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BOLD THE MAGAZINE No.65

EXKLUSIV IM INTERVIEW: SCARLETT JOHANSSON | ANNA LOOS IM GESPRÄCH | LEE MILLER | GUCCI: REVIVAL OF AN ICON | RANKIN EXHIBITION | JOSEPHINE BAKER | KARIM HABIB: DIE STIMME DES DESIGNS | 48 STUNDEN: BUDAPEST | HINTER DEN KULISSEN DER FORMEL 1

EXKLUSIV IM INTERVIEW: SCARLETT JOHANSSON | ANNA LOOS IM GESPRÄCH | LEE MILLER | GUCCI: REVIVAL OF AN ICON | RANKIN EXHIBITION | JOSEPHINE BAKER | KARIM HABIB: DIE STIMME DES DESIGNS | 48 STUNDEN: BUDAPEST | HINTER DEN KULISSEN DER FORMEL 1

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LIFESTYLE // FASHION // DESIGN // MOTION // TRAVEL // ART D 6.00 EUR // AT 7.00 EUR // CH 9.00 CHF No. 65<br />

<strong>BOLD</strong>-<strong>MAGAZINE</strong>.EU<br />

<strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong><br />

SCARLETT<br />

JOHANSSON<br />

EXKLUSIV<br />

IM INTERVIEW<br />

ANNA LOOS IM GESPRÄCH // LEE MILLER // GUCCI: REVIVAL OF AN ICON<br />

RANKIN EXHIBITION // JOSEPHINE BAKER // KARIM HABIB: DIE STIMME DES DESIGNS<br />

48 STUNDEN: BUDAPEST // HINTER DEN KULISSEN DER FORMEL 1


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70 g/km††. *Weitere Informationen und DAT-Hinweis auf landrover.de/dat


6 // <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> INHALT<br />

CONTENTS<br />

INHALTSVERZEICHNIS<br />

UND <strong>THE</strong>MEN<br />

LIFESTYLE // FASHION // DESIGN // MOTION // TRAVEL // ART D 6.00 EUR // AT 7.00 EUR // CH 9.00 CHF No. 65<br />

LIFESTYLE<br />

ART<br />

<strong>BOLD</strong>-<strong>MAGAZINE</strong>.EU<br />

SCARLETT<br />

JOHANSSON<br />

EXKLUSIV<br />

IM INTERVIEW<br />

<strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong><br />

ANNA LOOS IM GESPRÄCH // LEE MILLER // GUCCI: REVIVAL OF AN ICON<br />

RANKIN EXHIBITION // JOSEPHINE BAKER // KARIM HABIB: DIE STIMME DES DESIGNS<br />

48 STUNDEN: BUDAPEST // HINTER DEN KULISSEN DER FORMEL 1<br />

Exklusiv im Interview:<br />

Scarlett Johansson<br />

Die Wandelbare:<br />

Anna Loos im Gespräch<br />

über das Leben und Ihr neues Album<br />

„Das Leben ist schön“<br />

FASHION<br />

Revival of an Icon:<br />

The New Gucci Bamboo 1947<br />

DESIGN<br />

8<br />

44<br />

16<br />

Man muss Menschen lieben:<br />

John Rankin Waddell Exhibition<br />

(Ernst Leitz Museum)<br />

Vorschau Ausstellungen:<br />

Lee Miller (Bucerius Kunst Forum)<br />

und Josephine Baker<br />

(Bundeskunsthalle Bonn)<br />

TRAVEL<br />

Ras Al Khaimah:<br />

Unterwegs im Emirat der<br />

Perlenfischer und Abenteurer<br />

24<br />

31<br />

54<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> No. 65<br />

Scarlett Johansson<br />

Foto: AUGUST Images<br />

Made in Germany:<br />

Lichtmanufaktur 8 Seasons Design<br />

Cool Stuff<br />

Im Gespräch:<br />

Executive Vice President und<br />

Head of Kia Global Design<br />

Karim Habib über<br />

die Stimme des Designs<br />

32<br />

36<br />

48 Stunden:<br />

Ein Wochenende in Budapest<br />

MOTION<br />

Welcome to Miami:<br />

An der Südspitze Floridas<br />

werfen wir mit Alpine einen Blick<br />

Hinter die Kulissen der Formel 1<br />

62<br />

72<br />

SMEG:<br />

Gutes Design ist Familiensache<br />

Cool Stuff<br />

50<br />

DIE LETZTE SEITE<br />

Impressum<br />

82


Ein kleines SUV, ganz groß.<br />

Der neue vollelektrische Volvo EX30.<br />

Unser bisher kleinstes SUV begeistert mit einem<br />

hochwertigen Innenraum aus recycelten Materialien,<br />

einem geringen CO₂-Fußabdruck und innovativen<br />

Assistenzsystemen – im Kleinen steckt oft wahre Größe.<br />

volvocars.de/EX30


SCARLETT<br />

JOHANSSON<br />

EXKLUSIV<br />

IM INTERVIEW<br />

AUTOR & INTERVIEW: J. FINK


10 // <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> INTERVIEW / SCARLETT JOHANSSON<br />

Mehr als 14 Milliarden Dollar haben die Filme von Scarlett Johansson weltweit bislang<br />

eingespielt. Doch die Amerikanerin, die man aus Marvel-Abenteuern genauso kennt wie<br />

aus Woody Allen-Filmen, ist viel mehr als bloß Superheldin und Sexsymbol. Und das<br />

schon seit bald 30 Jahren! Jetzt kehrt sie nach einer Leinwand-Pause mit „Asteroid City“<br />

von Wes Anderson ins Kino zurück.<br />

Dass für Kinderschauspieler die Karriere<br />

vorbei ist, sobald sie die Pubertät hinter sich<br />

haben, war immer schon eine Regel, für die<br />

es fast so viele Ausnahmen wie Belege gab.<br />

Die Liste all jener, die auch als Erwachsene<br />

vor der Kamera Erfolge feiern konnten,<br />

reicht von Jodie Foster über Neil Patrick<br />

Harris bis zu Kristen Stewart. Das Paradebeispiel<br />

allerdings ist Scarlett Johansson.<br />

Denn die hat es nach ihrem Kinodebüt im<br />

Alter von neun Jahren längst zum größten<br />

Star von Hollywood geschafft, zumindest<br />

wenn man danach geht, wessen Filme weltweit<br />

am erfolgreichsten waren.<br />

Den Ehrgeiz, es ins Rampenlicht und<br />

nach ganz oben zu schaffen, entwickelt<br />

Johansson früh. Geboren im November<br />

1984 in Manhattan, als Tochter eines dänischen<br />

Architekten und einer jüdisch-amerikanischen<br />

Produzentin, stellt sie schon als<br />

kleines Kind – so geht die Legende – Tanzund<br />

Gesangsnummern für die Familie<br />

auf die Beine. Vor dem Spiegel übt sie, auf<br />

Kommando zu weinen; nach Schulschluss<br />

stehen Stepp-Unterricht und bald auch<br />

Schauspielkurse auf dem Programm. Zwei<br />

Sätze in einem Theaterstück mit Ethan<br />

Hawke sind ein erstes Highlight, doch wirklich<br />

Feuer und Flamme ist sie vor allem bei<br />

ihrer ersten Kinorolle in der Romanverfilmung<br />

„North“ mit Elijah Wood, Bruce Willis<br />

und Kathy Bates. Da ist Johansson noch<br />

keine zehn Jahre alt.<br />

Dann geht es Schlag auf Schlag. Zwei Jahre<br />

später spielt sie in dem kleinen Drama<br />

„Manny & Lo“ ihre erste Hauptrolle und<br />

wird prompt für den Independent Spirit<br />

Award nominiert. Kurz darauf dreht sie<br />

mit Robert Redford „Der Pferdeflüsterer“.<br />

Als ihr mit „The Man Who Wasn’t There“<br />

von den Coen-Brüdern und der Comic-<br />

Verfilmung „Ghost World“ 2001 endgültig<br />

der Durchbruch gelingt, ist sie noch<br />

immer nicht einmal volljährig. Mit klassischen<br />

Teenie-Rollen hält sich Johansson<br />

trotzdem nicht lange auf. Im Gegenteil: Die<br />

Golden Globe-nominierten Rollen in Sofia<br />

Coppolas Oscar-Gewinner „Lost in Translation“<br />

an der Seite von Bill Murray sowie<br />

im Historiendrama „Das Mädchen mit dem<br />

Perlenohrring“ machen sie schnell zu Hollywoods<br />

erster Wahl, wenn es um anspruchsvolle<br />

Rollen für junge Frauen geht.<br />

Eine Weile lang spezialisiert sich Johansson<br />

vor allem auf kleinere, dramatische Rollen,<br />

in denen sie ihr schauspielerisches Talent<br />

voll zur Geltung bringen kann. Mainstream-<br />

Abstecher wie im Actionthriller „The Island“<br />

von Michael Bay oder der RomCom „Er<br />

steht einfach nicht auf dich!“ bleiben die<br />

Ausnahme und eher erfolglos.


Fotos: Universal Pictures Germany


INTERVIEW / SCARLETT JOHANSSON<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> // 13<br />

Stattdessen dreht sie vor allem mit Kino-<br />

Legenden wie Brian de Palma („The Black<br />

Dahlia“), Christopher Nolan („Prestige –<br />

Die Meister der Magie“) und nicht zuletzt<br />

immer wieder Woody Allen, für den sie bei<br />

„Match Point“, „Scoop – Der Knüller“ und<br />

„Vicky Cristina Barcelona“ vor der Kamera<br />

stand. Auch bei ihren musikalischen Unternehmungen<br />

interessiert sie breitenwirksamer<br />

Massengeschmack nicht wirklich: Für<br />

das 2008 erschienene Debütalbum „As I Lay<br />

My Head“ – immerhin Top 30 in den deutschen<br />

Charts – covert sie Tom Waits und<br />

kollaboriert mit David Bowie und den Yeah<br />

Yeah Yeahs, ein Jahr später veröffentlicht sie<br />

gemeinsam mit Pete Yorn „Break Up“.<br />

Johanssons Image ist – nicht nur, aber auch<br />

dank ihrer unverwechselbar rauchigen<br />

Stimme – lange das eines Sex-Symbols, ihre<br />

Ausstrahlung oft eher unterkühlt. Sandra<br />

Bullock oder Julia Roberts als „America’s<br />

sweetheart“ Konkurrenz machen kann sie<br />

damit nicht, doch als Actionheldin eignet sie<br />

sich bestens, wie sich ab 2010 zeigt. In „Iron<br />

Man 2“ ist sie erstmals als Black Widow<br />

zu sehen und fortan fester Bestandteil des<br />

Marvel-Universums. Zwischendurch darf<br />

sie auch im Überraschungserfolg „Lucy“<br />

von Luc Besson oder der Manga-Adaption<br />

„Ghost in the Shell“ ordentlich zulangen,<br />

doch in erster Linie begeistert sie die Fans<br />

als wichtigstes weibliches Mitglied der Avengers.<br />

In acht Filmen spielt sie ihre Paraderolle,<br />

darunter in einem eigenen „Black Widow“-<br />

Abenteuer. Weil man in Pandemie-Zeiten<br />

bei Disney entscheidet, ausgerechnet „Black<br />

Widow“ nicht ins Kino zu bringen, sondern<br />

lediglich über den hauseigenen Streamingdienst<br />

auszuwerten, zieht die Schauspielerin<br />

2021 gegen ihren Arbeitgeber vor Gericht.<br />

Sie fühlt sich um Einnahmen betrogen, die<br />

ihr auf Basis des Einspielergebnisses noch<br />

zugestanden hätten; am Ende einigt man<br />

sich außergerichtlich und gegen eine stattliche<br />

Summe. Mit dem Kapitel Marvel hat<br />

Johansson da allerdings ohnehin längst<br />

abgeschlossen – und sich lieber wieder auf<br />

kleinere Rollen konzentriert, die ihr darstellerisch<br />

mehr abverlangen. Mit Erfolg natürlich:<br />

für „Marriage Story“ und „Jojo Rabbit“<br />

erhält sie ihre ersten beiden Oscar-Nominierungen.<br />

Im gleichen Jahr, wohlgemerkt!<br />

In ihrem neuen Film nun zeigt die zweifache<br />

Mutter, die nach Ryan Reynolds und dem<br />

französischen Werbefachmann Romain<br />

Dauriac in dritter Ehe mit dem Komiker<br />

Colin Jost („Saturday Night Live“) verheiratet<br />

ist, endlich auch mal wieder ihr komödiantisches<br />

Talent. Ihre Rolle in „Asteroid<br />

City“ von Wes Anderson ist klein, aber<br />

fein. In der schrägen und kunterbunten<br />

Geschichte über eine Alien-Landung in<br />

einem Wüstenörtchen in den 1950er Jahren<br />

spielt sie an der der Seite von Tom Hanks,<br />

Adrien Brody, Tilda Swinton, Steve Carell<br />

oder Jason Schwartzman eine prominente<br />

Schauspielerin, deren Tochter Ambitionen<br />

als Nachwuchs-Wissenschaftlerin hat. Doch<br />

auch die Rückkehr zum Drama ist längst<br />

unter Dach und Fach: Als nächstes wird<br />

Johansson in „My Mother’s Wedding“ zu<br />

sehen sein, dem Regiedebüt ihrer Kollegin<br />

Kristin Scott-Thomas, deren Tochter sie<br />

hier nach „Der Pferdeflüsterer“ und „Die<br />

Schwester der Königin“ zum dritten Mal<br />

verkörpert.<br />

Ms. Johansson, wenn man wie Sie schon<br />

als Jugendliche berühmt wird und<br />

ständig in andere Rollen schlüpft, ist es<br />

doch sicher doppelt schwierig, in Ruhe<br />

erwachsen zu werden, oder?<br />

Glücklicherweise komme ich ja noch aus der<br />

letzten Generation, die ohne Social Media<br />

und so etwas aufgewachsen ist. Wenn ich<br />

mir ansehe, wie junge Schauspieler heute<br />

von und in den Medien behandelt werden,<br />

bin ich wirklich froh, dass mir vieles davon<br />

erspart geblieben ist. Trotzdem war es nicht<br />

immer ganz einfach. Es kann dich ganz<br />

schön umhauen, wenn plötzlich die öffentliche<br />

Aufmerksamkeit auf dich gerichtet ist<br />

und jeder eine Meinung über dich hat. Da<br />

musste ich schon ein gesundes Selbstbewusstsein<br />

und einen gewissen Überlebensinstinkt<br />

mitbringen.<br />

Hat es Ihnen geholfen, einen Zwillingsbruder<br />

zu haben?<br />

Das ist schon eine spannende Frage, was es<br />

mit einem macht, wenn man ein Zwilling<br />

ist. Mein Bruder Hunter und ich waren uns<br />

immer unglaublich nahe. Ich war in meinem<br />

Leben nie wirklich allein, seit meiner<br />

Geburt. Das ist natürlich nicht spurlos an<br />

mir vorbeigegangen, im Positiven wie im<br />

Negativen.<br />

Zum Beispiel?<br />

Na ja, weil man es gar nicht kennt, ist die<br />

Angst vor dem Alleinsein manchmal ganz<br />

schön groß. Ich musste wirklich erst lernen,<br />

dass ich auch auf eigenen Füßen stehen


14 // <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> INTERVIEW / SCARLETT JOHANSSON<br />

