BOLD THE MAGAZINE No.65

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40 // BOLD THE MAGAZINE DESIGN / INTERVIEW vision für eine neue Ära nachhaltiger Mobilität durch Video, Ton und Skulptur zu erleben. Vielleicht nicht ausschließlich, aber maßgeblich für den jüngsten Erfolg und Höhenflug von Kia ist Designchef Karim Habib, mittlerweile Executive Vice President, der mit der Ausgestaltung der Design-Philosophie „Opposites United“ neue Wege beschritten hat. Der 53-Jährige mit der sanften Stimme, der im Libanon geboren wurde und in Kanada aufwuchs, machte sich bereits bei BMW einen Namen. Nach einem kurzen Intermezzo bei Daimler kehrte er als Leiter der Exterieur-Abteilung zu BMW zurück und wurde Designdirektor. Im Januar 2017 wechselte er zum Infiniti-Design und entwarf verschiedene gefeierte Q Inspirations-Konzepte, bevor er im Oktober 2019 bei Kia anheuerte. Wir haben den vielbeschäftigten zweifachen Vater zum persönlichen Gespräch getroffen. Herr Habib, obwohl Sie vor kurzem mit Ihrer Familie zurück nach Frankfurt gezogen sind: Fühlt sich Ihr Kia-Job nach dreieinhalb Jahren wie ein „Dauerzustand“ an? In der Tat. Ich denke, man kann an den Produkten, die wir herstellen, sehen, dass das Faszinierende an diesem Unternehmen die ‚Stimme des Designs‘ ist. Es geht nicht unbedingt darum, lauter zu werden, aber Design wird mehr als ein Werkzeug zur Entscheidungsfindung und Unternehmensstrategie verstanden. Wir sind in die ‚Produktionsdefinition‘ involvierter als je zuvor, und wir haben es geschafft, Dinge zu kreieren, von denen ich das Gefühl habe, dass sie die Marke wirklich voranbringen können. Sie stellen auf der weltgrößten Design-Messe, der Milano Design Week, unterschiedliche Kunstwerke aus – aber keine Autos. Was steckt dahinter? (lacht) Na ja, zuerst einmal sind wir hier nicht auf einer Automesse. Die meisten Besucher hier sind sicher eher an Design interessiert, als an Fahrzeugen. Natürlich gibt es viel Design an und in einem Auto, und natürlich muss ein Auto grundsätzlich entworfen, also designed werden. Aber viel wichtiger war uns, unsere neue Design-Philosophie „Opposites United“ mithilfe von visualisierender Kunst und Illustrationen darzustellen und Ausstellungsbesuchern eine Perspektive auf den kreativen Prozess zu ermöglichen. Natürlich ist das für den ein oder anderen sehr abstrakt. Aber sind wir nicht schon häufig genug konkret? Für uns als Designer war es quasi wie ein Geschenk, dass uns die Firma so vertraut hat und wir so abstrakt arbeiten konnten. Wie kam es überhaupt zu der neuen Design-Leitlinie? Hat das nur mit den neuen Elektro-Modellen zu tun? Nein, dafür gab es weitere Gründe, allen voran die zeitliche und technische Entwicklung. Natürlich waren die letzten 10 bis 15 Jahre bei Kia geprägt von der Designkultur eines Peter Schreyer, die sich über die Jahre auch ständig weiterentwickelt hat – hin zu einem Level, das aus meiner Sicht hochprofessionell ist. Wir haben die Philosophie geändert, weil wir das wollten und mussten, denn auch die Marke hat sich geändert. Kurz gesagt: Wir haben entschieden, uns als Marke neu zu erfinden. Deshalb haben wir unter anderem ein neues Logo entwickelt. Aber auch die Markenwerke, für die wir stehen, wollten wir klarer herausarbeiten. Hinzu kam eine neue Technologie, die Elektrifizierung. Hier haben wir die Chance gesehen, diese Markenneuerfindung mit der Einführung der Elektromodelle zu kombinieren und somit eine neue