PIPER Reader Frühjahr 2023
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LIEBE LESERIN,<br />
LIEBER LESER,<br />
herzlich willkommen zur neunten Ausgabe des Piper <strong>Reader</strong>s! Die Qual der<br />
Wahl war diesmal so groß, dass wir Ihnen in dieser Runde einfach besonders<br />
viele unserer neuen Bücher näher vorstellen mussten. Und immer aufs Neue ist<br />
dieses Magazin wie eine Flaschenpost, die man ins Wasser wirft, ohne zu wissen,<br />
wie die Welt aussehen wird, wenn sie ankommt.<br />
Da trifft es sich, dass das <strong>Frühjahr</strong> für uns im Zeichen der Philosophie steht – zum<br />
einen mit Thomas Meyers großer Biografie Hannah Arendts, zum anderen mit<br />
»Moral – Die Erfindung von Gut und Böse« von Hanno Sauer, ein Werk, das für<br />
mich das Zeug hat zum Buch der Stunde. Denn jene geistigen Manieren, die wir<br />
als universelle Werte mehr oder minder bewusst miteinander teilen, sind die Basis<br />
jeglichen Zusammenlebens. Die Auslegung dieser Werte durch unterschiedliche<br />
Generationen hingegen scheint immer weniger übereinzustimmen. Genau diese<br />
Überhitzung des gesellschaftlichen Diskurses, die Fragen der Identität, der sozialen<br />
Ungleichheit, der Kultur, Herkunft und Zugehörigkeit neu aufwirft, habe ihn<br />
zu seinem Buch inspiriert, sagt der junge Philosoph Sauer. Für ihn ist Moral der<br />
Kitt, der unsere Welt zusammenhält – auch wenn er gerade mächtig bröckelt.<br />
Oscar Wilde war bekanntlich der Meinung, dass es so etwas wie moralische<br />
oder unmoralische Bücher gar nicht gibt, sondern lediglich gut oder schlecht<br />
geschriebene. Dem würde Frédéric Schwilden vermutlich zustimmen, der mit<br />
»Toxic Man« sein rasantes, aberwitziges, bittersüßes literarisches Debüt vorlegt:<br />
»Ich will immer weiter sein, als ich schon bin … Als mich noch keiner gesehen hat,<br />
wollte ich gesehen werden. Oft bin ich Zuschauer. Ich versuche, alles zu sehen,<br />
will alles verstehen. Und fühl mich dabei manchmal groß, aber meistens unendlich<br />
klein. Wenn ich mich ins Verhältnis zu Zeit und Raum setze, wird mir<br />
bewusst, dass ich egal bin.« Sein Roman beweist das Gegenteil.<br />
Warum schreibt man eine Karte und wartet dann zehn Jahre, um sie abzuschicken?<br />
Diese Frage stellt Anne Berest im Roman »Die Postkarte«, mit dem die französische<br />
Autorin sich auf die Spuren ihrer Familie begibt. Vier Namen stehen auf der<br />
Karte, die Vornamen ihrer Großeltern mütterlicherseits, ihrer Tante und ihres<br />
Onkels. »Alle vier waren zwei Jahre vor der Geburt meiner Mutter deportiert<br />
worden. Sie waren 1942 in Auschwitz gestorben. Und 61 Jahre später tauchten sie<br />
in unserem Briefkasten wieder auf.« Auch das eine Art Flaschenpost – und ein<br />
literarisches Ereignis.<br />
Lassen Sie sich inspirieren von unseren Autor:innen und ihren neuen Büchern!