kann und nicht immer einen anderen<br />

Menschen brauche, um mich zu definieren.<br />

Gleichzeitig ist es ein unbeschreiblich gutes<br />

Gefühl zu wissen, dass ich mit Hunter<br />

jemanden habe, der zur Not sein Leben für<br />

mich hergeben würde. Und ich für ihn, weil<br />

wir uns gegenseitig so nahe sind wie uns<br />

selbst. Heute als Erwachsene sogar mehr<br />

denn je.<br />

In den sozialen Netzwerken findet man<br />

Sie allerdings bis heute nicht …<br />

Dafür habe ich einfach keine Zeit. Mein<br />

Leben ist voll genug mit anderen Dingen.<br />

Abgesehen davon bin ich einfach eine sehr<br />

private Person und habe kein Interesse, die<br />

Welt an meinem Leben teilhaben zu lassen.<br />

Meine Freunde treffe ich im echten Leben<br />

und nicht online. Wenn ich deine Telefonnummer<br />

nicht habe und wir nicht in<br />

Kontakt geblieben sind, dann wollen wir uns<br />

vermutlich nicht sehen. Oder zumindest will<br />

ich dich nicht sehen. Klingt wahrscheinlich<br />

zickig, aber so ist es eben.<br />

Verfolgen Sie, was die Presse über Sie<br />

schreibt?<br />

Nein, da stecke ich meinen Kopf in den<br />

Sand. Und dass ich nicht auf Twitter, Facebook<br />

und Co. bin, hilft dabei natürlich<br />

sehr. Ich selbst liebe es, im Kino zu sitzen<br />

und mich von einem Film vollkommen<br />

mitreißen zu lassen. Mein Traum ist es,<br />

dass mir das mit meinen Rollen auch immer<br />

wieder gelingt. Allerdings habe ich nicht<br />

die Illusion, dass ich jedem gefallen kann.<br />

Geschmäcker sind nun einmal verschieden.<br />

Und für jeden Arsch gibt es einen Sitz,<br />

wie ich immer sage.<br />

Ihr Vater stammt aus Dänemark. Fühlen<br />

Sie sich eigentlich dänisch?<br />

Absolut, ich fühle mich sogar sehr dänisch.<br />

Natürlich bin ich nicht ständig in Kopenhagen,<br />

wo mein Vater herkommt. Aber die<br />

dänische Kultur hat mich geprägt und ist bis<br />

heute fest in mir verankert. Das habe ich bei<br />

„Ghost in the Shell“ wieder gemerkt, als ich<br />

auf meinen dänischen Kollegen Pilou Asbaek<br />

traf. Wir haben auf Anhieb eine Art Verbindung<br />

zwischen uns beiden gespürt, einfach<br />

weil wir beiden die einzigen Wikinger am<br />

Set waren. (lacht)<br />

Von all den wunderbaren Kollegen, mit<br />

denen Sie im Laufe Ihrer Karriere zusammengearbeitet<br />

haben – wer hat Sie eigentlich<br />

am meisten beeindruckt?<br />

Am meisten geprägt hat mich sicherlich<br />

Robert Redford. Ich war 12 Jahre alt, als ich<br />

mit ihm „Der Pferdeflüsterer“ gedreht habe.<br />

Von ihm habe ich gelernt, vor der Kamera<br />

vollkommen natürlich und ganz und gar<br />

im Moment zu sein. Hätte ich ihm nicht bei<br />

der Arbeit zusehen dürfen, wäre in mir vielleicht<br />

nie der brennende Wunsch entstanden,<br />

die Schauspielerei wirklich zum Beruf zu<br />

machen.<br />

WEITERE INFORMATIONEN:<br />

www.universalpictures.de


FASHION / ACCESSOIRE<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> // 17<br />

R EVIVAL<br />

OF AN ICON<br />

<strong>THE</strong> NEW<br />

GUCCI BAMBOO 1947<br />

AUTORIN: Z. KHAWARY<br />

Supermodel Liu Wen spielt die Hauptrolle in der neuesten Kampagne des Hauses,<br />

die dem Bamboo 1947 gewidmet ist und sich durch den gebogenen Bambusgriff auszeichnet,<br />

dessen handgefertigte Beschaffenheit jede Tasche zu einem Unikat macht.<br />

Die aktuelle Gucci Bamboo zeichnet sich durch austauschbare Leder- und Webriemen aus,<br />

die die Funktionalität erhöhen und sie zu einem äußerst vielseitigen Accessoire machen.<br />

www.gucci.com


Foto (Ausschnitt): Rankin, Animal FashionAnother (1994)


ART / SEHENSWERT<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> // 25<br />

MAN MUSS<br />

MENSCHEN LIEBEN<br />

JOHN RANKIN WADDELL<br />

EXHIBITION<br />

AUTOR: H. G. TEINER<br />

„Ich denke, wenn man Menschen nicht<br />

liebt und nicht von ihnen fasziniert ist,<br />

wird man als Porträtfotograf nie Erfolg<br />

haben, weil die Bilder kalt aussehen“.<br />

Das ist die tiefe Überzeugung des britischen<br />

Porträt- und Modefotografen<br />

Rankin. Vor seiner Kamera posierten<br />

bereits die berühmtesten Größen aus<br />

Politik und Showgeschäft: Elizabeth II.,<br />

Vivienne Westwood, Ewan McGregor,<br />

Björk, Heidi Klum und David Bowie.<br />

Rankin, als John Rankin Waddell am<br />

28. April 1966 in Schottland geboren,<br />

begann, trotz seiner sich früh zeigenden<br />

künstlerischen Ambitionen, zunächst<br />

ein Studium der Betriebswirtschaft,<br />

bevor er seinen erfüllenden Weg zur<br />

Fotografie fand.<br />

Zu Beginn der 1990er Jahre gründete<br />

er zusammen mit Jefferson Hack<br />

das wegweisende Zeitgeist-Magazin<br />

„Dazed & Confused“, darin eine inspirierende<br />

Mischung verschiedener Genres:<br />

Mode, Grafik, Design und Fotografie.<br />

2001 folgte das “AnOther Magazine”.<br />

Mit seinen Fotografien, die sowohl


Fotos: Foto: Rankin, Oasis (2002) und Heidi Klum (2003)


28 // <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> ART / SEHENSWERT<br />

Mode als auch berühmte Persönlichkeiten<br />

zeigen, prägte Rankin den<br />

Style der innovativen Modefotografie.<br />

Wie wichtig für Rankin die Interaktion<br />

von Fotograf und Model ist, zeigt<br />

seine Aussage zur Arbeit mit Heidi<br />

Klum: „Viele Leute sehen gar nicht, wie<br />

viel Heidi dafür gibt, dass wirklich ein<br />

perfektes Bild entsteht – nämlich alles!<br />

Sie ist sehr kreativ und schlägt beim<br />

Shooten ständig neue Dinge vor – eine<br />

neue Idee, einen neuen Look, irgendetwas,<br />

was man nicht erwartet hätte. Sie<br />

versteht Mode, Werbung, Marketing, die<br />

ganze Business-Range, und, das ist vielleicht<br />

das Wichtigste – sich selbst.“<br />

Rankins persönlichstes Projekt ist sicher<br />

das 2011 gegründete Magazin „Hunger“,<br />

eine sprühend vitale Mischung aus<br />

Kulturevents und Modewelt, Trends<br />

und Persönlichkeiten: „Für Kultur- und<br />

Sehhungrige“. Dem deutschen Fernseh-<br />

Publikum ist Rankin seit 2009 nicht<br />

zuletzt durch seine Auftritte bei Germany’s<br />

Next Topmodel bekannt; seit der<br />

Staffel 2020 ist er gelegentlich auch<br />

Gastjuror. Rankin hat zahlreiche Bildbände<br />

veröffentlicht, weltweit wurden<br />

seine Arbeiten in großartigen Ausstellungen<br />

gezeigt. Mit seiner Frau, dem<br />

finnischen Model Tuuli Shipster, lebt er<br />

in London. Über sie sagt er: „Sie ist mein<br />

liebstes Foto-Objekt, mit niemandem<br />

verstehe ich mich am Set so gut wie mit<br />

ihr. Ich hasse den Begriff Muse eigentlich,<br />

aber das ist wahrscheinlich das,<br />

was Tuulis Bedeutung für mich am<br />

besten beschreibt.“<br />

Die Ausstellung „Rankin: Zeitsprünge“<br />

im Ernst Leitz Museum in Wetzlar gibt<br />

spannende und tiefe Einblicke in sein<br />

opulentes Werk. Hier werden einige<br />

seiner besten Aufnahmen aus über<br />

dreißig Jahren gezeigt. So finden sich<br />

in der Ausstellung viele ikonische Porträts<br />

und Celebrity-Shots, die längst<br />

Zeitgeschichte geschrieben haben,<br />

krachbunte Beauty- und klassische<br />

Modeaufnahmen, ebenso wie Beispiele<br />

aus seinen tiefgründigen konzeptionellen<br />

Serien.<br />

Die „Zeitsprünge“ werden in wenigen<br />

Augenblicken Wirklichkeit: Fotografien<br />

aus den 1990er bis 2000er Jahren<br />

treten in unmittelbaren Dialog mit<br />

brandneuen und noch nie veröffentlichten<br />

sowie aktuellen Aufnahmen<br />

aus 2023. Hinter allem steht die Überzeugung<br />

Rankins: „Man muss an das<br />

glauben, was man tut, was bringt es<br />

sonst?“ Ein Besuch der Rankin-Ausstellung<br />

im Ernst Leitz Museum lohnt sich<br />

mehrfach, die Leica Camera Erlebniswelt<br />

lässt tief eintauchen in die faszinierende<br />

Geschichte der Fotografie<br />

mit den beachtenswerten Höchstleistungen<br />

von Leica im Kamerabau und<br />

den weltweit berühmten Fotografen<br />

mit ihren Werken.<br />

Rankin: Zeitsprünge<br />

Bis: 27. September 2023<br />

Ernst Leitz Museum, Wetzlar<br />

www.ernst-leitz-museum.com


Foto: Rankin, Antithesis (2012)


<strong>THE</strong> <strong>BOLD</strong><br />

CAST<br />

<strong>THE</strong> SOUND<br />

SUMMER MUSIC<br />

VOLUME No. 2<br />

<strong>BOLD</strong>CAST.EU


ART / SEHENSWERT<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> // 31<br />

Foto: L. Miller (1941)<br />

Foto: bpk / adoc-photos<br />

In ihrem Werk vereint Elizabeth „Lee“<br />

Miller (1907 bis 1977) so gegensätzliche<br />

Genres wie den Surrealismus, Mode-,<br />

Porträt- und Reisefotografie sowie die<br />

Kriegsberichterstattung. Inhaltlich und<br />

geografisch brach Lee Miller immer<br />

wieder zu neuen Ufern auf. 1942 akkreditierte<br />

sie sich als eine von wenigen Amerikanerinnen<br />

bei der US-Army als Kriegsreporterin<br />

und berichtete ab 1944 an<br />

vorderster Front für die Vogue: Sie fotografierte<br />

die Eroberung der Normandie<br />

durch die Alliierten und bewegte sich<br />

mit den vorstoßenden amerikanischen<br />

Truppen durch Europa. Anhand von<br />

150 Aufnahmen aus der Zeit von 1929<br />

bis 1951 wird in dieser Ausstellung die<br />

ganze Breite von Lee Millers Lebenswerk<br />

sichtbar.<br />

Josephine Baker, die 1906 unter ärmlichen<br />

Verhältnissen in St. Louis, Missouri (USA)<br />

geboren wurde, hat als Kind Rassenunruhen<br />

und -trennung erlebt. Nach ihrem<br />

Karrierestart in Amerika ging sie nach<br />

Europa und wurde in Paris zum ersten<br />

schwarzen Weltstar und zur höchstbezahlten<br />

Revuetänzerin der Welt. Während<br />

des Zweiten Weltkrieges war Josephine<br />

Baker im Widerstand tätig, tanzte für die<br />

Truppen und spionierte für Frankreich.<br />

Die Ausstellung zeichnet Bakers Leben<br />

nach – einer Menschenrechtsaktivistin<br />

mit großen Idealen: Gemeinsam mit<br />

ihrem Ehemann Jo Bouillon adoptierte sie<br />

z. B. zwölf Kinder aus unterschiedlichen<br />

Kulturen, um der Welt zu zeigen, dass<br />

Frieden, Freiheit und Gleichberechtigung<br />

universale Menschenrechte sind.<br />

Fotografin zwischen Krieg und Glamour<br />

Bis: 24. September 2023<br />

Josephine Baker<br />

Bis: 24. September 2023<br />

Bucerius Kunst Forum<br />

www.buceriuskunstforum.de<br />

Bundeskunsthalle<br />

www.bundeskunsthalle.de


COOL STUFF / BEGEHRENSWERT<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> // 33<br />

MADE IN<br />

GERMANY<br />

MULTIFUNKTIONALES IN<br />

ÄUSSERST STILVOLLER<br />

FORMSPRACHE<br />

AUTOR: J. M. BRAIN<br />

Ob zur Aufwertung der Gartenfläche<br />

oder als modernes Deko-Objekt im<br />

Haus, die No. 1 Stehleutchte der Lichtmanufaktur<br />

8 Seasons Design (www.<br />

8-seasons-design.de) zieht alle Blicke<br />

auf sich. Durch ihr elegantes, gradliniges<br />

Design und die natürlichen Farbtöne<br />

fügt sie sich stilvoll in jedes Ambiente<br />

ein. Erhältlich ist die Leuchte in 8<br />

stilvollen Farben. Dabei ist die Standleuchte<br />

sowohl im Innen- als auch im<br />

Außenbereich einsetzbar.<br />

Die No. 1 ist standardmäßig mit einer<br />

E27 Fassung inklusive einem warmweißen<br />

Leuchtmittel ausgestattet. Falls<br />

man lieber eine andere Beleuchtung<br />

wünschst, kann man optional zwei<br />

weitere Beleuchtungsvarianten wählen:<br />

RGB LED oder Solar-LED (mit Solar-<br />

Modul). Die hohe Belastbarkeit der<br />

Gartenleuchte entsteht durch die Herstellung<br />

aus einem speziellen, wetterfesten<br />

Polyethylen. Das macht sie robust<br />

gegenüber Sonne, Regen oder Frost.


