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ERF Medien Magazin November 2022

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30 ı PORTRÄT<br />

VOM ÜBERLEBEN ZU NEUER STANDFESTIGKEIT<br />

Leben trotz<br />

traumatischer Vergangenheit<br />

VON CHANTAL BIGLER<br />

«Vernachlässigt und allein gelassen»: Das sind Erinnerungen,<br />

die Karin Reinmüller an ihre schwierige Kindheit<br />

hat. Als junge Frau findet sie Halt im Glauben an Gott und<br />

im Physikstudium. Bis sie schliesslich bereit ist, sich ihrer<br />

traumatisierenden Kindheit zu stellen.<br />

Karin Reinmüller ist eine Kämpferin und hat sich auch in<br />

schweren Krisen nicht unterkriegen lassen. «Es ist für Profis<br />

erstaunlich, dass ich trotz meiner Geschichte so weit gekommen<br />

bin. Ich könnte heute tot sein oder von Sozialhilfe<br />

abhängig», sagt die Schwäbin rückblickend.<br />

Traumatische Kindheit<br />

Das Trauma beginnt in Karin Reinmüllers Kindheit: «Als<br />

Kind wurde ich vernachlässigt und immer wieder allein gelassen»,<br />

erinnert sich Reinmüller. Sie fühlt sich oft im Stich<br />

gelassen. «Ich kannte meinen Wert nicht. Ich hatte zu Hause<br />

wenig soziales Verhalten gelernt, war immer eine Aussenseiterin.»<br />

Auch als Teenagerin nehmen die Zweifel nicht ab:<br />

Gedanken wie «Du bist wertlos» und «Die Welt wäre besser<br />

ohne dich» sind während ihrer Jugend stark präsent. Sie<br />

kämpft mit Suizidgedanken und verletzt sich selbst: «Mit<br />

17 Jahren erlebte ich meine erste heftige Krise und hatte<br />

immer eine Rasierklinge dabei.»<br />

Halt im Glauben und im Physikstudium<br />

Mit 18 Jahren trifft Karin Reinmüller in einem Jugendzentrum<br />

einen jungen Mann, der mit ihr über Jesus reden will.<br />

Sie schliesst sich einer Gruppe von Christen an, zieht mit<br />

19 Jahren in eine christliche WG und konvertiert später zum<br />

Katholizismus. Sie will in eine Welt kommen, in der Ordnung<br />

ist und die sie verstehen kann. So vertieft sie sich mit 21<br />

Jahren in ein Physikstudium, welches sie knapp zehn Jahre<br />

später mit einem Doktortitel in Computerphysik abschliesst:<br />

FILM<br />

TV-TIPP<br />

FENSTER ZUM SONNTAG-TALK<br />

Trauma: Vom Überleben zu neuem Leben<br />

Sa, 5. <strong>November</strong><br />

So, 6. <strong>November</strong><br />

16.40 Uhr<br />

18.35 Uhr<br />

08.20 Uhr<br />

18.40 Uhr<br />

(Änderungen vorbehalten)<br />

KARIN REINMÜLLER HAT EINEN DOKTORTITEL IN NATURWISSEN-<br />

SCHAFTEN, IST PHYSIKERIN, SOFTWARE-INGENIEURIN, KATHOLISCHE<br />

THEOLOGIN, PASTORALASSISTENTIN UND SEELSORGERIN (FOTO: ZVG)<br />

«Ich hatte in diesen Jahren, abgesehen von wiederkehrenden<br />

Krisen, kaum Zugang zu meinen Emotionen», erzählt<br />

sie. Während der Doktorarbeit beginnt sie mit einer ersten<br />

Therapie, die sie, wie sie heute sagt, «am Leben hielt».<br />

Nach dem Studium entwickelt sie zuerst Software für den<br />

englischen Wetterdienst, später für Schweizer Banken.<br />

Glaube als Schlüssel zur Traumabewältigung<br />

Im Alter von 43 Jahren schlägt Karin Reinmüller einen neuen<br />

Weg ein: Sie beginnt ein Theologiestudium mit dem Ziel, im<br />

kirchlichen Dienst zu arbeiten. Aufgrund einer Erfahrung<br />

in Exerzitien entscheidet sie sich für eine Traumatherapie:<br />

«Ich wollte mich meinen inneren , meiner<br />

Traumafolgestörung, stellen. Die Therapie bedeutete für<br />

mich zunächst grössere emotionale Instabilität, Anspannung<br />

und Ängste.» Ihre Therapeutin ist Atheistin, unterstützt<br />

Karin Reinmüller jedoch dabei, Vertrauen zu Jesus als Helfer,<br />

der auf ihrer Seite steht, zu entwickeln. Sie benötigt einen<br />

Klinikaufenthalt, während dessen sich ihr Ehemann von ihr<br />

trennt. Den Schlüssel zu ihrer positiven Entwicklung sieht<br />

sie in der Kombination aus professioneller Unterstützung<br />

und geistlicher Entwicklung zu mehr Standfestigkeit, zu der<br />

Jesus immer wieder Menschen mit «Steh auf!» eingeladen<br />

hat. Nach der langen, schmerzhaften, aber heilenden Traumatherapie<br />

arbeitet sie heute als Seelsorgerin in der Psychiatrie<br />

und unterstützt Menschen, die selbst kaum erträgliche<br />

Krisen durchleben.

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