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BS 12-2020

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die EU-Kommission bei der EU Hafendienste-Verordnung<br />

ersparen.<br />

Dies führte aber zugleich zu einem wesentlichen<br />

Manko: während richtlinien<br />

mit der Umsetzung in nationales recht<br />

durch den Gesetzgeber an die rechtsordnung<br />

der jeweiligen Mitgliedstaaten<br />

und deren rechtstraditionen angepasst<br />

werden, schneidet die EU Hafendienste-Verordnung<br />

als unmittelbar anwendbares<br />

recht ohne rücksicht auf gewachsene<br />

rechtstraditionen in das nationale<br />

recht ein. auch der geschulte Jurist steht<br />

daher vor der aufgabe, sich die Bedeutung<br />

der EU Hafendienste-Verordnung<br />

im Kontext des nationalen rechts zu erschließen:<br />

im deutschen recht steht die<br />

EU Hafendienste-Verordnung als Sonderwirtschaftsrecht<br />

der Seehäfen neben<br />

dem traditionellen Hafen-Verwaltungsrecht<br />

und dem allgemeinen auch in den<br />

Häfen geltenden Wirtschaftsrecht, insbesondere<br />

dem Kartellrecht und dem recht<br />

gegen unlauteren Wettbewerb.<br />

Grundzüge der<br />

EU Hafendienste-Verordnung<br />

Grundsätzlich gilt in Deutschland die<br />

Gewerbefreiheit. Einschränkungen des<br />

rechts zur ausübung eines Gewerbes<br />

sind nach dem deutschen öffentlichen<br />

recht nur in sehr beschränktem Maße<br />

gestattet. Dennoch gibt es einzelne berufsgruppenspezifische<br />

anforderungen<br />

an die ausübung der Gewerbefreiheit,<br />

über die die jeweils zuständigen Behörden<br />

wachen. In der regel geht es hierbei<br />

um anforderungen an die persönliche<br />

Zuverlässigkeit/Qualifikation.<br />

Vollkommen fremd ist dem deutschen<br />

recht im ausgangspunkt der Gedanke,<br />

Märkte für Waren oder Dienstleistungen<br />

so zu regulieren, dass nur<br />

einzelne anbieter zum Zuge kommen.<br />

auch hierfür sehen die Gesetze jedoch<br />

punktuelle ausnahmen vor, wie etwa<br />

bei den Gebietsmonopolen im Strom-,<br />

telekommunikations- oder Bahntransportbereich.<br />

Häufig unterliegt der jeweilige<br />

Sektor dann einer strengen<br />

hoheitlichen aufsicht etwa über die anwendbaren<br />

tarife.<br />

Gesonderte Beschränkungen dieser<br />

art haben sich im deutschen recht für<br />

die Seehäfen bisher nicht etabliert.<br />

an dieser Stelle bricht die EU Hafendienste-Verordnung<br />

in die überkommenen<br />

deutschen rechtstraditionen ein.<br />

Erstmals werden Voraussetzungen definiert,<br />

unter denen Dienstleistungen, die<br />

in den Häfen erbracht werden, von den<br />

Mitgliedsstaaten einer sektoralen Bewirtschaftung<br />

unterworfen werden können.<br />

Für das rechtliche Verständnis der<br />

EU Hafendienste-Verordnung ist dabei<br />

von grundlegender Bedeutung: die Verordnung<br />

legt den Mitgliedstaaten keine<br />

Verpflichtung zur Durchführung von Bewirtschaftungsmaßnahmen<br />

in den Häfen<br />

auf. Vielmehr besteht die Zielsetzung allein<br />

darin, auswüchse der Bewirtschaftung<br />

in einzelnen Mitgliedstaaten auf<br />

ein EU-weit allgemein akzeptiertes Maß<br />

zurückzuführen. Dort wo früher lokale<br />

Monopole entstanden waren, indem Hafendienstleistungen<br />

hoheitlich bewirtschaftet<br />

werden, sollen diese Monopole<br />

durch die Verordnung aufgebrochen und<br />

nur in dem vorgesehenen Umfang zugelassen<br />

werden.<br />

Weit überwiegend richtet sich der<br />

Wortlaut der EU Hafendienste-Verordnung<br />

insofern an die »leitungsorgane<br />

des Hafens«, respektive die »zuständigen<br />

Behörden«. Gemeint sind die Hafenverwaltungen<br />

und ihre aufsichtsorgane.<br />

Die Verordnung geht davon aus,<br />

dass in jedem Seehafen mindestens eine<br />

Institution, sei es öffentlicher oder privater<br />

