WOLL Magazin 2022.3 Herbst

Yoga im Kindergarten in Brilon-Altenbüren
DONNERSTAGS BEI DEN
STEINBERGSTROLCHEN
Christel Zidi
Privat
J
eden Donnerstag gehen die Kinder des zertifizierten
Bewegungskindergartens in Altenbüren
auf Reisen. Dafür brauchen sie weder
Tickets noch Proviant. Und ihr Fortbewegungsmittel
ist ein ganz besonderes: ihre Fantasie. Die Yoga-
Stunde macht den Kindern aber nicht nur Spaß, sie
wirkt sich auch in vielerlei Hinsicht positiv aus.
Fröhlich begrüßen die Kinder den neuen Tag mit einem
Namasté. Sie sind schon gespannt darauf, wohin es dieses
Mal geht. Simone Steffens ist Erzieherin im Städtischen
Kindergarten Altenbüren. Sie ist quasi die Reiseführerin,
wenn es zu den Einhörnern ins Regenbogenland geht, ins
geheimnisvolle Drachenland oder mit den Piraten übers
Meer.
Yoga als Ausgleich
Körperwahrnehmungsübung
mit Eulenfeder
Yoga dient den Menschen als Ausgleich zu ihrem stressigen
Alltag. Aber haben denn schon Kinder diesen Ausgleich nötig?
Simone Steffens bestätigt das: “Die heutige Zeit ist auch
für Kinder oft reizüberflutet, denn Terminpläne, Tablet &
Co. sind längst im Kinderzimmer eingezogen. Die Zeit ist
laut geworden, Bewegung oft Mangelware. Der Stress hat
auch für Kinder schädliche Wirkungen auf das Nervensystem.”
Yoga kann da helfen. Denn durch die Asanas*, durch
die Wiederholung bestimmter Bewegungsabläufe werden
im Gehirn neue Strukturen erarbeitet. Und diese neuen
Strukturen sorgen dann z. B. für den Abbau von Ängsten
und Aggressionen, führen zu einer größeren Beweglichkeit
und einer gesunden Körperhaltung. Die Erzieherin hat festgestellt,
dass “die Kinder insgesamt ruhiger und achtsamer
geworden sind. In den Kleingruppen haben gerade ruhigere
Kinder an Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen gewonnen
und tragen auch ihren lebendigen Teil zum Yoga bei.”
Seelische Ausgeglichenheit, eine bessere Körperwahrnehmung,
mehr Beweglichkeit und eine verbesserte Konzentrationsfähigkeit
– das sind nur einige der vielen Vorteile des
Yoga, eines Teils der indischen Gesundheitslehre Ayurveda.
Während den Indern die Wechselwirkung zwischen Psyche
und Körper schon seit Jahrtausenden bekannt ist, wurde
Yoga im Westen erst in den letzten Jahrzehnten populär.
Und da die Lehre keine Altersgrenze hat – weder nach oben
noch nach unten – wird sie seit einiger Zeit auch in den
Kindergärten gelehrt.
Der Sonne in der Nase bohren
Nach der Yoga-Stunde wirken die Kinder sehr zufrieden
und ausgeglichen. Für Simone Steffens das beste Zeichen
für die Wirkung des Yoga. “Das Wichtigste ist jedoch”,
so Steffens, ”dass kein Leistungsdruck entsteht und jeder
sich in seiner Bewegung und seiner Zeit im Asana entfalten
kann und im besten Fall noch mit viel Spaß und lauten
Lachen dabei ist, wenn wir uns wieder einmal lang zum
Himmel strecken und der „Sonne in der Nase bohren“. ■
Simone Steffens und ihre Kinder bei der Flugzeugübung
Abschlussritual: Ganesha, ein indischer kleiner Elefant, wird herumgegeben
und jedes Kind erzählt, was ihm besonders gefallen hat
*Asana=Stellung, Haltung
Namasté = Ich verbeuge mich vor Dir
WOLL Herbst 2022 - 63