34 // <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> COOL STUFF / BEGEHRENSWERT<br />

Mit integrierter LED-Technik sind<br />

auch die Blumentöpfe von 8 Seasons<br />

Design ausgestattet. Sie dienen nicht<br />

nur als stylische Pflanzgefäße, sondern<br />

auch als wunderschöne Lichtquellen<br />

für stimmungsvolle Abende im Garten<br />

– oder im Haus. „Bei der Entwicklung<br />

des zeitlosen LED-Blumentopfes<br />

standen Ästhetik und multifunktionale<br />

Produkteigenschaften im Fokus“,<br />

betont Jochen Kurzke, Vertriebsleiter<br />

der Bremer Lichtmanufaktur. Ob als<br />

Solitär oder in der Gruppe – der LED-<br />

Blumentopf wertet In- und Outdoor-<br />

Räume optisch auf. Der in fünf trendigen<br />

Farben und vier verschiedenen<br />

Größen erhältliche Pflanztopf fügt sich<br />

in jede Umgebung harmonisch ein und<br />

verleiht ihr das gewünschte Ambiente.<br />

Der LED-Pflanz- bzw. -Blumentopf<br />

besteht aus einem robusten, witterungsbeständigen<br />

Material. Sollte sich über<br />

den Winter etwas Schmutz oder Grünspan<br />

am Topf ablagern, kann er problemlos<br />

mit dem leichten Wasserstrahl<br />

eines Hochdruckreinigers gesäubert<br />

werden.<br />

Die verschiedenen Designleuchten und<br />

Töpfe, die in Bremen-Hastedt – direkt<br />

an der Weser – produziert werden,<br />

benötigen über 100 Handgriffe, bevor<br />

sie beim Endverbraucher stehen.<br />

Alle Lampen sind besonders robust,<br />

UV-beständig, wetterfest und leicht zu<br />

reinigen. In der Endmontage arbeitet die<br />

Lichtmanufaktur 8 Seasons Design mit<br />

Menschen mit Handicap zusammen,<br />

um ihnen eine wertschätzende Teilhabe<br />

in unserer Gesellschaft zu ermöglichen.<br />

Hochwertigkeit, Nachhaltigkeit<br />

und soziales Engagement bilden für<br />

8 Seasons Design ein Ensemble.


DESIGN / INTERVIEW<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> // 37<br />

VEREINTE<br />

GEGENSÄTZE<br />

WIR SPRECHEN MIT<br />

EXECUTIVE VICE PRESIDENT UND<br />

HEAD OF KIA GLOBAL DESIGN<br />

KARIM HABIB ÜBER<br />

DIE STIMME DES DESIGNS<br />

AUTORIN & INTERVIEW: C. STRENG


38 // <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> DESIGN / INTERVIEW<br />

Es zeugt von Selbstbewusstsein, auf der weltgrößten Design-Messe, der Milan<br />

Design Week, auszustellen – vor allem, wenn man seine Produkte gar nicht zeigt.<br />

Wie der koreanische Autohersteller Kia, der stattdessen seine Markendesignphilosophie<br />

„Opposites United“ anhand von gigantischen Medienkunstinstallationen<br />

präsentiert. Warum, erklärt Chef-Designer Karim Habib im Interview.<br />

Es war ein großer Moment, als Kia vor<br />

rund zwei Jahren sein erstes vollelektrisches<br />

Fahrzeug, den EV6, der Welt<br />

vorstellt. Entworfen wurde es unter der<br />

neuen Design-Philosophie „Opposites<br />

United“, die die bis dahin immerhin 15<br />

Jahre lang geltenden Gestaltungsvorgaben<br />

des großartigen Peter Schreyers<br />

auf ein neues Level führen sollte. Heraus<br />

kam ein unverwechselbares Crossoverinspiriertes<br />

Design, basierend auf der<br />

neuen Electric-Global Modular Platform<br />

(E-GMP) der Marke, die den sich<br />

wandelnden Fokus auf Elektrifizierung<br />

verkörperte.<br />

Karim Habib, damals noch Senior Vice<br />

President und Leiter des Global Design<br />

Centers von Kia, erklärt es so: „Unser<br />

Ziel war es, mit dem EV6 ein unverwechselbares,<br />

wirkungsvolles Design zu<br />

kreieren, indem wir ausgefeilte Hightech-Elemente<br />

mit puren und großzügigen<br />

Volumen kombinieren, während<br />

wir zugleich den einzigartigen Raum<br />

eines futuristischen Elektrofahrzeugs<br />

bieten.“ Dass dieses Konzept aufging,<br />

bestätigten die Auszeichnungen, die der<br />

EV6 noch im gleichen Jahr erhielt: den<br />

Good Design Award 2021 des Chicago<br />

Athenaeum – Museum of Architecture<br />

and Design und des European Centre<br />

for Architecture Art Design and Urban<br />

Studies. Auch heute, zwei Jahre später,<br />

steht im Mittelpunkt der Marken-Design-<br />

Philosophie „Opposites United“ noch<br />

immer die besondere visuelle Identität,<br />

die mit kontrastierenden Kombinationen<br />

von scharfen stilistischen Elementen<br />

und skulpturalen Formen aufwartet und<br />

auch das Design aller zukünftigen Kia-<br />

Modelle prägen wird. Diese Philosophie<br />

basiert auf den fünf zentralen Designsäulen<br />

„Bold for Nature“, „Joy for Reason“,<br />

„Power to Progress“, „Technology for Life“<br />

und „Tension for Serenity“, die die Bewältigung<br />

der Mobilitätsherausforderungen<br />

von heute mit einer Vision für morgen<br />

verbindet.<br />

Einen perfekten Rahmen zur Verbildlichung<br />

dieses Gestaltungsansatzes hat<br />

Kia im letzten Monat in Italien gefunden:<br />

Auf der weltgrößten Design-Messe,<br />

der Milan Design Week 2023, präsentierten<br />

die wichtigsten Kia-Designer<br />

in den sieben Ausstellungshallen des<br />

Mailänder Museo della Permanente eine<br />

Kunstausstellung, die auf der Gwangju<br />

Design Biennale 2021 in Korea Premiere<br />

feierte und von der Kritik hoch gelobt<br />

wurde. Mit ihr werden Besucher eingeladen,<br />

immersive Medienkunstinstallationen<br />

zu bewundern und Kia‘s Design-


40 // <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> DESIGN / INTERVIEW<br />

vision für eine neue Ära nachhaltiger<br />

Mobilität durch Video, Ton und Skulptur<br />

zu erleben. Vielleicht nicht ausschließlich,<br />

aber maßgeblich für den jüngsten<br />

Erfolg und Höhenflug von Kia ist Designchef<br />

Karim Habib, mittlerweile Executive<br />

Vice President, der mit der Ausgestaltung<br />

der Design-Philosophie „Opposites<br />

United“ neue Wege beschritten hat.<br />

Der 53-Jährige mit der sanften Stimme,<br />

der im Libanon geboren wurde und in<br />

Kanada aufwuchs, machte sich bereits<br />

bei BMW einen Namen. Nach einem<br />

kurzen Intermezzo bei Daimler kehrte<br />

er als Leiter der Exterieur-Abteilung zu<br />

BMW zurück und wurde Designdirektor.<br />

Im Januar 2017 wechselte er zum Infiniti-Design<br />

und entwarf verschiedene<br />

gefeierte Q Inspirations-Konzepte, bevor<br />

er im Oktober 2019 bei Kia anheuerte.<br />

Wir haben den vielbeschäftigten zweifachen<br />

Vater zum persönlichen Gespräch<br />

getroffen.<br />

Herr Habib, obwohl Sie vor kurzem<br />

mit Ihrer Familie zurück nach Frankfurt<br />

gezogen sind: Fühlt sich Ihr<br />

Kia-Job nach dreieinhalb Jahren wie<br />

ein „Dauerzustand“ an?<br />

In der Tat. Ich denke, man kann an den<br />

Produkten, die wir herstellen, sehen, dass<br />

das Faszinierende an diesem Unternehmen<br />

die ‚Stimme des Designs‘ ist. Es geht nicht<br />

unbedingt darum, lauter zu werden, aber<br />

Design wird mehr als ein Werkzeug zur<br />

Entscheidungsfindung und Unternehmensstrategie<br />

verstanden. Wir sind in die<br />

‚Produktionsdefinition‘ involvierter als je<br />

zuvor, und wir haben es geschafft, Dinge<br />

zu kreieren, von denen ich das Gefühl habe,<br />

dass sie die Marke wirklich voranbringen<br />

können.<br />

Sie stellen auf der weltgrößten<br />

Design-Messe, der Milano Design<br />

Week, unterschiedliche Kunstwerke<br />

aus – aber keine Autos. Was steckt<br />

dahinter?<br />

(lacht) Na ja, zuerst einmal sind wir hier<br />

nicht auf einer Automesse. Die meisten<br />

Besucher hier sind sicher eher an Design<br />

interessiert, als an Fahrzeugen. Natürlich<br />

gibt es viel Design an und in einem Auto,<br />

und natürlich muss ein Auto grundsätzlich<br />

entworfen, also designed werden.<br />

Aber viel wichtiger war uns, unsere neue<br />

Design-Philosophie „Opposites United“<br />

mithilfe von visualisierender Kunst und<br />

Illustrationen darzustellen und Ausstellungsbesuchern<br />

eine Perspektive auf den<br />

kreativen Prozess zu ermöglichen. Natürlich<br />

ist das für den ein oder anderen sehr<br />

abstrakt. Aber sind wir nicht schon häufig<br />

genug konkret? Für uns als Designer war<br />

es quasi wie ein Geschenk, dass uns die<br />

Firma so vertraut hat und wir so abstrakt<br />

arbeiten konnten.<br />

Wie kam es überhaupt zu der neuen<br />

Design-Leitlinie? Hat das nur mit den<br />

neuen Elektro-Modellen zu tun?<br />

Nein, dafür gab es weitere Gründe,<br />

allen voran die zeitliche und technische<br />

Entwicklung. Natürlich waren die letzten<br />

10 bis 15 Jahre bei Kia geprägt von der<br />

Designkultur eines Peter Schreyer, die sich<br />

über die Jahre auch ständig weiterentwickelt<br />

hat – hin zu einem Level, das aus<br />

meiner Sicht hochprofessionell ist. Wir<br />

haben die Philosophie geändert, weil wir<br />

das wollten und mussten, denn auch die<br />

Marke hat sich geändert. Kurz gesagt:<br />

Wir haben entschieden, uns als Marke<br />

neu zu erfinden. Deshalb haben wir unter<br />

anderem ein neues Logo entwickelt. Aber<br />

auch die Markenwerke, für die wir stehen,<br />

wollten wir klarer herausarbeiten. Hinzu<br />

kam eine neue Technologie, die Elektrifizierung.<br />

Hier haben wir die Chance gesehen,<br />

diese Markenneuerfindung mit der Einführung<br />

der Elektromodelle zu kombinieren<br />

und somit eine neue Ära entstehen zu<br />

lassen. Aus meiner Sicht ist dafür auch ein<br />

neues Design notwendig. Prinzipiell soll<br />

Design Markenwerte ausdrücken, aber<br />

natürlich auch die Werte der Kunden sowie<br />

deren Wünsche berücksichtigen. Und mit<br />

den Elektromodellen erreichen wir sicher<br />

neue Zielgruppen. Somit gibt es zahlreiche<br />

Gründe für die neue Design-Leitlinie.<br />

Gibt es einen Teil innerhalb der<br />

Design-Leitlinie, der Ihnen besonders<br />

wichtig ist?<br />

Ein Teil der Kia-Kultur ist die klare Kundenorientierung.<br />

Wir entwickeln Produkte, um<br />

das Leben von Menschen zu verbessern,<br />

und ich glaube, das ist exakt das, was auch<br />

ein Designer machen sollte. Design ist dafür<br />

da, das Leben zu vereinfachen, sei es durch<br />

Funktionalität oder Brauchbarkeit, wobei<br />

auch die emotionale und ästhetische Seite<br />

eine Rolle spielt. Das ist das, was mir am


DESIGN / INTERVIEW<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> // 41<br />

wichtigsten ist und am interessantesten<br />

erscheint.<br />

Welche der fünf zentralen Design-<br />

Säulen trifft das am meisten?<br />

Eigentlich sollten alle fünf Säulen, also all<br />

die verschiedenen Perspektiven, auf diese<br />

Produktentwicklung passen, oder?<br />

Sicher spricht Ihre neue Design-Philosophie<br />

auch junge Designer an, die<br />

sich hier auf der Messe tummeln.<br />

Haben Sie in Ihrem Kreativ-Team überhaupt<br />

noch Platz für neue Designer?<br />

(lacht) Immer! Definitiv! Wir stellen jedes<br />

Jahr neue Mitarbeiter ein, und neue junge<br />

Designer sind natürlich sehr wichtig.<br />

Inhaltlich geht es bei dem neuen<br />

Design vor allem darum, die Gegensätzlichkeiten,<br />

die sich in der Natur<br />

und im Menschsein finden, gestalterisch<br />

zu interpretieren und zu<br />

verbinden. Können Sie das noch ein<br />

wenig ausführen?<br />

Vielleicht kann man das einfacher mit<br />

dem Wort Kontrast beschreiben. Kontrast<br />

ist wirklich ein tagtäglicher Begleiter<br />

in unserem Leben, der Mensch selbst ist<br />

schon voller Kontraste, oder Paradoxe, und<br />

das ist ein Teil der Erklärung. Der andere<br />

Teil ist das Thema Diversity, Unterschiedlichkeit,<br />

wie das zum Beispiel im Moment<br />

gut in der Mode zu sehen ist: Es gibt Hosen<br />

mit weiten Beinen und Hosen mit engen<br />

Beinen, und beides geht. In der Vergangenheit<br />

war das nicht so offen wie heute, wo<br />

das alles miteinander verwoben scheint.<br />

Diese Gegensätze sind so bereichernd.<br />

Und wie setzen Sie das in einem Fahrzeug<br />

um?<br />

Das kann ich ganz einfach erklären: Als<br />

Beispiel nehme ich EV9, einen SUV, der eine<br />

gewisse Stärke, Robustheit und Off-Road-<br />

Fähigkeit haben musste. Gleichzeitig<br />

ist das ein Elektrofahrzeug für Familien.<br />

Deswegen haben wir als ein Beispiel für das<br />

Exterior-Design jetzt einen Hauptkörper,<br />

der sehr rund ist und keine Kanten hat.<br />

Der visuelle Schwerpunkt, wo Licht und<br />

Schatten sich treffen, ist recht weit unten<br />

im Auto, genau wie die Glaslinie, also dort,<br />

wo sich Blech und Glas treffen. Dies ist<br />

den Themen Sichtbarkeit und Komfort im<br />

Innenraum geschuldet. Beide Ansätze sind<br />

erstmal nicht so typisch für SUVs. Gleichzeitig<br />

sind sowohl die Räder als auch die<br />

Radkästen sehr kastenförmig gestaltet, mit<br />

richtig scharfen Kanten. Die zwei Punkte<br />

zusammen ergeben zwei komplett unterschiedliche<br />

Prinzipien des Autodesigns.<br />

Die Ästhetik des EV6 ist aerodynamisch.<br />

Vor allem die stark geneigte,<br />

sich bis weit nach hinten ziehende<br />

Frontscheibe sowie die sehr voluminös<br />

wirkenden hinteren Kotflügel<br />

vermitteln eine Dynamik, die bei<br />

E-Autos (noch) nicht üblich ist. Wie<br />

kommt das?<br />

Ehrlich gesagt war das Fahrzeug fast fertig<br />

geplant, als ich zu Kia kam. Ich habe nur


Fotos: Kia (L. Descamps)