Natur, besteht, zu deren wesentlichen<br />

aufgaben die organisation und Überwachung<br />

des Hafenbetriebs gehört. Welche<br />

rechtsform jeweils geeignet ist, bleibt offen.<br />

Durch die EU Hafendienste-Verordnung<br />

soll gerade kein Einfluss darauf genommen<br />

werden, wie die organisation<br />

der Hafenstrukturen in den Häfen der<br />

Mitgliedstaaten erfolgt.<br />

In den deutschen Häfen sind die organisationsstrukturen<br />

unterschiedlich<br />

ausgestaltet. regelmäßig geht es um die<br />

Zuordnung der zentralen aufgabenbereiche<br />

wie der Überwachung der Sicherheit<br />

und leichtigkeit des Verkehrs, der<br />

Unterhaltung der Hafenbecken, des Einzugs<br />

von Nutzungsgebühren für die öffentlichen<br />

Wasserflächen und Hafenanlagen<br />

und die Zuordnung und Vergabe<br />

von Umschlagsflächen. Während in den<br />

bremischen Häfen die Überwachung der<br />

Sicherheit und leichtigkeit des Verkehrs<br />

dem Hansestadt Bremischen Hafenamt<br />

(HBH) mit dem Hafenkapitän an der<br />

Spitze und die Unterhaltung der öffentlichen<br />

Wasserflächen und Hafenanlagen<br />

der landeseigenen Gesellschaft bremenports<br />

zugeordnet sind, werden diese<br />

aufgaben in Hamburg von der Hamburg<br />

Port authority (HPa) als anstalt<br />

öffentlichen rechts insgesamt übernommen.<br />

Die Flächen der Umschlagsanlagen<br />

gehören in beiden Häfen durchweg dem<br />

Bundesland mit seinen kommunalen<br />

Gebietskörperschaften; in Niedersachsen<br />

gehören die Flächen hingegen der<br />

landeseigenen Gesellschaft Niedersachsen<br />

Ports. Die Beispiele für wirtschaftlich<br />

gewachsene Strukturen könnten<br />

fortgesetzt werden.<br />

Nur zu einem sehr geringen teil wenden<br />

sich die Vorschriften der EU Hafendienste-Verordnung<br />

demgegenüber an<br />

die Hafendienstleister selbst, welche die<br />

eingangs genannten, in ihren sachlichen<br />

anwendungsbereich fallenden Dienstleistungen<br />

im Hafen erbringen. Dies gilt<br />

im Wesentlichen nur im Zusammenhang<br />

mit den Konsultationspflichten gemäß<br />

Kapitel IV.<br />

Zwischen den leitungsorganen des<br />

Hafens, respektive der zuständigen Behörden<br />

einerseits und den Hafendienstleistern<br />

andererseits wird in der Verordnung<br />

streng unterschieden. Wenn das<br />

leitungsorgan des Hafens als sogenannter<br />

»interner Betreiber« sowohl aufgaben<br />

der öffentlichen Hafenverwaltung wahrnimmt<br />

als auch, entweder selbst oder<br />

durch von ihm kontrollierte organe, Hafendienstleistungen<br />

erbringt, fordert die<br />

EU Hafendienste-Verordnung eine klare<br />

trennung zwischen den beiden tätigkeitsbereichen.<br />

Dadurch gelten für die öffentliche<br />

Hand bei der Erbringung von<br />

Hafendienstleistungen nach der Verordnung<br />

die gleichen rechte und Pflichten<br />

gelten wie für unabhängige, rein private<br />

anbieter.<br />

Die Mitgliedstaaten sind indes berechtigt,<br />

durch nationales recht festzulegen,<br />

dass bestimmte arten von Hafendienstleistungen<br />

aus dem durch die Verordnung<br />

gestatteten Bewirtschaftungsrahmen<br />

ganz oder teilweise ausgenommen<br />

werden. Dies ist in Deutschland bisher<br />

nicht geschehen, kann für das Verständnis<br />

der Grundintentionen der EU Hafendienste-Verordnung<br />

jedoch nicht hoch<br />

genug eingeschätzt werden: denn durch<br />

die Möglichkeit des »opting-out« können<br />

die Mitgliedstaaten für ihre jeweiligen<br />

Häfen frei bestimmen, ob und in<br />

welchem Umfang die nach der EU Hafendienste-Verordnung<br />

zulässigen Maßnahmen<br />

zur Steuerung der Hafendienste<br />

umgesetzt werden sollen. Im Extremfall<br />

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Binnenschifffahrt <strong>12</strong> | <strong>2020</strong>

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