BOLD THE MAGAZINE No.60
EXKLUSIV IM INTERVIEW: IDRIS ELBA | CARA DELEVINGNE: CARA LOVES KARL | JAMES BOND FÜR EINEN TAG | TOSKANA: STILE DI VITA ITALIANO | 50 JAHRE MERCEDES-BENZ S-KLASSE | ANTONIO BANDERAS: „DER BESTE FILM ALLER ZEITEN“ | LARS EIDINGER
EXKLUSIV IM INTERVIEW: IDRIS ELBA | CARA DELEVINGNE: CARA LOVES KARL | JAMES BOND FÜR EINEN TAG | TOSKANA: STILE DI VITA ITALIANO | 50 JAHRE MERCEDES-BENZ S-KLASSE | ANTONIO BANDERAS: „DER BESTE FILM ALLER ZEITEN“ | LARS EIDINGER
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52 // <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> MOTION / HISTORY<br />
Wichtigste Verbesserung im Vergleich<br />
zur Vorgänger-Baureihe war die noch<br />
stabilere Sicherheits-Fahrgastzelle mit<br />
versteifter Dachrahmen-Struktur, hochfesten<br />
Dachpfosten und Türsäulen sowie<br />
verstärkten Türen. Für gute Sichtverhältnisse<br />
sorgten spezielle Windleitprofile an<br />
den A-Säulen, die bei Regen als Schmutzwasserrinnen<br />
dienen sollten und die<br />
Seitenscheiben auch bei ungünstiger<br />
Witterung sauber hielten. Weitere sicherheitsrelevante<br />
Details waren die weit<br />
herumgezogenen, gut sichtbaren Blinker<br />
sowie großflächige Heckleuchten, die<br />
dank ihres gerippten Oberflächenprofils<br />
weitgehend unempfindlich gegen Verschmutzung<br />
agieren sollten.<br />
Zunächst kamen die Typen 280 S, 280<br />
SE und 350 SE auf den Markt, ein halbes<br />
Jahr später gab es auch einen V8 mit 4,5<br />
Litern Hubraum. Zum selben Zeitraum<br />
konnte man auch auf eine lange Variante<br />
zurückgreifen, den 450 SEL mit einem um<br />
100 Millimeter verlängerten Radstand für<br />
mehr Beinfreiheit an den hinteren Sitzen.<br />
Mit dem 300 SD zog erstmals ein Dieselmotor<br />
in die Oberklasse ein. Der V8 im<br />
450 SEL 6.9, gebaut von 1975 bis 1980,<br />
war der größte Nachkriegs-Pkw-Motor,<br />
der in ein Serienfahrzeug eingebaut<br />
wurde. Die technische Basis des großvolumigen<br />
Achtzylinders stammte aus<br />
dem legendären Mercedes 600 (Baureihe<br />
W 100). Allerdings wurde bei gleichem<br />
Hub die Zylinderbohrung nochmals von<br />
103 auf 107 Millimeter vergrößert. So<br />
entstand ein Hubraum von 6.834 Kubikzentimetern.<br />
Das Spitzenmodell – mal<br />
eben doppelt so teuer wie ein 350 SE –<br />
besaß damals unglaubliche 286 PS und<br />
549 Newtonmeter maximales Drehmoment.<br />
Die Ingenieure achteten sogar auf<br />
die Wartungskosten: Der hydraulische<br />
Ventilspielausgleich machte Nachstellarbeiten<br />
überflüssig. Dank einer neu entwickelten<br />
Zylinderkopfdichtung entfiel das<br />
sonst übliche Nachziehen der Zylinderköpfe.<br />
Damit nicht genug: Serienmäßig<br />
waren die erstmals bei einem Mercedes-<br />
Pkw eingesetzte hydropneumatische<br />
Luftfederung mit Niveauregulierung an<br />
Bord, Zentralverriegelung, Klimaanlage<br />
sowie eine Scheinwerfer-Waschanlage.<br />
Noch heute gilt für die Fahrt im 450 SEL 6.9<br />
nur eine Vokabel: beeindruckend. Nach<br />
dem Motorstart ist kaum etwas zu hören.<br />
Nur ein leichtes Brummeln kündet vom<br />
mechanischen Leben, und leicht, ganz<br />
leicht, vibriert die Karosserie und damit<br />
auch der Sitz, der vielmehr ein Sessel ist.<br />
Okay, die Laufleistung wird dazu beigetragen<br />
haben, dass er nicht mehr ganz so<br />
fest ist wie zur Zeit der Auslieferung, aber<br />
der verlängerte Rücken des so erfolgreichen<br />
wie stets getriebenen Geschäftsmannes<br />
sollte auch damals schon gut<br />
gebettet sein. Reichlich Holz schmeichelt<br />
noch heute dem Auge. Das riesige<br />
Lenkrad – es scheint eher Statussymbol<br />
zu sein und aufgrund der Servohilfe in<br />
dieser Größe nicht wirklich notwendig<br />
– buhlt darum, in den Händen eines<br />
Firmenlenkers würdig zu wirken.<br />
Beim Tritt aufs Gaspedal muss zunächst<br />
ein kleiner Widerstand überwunden<br />
werden – als würde das Auto fragen, ob<br />
man sich tatsächlich dessen bewusst ist,<br />
dass man bei unbedachtem Umgang<br />
damit locker 22 Liter pro 100 Kilometer<br />
in Form von Abgasen aus dem Doppelauspuff<br />
herausbläst. Die Energiekrise<br />
von 1973 schien 1975 schon wieder<br />
weit weg gewesen zu sein, und man<br />
fuhr den Pomp ja auch nicht offensichtlich<br />
spazieren – der 6.9er war für<br />
Otto Normalverdiener kaum zu unterscheiden<br />
von den schwächer motorisierten<br />
S-Klassen jener Zeit. Die Menge<br />
an PS aus einem prestigeträchtigen V8<br />
wurden eher inkognito chauffiert, und<br />
am liebsten – vom Eigner selbst.<br />
Kein Wunder: Noch heute fühlt man sich<br />
in diesem Auto schlicht erhaben, überlegen<br />
und geschützt – in einem der<br />
schönsten „Panzer“, die je gebaut wurden.<br />
Der Antritt erinnert an den Start einer<br />
dieser riesigen Mondraketen: Selbst der<br />
grandiose Fast-Sieben-Liter-V8 muss die<br />
knapp zwei Tonnen erstmal in Schwung<br />
bringen, aber sind die ersten Meter<br />
geschafft, sorgt der Druck für immer<br />
stärkere Beschleunigung. Rein theoretisch<br />
könnte der Motor die S-Klasse auf<br />
225 km/h Spitzentempo katapultieren,<br />
und das in 7,4 Sekunden, aber das wollen<br />
wir weder diesem 47 Jahre alten Klassiker<br />
noch den anderen Verkehrsteilnehmern<br />
hier auf dem französischen Land antun.<br />
Muss man auch nicht: Es reicht das<br />
Wissen, dass man noch heute mit diesem<br />
automobilen Kunstwerk zwei Drittel aller<br />
anderen Verkehrsteilnehmer verblasen<br />
könnte. Und das in einer Art und Weise,<br />
als würde man auf Wolken schweben.