Arabische Pferde IN THE FOCUS 3/2022 (Vol. 31) - public
Zeitschrift für Liebhaber und Züchter arabischer Pferde
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SCHRECK
SCHRECKGESPENST
WISSENSCHAFT UND MEDIZIN
Wissenschaft
Auch beim arabischen Pferd hört man immer wieder von Lahmheiten, die durch Knochenzysten
hervorgerufen werden. Mittlerweile gibt es jedoch einige Behandlungsmöglichkeiten,
die insbesondere bei Jungpferden vielversprechend sind.
Betrachtet man einen typischen Knochen
der Extremitäten, so ist dies eine
lange Röhre, die am unteren und oberen
Ende mit Knorpelmaterial bedeckt ist,
also an den Stellen, wo der Knochen mit
einem anderen Knochen artikuliert, d.h. ein
Gelenk bildet. Knochen sind kein „totes Gewebe“,
sondern lebende Strukturen – sonst
könnte ein Knochenbruch ja auch nicht
heilen. Knochen können sich also verändern
und sie sind schmerzempflindlich. Im
Gegensatz dazu hat der Knorpel keine Blutversorgung
und heilt bei einer Verletzung
auch entsprechend schlecht bzw. gar nicht.
ENTSTEHUNG
Knochenzysten sind ganz allgemein gesprochen
rundliche bis ovale Hohlräume im Knochen.
Sie entstehen vielfach in Gelenksnähe,
unterhalb der Knorpelschicht, und häufig ist
eine Wachstumsstörung die Ursache, daher
sind auch vielfach Jungpferde betroffen.
Dies passiert, wenn es während der Entwicklung
des Gelenkknorpels beim Fohlen
(jünger als 5 Monate) zu Störungen in der
Blutversorgung in diesem Bereich kommt.
Durch diese Mangelversorgung entsteht
ein Loch im Knochen (d.h. Zyste). Bei älteren
Pferden bilden sich Zysten oftmals aufgrund
von Verletzungen, wie beispielsweise einem
Haarriss im Knochen. Diese subchondralen
Knochenzysten (subchondral = unter dem
Knorpel liegend) sind sowohl bei Jungtieren
als auch bei erwachsenen Pferden ein bekannter
Grund für Lahmheiten.
SYMPTOMATISCHE BEHANDLUNG
Ist die Diagnose erst einmal durch einen
Tierarzt gestellt – meist mittels Röntgenaufnahmen,
Computertomographie oder
durch Magnetresonanztomographie (MRT)–,
stellt sich die Frage nach den Behandlungsmöglichkeiten.
Die symptomatische
Behandlung reicht von Cortison (Entzündungshemmer)
bis zu Benzopyronen – beide
Methoden haben den Nachteil, dass die
Zyste bleibt, und die Beschwerden (Lahmheit)
wiederkehren können.
KNOCHENZYSTE
Das Fesselgelenk im Röntgenbild von hinten
betrachtet. Die Pfeile markieren eine Knochenzyste,
die sich als runder, dunkler Fleck zeigt.
Sie ist nach unten mit Knorpelmaterial gegen
den Gelenkspalt abgegrenzt.
CHIRURGISCHE THERAPIE
Ein anderer Ansatz ist die chirurgische Therapie,
mit der man erreichen will, dass sich
die Zyste wieder mit Knochenmaterial füllt.
Dazu ist es notwendig, in die Zyste chirurgisch
einzudringen und diese auszuräumen
und zu spülen. Der Zugang kann hierzu
durch das Gelenk erfolgen oder von außen.
Letzteres hat den Vorteil dass die Knorpelschicht
nicht eröffnet werden muß, da diese
ja – wie oben beschrieben – sehr schlecht
bis gar nicht heilt. Besser ist es daher, von
„außen“ einen Zugang durch den Knochen
zum Hohlraum der Zyste zu bohren. Wenn
die Zyste ausgeräumt ist, wird der Hohlraum
mit Substanzen gefüllt, die die Knochenheilung
fördern. Auch in Hinblick auf das Füllmaterial
gibt es verschiedene Möglichkeiten,
z.B. Knochentransplantat (aufwendig),
künstliches Knochenersatzmaterial (Tricalciumphosphat,
dauert lange bis zur Heilung)
oder Knorpelzellen mit Wachstumsfaktoren
(erfolgreich, aber sehr kompliziert).
NEUE KNOCHENSCHRAUBE
An der Vetsuisse Fakultät Zürich wird mit
BMP-2 gearbeitet (Bone Morphogenetic
Protein-2), das auch in der Humanmedizin
verwendet wird. Es ist ein körpereigenes
Protein, das die Knochenheilung stimuliert,
für therapeutische Zwecke wird es künstlich
hergestellt. Die Behandlung ist nach
Angaben der Vetsuisse Zürich sehr erfolgreich,
von 40 behandelten Pferden waren
67,5 % wieder im Sport einsetzbar, weitere
17,5 % waren reitbar, aber nicht mehr für
den Sport geeignet. Eine weitere (neue)
Behandlungsmöglichkeit ist eine aus der
Humanmedizin stammende resorbierbare
Schraube aus Hydroxyapatit, die im Körper
vollständig absorbiert wird und mit neugebildetem
Knochenmaterial ersetzt wird.
Mittlerweile wurden über 100 Pferde erfolgreich
behandelt.
Gudrun Waiditschka
Auf der Website der Universität Zürich finden
sich einführende und weiterführende
Beiträge zu dem Thema:
"Hektors spätes Glück"
https://www.news.uzh.ch/de/articles/2012/hectors-spaetes-glueck.html
"Knochenzysten"
https://www.tierspital.uzh.ch/de/
Pferde/pferdechirurgie/Dienstleistungen/01-Knochenzysten.html#Wissenswertes_zur_Behandlung_von_Knochenzysten
sowie ein Video-Beitrag von Dr. Michelle
Jackson, Vetsuisse Fakultät Zürich zum
Thema Knochenzysten:
https://scientifica.ch/event/knochenzysten-beim-pferd-optimal-behandeln/
der als Vorlage zu diesem Beitrag diente.
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