16 Tonnen. Technologie aus dem Games-Bereich Gegenüber der LED-Wand sitzen zwei Programmierer vor mehreren Laptops und Bildschirmen und spielen das virtuelle Set für die kommenden Dreharbeiten ein: eine Landstraße für den Werbespot eines Autoherstellers. Hinter der Hyperbowl steckt eine Spiel- Engine, eine Plattform, auf der normalerweise Computerspiele basieren. Sie wird von Programmierer:innen über Computer gesteuert. Diese können die interaktiven Hintergründe und Objekte jederzeit ändern und verschieben und so im Nu unterschiedliche virtuelle Welten erschaffen. Durch ein Tracking-System passen sich die Hintergründe in Echtzeit an die „Wir leisten PIONIERARBEIT.“ FRANK FOERSTER Bewegung der Kamera an: Während das Auto im Werbespot gefilmt wird, zieht der Wald an ihm vorbei – und es sieht aus, als würde es daran vorbeifahren. Die Kameraleute der Produktionsfirmen und die Schauspieler:innen bewegen sich während des Drehs in der virtuellen Umgebung statt wie bisher üblich vor einem Greenscreen. „In der Hyperbowl interagieren Schauspielerinnen und Schauspieler viel besser in den Szenen, weil sie sehen, was passiert, und nicht einfach in einem grünen Nichts stehen“, sagt Foerster. Berechenbar und nachhaltig Das Drehen in der Hyperbowl hat viele Vorteile, der offensichtlichste ist die Planungssicherheit: Im virtuellen Studio ist man unabhängig von Jahreszeiten und Wetter – oder pandemiebedingten Reiserestriktionen. „Ich bestimme, wie viele Wolken am Himmel sind oder ob es neblig ist“, sagt Frank Foerster. „Theoretisch kann man 24 Stunden lang dieselbe Szene im selben Tageslicht drehen und sie jederzeit reproduzieren, neu oder weiterdrehen.“ Speziell bei langen Dreharbeiten, etwa für Serien, ist das praktisch. Für die perfekte Illusion wird der Boden meistens real gebaut, man könnte ihn aber 37