DESIGN / INTERVIEW<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> // 43<br />

noch ein halbes Jahr mitgemacht, bis das<br />

Auto fertig war. Aber es ist trotzdem Teil der<br />

neuen Ära, die nicht nur mit mir zu tun hat.<br />

Der EV6 ist ein Fahrzeug, das auf unserer<br />

Elektro-Architektur basiert. Und diese Elektro-Architektur<br />

hat ein paar Form-Nachteile.<br />

Dadurch haben sich diese Proportionen<br />

entwickelt. Der Radstand ist sehr<br />

lang, die Überhänge sind sehr kurz – und<br />

die Räder dann wieder eher groß für ein<br />

Fahrzeug von dieser Länge. Das sind üblicherweise<br />

Proportionen, die in der Vergangenheit<br />

nur bei Fahrzeugen der Luxus- und<br />

Premiumklasse zu finden waren. Aber durch<br />

die Vorgaben von Elektroautos müssen wir<br />

das so bauen, wie beispielsweise die langen<br />

Radstände, denn zwischen die Räder muss<br />

die Batterie passen. Damit auch noch<br />

die Reichweite stimmt, muss die Batterie<br />

eine bestimmt Größe haben. Und schon<br />

wird das Auto schwerer, wodurch sich die<br />

Notwendigkeit von großen Rädern ergibt.<br />

So entstehen bestimmt Formvorgaben und<br />

Proportionen, die eher untypisch sind für<br />

einen Cross-Over.<br />

Kia möchte bis 2027 15 Elektrofahrzeuge<br />

auf den Markt bringen. Eines<br />

davon ist der EV9, der kürzlich in Los<br />

Angeles vorstellt wurde ...<br />

Der EV9 ist mit sieben Sitzen ausgestattet<br />

und für europäische Verhältnisse ein recht<br />

großer SUV. Wir sehen seinen Hauptabsatzmarkt<br />

aber eher in den USA und in<br />

Korea, wo die Autos nicht groß genug sein<br />

können. Es handelt sich um einen Großraum-Elektro-SUV<br />

mit fünf Metern Länge<br />

und drei permanenten Sitzreihen, so dass<br />

sieben Personen bequem Platz finden. Er ist<br />

auf der gleichen Design-Architektur aufgebaut<br />

wie der EV6. Was das Auto besonders<br />

macht, ist, dass es momentan nicht so viele<br />

Vergleichsmodelle gibt – vor allem, was<br />

den Preis betrifft.<br />

Und wie sieht es mit der Innenraumgestaltung<br />

aus?<br />

Ich bin sehr stolz auf das Innendesign, ich<br />

finde es fantastisch! Die Interior-Designer<br />

haben einen ausgezeichneten Job gemacht.<br />

Wir haben eine Nachhaltigkeitsliste mit<br />

zehn Punkten, eine „10-Point-Sustainable-<br />

Must-Have-List“, die sicherstellen soll, dass<br />

ein gewisser Anteil der verwendeten Materialien<br />

zum einen recyclebar ist, zum<br />

anderen aus wiederverwertbaren Quellen<br />

stammt. Der EV9 ist das erste Auto, bei dem<br />

wir diese Vorgabe vollständig umgesetzt<br />

haben. Hier wurde zum ersten Mal kein<br />

Leder mehr verwendet, sondern stattdessen<br />

ein Kunstleder, das zu einem bestimmten<br />

Anteil aus Mais besteht. Ähnlich sieht es bei<br />

den Teppichen aus: Sie bestehen zu einem<br />

gewissen Teil aus recycelten Fischernetzen.<br />

Aber auch das Innendesign ist super spannend:<br />

Zum Beispiel können die Sitze in<br />

der zweiten Reihe um 180 Grad gedreht<br />

werden. Das ist deshalb möglich, weil kein<br />

Tunnel mehr im Fußbodenbereich benötigt<br />

wird. Ähnlich sieht es im Vorderraum<br />

aus: Auch hier ist kein Tunnel mehr nötig,<br />

weil das Heizklimagerät nunmehr unter<br />

die Haube verschoben wurde. Somit haben<br />

wir auch einen sehr offenen Fußraum. Das<br />

gefällt mir ausgesprochen gut, weil wir<br />

damit nicht nur die Objekte, sondern auch<br />

den Raum zwischen den Objekten designt<br />

haben. Für mich als Designer ist das eine<br />

wirkliche Entwicklung.<br />

Wo sehen Sie Kia in zehn Jahren?<br />

Ich möchte, dass Kia als einer der Mentoren<br />

der Branche gilt, bekannt für die Qualität<br />

unserer Designs, aber auch als Mentor für<br />

Design im Allgemeinen.<br />

Noch eine letzte Frage zum Kia-Slogan<br />

„Movement that inspires“: Wie ist Ihre<br />

persönliche Interpretation davon?<br />

Für mich bedeutet das, eine Verantwortung<br />

dafür zu haben, dass Menschen sich<br />

bewegen können. Wir hatten schon – und<br />

das bereits vor der Pandemie – die Diskussion<br />

darüber, was die Markenaussage sein<br />

soll. Natürlich stellt sich immer öfter die<br />

Frage danach, wie viel und wie oft man<br />

reisen soll. Wie groß soll der ökologische<br />

Fußabdruck sein, wie oft soll man das Flugzeug<br />

nehmen? Aber auf der anderen Seite<br />

hat sich die Menschheit weiterentwickelt,<br />

weil sie sich bewegt hat – durch Migration<br />

oder Völkerwanderung. Deshalb gehört es<br />

zu unserer Weiterentwicklung, und genau<br />

dafür tragen wir als Marke Verantwortung.<br />

Bewegung muss leistbar sein und sicher,<br />

und es müssen gute Produkte sein, die<br />

entwickelt werden.<br />

WEITERE INFORMATIONEN:<br />

www.kia.de


ART / INTERVIEW<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> // 45<br />

DIE<br />

WANDELBARE<br />

ANNA LOOS IM GESPRÄCH<br />

ÜBER DAS LEBEN<br />

UND IHR NEUES ALBUM<br />

„DAS LEBEN IST SCHÖN“<br />

AUTORIN & INTERVIEW: N. WENZLICK / FOTOGRAF: O. HEINE


46 // <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> ART / INTERVIEW<br />

Den meisten ist Anna Loos als Schauspielerin bekannt. Zu ihren bekanntesten<br />

Rollen gehört die Kommissarin Helen Dorn aus der gleichnamigen ZDF-Krimireihe,<br />

die sie seit 2014 verkörpert. Doch lange vor der Schauspielerei entdeckte<br />

die 52-Jährige ihre Liebe zur Musik. Pünktlich zur Veröffentlichung ihres zweiten<br />

Soloalbums „Das Leben ist schön“ spricht Anna Loos über ihre neu gefundene<br />

innere Mitte.<br />

Mit dreizehn Jahren finanzierte sie sich<br />

von ihrem Taschengeld Gesangsunterricht<br />

bei einer Opernsängerin, machte<br />

später eine Ausbildung an der Stage<br />

School und wurde 2006 Sängerin der<br />

Rockband Silly. 2019 veröffentlichte sie ihr<br />

erstes Soloalbum „Werkzeugkasten“, und<br />

nun folgt „Das Leben ist schön“. Der Titel<br />

ist dabei Programm. Im Interview spricht<br />

Anna Loos darüber, wie sie ihren Perfektionismus<br />

ablegte und so neu zu sich<br />

fand, aber auch über „The Masked Singer“,<br />

Rennradfahren und ihren Mann Jan Josef<br />

Liefers.<br />

Frau Loos, Ihr neues Album trägt den<br />

Titel „Das Leben ist schön“. Das klingt,<br />

als hätten Sie Ihre Mitte gefunden.<br />

So könnte man das sagen. Ich glaube, das<br />

hat auch mit dem Alter zu tun. Irgendwann<br />

habe ich beim Drehen meiner Korrekturschleifen<br />

– so nenne ich das, wenn ich mich<br />

mit mir selbst beschäftige – gemerkt, was<br />

ich alles für Glaubenssätze mit mir herumschleppe,<br />

die ich seit meiner Kindheit verinnerlicht<br />

habe, und die mir manchmal im<br />

Weg stehen. Und dass dieses Ideal, das mich<br />

immer ein bisschen hat verzweifeln lassen,<br />

von mir selbst kreiert wurde. Man zeichnet ja<br />

ein Selbstbild von sich, wie man als Mutter,<br />

als Schauspielerin, Sängerin, Freundin und<br />

auch als Frau sein möchte, und als ich mir<br />

das mal genauer angeguckt habe, habe ich<br />

gemerkt, dass ich dieses Bild ganz schön<br />

perfektionistisch gezeichnet habe. Es ist<br />

okay, wenn man nicht perfekt ist, das habe<br />

ich jetzt erkannt. Diese Erkenntnis hatte ich<br />

mit 20 nicht, mit 30 nicht und auch mit 40<br />

nicht.<br />

Was sind das für Glaubenssätze, die Sie<br />

mit sich herumgetragen haben?<br />

Zum Beispiel: „Ohne Fleiß kein Preis“ oder<br />

„Von nichts kommt nichts“. Ich würde sagen,<br />

dass ich in meinen Sturm- und Drang-Zeiten<br />

ein sehr getriebener Mensch war. Ich wollte<br />

super erfolgreich sein in meinem Beruf, ich<br />

wollte dies noch schaffen und jenes. Alles<br />

sollte perfekt sein. Ich wollte die perfekte<br />

Mutter sein, die perfekte Partnerin. Und ich<br />

habe wirklich ganz viel dafür gemacht. Ich<br />

war getrieben davon, das alles zu erfüllen,<br />

und habe mir gar keine Zeit mehr für<br />

mich genommen. Irgendwie bin ich dann<br />

komplett auf der Strecke geblieben und<br />

war gar nicht richtig bei mir, ich bin den<br />

Sachen nur hinterhergejagt. Das kommt von<br />

diesem: „Ohne Fleiß kein Preis“. Das ist alles<br />

harte Arbeit, du kannst nicht einen Tag lang<br />

einfach nur in die Luft gucken und träumen.


ART / INTERVIEW<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> // 47<br />

Wurde Ihnen das zu Hause so vorgelebt?<br />

Gefühlt schon. Von meinen Eltern, aber auch<br />

vom Leben. Meine Eltern waren ja keine<br />

Künstler, die haben nicht einen Tag lang<br />

einfach nur in die Luft geschaut. Ich habe<br />

lange gedacht, sowas macht man nicht. Das<br />

ist ein verlorener Tag. Heute weiß ich: Nein,<br />

das sind ganz wichtige Tage! Manchmal<br />

muss man einfach mal einen Tag in die Luft<br />

starren. Dadurch, dass ich das für mich so<br />

gelernt habe, lebe ich das jetzt auch meinen<br />

Kindern vor – und das ist ja sowieso das<br />

Wichtigste. Wir müssen unseren Kindern<br />

nichts erzählen, wir sind ihre Spiegel. Eine<br />

Mutter zu haben, die immer versucht, alles<br />

perfekt zu machen, ist für Kinder wahnsinnig<br />

anstrengend. Ich habe gemerkt, dass meine<br />

Kinder richtig gestresst waren von mir und<br />

meinem Hyperperfektionismus.<br />

Nach dem Motto: „Jeder ist seines<br />

Glückes eigener Schmied“ ...<br />

Genau. Das ist schön zu begreifen: Es gibt<br />

niemanden, der für mein Glück verantwortlich<br />

ist, außer mir. Ich bin der Mensch, der<br />

mein Leben schöpferisch gestaltet, niemand<br />

sonst. Ich habe mir dann Bücher bestellt über<br />

Meditation. Das hatte mich immer schon<br />

interessiert, und jetzt hatte ich endlich mal<br />

Zeit, mich damit zu beschäftigen. Das hat<br />

es bei mir total gebracht. Dadurch, dass ich<br />

eine morgendliche Meditation mache, denke<br />

ich nicht ständig, was gestern war und was<br />

morgen ist, sondern ich bin einfach da. Und<br />

wenn die Küche morgens aussieht wie Sau,<br />

weil die Kinder mitten in der Nacht gekocht<br />

haben, sage ich mir, ich gehe jetzt mit den<br />

Hunden raus und gucke mal, ob es jemand<br />

aufräumt. Wenn es danach immer noch so<br />

aussieht, frage ich vielleicht mal freundlich.<br />

Und ansonsten gehe ich in mein kleines Büro<br />

und lese ein schönes Buch – aber ich räume<br />

nicht auf. Und wie gesagt, vielleicht geht das<br />

in gewisser Weise auch mit dem Alter einher.<br />

Das hängt irgendwie alles zusammen.<br />

Wie ist es Ihnen gelungen, das abzulegen<br />

und sich zu entspannen?<br />

Für mich war die Meditation ein Schlüssel.<br />

Als Corona losging, stand auch ich vor der<br />

Frage: Was mache ich jetzt? Ich hatte viel Zeit<br />

mit der Familie, aber dadurch das Gefühl,<br />

dass ich jetzt noch mehr aufräumen muss,<br />

weil alle zu Hause sind. Ich war nur noch am<br />

Hinterhertragen, und irgendwann dachte<br />

ich: „Anna, stopp, da läuft was schief.“ Das ist<br />

nicht das Problem der anderen, das ist mein<br />

Problem. Ich muss das bei mir ändern.<br />

Sie sind vor zwei Jahren 50 geworden.<br />

Ist Älterwerden also etwas Gutes?<br />

Älterwerden ist auf jeden Fall total gut<br />

(lacht). Weil einem Dinge bewusster werden,<br />

weil man bestimmte Sachen aufgeben und<br />

abgeben kann, an denen man ganz doll<br />

festhält, wenn man jung ist. Das Schöne<br />

am Älterwerden ist, dass man einen Peace-<br />

Modus mit sich selbst findet. Früher hat es<br />

mich extrem gestresst, wenn sich mir ein<br />

Ereignis in den Weg stellte, wenn ich einen<br />

komplett neuen Plan entwerfen musste.<br />

Ich habe dann erst mal allen anderen die<br />

Schuld gegeben und gesagt, wenn dies nicht<br />

gewesen wäre ... Hätte hätte Fahrradkette.<br />

So denke ich heute gar nicht mehr. Wenn<br />

heute ein Stein in meinem Weg liegt, denke<br />

ich: ‚Aha, interessant, dass du da jetzt liegst.<br />

Was soll mir das sagen, welche Lektion willst<br />

du mir beibringen?’ Ich gehe dann zwei<br />

Schritte zurück, schaue mir das in Ruhe an<br />

und suche einen neuen Weg. Früher haben<br />

mich Probleme gequält, heute habe ich<br />

Spaß an ihnen. Das bringt einen Frieden mit<br />

sich, anders kann ich das nicht ausdrücken.<br />

All diese Dinge spiegeln sich auch in<br />

Ihrem Album wieder – die Songs sind<br />

sehr persönlich, sehr nah bei Ihnen,<br />

oder?<br />

Absolut. Was mich dazu gebracht hat, Solokünstler<br />

sein zu wollen, ist, dass ich mir überlegt<br />

habe: Warum mache ich überhaupt<br />

Musik? Warum quäle ich mich in diesem<br />

Songwriting-Prozess? Mir ist Authentizität<br />

sehr wichtig. Ich versuche, in meinem Unterbewusstsein<br />

etwas zu finden, das mir nahe<br />

ist. Oft sind das schwerere Themen, und<br />

nach dem Prozess des Schreibens fühlt es<br />

sich in mir auf einmal viel leichter an. Das ist<br />

also ein bisschen auch eine Selbsttherapie.<br />

Ich habe einen extremen Bezug zu meinen<br />

Songs. Ich wäre sonst auch keine gute Interpretin,<br />

ich erzähle gern ehrliche Geschichten,<br />

die ich selbst erlebt habe und somit wirklich<br />

spüren kann. Alles andere interessiert mich<br />

einfach nicht.<br />

Im Großen und Ganzen ist Ihr Album<br />

von Optimismus geprägt, in „Schatten“<br />

allerdings singen Sie von düsteren<br />

Momenten. Wann haben Sie denn


48 // <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> ART / INTERVIEW<br />

