20.06.2022 Aufrufe

FOCUS-MONEY_2022-26_Vorschau

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

HAFER<br />

+119<br />

%<br />

von GREGOR DOLAK und DIRK REICHMANN<br />

17.5.<strong>2022</strong>:<br />

+110 %<br />

WEIZEN<br />

10.6.<strong>2022</strong>:<br />

+88 %<br />

%<br />

MAIS<br />

+67<br />

+70<br />

Quellen: Bloomberg, Raiffeisen<br />

Der globale Agrarmarkt steht kopf. Die Landwirte<br />

bleiben mit beiden Füßen auf ihrem<br />

Heimatboden. Ob der nun in der Ukraine, in<br />

Brasilien, den USA das weite Land bedeckt. Oder in<br />

Oberbayern. Biobauer Peter Eberl steht auf dem Riegerhof<br />

in Straßlach, südlich von München. Einem<br />

Vorzeige-, seinem Familienbetrieb, von dem er<br />

Milch an die Biomolkerei Scheitz nach Andechs<br />

liefert. Hühner staksen über die Wiesen.<br />

„Was sich da am Weltmarkt abspielt, ist sehr<br />

weit weg“, findet Eberl, ein hemdsärmliger<br />

Kerl mit breitem Kreuz und Schiebermütze<br />

auf dem Kopf.<br />

Dass weltweit die Preise für Getreide,<br />

Mais, Reis, Kartoffeln, Sojabohnen und viele<br />

andere Feldfrüchte explodieren – für Eberl<br />

ist das wirklich um Welten entfernt. Auf seinen<br />

15 Hektar Grün- und Ackerland wachsen Gras<br />

und Futtergetreide, mit dem er seine 80 Kühe<br />

versorgt. „Ich bin froh, dass ich kein Futter zukaufen<br />

muss“, sagt er. Denn auch das hat sich in diesem<br />

Jahr um mehr als 60 Prozent verteuert.<br />

In weiter Ferne so nah: Seit die russische Armee<br />

die Ukraine verwüstet, schon die letztjährige Ernte<br />

des Top-Weizenproduzenten kaum auf den Weltmarkt<br />

gelangen kann, haussiert der Agrarmarkt.<br />

Auch der Klimawandel spielt eine preistreibende Rolle.<br />

Missernten in Nordamerika, Europa, auch Russland<br />

2021 infolge von Extremwettern verknappen<br />

die Güter und lassen die Preise rasant klettern. Die<br />

wachsende Bevölkerung in China oder Indien nötigt<br />

ihre Regierungen zum massiven Import von<br />

Grundnahrungsmitteln. Obwohl beide Länder ohnehin<br />

zu den größten Produzenten der Welt zählen.<br />

Der Hunger der einen geht zulasten anderer. Besonders<br />

die ärmeren Länder in Afrika und Asien<br />

treiben auf eine Ernährungskrise zu. Die Lage euphorisch<br />

zu sehen, auch das liegt dem Ökobauern<br />

Eberl fern. Dabei lassen wachsende Weltmarktpreise<br />

eigentlich auch die Erzeugerpreise der Kollegen<br />

auf den umliegenden Höfen steigen. „Die meisten<br />

haben ihre Lieferverträge doch schon Anfang des<br />

Jahres abgeschlossen. Da war in der Ukraine noch<br />

kein Krieg“, sagt er. Bedeutet: „Der große Preissprung<br />

ist nicht mit drin.“<br />

Abzulesen ist das an der Differenz zwischen dem<br />

Weizenpreis, der an den Warenterminmärkten bezahlt<br />

wird, und dem Erlös, den deutsche Bauern erzielen:<br />

18 Prozent derzeit (siehe Grafiken links).<br />

Im Vergleich zu 2021 sind die Erzeugerpreise jedoch<br />

tatsächlich gestiegen, für den Milchviehhalter<br />

Eberl beispielsweise der Biomilchpreis. Auf 52,50<br />

ROGGEN<br />

+73<br />

%<br />

Cent je Kilo in Bayern. Allerdings gehen auch die<br />

Kosten vieler Landwirte in die Höhe: Sprit, Saatgut,<br />

Dünger. „Da ist weniger Gewinn drin.“<br />

Für Anleger, die in den Agrarmarkt einsteigen<br />

wollen, stellen sich also Fragen: Wo bleiben die 20<br />

bis 40 Prozent mehr? Bei wem landen die Gewinne<br />

im großen Geschäft mit dem Essen?<br />

Die Profite gedeihen vornehmlich im sogenannten<br />

Agribusiness. Hier liegen die Chancen<br />

für Investments, die eben auch in der<br />

Krise stecken: Gewinne kassieren jene international<br />

agierenden Konzerne, die von<br />

der Versorgung der Landwirtschaft mit allen<br />

nötigen Produktionsgütern bis zur weltweiten<br />

Vermarktung der Produkte ganze<br />

Wertschöpfungsketten abbilden. Globale Import-Export-Konzerne<br />

aus den USA wie Archer<br />

Daniels Midland (ADM), Bunge, Cargill und die niederländische<br />

Dreyfus Company.<br />

Nach ihren Anfangsbuchstaben nennen Branchenkenner<br />

die Big-Four das „ABCD des Welthandels“.<br />

Sie kaufen große Teile der Ernten, der Fleischproduktion<br />

in Nord- und Südamerika, verschiffen die<br />

Ware um den Globus, nehmen die hohen Handelsspannen<br />

mit. Bis das Brot beim Bäcker und Burger<br />

im Restaurant teurer werden. Neben Öl und Gas treiben<br />

gerade Agrar-Preissteigerungen die Inflation.<br />

Aktionäre sehen’s gelassener als andere Verbraucher.<br />

ADM und Bunge sind an der Börse notiert, Umsätze<br />

und Aktienkurse laufen auf Höchstniveau.<br />

Trotz erheblicher Transportprobleme wegen der rissigen<br />

Lieferketten auf See und der Kostensteigerung<br />

beim Schiffsdiesel. Aber auch deutsche Firmen haben<br />

Anteil am Hochlauf in der Agrarwirtschaft (ab<br />

Seite 20). Etwa die Saatgutsparte des Chemiekonzerns<br />

Bayer, der mit der US-Übernahme von Monsanto<br />

auch ins Herbizidgeschäft eingestiegen ist.<br />

Börsenplus seit Beginn des Ukraine-Kriegs im Februar:<br />

25 Prozent. Oder der deutsche Düngerspezialist<br />

K+S, dessen Aktie trotz zwischenzeitlichem Auf und<br />

Ab noch immer 14 Prozent im Plus liegt. Die Baywa,<br />

die in Süddeutschland Bauern beliefert und deren Erzeugnisse<br />

handelt, legte sogar 33 Prozent zu.<br />

Eine Frage der Ähre. An Investments in solche<br />

Aktiengesellschaften ist nichts Verwerfliches. Sie<br />

treiben legale Geschäfte, ob der Weizenpreis hoch<br />

oder der Reispreis niedrig ist. Eine moralische Komponente<br />

dagegen besitzt die direkte Spekulation auf<br />

Agrarrohstoffe. Denn sie wirkt selbst preistreibend<br />

(siehe nächste Seite).<br />

Bauern wie dem Straßlacher Eberl erscheint das<br />

Geschehen auf den Weltmärkten außer Reich-<br />

<strong>FOCUS</strong>-<strong>MONEY</strong> <strong>26</strong>/<strong>2022</strong>%<br />

15

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!