atw - International Journal for Nuclear Power | 04.2022
Ever since its first issue in 1956, the atw – International Journal for Nuclear Power has been a publisher of specialist articles, background reports, interviews and news about developments and trends from all important sectors of nuclear energy, nuclear technology and the energy industry. Internationally current and competent, the professional journal atw is a valuable source of information. www.nucmag.com
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atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 4 ı Juli
Jenseits der Stromerzeugung –
vielfältiger Nutzen der Kerntechnik
Nicolas Wendler
Im Folgenden soll ein kurzer Einblick in die Anwendung der Kerntechnik und kerntechnischer Verfahren
jenseits der Stromerzeugung gegeben werden. Ein Einblick wohlgemerkt, kein Überblick, denn es gibt noch
etliche andere Anwendungsgebiete und weitere Verästelungen der genannten, die den Rahmen des Textes
gesprengt hätten. Recht umfangreich behandelt wird unten die medizinische Anwendung von Kerntechnik,
darüber hinaus die Bestrahlung zur Sterilisation verschiedener Produkte, zur Pflanzenzüchtung und von
Lebensmitteln. Dargestellt sind die Anwendung und künftige Anwendungsmöglichkeiten der Kerntechnik
in der Raumfahrt, bei Analyse- und Datierungsverfahren sowie bei der Siliziumdotierung und in zerstörungsfreien
Prüfverfahren.
Weitere und im Text nicht weiter behandelte industrielle
Anwendungen sind die Bestimmung der
Dicke von Papier, Blech, fluiden Strömungen und
Zementzusammensetzung durch Radioisotop-Instrumente
und die Härtung von Plastik und anderen
Kunstoffen oder Reifengummis durch Bestrahlung.
Nur gestreift, nicht vertieft wird die biomedizinische
Forschung bei den medizinischen Anwendungen,
für die bei AIDS, Krebs oder der Alzheimer-
Krankheit Radionuklide ebenso wichtig sind wie
bei der genetischen Forschung. Auch der in der
Corona-Pandemie zur Berühmtheit gelangte PCR-
Test geht auf kerntechnische Verfahren zurück. In
der Biologie werden radioaktive Tracer für physiologische
Messungen bei Menschen, Tieren und
Pflanzen genutzt und in der Landwirtschaft wird
neben der Pflanzenzüchtung und der Haltbarmachung
von Saatgut und Lebensmitteln Bestrahlung
auch genutzt, um verfrühtes Keimen von Samen zu
unterbinden. Radioisotop-Methoden helfen in der
Hydrologie, um die Wasserversorgung zu untersuchen
und zu prognostizieren. Auch können
Abwässer und feste Abfälle mit Gammastrahlung
behandelt werden. Nun aber zu den Einblicken in
die vielfältige Welt der kerntechnischen Anwendungen.
Radiologie – Diagnose und Heilung mit
Strahlung und Radiopharmaka
Etwa die Hälfte aller Krebs-Patienten kann geheilt
werden. Allerdings können die Ärzte nur heilen,
was sie diagnostizieren können, etwa mit Radiopharmaka
und bildgebenden Verfahren. Radiopharmaka
sind radioaktive Stoffe oder Träger für
radioaktive Substanzen, die in den menschlichen
Organismus injiziert werden. Die Radionuklide
geben dort kurzzeitig eine Strahlung ab. Mit Detektoren
für diese Strahlung, auch zusammen mit
Computer-Tomographen, kann die Verteilung des
Radiopharmakon in einem Organ von den Ärzten
erkannt werden. Auf diese Weise lassen sich Krankheiten
diagnostizieren, neben Krebs, auch
Knochenfrakturen, Arthrosen oder Entzündungen,
Nerven-Krankheiten oder ein Herzinfarkt. Radiopharmaka
höherer Dosierung können durch sehr
lokales Abtöten von Tumorzellen auch direkt
heilen. Der Vorteil dieser Therapie besteht darin,
dass die entsprechende Dosis direkt ins Zielorgan
befördert wird.
Herstellung des Radiopharmakons
Technetium-99m
Im Forschungsreaktor FRM II des Heinz Maier-
Leibnitz Zentrums (MLZ) in Garching bei München
wird mit Hilfe von Neutronenstrahlung das in der
Medizin oft eingesetzte Technetium zukünftig
hergestellt. Neben der Kernspaltungkettenreaktion
zur Erzeugung der Neutronen kommt dem Uran in
der Erzeugungskette des Isotops Technetium-99m
(Tc-99m), das durch den Zerfall von Molybdän-99
entsteht, auch eine stoffliche Rolle zu. Dabei wird
Uran-235 in Uran Targets (Aluminium-umhüllte
Platten oder Röhrchen beladen mit 19,75 % angereichertem
U-235) mit Neutronen bestrahlt, üblicherweise
über einen Zeitraum von sechs Tagen.
Die Targets werden anschließend in spezialisierten
Laboratorien chemisch aufgelöst und das
Molybdän-99 abgetrennt. Für die Krankenhäuser
wird das Mo-99 in sogenannten Mo-99/Tc-99m-Generatoren
verpackt, in denen das Molybdän-99 mit
einer Halbwertszeit von 66 Std. zu Technetium-
99m zerfällt, das dann vor Ort mit einem chemischen
Verfahren eluiert bzw. „herausgemolken“
wird.
Das Technetium-99m kann anschließend in ein
geeignetes Trägermolekül gebunden werden, das
später in der Patientin, im Patienten entsprechende
Strukturen, z. B. Tumorzellen, erkennt und dort
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Jenseits der Stromerzeugung – vielfältiger Nutzen der Kerntechnik ı Nicolas Wendler