solche Momente?<br />

Immer mal wieder. Für mich gehören die<br />

aber auch dazu. Als ich „Schatten“ schrieb,<br />

wusste ich schon, dass das Album „Das<br />

Leben ist schön“ heißen würde, und ich<br />

wollte dem einen Song entgegensetzen, der<br />

eher dunkel und düster ist. Im Leben scheint<br />

nun mal nicht immer nur die Sonne. Ich<br />

versuche aber, auch wenn ich ein negatives<br />

Thema angehe, trotzdem durchscheinen zu<br />

lassen, dass der nächste Tag kommt und<br />

die Sonne wieder aufgehen wird. Dass alles<br />

irgendwann wieder gut sein kann, und man<br />

es zulassen kann, wenn es einem mal nicht<br />

so gut geht.<br />

„Alles in uns brennt“ wirkt derweil eher<br />

wie ein Kommentar auf unsere Gesellschaft.<br />

Ich glaube, man hat in seinem Leben ein<br />

bestimmtes Zeitfenster, wo man sagen<br />

kann: Ich zieh mal die Bremse und ändere<br />

was. „Alles in uns brennt“ ist für mich dieser<br />

Song. Manche um mich herum haben das<br />

noch nicht verstanden, und denen möchte<br />

ich sagen: „Hör auf damit, du brauchst das<br />

alles nicht!“<br />

Musik war in Ihrem Leben schon immer<br />

da, lange vor der Schauspielerei. Woher<br />

kam diese Liebe eigentlich?<br />

Meine Eltern hatten früher ein Haus mitten<br />

in der Stadt, ganz in der Nähe vom Stadttheater,<br />

und ich war einfach viel im Theater.<br />

Ich wollte immer Opernsängerin werden.<br />

Dieser Moment, in dem ein Sänger lossingt,<br />

hat mich einfach mitten ins Herz getroffen.<br />

Ich habe erkannt, dass mich Gefühle über<br />

die Musik wahnsinnig erreichen. Und ich<br />

habe Musik in meinen Leben auch immer<br />

benutzt, um Gefühle zu intensivieren. Wenn<br />

ich traurig war und das nicht sein wollte,<br />

habe ich einen Song aufgelegt, bei dem die<br />

Traurigkeit zerplatzt ist – oder ich habe einen<br />

angemacht, der mich noch weiter runtergezogen<br />

hat.<br />

An der Musikschule wurden Sie abgelehnt,<br />

später studierten Sie an der<br />

Stage School, und dann kam die Schauspielerei.<br />

Trotzdem hat Sie die Musik<br />

nie losgelassen. Sind Sie jemand, der<br />

durchzieht, was er sich in den Kopf<br />

gesetzt hat?<br />

Ja, früher um jeden Preis, heute nicht mehr<br />

so. Diese Affinität zur Musik haben ja viele<br />

Schauspieler. Ich glaube, das liegt daran,<br />

dass Schauspieler ständig auf der Jagd sind,<br />

große Gefühle auszulösen. Wir wollen, dass<br />

die Leute Gefühle für unsere Figuren entwickeln,<br />

dass sie die verstehen und mit auf die<br />

Reise kommen. Aber als Schauspieler spielt<br />

man eben eine Rolle. Du bist immer jemand<br />

anders. Und irgendwie ist da stets die Sehnsucht,<br />

seine Sicht der Dinge zu präsentieren,<br />

sich selbst darzustellen. Und das funktioniert<br />

bei mir total gut über die Musik.<br />

Im Frühjahr haben Sie an der Show<br />

„The Masked Singer“ teilgenommen.<br />

Probieren Sie gerne Neues aus?<br />

Ja, ich finde auch, dass Neues immer eine<br />

Spur hinterlässt. Man nimmt dabei immer<br />

etwas mit. „The Masked Singer“ ist eine Welt,<br />

die eigentlich gar nicht meine ist, aber ich<br />

fand es interessant, dort mal einzutauchen<br />

und mir das anzugucken. Denn auch<br />

diese Welt hat einen Zauber. Die Leute dort<br />

machen das mit so viel Herzblut und Liebe,<br />

und das ist toll. Ich mag es, wenn Menschen<br />

etwas mit Enthusiasmus tun.<br />

Ihr Mann Jan Josef-Liefers war auch<br />

dabei und ist bereits in der ersten<br />

Runde ausgeschieden, Sie haben es<br />

in die Vierte geschafft. Gab es da mal<br />

einen Spruch beim Frühstück?<br />

Nein, gar nicht. Ich glaube, es geht bei<br />

der Show auch nicht bloß darum, wer der<br />

beste Sänger ist. Ich kannte die Sendung<br />

durch meine kleine Tochter, die sie super<br />

gerne guckt und irgendwann zu mir meinte:<br />

„Mama, wenn die dich mal fragen, dann<br />

musst du das machen.“ Als dann zum<br />

zweiten Mal die Anfrage kam, dachte ich,<br />

ich mache das jetzt einfach. Und es war cool.<br />

Die Show wird ja live produziert, das gibt<br />

es im deutschen Fernsehen kaum noch. Für<br />

mich hat lineares Fernsehen einen großen<br />

Reiz. Und man hat keine Ahnung, wer die<br />

anderen sind!<br />

Wirklich nicht?<br />

Man hat zwar nicht den ganzen Tag das<br />

Kostüm an, das ginge ja auch gar nicht,<br />

aber man trägt hinter der Bühne schwarze<br />

Anzüge. Man sieht noch nicht mal Hautfetzen,<br />

das wird alles abgeklebt. Das ist so<br />

spannend. Wir haben hinter den Kulissen alle<br />

mitgeraten.


ART / INTERVIEW<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> // 49<br />

Für 2024 haben Sie gerade Ihre erste<br />

Lesereise gemeinsam mit Ihrem Mann<br />

angekündigt. Sie lesen zusammen<br />

aus Nick Hornbys Roman „Keiner hat<br />

gesagt, dass du ausziehen sollst“, in<br />

dem es um eine Ehekrise geht. Wie<br />

kamen Sie darauf?<br />

Als Jan und ich für ein neues gemeinsames<br />

Projekt einen Dialog zu einer Szene beim<br />

Psychologen schrieben, erinnerte uns das an<br />

das Buch von Hornby, und wir dachten, das<br />

ist etwas, das wir den Leuten mal mitgeben<br />

könnten, in Form eines Leseabends. Wir<br />

werden ja ständig gefragt: „Sie sind nächstes<br />

Jahr 20 Jahre verheiratet, wie schaffen<br />

Sie das, immer noch so glücklich zu sein?“<br />

Und dieses Stück vorzulesen, ist eine coole<br />

Antwort darauf.<br />

Wieso?<br />

Weil nicht der Andere dafür zuständig ist,<br />

dass man glücklich ist. Und, wie definiert<br />

man denn eine glückliche Beziehung? Es<br />

gibt doch keine Beziehung, in der man sich<br />

24 Stunden am Tag 20 Jahre lang glücksverzehrt<br />

anschaut. Eine Beziehung und Familien<br />

haben natürlich Krisen zu überwinden.<br />

Das ist komplett normal und gehört zum<br />

Leben dazu. Das ist nicht alles immer nur<br />

eine rosarote Zuckerwattenwolke.<br />

Faktor. Wenn man so lange zusammen<br />

durchs Leben geht, ist Humor etwas ganz<br />

Tolles, weil das so eine Leichtigkeit reinbringt.<br />

Jan kann in der schlimmsten Situation einen<br />

Satz sagen, durch den man in einen Lächel-<br />

Modus kommt, und plötzlich kann man die<br />

ganze Schwere der Situation dann einfach<br />

so wegschieben.<br />

Ihre Musik, die Schauspielerei, „The<br />

Masked Singer“, eine Lesereise – Sie<br />

sind vielbeschäftigt. Was machen Sie,<br />

um runterzukommen?<br />

Es gibt ja Paare, die ihre Freizeit allein<br />

verbringen. Bei uns ist es aber eher so, dass<br />

wir es genießen, wenn wir die Freizeit miteinander<br />

verbringen können. Reisen, mit<br />

Freunden treffen, Sport machen, Fahrrad<br />

fahren.<br />

Sie fahren Rennrad, oder?<br />

Ja, gerne auf Mallorca, weil es da so viele<br />

Berge gibt. Mit dem Rad einen Berg hoch<br />

fahren ist ein echter Kampf, gutes Training<br />

für die Psyche. Ich habe auch schon Fahrräder<br />

den Berg runtergeschmissen. Das ist<br />

ein Kampf gegen sich selbst. Man kommt da<br />

hoch im kleinsten Gang, aber man muss es<br />

halt langsam angehen. Wenn man zu viel<br />

will, rächt sich das.<br />

Was schätzen Sie an Ihrem Mann am<br />

meisten?<br />

Ganz viel. Zum Beispiel seinen Humor. Das<br />

klingt immer so blöd, wenn man das sagt,<br />

aber das ist einfach ein richtig wichtiger<br />

WEITERE INFORMATIONEN:<br />

www. anna-loos.de<br />

@anna.loos


50 // <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> COOL STUFF / BEGEHRENSWERT


COOL STUFF / BEGEHRENSWERT <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> // 51<br />

GUTES DESIGN<br />

IST FAMILIENSACHE<br />

BEGEHRENSWERT<br />

COOL STUFF<br />

AUTORIN: Z. KHAWARY<br />

Das 1948 gegründete Familienunternehmen<br />

aus Norditalien beschäftigt<br />

heute über 2.200 Mitarbeiter. Smeg<br />

(www.smeg.de) wird in dritter Generation<br />

von der Familie Bertazzoni geführt<br />

und ist weltweit mit über 18 Niederlassungen<br />

vertreten.<br />

Alle Produkte werden im unternehmenseigenen<br />

Entwicklungscenter kreiert<br />

und an fünf Standorten in Italien<br />

gefertigt.<br />

Wie der neue Personal Blender von<br />

Smeg. Der kompakte Mixer mit zwei<br />

leichten To-Go-Flaschen bereitet im<br />

Handumdrehen leckere Shakes und<br />

Smoothies – aus frischem Obst und<br />

Gemüse, Kräutern und mehr. Zur<br />

Auswahl stehen Modelle in Creme,<br />

Pastellblau, Pastellgrün, Cadillac Pink,<br />

Rot, Weiß und Schwarz, perfekt für jede<br />

Küche – und natürlich passend zu den<br />

Smeg Wasserkochern, Toastern und<br />

anderen Kleingeräten im Stil der 50er.


TRAVEL / BEST PLACES<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> // 55<br />

RAS AL<br />

KHAIMAH<br />

UNTERWEGS IM EMIRAT<br />

DER PERLENFISCHER UND<br />

ABENTEURER<br />

AUTOR: H. G. TEINER


56 // <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> TRAVEL / BEST PLACES<br />

Das arabische Emirat Ras Al Khaimah ist eines von sieben Emiraten der Vereinigten<br />

Arabischen Emirate (VAE) und liegt direkt am Arabischen Golf. Die wörtliche Übersetzung<br />

von Ras Al Khaimah bedeutet so viel wie „Spitze des Zeltes“. Der Besuch<br />

dieses besonderen Emirates ist durch seine geografische Lage sowohl für ausgedehnte<br />

Badefreuden am Strand als auch anspruchsvolle Outdooraktivitäten in den<br />

Bergen interessant.<br />

Vom Dubai Airport aus bringt uns der<br />

Transfer-Bus zum Mövenpick Resort auf<br />

Al Marjan Island, einer exklusiv gelegenen,<br />

künstlich erschaffenen Inselgruppe.<br />

Blaugrünes Wasser schimmert<br />

in der Sonne, der großzügige Sandstrand<br />

lädt zum Relaxen und Sonnenbaden ein<br />

– für weitere Aktivitäten gibt es ein<br />

Wassersportzentrum und einen Floating<br />

Park für Familien, und wer Lust auf<br />

ein Abenteuer auf vier Rädern in den<br />

Sanddünen, hat geht zum Dune Buggy<br />

Driving in Bassata Village: Eine wilde Fahrt<br />

durch eine aufregende und abwechslungsreiche<br />

Sandlandschaft, die von freilaufenden<br />

Kamelen beobachtet wird.<br />

Für uns geht es weiter zur Suwaidi Pearls<br />

Farm: Mit einem Boot setzen wir von<br />

Al Rams aus – vorbei an Mangroven<br />

und mit Ausblick auf die Ausläufer der<br />

Hadschar-Gebirgskette –, zu der auf Pontons<br />

schwimmenden Perlenfarm über.<br />

Seit prähistorischen Zeiten spielten<br />

Perlen eine wichtige Rolle im Leben der<br />

Menschen am Golf: Die Austern wurden<br />

von Tauchern gesammelt, und die darin<br />

enthaltenen Perlen bildeten die Grundlage<br />

für einen ertragreichen Handel und<br />

den Wohlstand der Region. Die Perlentaucher<br />

müssen zehn bis zwanzig Meter<br />

in die Tiefe, nur mit einer Nasenklammer,<br />

einem Stein am Bein und einem Sammelkorb<br />

für die Austern ausgerüstet.<br />

Am nächsten Tag brechen wir in den<br />

frühen Morgenstunden auf nach Jebel<br />

Jais, dem höchsten Berg in den VAE.<br />

Jebel Jais ist Teil der spektakulären Al<br />

Hadschar-Bergkette, die sich von Ras Al<br />

Khaimah bis hin zur Musandam-Halbinsel<br />

im Oman erstreckt. In dieser Region<br />

des 1.934 Meter hohen Jebel Jais sind in<br />

der Regel zehn Grad kühlere Temperaturen<br />

als in anderen Teilen des Landes zu<br />

erwarten. An unserer ersten Station, an<br />

der wir Halt machen, können wir uns im<br />

Kletterpark beweisen und uns im Bogenschießen<br />

üben: Wir sind im Bear Grylls<br />

Explorers Camp. Zudem können wir hier<br />

das Überleben in Wüste und Gebirge<br />

trainieren, inklusive Feuermachen mit<br />

Baumwolle, Vaseline und Magnesiumstab.<br />

Das Verspeisen von Würmern ist für<br />

Mutige auch dabei – sie schmecken gar<br />

nicht so schlecht!<br />

Eine ausgedehnte Tour zu Fuß durch<br />

die gebirgige Landschaft stellt weit<br />

höhere Anforderungen an das Team.<br />

Wir wollen uns jedoch nicht zu sehr<br />

verausgaben, denn uns erwartet der


Fotos: H. G. Teiner


TRAVEL / BEST PLACES<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> // 61<br />