Ära entstehen zu lassen. Aus meiner Sicht ist dafür auch ein neues Design notwendig. Prinzipiell soll Design Markenwerte ausdrücken, aber natürlich auch die Werte der Kunden sowie deren Wünsche berücksichtigen. Und mit den Elektromodellen erreichen wir sicher neue Zielgruppen. Somit gibt es zahlreiche Gründe für die neue Design-Leitlinie. Gibt es einen Teil innerhalb der Design-Leitlinie, der Ihnen besonders wichtig ist? Ein Teil der Kia-Kultur ist die klare Kundenorientierung. Wir entwickeln Produkte, um das Leben von Menschen zu verbessern, und ich glaube, das ist exakt das, was auch ein Designer machen sollte. Design ist dafür da, das Leben zu vereinfachen, sei es durch Funktionalität oder Brauchbarkeit, wobei auch die emotionale und ästhetische Seite eine Rolle spielt. Das ist das, was mir am
DESIGN / INTERVIEW BOLD THE MAGAZINE // 41 wichtigsten ist und am interessantesten erscheint. Welche der fünf zentralen Design- Säulen trifft das am meisten? Eigentlich sollten alle fünf Säulen, also all die verschiedenen Perspektiven, auf diese Produktentwicklung passen, oder? Sicher spricht Ihre neue Design-Philosophie auch junge Designer an, die sich hier auf der Messe tummeln. Haben Sie in Ihrem Kreativ-Team überhaupt noch Platz für neue Designer? (lacht) Immer! Definitiv! Wir stellen jedes Jahr neue Mitarbeiter ein, und neue junge Designer sind natürlich sehr wichtig. Inhaltlich geht es bei dem neuen Design vor allem darum, die Gegensätzlichkeiten, die sich in der Natur und im Menschsein finden, gestalterisch zu interpretieren und zu verbinden. Können Sie das noch ein wenig ausführen? Vielleicht kann man das einfacher mit dem Wort Kontrast beschreiben. Kontrast ist wirklich ein tagtäglicher Begleiter in unserem Leben, der Mensch selbst ist schon voller Kontraste, oder Paradoxe, und das ist ein Teil der Erklärung. Der andere Teil ist das Thema Diversity, Unterschiedlichkeit, wie das zum Beispiel im Moment gut in der Mode zu sehen ist: Es gibt Hosen mit weiten Beinen und Hosen mit engen Beinen, und beides geht. In der Vergangenheit war das nicht so offen wie heute, wo das alles miteinander verwoben scheint. Diese Gegensätze sind so bereichernd. Und wie setzen Sie das in einem Fahrzeug um? Das kann ich ganz einfach erklären: Als Beispiel nehme ich EV9, einen SUV, der eine gewisse Stärke, Robustheit und Off-Road- Fähigkeit haben musste. Gleichzeitig ist das ein Elektrofahrzeug für Familien. Deswegen haben wir als ein Beispiel für das Exterior-Design jetzt einen Hauptkörper, der sehr rund ist und keine Kanten hat. Der visuelle Schwerpunkt, wo Licht und Schatten sich treffen, ist recht weit unten im Auto, genau wie die Glaslinie, also dort, wo sich Blech und Glas treffen. Dies ist den Themen Sichtbarkeit und Komfort im Innenraum geschuldet. Beide Ansätze sind erstmal nicht so typisch für SUVs. Gleichzeitig sind sowohl die Räder als auch die Radkästen sehr kastenförmig gestaltet, mit richtig scharfen Kanten. Die zwei Punkte zusammen ergeben zwei komplett unterschiedliche Prinzipien des Autodesigns. Die Ästhetik des EV6 ist aerodynamisch. Vor allem die stark geneigte, sich bis weit nach hinten ziehende Frontscheibe sowie die sehr voluminös wirkenden hinteren Kotflügel vermitteln eine Dynamik, die bei E-Autos (noch) nicht üblich ist. Wie kommt das? Ehrlich gesagt war das Fahrzeug fast fertig geplant, als ich zu Kia kam. Ich habe nur
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