ERF Medien Magazin November 2022
Leichtigkeit
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SERIE<br />
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ist…<br />
<strong>ERF</strong> MEDIEN MAGAZIN ı 11.<strong>2022</strong><br />
21<br />
Gott ist … alles andere als Langeweile<br />
VON ANDREAS BOPPART<br />
«Gibt es schliesslich eine bessere Form, mit dem Leben fertig zu werden, als mit Liebe und Humor?»,<br />
mutmasste Charles Dickens. Der Liebe sind wir uns bewusst, wenn wir auch oft an ihr scheitern.<br />
Absolut unter seinem Wert und unter dem Radar vieler läuft jedoch das Parallelgeschenk Gottes: der Humor.<br />
Humor ist wohl die meist unterschätzte himmlische Gabe<br />
zur Erträglichkeit des Lebens, zu der jedoch nicht alle<br />
gleichermassen den Zugang finden. Gerade auch die gefühlte<br />
Spannung zwischen Geistlichkeit und Humor raubt<br />
Letzterem an vielen Orten seine Existenzberechtigung und<br />
beschränkt manche geistlichen Handlungen und sakrale<br />
Räume auf schon fast bitteren Ernst.<br />
Bei uns Christen grassiert die Angst, bei einem humorvollen<br />
Jesus irgendwelche Abstriche bei der Heiligkeit<br />
Gottes machen zu müssen. Dabei streichen manche auf<br />
Kosten von Humor und Lebensfreude die menschlichen<br />
Züge von Jesus, um ihn in einen unantastbaren, überirdischen<br />
Glanz zu hüllen. Ein irrationaler Rückschluss, da<br />
wir auch von seinen Wutausbrüchen im Tempel lesen, die<br />
eine ähnliche Dynamik im Zusammenhang mit Heiligkeit<br />
aufweisen. Aber weder Wut noch Humor schliessen seine<br />
Heiligkeit aus. Wir Menschen stolpern somit im Leben oft<br />
nicht über Gott selbst. Wir stolpern über unser Gottesbild.<br />
Was vielleicht eine Renovation benötigt.<br />
«Es war zu allen Zeiten für viele Christen nicht einfach,<br />
das zu verkraften: Jesus auf einer Hochzeit, locker und<br />
fröhlich mittendrin», schreibt der Theologe Christoph<br />
Morgner. Obwohl «Freude» zu einem der Hauptworte in<br />
der Bibel gehört und geschrieben steht «… eure Freude soll<br />
niemand von euch nehmen» (Johannes 16,22), versuchen<br />
wir allzu oft, genau diese Freude und das herzhafte Lachen,<br />
vor allem aber den oft zu Unrecht als «weltlich» bezeichneten<br />
Humor, von Jesus zu subtrahieren. Und wie schon in<br />
biblischen Zeiten ist er auch heute noch manchen Religiösen<br />
zu fröhlich (Lukas 7,34). Dabei soll genau diese Freude,<br />
die er ausstrahlt, unsere Stärke sein (Nehemia 8,10).<br />
«Mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht», hat<br />
Christus gesagt (Matthäus 11,30). Wir beschweren uns und<br />
andere durch Lieblingsdogmen oft unnötig. Denn je näher<br />
wir Gott kommen, umso leichter wiegt das Leben. Humor<br />
ist Gottes Geschenk an uns, das Leben zu ertragen. Nicht<br />
um den Schmerz oberflächlich auszudrücken oder ihm<br />
auszuweichen. Sondern mitten in ihm, durch ihn wieder<br />
ins Leben hineinzufinden. Der Theologe Helmut Thielicke<br />
sieht im Humor eine Seelenhaltung, ein Status weltüberwindender<br />
Distanz, der den Rahmen des Augenblickes<br />
sprengt. Dem pflichtet die Psychologie bei, die Humor<br />
als die Fähigkeit bezeichnet, Distanz zu sich oder einer<br />
Situation zu nehmen. Humor schafft diesen Freiraum der<br />
Distanz überhaupt erst. Oftmals ist diese Distanz auch eine<br />
unter Schmerzen errungene Disposition, nämlich die Freiheit<br />
und Souveränität gegenüber dem Schicksal. Humor<br />
ermöglicht uns, auch in schmerzlichen Lebenslagen eine<br />
gesunde Distanz zu entfalten.<br />
Diese Fähigkeit ist die wesentliche Eigenschaft des<br />
göttlichen Geschenkes. Das Angebot, im Alltag die Ebene<br />
wechseln zu können, den Schauplatz des Geschehens innerlich<br />
zu verlassen und die Ereignisse oder sich selbst aus<br />
einem entfernteren Blickwinkel zu betrachten. Dabei erlebe<br />
ich, wie sich immer wieder eine Leichtigkeit ausbreitet,<br />
wenn ich mein Leben von «ausserhalb» betrachten kann.<br />
Wenn bei uns Christen nicht gelacht wird, dürfen Menschen<br />
zu Recht nervös werden – denn mit der Gewissheit<br />
der Erlösung geht ein Grundrauschen der Freude einher.<br />
Karl Barth machte drei Wochen vor seinem Tod folgende<br />
bezeichnende Aussage: «Ein Christ treibt dann gute Theologie,<br />
wenn er im Grunde immer fröhlich, ja mit Humor bei<br />
der Sache ist. Nur keine verdriesslichen Theologen! Nur<br />
keine langweilige Theologie!» Möge diese Forderung von<br />
Barth in uns weiterklingen.<br />
Ach übrigens, die gute Nachricht an alle Humorlosen:<br />
Humor ist lernbar. Viel Freude bei der Suche nach ihm und<br />
der damit verbundenen Lebensleichtigkeit.<br />
SERIE «GOTT IST ...»<br />
Wie oder wer ist Gott eigentlich? Diese Frage beschäftigt<br />
die Menschen schon lange. In der Bibel werden unterschiedliche<br />
Bilder gebraucht, um Gott zu beschreiben. In einer<br />
Serie teilen Theologinnen und Theologen aus verschiedenen<br />
Denominationen ihre Vorstellungen, wie Gott ist.<br />
xxxxxxx<br />
USER ZUR PERSON<br />
Andreas «Boppi» Boppart ist verheiratet und<br />
Vater von vier Kindern. Andreas ist Leiter Campus<br />
für Christus Schweiz, Autor und Referent und<br />
sein Herz brennt für die Wiederentdeckung der<br />
Schönheit eines kraftvollen und ganzheitlichen<br />
Evangeliums. Ausserdem für Christusbeziehungen,<br />
die veränderte Leben hervorrufen.