spannendste Höhepunkt des Tages: Ein<br />

luftiges Abenteuer der besonderen Art.<br />

An der längsten Zipline (Seilbrücke) der<br />

Welt. Wir befinden uns am Ausgangspunkt<br />

unseres Flugabenteuers auf gut<br />

2.000 Metern Höhe – die gesamte Strecke<br />

in der Luft beträgt 2,8 Kilometer! Aerodynamisch,<br />

zu einem „Paket“ an der Leine<br />

hängend zusammengeschnürt, geht es,<br />

den Kopf voran, die Beine nach hinten<br />

gebunden, die Hände auf dem Rücken<br />

– im Superman-Modus – steil hinunter<br />

in die steinige Schlucht – mit 120 bis zu<br />

150 Kilometern Geschwindigkeit in der<br />

Stunde.<br />

Um das Adrenalin, das noch immer<br />

unseren Puls hochtreibt, loszuwerden,<br />

geht es zum Lunch ins Restaurant 1484<br />

by Puro, dem mit 1.484 Metern Höhe<br />

über dem Meeresspiegel höchstgelegenen<br />

Restaurant des Landes. Und wer<br />

noch nicht genug hat, kann jetzt noch<br />

eine rasante Fahrt mit dem Schienen-<br />

Schlitten, der durch eine felsige Berglandschaft<br />

mit 40 Kilometer in der Stunde<br />

rauscht, auf der ausgedehnten Sommerrodelbahn<br />

Jais Sledder genießen.<br />

Nach den körperlich herausfordernden<br />

Aktivitäten widmen wir uns den kulturellen<br />

Highlights – zuerst besichtigen<br />

wir das Dhayah Fort, die älteste erhaltene<br />

Befestigungsanlage aus der Bronzezeit.<br />

Dazu müssen 239 Steinstufen<br />

erklommen werden, um auf die Höhe<br />

von 63 Metern zu gelangen – es lohnt<br />

sich: Zur Belohnung gibt es einen fantastischen<br />

Ausblick auf die nahe Lagunenlandschaft<br />

und die Pearls Farm. Unser<br />

Guide, ein renommierter Archäologe<br />

und Kenner des Landes, erklärt uns, „dass<br />

es in dieser Gegend ursprünglich Häuser<br />

aus Palmblättern gegeben hat und<br />

deshalb Ras Al Khaimah eigentlich Spitze<br />

des Palmblattes heißt und Halbinsel der<br />

Palmblatthäuser bedeutet.“ Zur islamisch<br />

geprägten Bevölkerung gibt er uns den<br />

Hinweis: „Hier sind die Menschen alle<br />

religiös, aber nicht unbedingt fromm.<br />

Privat weht hier ein liberaler Glaubens-<br />

Wind. Es ist ein Land in der Tradition des<br />

weltoffenen Handels und der toleranten<br />

Beduinen-Kultur.“ Nicht fehlen sollte der<br />

Besuch des National Museums von Ras<br />

Al Khaimah: Archäologische Ausgrabungen<br />

zeigen, dass in dieser Region<br />

seit 5.000 v. Chr. schon erste Handelszivilisationen<br />

bestanden haben. Die Lage<br />

von Ras Al Khaimah begründete eine<br />

strategische Verbindung für den Handel<br />

mit Mesopotamien, darüber hinaus<br />

zeigen alte Aufzeichnungen, dass die<br />

Einwohner von Ras Al Khaimah schon<br />

im 10. Jahrhundert, nach Indien, China<br />

und Sansibar reisten.<br />

Auf einer Tour durch das historische Dorf<br />

Al Jazeera Al Hamra erleben wir eine<br />

fantastische Kombination von teilweise<br />

verfallenen traditionellen Bauten und<br />

moderner Kunst: In jedem Frühjahr findet<br />

hier das Ras Al Khaimah Fine Arts Festival<br />

(RAKFAF) statt, in diesem Jahr präsentierten<br />

mehr als 120 lokale und internationale<br />

Kunstschaffende aus über 35<br />

Ländern ihre Werke mit Fokus auf Natur<br />

und Umwelt, inspiriert von dem reichen<br />

Naturerbe Ras Al Khaimahs. Maler, Bildhauer,<br />

Designer und Fotografen – die<br />

ausgestellten Werke zeigen die Vielfältigkeit<br />

und Grenzenlosigkeit der Natur. Alfio<br />

Tommasini, Kurator des Festivals und<br />

künstlerischer Leiter des RAKFAF, dazu:<br />

„Die Wahrnehmung der Natur um uns<br />

herum beginnt immer mit einer Reise, die<br />

in uns selbst startet“. Der aus Bayern stammende<br />

Fotograf Florian Kriechbaumer<br />

verbrachte die Hälfte seines Lebens im<br />

Ausland, den Großteil davon in Dubai.<br />

„The Girl & The Galaxy“ heißt sein diesjähriger<br />

Beitrag. Für Kriechbaumer ist das<br />

Festival „die perfekte Gelegenheit, um<br />

mit anderen Kunstschaffenden zu interagieren<br />

und ihre Geschichten kennenzulernen,<br />

die sie dazu gebracht haben, die<br />

ausgestellten Werke zu schaffen.“<br />

Nach einer erholsamen Zeit am Strand<br />

des Resorts genießen wir zum Abschied<br />

die letzten Sunset Drinks hoch oben<br />

in der Neo Sky Bar – mit einem fantastischen<br />

Rundumblick auf das Al Marjan<br />

Island.<br />

WEITERE INFORMATIONEN:<br />

www.visitrasalkhaimah.com<br />

ANREISE:<br />

www.emirates.com<br />

EMPFEHLUNG HOTEL:<br />

Mövenpick Resort Al Marjan Island<br />

www.movenpick.accor.com


EIN WOCHENENDE<br />

IN BUDAPEST<br />

48 STUNDEN<br />

AUTORIN: C. STRENG


TRAVEL / 48 STUNDEN<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> // 65<br />

Ohne Zweifel zählt Budapest zu den schönsten Städten der Welt! Hier trifft gelebte<br />

Geschichte auf pulsierende Urbanität, überwältigende Architektur auf pure Lebensfreude<br />

– garniert mit dem grandiosen Panorama der Donau, deren riesige Brücken<br />

die Stadt zusammenhalten. Wir checken im Hard Rock Hotel ein und genießen das<br />

Wochenende in der spannenden Metropole.<br />

Ganz gleich, ob von der Aussichtsterrasse<br />

auf dem Gellert-Berg, unter den Arkaden<br />

der Fischerbastei, auf dem Donau-Korso<br />

auf der Pester Seite, auf der Kuppel der<br />

Basilika oder vom Geländer der Margaretenbrücke<br />

– wer auf die ungarische<br />

Hauptstadt blickt, entdeckt so viele städtebauliche<br />

Epochen, dass einem fast<br />

schwindelig wird. Und dank seiner zahlreichen<br />

historischen Bauten, den prächtigen<br />

Museen und der insgesamt sehr<br />

vielfältigen Kulturlandschaft eignet sich<br />

Budapest ideal für einen traumhaften<br />

Städtetrip. Was Budapest so besonders<br />

macht, ist die einzigartig romantische<br />

Atmosphäre dieser Stadt, die man unbedingt<br />

erlebt haben sollte.<br />

1. TAG 1/2<br />

16 Uhr: Check-in im Hard Rock Hotel<br />

Budapest (Nagymező u. 38, www.hardrockhotels.com/budapest),<br />

der sicherlich<br />

rockigsten Herberge der Stadt. Das mit<br />

einem aufregenden Dekor und vielerlei<br />

Memorabilien der bekanntesten Musiker<br />

der Welt geschmückte 5-Sterne-Hotel<br />

ist brandneu, super chic und auf Grund<br />

seiner Lage der perfekte Standort für eine<br />

spannende Stadterkundung.<br />

18 Uhr: Erfrischt und für den Abend<br />

fein gemacht, geht’s auf zu den ersten<br />

Eindrücken: Nur ein paar Fußminuten<br />

entfernt vom Hotel stößt man bereits auf<br />

die wunderschöne Ungarische Staatsoper<br />

(Andrássy út 22), dem größten<br />

Opernhaus des Landes und zugleich<br />

einem der prachtvollsten Beispiele der<br />

Neorenaissance-Architektur in der Stadt.<br />

Das zwischen 1875 und 1884 errichtete<br />

Bauwerk ist reich mit barocken<br />

Elementen, zahlreichen Ornamenten,<br />

Gemälden und Skulpturen dekoriert.<br />

18.30 Uhr: Doch nicht nur die Staatsoper<br />

schmückt die berühmteste Straße<br />

der Stadt, die auf rund 2,3 Kilometern<br />

Länge die Innenstadt mit dem Heldenplatz<br />

verbindet. Zahlreiche Palais und<br />

Villen im Stil der Neorenaissance säumen<br />

die Paradestraße, die gemeinsam mit<br />

der unter ihr verlaufenden Földalatti, der<br />

ältesten U-Bahn auf dem europäischen<br />

Festland, 2002 zum UNESCO-Weltkulturerbe<br />

ernannt wurde.<br />

Hier finden sich die Luxusboutiquen von<br />

Louis Vuitton, Rolex und Jimmy Choo,<br />

dazu unzählige Shops, Restaurants, Cafés<br />

und Bars. Verbummeln Sie in der warmen<br />

Abendsonne die paar hundert Meter ins<br />

Restaurant.


66 // <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> TRAVEL / 48 STUNDEN<br />

19.30 Uhr: Natürlich möchte man die<br />

lokalen Köstlichkeiten probieren, wenn<br />

man schon in einem fremden Land<br />

ist. Wie wäre es deshalb mit dem Szék<br />

Restaurant & Bar (Andrássy út 41, www.<br />

szekrestaurant.hu), um ungarisch-transsilvanische<br />

Küche genießen?<br />

Serviert werden Speisen, die mit traditionellen,<br />

ursprünglichen Zutaten und<br />

Gewürzen zubereitet, aber auf modernste<br />

Weise interpretiert sind. Die Stimmung<br />

ist heiter, die Einrichtung zeitgenössisch<br />

– und aus einem Glas Balla Géza-Wein<br />

werden bald zwei.<br />

21.30 Uhr: Noch nicht müde? Dann<br />

wäre vielleicht ein Besuch der Cocktailbar<br />

Black Swan Budapest (Klauzál u. 32, www.<br />

blackswanbar.hu), nur fünf Minuten zu<br />

Fuß, die richtige Wahl. Klassisch-gediegenes<br />

Interieur, eine riesige Spirituosenauswahl<br />

und ein angenehmes Publikum<br />

lassen den Abend auf angenehmste<br />

Weise ausklingen.<br />

2. TAG<br />

9 Uhr: Der Tag wird lang, deshalb lohnt<br />

sich das köstliche Hotel-Frühstück<br />

allemal. Nicht nur die wunderschöne<br />

Einrichtung des Session Restaurants, in<br />

dem neben Frühstück auch Mittag- und<br />

Abendessen serviert wird, hebt die Stimmung,<br />

auch die frisch in der Showküche<br />

zubereiteten Mehl- und Eierspeisen<br />

machen glücklich.<br />

10 Uhr: Mit guten Laufschuhen und einer<br />

großen Portion Entdeckerlust geht es auf<br />

zum Stop-Nr. 7 des knallroten Hop-on-<br />

Hop-off City-Sightseeing Bus gegenüber<br />

der Oper (Tickets unbedingt vorab online<br />

über www.citysightseeingbudapest.org<br />

kaufen). Die Route des Busses ist optimal<br />

auf alle Sehenswürdigkeiten der Stadt<br />

ausgerichtet und erlaubt das Ein- und<br />

Aussteigen an jeder Station.<br />

11.30 Uhr: Das heute noch drittgrößte,<br />

zur Zeit seiner Fertigstellung 1902 größte,<br />

im neugotischen Stil erbaute ungarische<br />

Parlamentsgebäude (Országház) gilt als<br />

eines der Wahrzeichen Budapests.<br />

Es wurde nach dem Vorbild des Londoner<br />

Westminster Palace geplant, mit einer 96<br />

Meter hohen Kuppel. Das Haus des ungarischen<br />

Parlaments ist 268 Meter lang<br />

und 118 Meter breit. 17 Jahre dauerte die<br />

Errichtung des Gebäudes, dessen Fassade<br />

mit zahlreichen Wasserspeiern, dünnweißen<br />

gotischen Zinnen und 88 Statuen<br />

ungarischer Herrscher geschmückt ist –<br />

und prächtiger kaum sein könnte.<br />

12.30 Uhr: Zeit für eine Mittagspause?<br />

Mit einem der zahlreich vorhandenen<br />

quietschgelben City-Taxis (Telefon +36<br />

1 2 111 111 oder per mobil-app) geht es<br />

ins wunderschöne Twentysix (Király út<br />

26, www.twentysixbudapest.com), einem<br />

gemütlich urbanen Dschungel mit mediterranem<br />

Restaurant. Namensgebend ist<br />

hier die Raumtemperatur von 26 Grad,<br />

die nicht nur den unzähligen Pflanzen<br />

guttut.


