WOLL Magazin 2022.3 Herbst
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Die Brutstätte der Turmfalken<br />
GEBOREN IM BISMARCKTURM<br />
Matthias Koprek<br />
Die Vogeleltern Ablösung im Gelege Die Küken wachsen<br />
Gemeinsam mit den ersten Ausflugsgästen und Touristen kommen auch die Turmfalken. Seit mittlerweile<br />
zehn Jahren nutzen sie den 18 Meter hohen Bismarckturm zwischen Möhnesee-Delecke und<br />
Möhnesee-Wippringsen als Brutstätte. Eine Brutstätte de luxe könnte man sagen: Denn hier oben auf<br />
der wenig bebauten und fast waldfreien Haar haben die Falken freie Sicht auf ihr Beuterevier – die vor Mäusen<br />
strotzenden Felder der Soester Börde.<br />
Nistplatz 298 Metern über Normalnull<br />
Seinen Namen hat der in Mitteleuropa sehr häufig vorkommende<br />
Greifvogel nicht von ungefähr. Er baut keine<br />
eigenen Nester, sondern nistet gern hoch oben in Türmen.<br />
Wenn nicht gerade ein Bismarckturm zur Verfügung<br />
steht, sind es häufig Kirchtürme, in denen der Falkennachwuchs<br />
zur Welt kommt. Bevor die Falkendame<br />
jedoch damit beginnt ihre Eier zu legen, muss erst einmal<br />
das Nest hergerichtet werden. Auf Komfort scheint<br />
das Pärchen dabei weniger Wert zu legen als auf Ordnung.<br />
Denn aus der Fensternische wird erst einmal alles<br />
herausgeworfen, was der Winter so hineingeweht hat.<br />
Ende April oder Anfang Mai beginnt das Weibchen damit,<br />
Eier zu legen. In den vergangenen Jahren waren es<br />
meist fünf oder sechs, wobei nicht unbedingt aus jedem<br />
auch ein Falkenbaby schlüpft. Und auch nach der Geburt<br />
kommt nicht jedes der Vöglein durch. Ein bis zwei<br />
bleiben im Schnitt auf der Strecke. Die Arbeitsteilung<br />
ist klar geregelt: Für das Ausbrüten ist das Weibchen zuständig.<br />
Fast 30 Tage lang muss es auf den Eiern sitzen,<br />
bis sich der Nachwuchs durch die Schale kämpft. Nur<br />
unterbrochen von ein paar kurzen Flugrunden, um „sich<br />
die Beine zu vertreten“. Das Falkenmännlein versorgt die<br />
werdende Mutter derweil mit Kleinnagern von den Feldern.<br />
Seit 2012 Brutplatz Nr. 1<br />
Aber auch in der Tierwelt scheint die Emanzipation auf<br />
dem Vormarsch zu sein. So erinnern sich Franz Kuschel<br />
(78) und Hans Schladör (76), zwei der rund zehn Ehrenamtlichen,<br />
die sich als Turmwärter um Pflege und<br />
Besucherbetreuung kümmern, an 2018. In diesem Jahr<br />
beteiligte sich – zum großen Erstaunen aller – auch das<br />
Männchen an der Brut.<br />
Weniger schön sind die Erinnerungen an 2020. Da kam<br />
das Weibchen nach einem Ausflug nicht mehr zurück.<br />
Wie sich herausstellte, hatte es einen Unfall mit einem<br />
der vielen Autos, die auf der Bundesstraße 516 vor dem<br />
Turm entlangflitzen. „Als ich den Turm hinaufstieg,<br />
stank es fürchterlich“, erinnert sich Hans Schladör. „Der<br />
74 - <strong>WOLL</strong> <strong>Herbst</strong> 2022