SCHWACHHAUSEN Magazin | September - Oktober 2022
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TATYANA RYZHKOVA<br />
Das gemeinsame Spielen ist der Gitarristin besonders wichtig: „Beim Gruppenunterricht geht es nicht nur darum, das Spielen zu lernen, sondern auch um das<br />
Zusammensein und dem freundlichen Austausch untereinander“, so Tatyana Ryzhkova.<br />
„Ein guter Gitarrist hat eine Liebesaffäre mit seinem<br />
Instrument. Tatyana ist auf jeden Fall in<br />
ihre Gitarre verliebt!“ Diesen begeisterten Kommentar<br />
hinterließ ein Zuschauer unter einem<br />
YouTube-Video, in dem die Gitarristin Tatyana<br />
Ryzhkova hingebungsvoll eine Fuga von Johann<br />
Sebastian Bach spielt. Und in der Tat könnte<br />
man auf diese Idee kommen: Wenn die Musikerin<br />
spielt, wiegt sie ihr Instrument sachte, sie lächelt<br />
sanft, schließt die Augen und scheint mit<br />
ganzer Seele die Klänge zu genießen, und wenn<br />
sie auf das Griffbrett schaut, scheint sie ihm tatsächlich<br />
verliebte Blicke zuzuwerfen. Die Leidenschaft,<br />
mit der die Künstlerin ihrem<br />
Instrument technisch perfekte Töne entlockt,<br />
springt auf jeden Fall über – und hat dem Video<br />
mehr als acht Millionen Klicks beschert.<br />
Wenn es um klassische Musik geht, denken die<br />
meisten Menschen an Geigen, Orchestergräben<br />
und wuchtige Konzertflügel. Dabei braucht es<br />
die gar nicht, um ein klassisches Musikstück zu<br />
interpretieren. „Eine Gitarre ist ein ganzes Orchester!“,<br />
sagt Tatyana Ryzhkova und macht<br />
eine ausholende Geste. „Man kann alle Genres<br />
auf der Gitarre spielen und braucht kein anderes<br />
Instrument als Begleitung.“ Mit ihrem Spiel<br />
gewinnt sie auch Menschen, die klassische<br />
Stücke sonst höchstens zu Weihnachten auflegen.<br />
Die 1986 in Minsk/Belarus geborene Tatyana<br />
Ryzhkova ist nicht nur eine begnadete Musikerin,<br />
sie ist vor allem auch sympathisch und erstaunlich<br />
bodenständig dafür, dass sie eine der<br />
erfolgreichsten klassischen Gitarristinnen der<br />
Gegenwart ist. Denn vor Publikum oder der<br />
Online-Öffentlichkeit zu zeigen, was einem die<br />
Musik fühlen lässt, erfordert viel Mut: „Man<br />
öffnet sich und wird dadurch auch verletzlicher.<br />
Aber so gewinnt man auch an Stärke“, sagt die<br />
Musikerin.<br />
Die Gitarristin interpretiert häufig Werke von<br />
Großmeistern wie Bach und Chopin. Ihr Repertoire<br />
umfasst aber auch modernere Stücke<br />
spanischer und südamerikanischer Künstler, die<br />
sie mit der gleichen Anmut und Präzision spielt.<br />
Mittlerweile ist sie eine weltweit gefragte<br />
Künstlerin: Ihre CDs wurden tausendfach verkauft,<br />
das Publikum feiert sie auf internationalen<br />
Festivals und Konzerten und Musikstudent*innen<br />
aus aller Welt schätzen sie als<br />
Mentorin.<br />
Der Weg zu einem Leben als Musikerin war<br />
aber nicht immer leicht. Er begann für Tatyana<br />
Ryzhkova schon sehr früh: Bereits mit acht Jahren<br />
bewarb sie sich an einer Musikschule,<br />
wurde aber abgelehnt. Erst im zweiten Anlauf<br />
erkannte man ihr Talent. Der Unterricht in Belarus<br />
fordert einiges von den Schülern, erinnert<br />
sich Tatyana Ryzhkova. „Entweder man bricht<br />
es ab und will nie wieder etwas mit Musik zu<br />
tun haben – oder man kann was werden“, sagt<br />
sie. Sie weiß, dass man als Musiker*in nicht nur<br />
Talent braucht: „Es ist wahnsinnig viel harte Arbeit.“<br />
Nach dem Abschluss und einem Jahr intensiven<br />
Sprachunterrichts zog es die damals 19-Jährige<br />
zum Studieren nach Deutschland an die Hochschule<br />
für Musik Franz Liszt in Weimar. Dort<br />
studierte sie ab 2005 bei dem ehemaligen Mitglied<br />
des World Guitar Ensemble und vielfach<br />
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<strong>SCHWACHHAUSEN</strong> <strong>Magazin</strong> | <strong>September</strong> - <strong>Oktober</strong> <strong>2022</strong>