TRAVEL / 48 STUNDEN<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> // 67<br />

14 Uhr: Nur einmal kurz über die Straße,<br />

und schon ist man im prallen Leben. Die<br />

Gozsdu Passage (Király út 13) besteht aus<br />

sieben Gebäuden und sechs miteinander<br />

verbundenen Höfen. Hier finden Flohund<br />

Kunstmarkt, zahllose Restaurants<br />

und Bars sowie ein eigener Escape Room<br />

genügend Platz, um Besucher aus aller<br />

Welt zu begrüßen. Wer Kitsch und Tand<br />

mag, sich amüsieren will oder ein Bad in<br />

der Menge liebt, bleibt sicher länger.<br />

14.30 Uhr: Das ehemalige Jüdische<br />

Viertel, ursprünglich Elisabethstadt<br />

(nach Kaiserin Sisi) genannt, heute als<br />

VII. Bezirk bekannt, ist eines der angesagtesten<br />

Viertel von Budapest. Hier gibt<br />

es eine reiche Kneipen-, Club- und Barszene,<br />

Restaurants aller Geschmacksrichtungen<br />

– und einige interessante Shops<br />

und Boutiquen, wie den Szputnyik Shop<br />

D20 (Dohány út 20, www.szputnyikshop.hu),<br />

in dem seit über zehn Jahren<br />

sehr coole Vintage- und Designerkleidung<br />

angeboten wird. Neben ethischen<br />

Weltmarken findet man hier auch einige<br />

lokale Designer.<br />

15 Uhr: Nur ein paar Schritte weiter stößt<br />

man unweigerlich auf die imposante,<br />

im maurischen Stil erbaute Große Synagoge<br />

(Dohány út 2), die in den 1850er<br />

Jahren errichtet wurde. Mit Platz für 3000<br />

Personen ist sie nicht nur die größte<br />

Synagoge Europas, sondern auch die<br />

zweitgrößte weltweit. Zu ihr gehören<br />

heute ein Museum und ein Archiv, eine<br />

Gedenkstätte, ein Garten sowie der<br />

Wallenberg-Gedächtnispark.<br />

Weiter geht es vorbei an allerlei kleinen<br />

Lädchen und Shops zu einem weiteren<br />

interessanten Vintage Laden, dem PSTR<br />

Store (Rumbach Sebestyén út 6, www.<br />

pstrstore.com), der sich mit coolen urbanstyle-<br />

Klamotten einen Namen gemacht<br />

hat. Vor allem die relaxte Atmosphäre<br />

und die Auswahl an Kleidung und Accessoires<br />

machen einen Stopp lohnenswert.<br />

16 Uhr: Um auch bei der Kaffeepause<br />

im Thema zu bleiben, lohnt definitiv<br />

ein Besuch des zuckersüßen Vintage<br />

Garden (Dob út 21, www.vintagegarden.<br />

hu), einer relativ großen Patisserie, die in<br />

weiß-rosa erstrahlt. Hier scheint alles mit<br />

Zuckerguss überzogen zu sein, auch die<br />

Kuchen und Torten, die super lecker sind.<br />

Eine kleine Puppenstube inmitten des<br />

trubeligen Gassenwirrwarrs.<br />

17 Uhr: Mit dem Taxi sind die paar Kilometer<br />

zurück zum Hotel schnell überwunden,<br />

und nach einem kurzen Boxenstopp<br />

mit kühlender Dusche schmeckt<br />

der anschließend an der Außenbar<br />

genossene Aperol ganz wunderbar.<br />

18 Uhr: Da für den Abend eine Bootsfahrt<br />

auf der Donau geplant ist, wird<br />

heute ganz einfach im Hotel gegessen,<br />

im Sessions Restaurant, dessen Karte sich<br />

durchaus sehen lässt. Es gibt Fisch, Rind<br />

und Ente, während sich Vegetarier auf<br />

köstliche Gemüse-, Risotto- und Tofu-<br />

Spezialitäten freuen können.<br />

19.15 Uhr: In zehn Autominuten erreicht<br />

man Dock Nr. 10 (Jane Haining rakpart<br />

10, www.dunacruises.com), den Liegeplatz<br />

von Duna Cruise. Um einen der<br />

begehrten Plätze ganz vorn im oder auf<br />

dem Schiff zu bekommen, sollte man<br />

unbedingt eine halbe Stunde vor Abfahrt<br />

dort sein.<br />

20 Uhr: Die gefragte Tour am Abend<br />

beginnt mit einem Glas Tokaj Premium<br />

Frizzante zur Begrüßung, dann legt<br />

das elegante Flussschiff ab. Die tief am<br />

Himmel stehende Sonne erleuchtet die<br />

vielen, unglaublich beeindruckenden<br />

Wahrzeichen der Hauptstadt auf ganz<br />

besondere Weise. Es geht vorbei an<br />

der Großen Markthalle, dem Nationaltheater,<br />

dem Gellért Bad, dem Burgberg<br />

– und natürlich am Parlamentsgebäude.<br />

All die faszinierenden Bauwerke<br />

sind wie zum Greifen nah, und so<br />

klicken die Kameras und Handys unaufhörlich.<br />

Leider vergeht die einstündige<br />

Fahrt wie im Flug, kurz vor der<br />

Elisabeth-Brücke ist sie zuende.<br />

21 Uhr: Um die vielen Eindrücke ein<br />

wenig sacken zu lassen, ist der knapp<br />

10-minütige Fußweg in die elegante Art<br />

Nouveau Luxury Craft Cocktail Bar Musza<br />

(Széchenyi István tér 5-6, www.muzsa.<br />

com) genau richtig. Glitzernde Kronleuchter,<br />

verzierte Spiegel und wunderschönes<br />

Mobiliar verbreiten eine zauberhafte<br />

Stimmung, bei der die Zeit schnell<br />

vergessen wird.<br />

Wer hingegen noch in Party-Stimmung<br />

ist und die schöne Stadt im glänzenden<br />

Nachtlicht von oben sehen möchte,


Fotos: Hard Rock Hotel, T. Bujnovszky, B. Gábor


70 // <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> TRAVEL / 48 STUNDEN<br />

springt ins Taxi und fährt zur Leo-Rooftop<br />

Bar (Clark Ádám tér 1, www.leobudapest.<br />

hu) auf dem Dach des Hotel Clark. Wild<br />

bewuchert wie ein kleiner Dschungel,<br />

bietet die Bar neben soliden Cocktails<br />

einen atemberaubenden Blick auf die<br />

Skyline von Budapest. Hier wird laut<br />

gelacht und viel gefeiert, und die Nacht<br />

könnte lang werden.<br />

3. TAG 1/2<br />

10 Uhr: Es gibt noch so vieles anzuschauen,<br />

doch die Zeit läuft. Deshalb<br />

empfiehlt es sich, noch am Morgen zu<br />

starten und den riesigen Burgberg in<br />

Angriff zu nehmen. Am Clark Ádám Platz<br />

am Budaer Brückenkopf der Kettenbrücke,<br />

der ersten Brücke, die Buda und<br />

Pest verband, startet die legendäre Budavári<br />

Sikló, die bereits 1870 eröffnete und<br />

heute die zweitälteste Standseilbahn der<br />

Welt ist.<br />

Den gesamten südlichen Teil des „Castle<br />

Hill“ nimmt das größte Gebäude Ungarns,<br />

der Burgpalast, auch Königspalast oder<br />

Königliche Burg (Királyi Vár) genannt,<br />

ein. Der imposante Prachtbau ist 400<br />

Meter lang, 200 Meter breit und zählt<br />

gemeinsam mit dem Uferbereich seit<br />

1987 zum Weltkulturerbe der Unesco.<br />

Und es geht nicht minder imposant<br />

weiter: Entlang kleiner Kopfsteinpflaster-<br />

Gassen erreicht man bald den großen<br />

Dreifaltigkeitsplatz mit der beeindruckenden<br />

Matthiaskirche.<br />

Die im gotischen Stil ab 1015 erbaute<br />

Kirche wurde von den ungarischen<br />

Königen jahrhundertelang als Krönungskirche<br />

genutzt und diente während<br />

der osmanischen Herrschaft auch als<br />

Moschee.<br />

Ein weiterer faszinierender Ort ist die<br />

aus Ziegeln und wunderschönen Granitsteinen<br />

erbaute, eindrucksvolle Fischerbastei.<br />

Sie wurde zwischen 1895 und<br />

1902 im neoromanischen Stil erschaffen<br />

und diente, als Teil der Budaer Burgmauer,<br />

eigentlich zur Verteidigung.<br />

12 Uhr: Nach so vielen kulturellen Highlights<br />

wird es Zeit für eine Pause. Das<br />

Ziel: der Heldenplatz. Er ist nicht nur der<br />

krönende Abschluss der Prachtstraße<br />

Andrássy út, sondern auch ein Meisterwerk<br />

des ungarischen Historismus.<br />

Gestaltet von Albert Schickedanz anlässlich<br />

des 1.000-jährigen Bestehens des<br />

Landes 1896, dominiert das imposante<br />

Millenniumsdenkmal den Platz, der von<br />

monumentalen Statuen gesäumt und<br />

mittig von der Statue des Erzengels<br />

Gabriel auf einer 36 Meter hohen Säule<br />

gekrönt wird.<br />

12.30 Uhr: Ein paar Schritte links davon<br />

befindet sich eines der renommiertesten<br />

Restaurants Budapests: Das Restaurant<br />

Gundel (Gundel Károly út 4, www.gundel.<br />

hu). Schon seit 1894 werden in dem<br />

Jugendstilpalast Gäste empfangen, und<br />

noch heute bestechen das Restaurant<br />

sowie die spektakulären Bankettsäle mit<br />

illustrer Architektur, goldenen Motiven,<br />

großen Kronleuchtern und vergoldeten<br />

Akzenten. Die krönende Spezialität des<br />

Hauses: Original Palatschinken mit Walnüssen<br />

und Bitterschokoladensauce – ein<br />

absolutes Muss.<br />

14 Uhr: Sollte der Bauch nun zu voll sei,<br />

ist das gar kein Problem, denn im angrenzenden<br />

City-Park, auch Stadtwäldchen<br />

genannt, lässt es sich auf 1,2 Quadratkilometer<br />

ganz wunderbar flanieren.<br />

Der ab 1817 vom dem Lübecker Landschaftsgärtner<br />

Nebbien (1778 - 1841)<br />

angelegte Park ist Budapests beliebtestes<br />

Naherholungsgebiet. Unbedingt<br />

anschauen sollte man sich die Burg<br />

Vajdahunyad, die – wie auch der Heldenplatz<br />

– anlässlich der Millenniumsfeier<br />

1896 entstand. Der burgartige Gebäudekomplex<br />

wurde im mittelalterlichen Stil<br />

errichtet und wartet mit einem gotischen<br />

Burgtor, spitzen Türmen, Giebeln und<br />

Zinnen auf.<br />

15 Uhr: Nun wird es leider Zeit, die Koffer<br />

zu packen und den Heimweg anzutreten.<br />

Bei der riesigen Auswahl an Sehenswürdigkeiten,<br />

die Budapest zu bieten hat,<br />

braucht man eigentlich mindestens eine<br />

Woche, um alles zu sehen. Wie gut, dass<br />

die schöne Stadt meist nur maximal zwei<br />

Flugstunden entfernt ist.<br />

WEITERE INFORMATIONEN:<br />

www.budapestinfo.hu


MOTION / REPORTAGE<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> // 73<br />

WELCOME TO<br />

MIAMI<br />

AN DER SÜDSPITZE FLORIDAS<br />

WERFEN WIR MIT ALPINE<br />

EINEN BLICK HINTER<br />

DIE KULISSEN DER FORMEL 1<br />

AUTOR & INTERVIEW: N. DEXTER


74 // <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> MOTION / REPORTAGE<br />

Die Formel 1 erlebt seit einigen Jahren die womöglich größte, populäre Renaissance<br />

Ihrer bald 75-jährigen Geschichte. Man könnte meinen, dass der allgegenwärtige<br />

Trend zu alternativen Antrieben und Co. auch bei dem größten Autorennen der<br />

Welt für ordentlich Bewegung sorgt, jedoch scheint die Faszination von Motorenlärm<br />

und Benzingeruch ungebrochen. <strong>BOLD</strong> war mit dem französischen BWT Alpine<br />

F1-Team unterwegs und wagte einen exklusiven Blick hinter die Kulissen eines<br />

Rennwochenendes – in der südlichsten Metropole der USA: Welcome to Miami!<br />

Für uns beginnt das Wochenende am<br />

frühen Freitagmorgen im legendären<br />

Strandort South Beach. Wake-up call<br />

ist bereits um 06.00 Uhr, denn in einer<br />

halben Stunde geht die Sonne auf. Und<br />

was macht man hier um diese Uhrzeit?<br />

Richtig! Sportsachen anziehen und am<br />

Strand joggen gehen.<br />

Entlang des Ocean-Drive, der bereits<br />

Drehort unzähliger Filmklassiker und<br />

Wohnsitz von Persönlichkeiten wie<br />

Gianni Versace war, treffen um diese<br />

Uhrzeit zwei Welten aufeinander – Party<br />

und Business. Die einen schlafen noch<br />

genüsslich ihren Rausch im Sandstrand<br />

aus, während die anderen schon eifrig<br />

in Ihre Headsets sprechen und den<br />

Assistenten die zahlreichen Aufgaben<br />

des Tages übermitteln. Um uns herum<br />

nichts als Strand, Palmen und gebräunte,<br />

durchtrainierte Körper, eine überdurchschnittliche<br />

Portion Geltungsbedürfnis,<br />

jede Menge Sportwagen und Menschen<br />

mit dem gewohnten Schuss Botox in den<br />

Lippen, die sich allesamt beim allmorgendlichen<br />

Sport die Hantel reichen.<br />

Jetzt aber ab unter die Dusche, und los<br />

geht‘s zur Rennstrecke – dem Miami<br />

International Autodrome am Hard Rock<br />

Stadium. Fernab von all dem Lifestyle<br />

und Trubel der Großstadt beginnt das<br />

Alpine F1-Team um die beiden französischen<br />

Rennfahrer Pierre Gasly und<br />

Esteban Ocon den Tag wesentlich fokussierter.<br />

Physiotherapie, Reaktionstraining<br />

und das Verinnerlichen des Streckenablaufs<br />

stehen auf dem Plan. Der Freitag<br />

steht bei der Formel 1 im Zeichen des<br />

Trainings und zahlreicher Testläufe. Die<br />

5,41 Kilometer lange und mit 19 Kurven<br />

technisch anspruchsvolle Rennstrecke<br />

ist erst im vergangenen Jahr (2022)<br />

eröffnet worden und der dunkle, frisch<br />

aufgetragene Asphalt reflektiert das gleißende<br />

Sonnenlicht bei durchschnittlich<br />

30 °C Außentemperatur. Eine Herausforderung<br />

für Mensch und Maschine. Die<br />

meist aus Carbon gefertigten 910 Kilogramm<br />

leichten Rennwagen (Gewicht:<br />

inklusive Fahrer!), werden mit der<br />

passenden Bereifung ausgestattet, und<br />

für den bestmöglichen Anpressdruck,<br />

wird die richtige Höheneinstellung<br />

ermittelt. „Der Erfolg hängt zu 98% vom<br />

Fahrzeug und zu 2% vom Fahrer ab“, sagt<br />

Rennfahrer Esteban Ocon.<br />

Erst zum zweiten Mal findet einer der<br />

diesjährig insgesamt 23 Grand Prix in


MOTION / REPORTAGE<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> // 77<br />

Miami statt. Seit der Rennsaison 2023<br />

sind es mit Huston, Texas und Las Vegas,<br />

Nevada bereits drei der großen Preise,<br />

die allein in dem Land stattfinden, das<br />

noch vor wenigen Jahren nur wenig<br />

Kenntnis von der europäisch dominierten<br />

Formel 1-Serie hatte und sich<br />

mehr auf die Rennserien von Nascar und<br />

IndyCar konzentrierte.<br />

2022 war für das Alpine F1-Team ein<br />

großer Erfolg, denn die Saison wurde<br />

mit einem 4. Platz in der Gesamtwertung<br />

abgeschlossen. Der französische<br />

Rennstall, der bis 2020 noch unter dem<br />

Namen Renault DP World F1-Team<br />

bekannt war, entwickelt sich unter der<br />

Leitung des rumänisch-amerikanischen<br />

Ingenieurs Otmar Szafnauer mehr und<br />

mehr zu einer Konstante unter den topplatzierten<br />

Rennteams, der sogenannten<br />

Königsklasse des Motorsports.<br />

Herr Szafnauer, was macht aus Ihrer<br />

Sicht einen guten Team-Chef aus?<br />

Man sollte eine gute Führungsfigur sein. In<br />

unserem Sport arbeitet man mit hochmotivierten<br />

und hochintelligenten Menschen.<br />

Die meisten Mitarbeiter der Formel 1-<br />

Teams, speziell die Ingenieure und technischen<br />

Spezialisten, haben an den besten<br />

Universitäten studiert und ihr Studium mit<br />

hohen Abschlüssen absolviert. Gerade in<br />

der Zusammenarbeit mit diesen Menschen<br />

muss man ein hohes soziales Bewusstsein<br />

haben, um sie zu motivieren und sie in die<br />

richtige Richtung zu weisen. Mein Job ist<br />

es, eine Atmosphäre zu schaffen, in der sie<br />

kreativ sein können und die richtigen Werkzeuge<br />

haben, um ihr volles Potential auszuschöpfen.<br />

Zum Alpine F1-Team gehören mittlerweile<br />

über 1.400 Mitarbeiter, die sich auf<br />

die beiden Niederlassungen in Enstone,<br />

England (nördlich von Oxford) und Viry-<br />

Châtillon, Frankreich (südlich von Paris)<br />

aufteilen. Mit auf Tour der global stattfindenden<br />

Rennsaison kommen aber nur<br />

etwa 100 Alpine-Kollegen. In der Box (so<br />

nennt man die Garage, in der das Team<br />

sich während des Rennwochenendes<br />

überwiegend aufhält) sind es nebst<br />

den beiden Fahrern, genau 20 Crew-<br />

Mitglieder je Fahrer (Ingenieure, Pitstop-<br />

Crew etc.) und weitere 20 für Leitung,<br />

Kommunikation und Marketing, zugelassen.<br />

Vierzig weitere, meist Ingenieure, sitzen<br />

etwas abseits der Rennstrecke, und<br />

dutzende mehr sind aus den Firmenniederlassungen<br />

in England und Frankreich<br />

per Computer zugeschaltet. Die<br />

genaue Anzahl an Team-Mitgliedern<br />

wird von der Sportvereinigung FIA<br />

(Fédération Internationale de l’Automobile)<br />

vorgegeben. Der internationale<br />

Dachverband von Automobilclubs und<br />

Motorsport-Vereinen mit Sitz in Paris ist<br />

sozusagen der Boss der Formel 1 und<br />

reguliert die Rennserie.<br />

Alpine, das heute zu 100 Prozent im<br />

Besitz der Renault-Gruppe ist, begann<br />

seine Geschichte Mitte der 1950er Jahre<br />

– in der Normandie, im hohen Norden<br />

Frankreichs. Nachdem es einige Jahre<br />

ruhiger um die ikonische Sportwagen-<br />

Marke wurde, markierte 2017 den<br />

erneuten Start der Produktion. Mit einem<br />

fulminanten Auftakt feierte man auf<br />

dem Genfer Automobilsalon die Präsentation<br />

des gegenwärtigen Modells:<br />

Alpine A110, über das wir bereits in der<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> Ausgabe No. 62<br />

berichtet haben. Alpine Chefdesigner<br />

Anthony Villain erinnert sich bis heute<br />

noch gern an diesen Tag.<br />

Herr Villain, wie gestaltet man eine<br />

Ikone neu?<br />

Viele Fans hatten auf ein neues Auto und<br />

die Wiedergeburt der Marke gewartet.<br />

Damals wollten wir ihre Tradition und die<br />

Denkweise der Menschen verstehen, die<br />

sie in den 60er Jahren liebten. Wir gingen<br />

ins Archiv, um alle Vorgängermodelle zu<br />

studieren, und begannen, die Autos zu<br />

skizzieren. Beim Zeichnen lernt man die<br />

wesentlichen Linien besser kennen und<br />

bekommt gleichzeitig ein Gefühl, worauf<br />

man bei der Neugestaltung achten muss.<br />

Anschließend haben wir etwas Zeit mit<br />

den Fahrern und Ingenieuren von damals<br />

verbracht, um ihre Arbeitsmethoden besser<br />

zu verstehen. Somit konnten wir zunächst<br />

ein Verständnis von den Menschen dieser<br />

Zeit aufbauen, bevor wir selbst anfingen,<br />

ein neues Alpine-Modell zu gestalten.<br />

Noch vor zwei Jahren leitete der 1974<br />

geborene Franzose ein Team von rund<br />

einem Dutzend Designern. Mittlerweile<br />

sind daraus 45 geworden. Alpine


78 // <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> MOTION / REPORTAGE<br />

wirkt wie ein Start-Up innerhalb eines<br />

Großkonzerns, das sich derzeit, auch<br />

dank des Vertrauens und großzügiger<br />

Investitionen von Renault CEO Luca<br />

de Meo und Alpine Boss Laurent Rossi,<br />

des Zulaufs von großem Talent aus der<br />

Industrie erfreut. Erst kürzlich wechselte<br />

mit dem Auto-Veteran Philippe Krief ein<br />

sehr erfahrener, ehemaliger Ferrari-Ingenieur<br />

in die Führungsetage des Alpine<br />

Teams, das sich für die Zukunft viel vorgenommen<br />

hat.<br />

Man sagt allgemein: „Rennen gewinnen<br />

bedeutet, Autos zu verkaufen ...“. Diese<br />

Aussage hat sich für die Franzosen mehr<br />

als bewahrheitet. „Als wir vor zwei Jahren<br />

den Grand Prix in Ungarn unerwartet<br />

gewonnen haben, konnten wir am Tag<br />

nach dem Rennsieg einen 400-prozentigen<br />

Anstieg an Konfigurationen von<br />

Alpine-Fahrzeugen auf unserer Website<br />

verzeichnen. Und Netflix hat uns und<br />

auch der Formel 1 natürlich zusätzlich<br />

einen großen Dienst erwiesen“, sagt<br />

Laurent Rossi. Er spricht damit auch auf<br />

die Auswirkungen der Dokumentarserie<br />

„Formula 1: Drive to Survive“ an, die,<br />

nebst großzügigen, konzerneigenen<br />

Kommunikationsmaßnahmen nach der<br />

Umbenennung des Renault-Rennteams<br />

in Alpine F1-Team, mitverantwortlich für<br />

eine Verdreifachung von Bestellungen<br />

der straßenzugelassenen Coupé-Sportwagen<br />

ist.<br />

Herr Rossi, Alpine positioniert sich<br />

zukünftig als rein elektrische Marke.<br />

Wird sich das auch in der Strategie des<br />

Formel 1-Teams widerspiegeln, und<br />

schauen Sie mit Interesse auch auf die<br />

Schwester-Rennserie Formel E?<br />

Wir werden in der Formel 1 bleiben und<br />

uns nicht auf weitere Rennserien konzentrieren.<br />

Unser nächstes großes Interessenfeld<br />

wird Wasserstoff als Antrieb sein. Noch<br />

in diesem Jahr werden wir zum Beispiel<br />

ein Konzept-Fahrzeug mit einem Vierzylinder-Wasserstoffantrieb<br />

veröffentlichen.<br />

Wasserstoff könnte aus unserer Sicht ein<br />

grüner Kraftstoff für Hochleistungsfahrzeuge<br />

sein. Elektrische Antriebe sind interessant<br />

für unsere Straßenfahrzeuge, aber<br />

für den Hochleistungsmotorsport sehen<br />

wir andere Antriebe.<br />

Es ist Samstag: Qualifying! Nach weiteren<br />

finalen Tests und Einstellungen<br />

an den Rennfahrzeugen steht heute<br />

die Qualifizierung für die Startaufstellung<br />

am Renntag auf dem Programm.<br />

Hinter den Kulissen, abseits der Besucherströme,<br />

im Herzen des 1987 eröffneten<br />

Hard Rock Stadiums, sind in dem<br />

eigens für die Veranstaltung erbauten<br />

Team Village geladene Gäste zu Besuch.<br />

Dutzende eifrige Mitarbeiter der 10 teilnehmenden<br />

Formel 1-Teams führen<br />

Journalisten, Sponsoren und Prominente<br />

aus Politik, Wirtschaft und der<br />

Unterhaltungsbranche durch das Labyrinth<br />

aus Backstage-Bereichen, mit ihren<br />

unzähligen Passkontrollen. Als Gast der<br />

Teams ist man behangen mit einer Vielzahl<br />

an Pässen und Bändchen, die unter<br />

anderem mit gewichtigen Abkürzungen<br />

wie VIP (Very Important Person)


Fotos: Alpine (Propixo)


MOTION / REPORTAGE<br />

<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> // 81<br />

gekennzeichnet sind und einem Zugang<br />

zum exklusiven Paddock Club gewähren.<br />

Aber mal ehrlich: Wie sehr ist man eigentlich<br />

ein VIP, wenn im nächsten Moment<br />

Tom Cruise an einem vorbeiläuft?<br />

Zurück zum Thema. Das Qualifying<br />

beginnt! Die Teams sind nun vollauf<br />

konzentriert. In einer sogenannten Fastlap<br />

versuchen die 20 teilnehmenden<br />

Rennfahrer jetzt, die schnellstmögliche<br />

Rundenzeit zu erzielen. Das respektable<br />

Ergebnis für die Startaufstellung (5. und 8.<br />

Platz), lässt die Anspannung der Alpine-<br />

Crew für den Moment sichtlich fallen.<br />

Die Fahrzeugeinstellungen scheinen zu<br />

passen und ab jetzt liegt die volle Konzentration<br />

auf dem kommenden Tag.<br />

„An jedem verdammten Sonntag“ hieß<br />

bereits der Film-Titel des 1999 veröffentlichten<br />

Sportdramas von Oliver Stone.<br />

Und auch für unsere Gastgeber heißt<br />

es während der Saison: Immer wieder<br />

Sonntags – ist Renntag!<br />

Eins muss man den US-Amerikanern<br />

lassen: Sie wissen, wie man eine Show<br />

auf die Beine stellt. Das Vor und Nach<br />

dem Rennen ist hier so wichtig wie das<br />

Rennen selbst. Über unseren Köpfen<br />

fliegt ein TV-Helikopter filmreife Formationen.<br />

Pünktlich um 15.30 Uhr stehen<br />

abertausende Fans, die sich bislang auf<br />

der rummelartigen Vergnügungsmeile<br />

rund um das Stadium aufhielten, für die<br />

Nationalhymne der USA auf den Rängen<br />

der Tribüne. Zuvor hatten sich Heerscharen<br />

an Prominenten die Startaufstellung<br />

angesehen. Von Jeff Bezos (Amazon),<br />

über Serena Williams (Tennisstar) bis hin<br />

zu LL Cool J (Musiklegende) ist hier in<br />

Miami wirklich alles vertreten, was Rang<br />

und Namen hat. Wir sind etwas abseits<br />

vom Getümmel in der Boxengasse und<br />

erleben ein Team, das sich nur Minuten<br />

vor dem Start ruhig und konzentriert<br />

auf das anstehende Rennen einstellt.<br />

Wenig später, im Verlauf des Rennens,<br />

sitzt die Alpine-Crew vor einer Vielzahl<br />

von Monitoren in der Box und beobachtet<br />

minutiös, was auf der Strecke mit<br />

Rennfahrern und Rennwagen passiert.<br />

Alles im Rennen dauert scheinbar nur<br />

Bruchteile von Sekunden. Rennfahrer<br />

Pierre Gasly wird in die Box zum Reifenwechsel<br />

gerufen, und in 2,3 Sekunden<br />

ist er mit neuer Bereifung wieder auf der<br />

Strecke. Zeit ist eben das A und O in der<br />

Formel 1.<br />

Und im Hintergrund, noch während das<br />

Rennen im vollen Gange ist, fängt ein Teil<br />

des Teams mit dem Abbau der Box an.<br />

Denn der allwöchentliche Wanderzirkus<br />

zieht weiter und die logistische Meisterleistung,<br />

stehst pünktlich am andern<br />

Ende der Welt parat zu sein – mit all dem<br />

notwendigen Equipment, fängt wieder<br />

von vorne an. Die beiden Rennwagen<br />

sind dabei im Übrigen die einzigen<br />

Maschinen, die zusammen mit der Crew<br />

per Flugzeug reisen. Den Rest des Equipments<br />

gibt es immer doppelt, und es<br />

kommt per Frachtcontainer auf einem<br />

Ozeanriesen oder via LKW hinterher. Für<br />

uns gehen 3 Tage voller neuer Eindrücke<br />

und Erfahrungen zu Ende. Spürbar angeregt,<br />

lassen wir den Abend mit einem<br />

kalten Bier und einer Portion Tapas in<br />

einem spanischen Restaurant in Miami<br />

Beach ausklingen. Das Alpine F1-Team<br />

fährt mit 6 gewonnenen Punkten und<br />

einer Top 10 Platzierung beider Fahrer für<br />

kurze Zeit nach Hause zu den Familien,<br />

um dann für die kommenden Formel 1-<br />

Etappen wieder ausgeruht parat zu<br />

stehen. Man könnte meinen, ihr eigentliches<br />

Zuhause, sind die Rennstrecken<br />

dieser Welt. Abschließend erlauben wir<br />

uns noch eine Frage an den Team-Chef<br />

zur Zukunft der höchstrangigen Rennserie<br />

des Formelsports.<br />

Herr Szafnauer, wie wird sich die<br />

Formel 1 in den nächsten Jahren aus<br />

Ihrer Sicht entwickeln?<br />

Es ist immer eine Herausforderung, die<br />

Zukunft vorherzusagen. Ich denke, wir<br />

werden auf dem Gipfel des Motorsports<br />

bleiben, aber wir müssen dabei auch ein<br />

Auge auf unsere Umwelt werfen. Das<br />

machen wir unter anderem mit unseren<br />

Regularien, die besagen, dass wir bis 2026<br />

mit 100 Prozent nachhaltigen Kraftstoffen<br />

fahren werden und bis 2030 emissionsfrei<br />

sind. Wenn wir das alles erreichen und<br />

dabei den gegenwärtigen Unterhaltungswert<br />

aufrecht erhalten, haben wir eine<br />

großartige Zukunft vor uns.<br />

WEITERE INFORMATIONEN:<br />

www.alpinecars.de


82 // <strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> IMPRINT<br />

IMPRINT<br />

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