Ärzt*in für Wien 2023/1
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INTERN NEWS<br />
politisches Engagement nicht möglich<br />
gewesen wären. In den letzten Jahren<br />
wurden aber auch infrastrukturelle Verbesserung<br />
geschaffen, wie zum Beispiel<br />
die OP-Suppe. Dass eine Suppe in allen<br />
Operationsbereichen zur Verfügung gestellt<br />
wird, ist sicherlich <strong>für</strong> alle Berufsgruppen<br />
erfreulich, nicht nur <strong>für</strong> Ärztinnen<br />
und Ärzte. Aber eben auch die<br />
Intensivbettendiskussion, die wäre ohne<br />
diese Gremien mit ihrer demokratischen<br />
Limitierung nicht möglich gewesen.<br />
<strong>Ärzt*in</strong> <strong>für</strong> <strong>Wien</strong>: Gibt es spezielle<br />
Themen, die Sie sich <strong>für</strong> diese Senatsdauer<br />
vorgenommen haben?<br />
Andreas: Eines der derzeitig wichtigen<br />
Themen, mit denen sich der Senat gerade<br />
beschäftigt, ist die Inflationsthematik,<br />
die sicher ein Problem <strong>für</strong> alle<br />
Kolleginnen und Kollegen darstellt. Der<br />
Grund, warum sich die Ärztekammer<br />
hier ebenfalls engagiert, ist, weil Ärztinnen<br />
und Ärzte keine gemeinsame<br />
gewerkschaftliche Vertretung haben,<br />
sondern bei den unterschiedlichen Gewerkschaften<br />
aufgesplittet sind, sich<br />
auf die Ärztekammer und die einzelnen<br />
gewählten Mandatarinnen und Mandatare<br />
verlassen müssen und eben keine<br />
starke Gewerkschaft dahintersteht. Es<br />
besteht die Gefahr, dass einzelne Gewerkschaften<br />
auf die jeweilige kleine<br />
Klientel der Ärztinnen und Ärzte vergessen.<br />
Die Medizinerinnen und Mediziner<br />
der MedUni <strong>Wien</strong> stehen unter dem<br />
Kollektivvertrag der Universitäten, und<br />
der wird zwischen der Rektorenkonferenz<br />
und der Gewerkschaft Öffentlicher<br />
Dienst verhandelt, da spielen die Senate<br />
natürlich eine Rolle. Dann gibt es<br />
natürlich andere Projekte, die wir uns<br />
vorgenommen haben: Die Mitgestaltung<br />
der vielen Bauprojekte, die gerade<br />
stattfinden, sowie die Verbesserung der<br />
Arbeits- und Lebensqualität und des<br />
Miteinanders an der MedUni <strong>Wien</strong>.<br />
<strong>Ärzt*in</strong> <strong>für</strong> <strong>Wien</strong>: Der Senat hält etwa<br />
alle zwei Monate eine Sitzung ab, wie<br />
kann man sich so eine Sitzung vorstellen?<br />
Wie erfolgt hier eine Entscheidungsfindung,<br />
sind die Interessen der hier vertretenden<br />
Gruppen ähnlich oder oft auch<br />
sehr unterschiedlich?<br />
Andreas: In vielen Bereichen sind die<br />
Interessen sehr ähnlich, weil es um die<br />
Weiterentwicklung der MedUni <strong>Wien</strong><br />
geht, und da gibt es oft einen gemeinsamen<br />
Nenner. Der Senat beschäftigt sich<br />
Christoph Pelanek hinterfragt den Begriff „Ärztemangel“.<br />
„Eines der<br />
derzeitig<br />
wichtigen<br />
Themen,<br />
mit denen<br />
sich der<br />
Senat gerade<br />
beschäftigt,<br />
ist die Inflationsthematik,<br />
die<br />
sicher ein<br />
Problem <strong>für</strong><br />
alle Kolleginnen<br />
und<br />
Kollegen<br />
darstellt.“<br />
neben Nominierungen, die einen zeitlich<br />
kleinen, aber inhaltlich großen Teil einnehmen,<br />
vor allem mit strategischen Diskussionen<br />
und mit der aktiven Kommunikation<br />
mit anderen Gremien. Es wird<br />
regelmäßig mit dem Rektorat und Unirat<br />
kommuniziert und in Sitzungen gemeinsame<br />
Bereiche besprochen.<br />
<strong>Ärzt*in</strong> <strong>für</strong> <strong>Wien</strong>: Stichwort Gefährdungsanzeigen,<br />
Personalmangel und akute<br />
Situation der Spitäler in <strong>Wien</strong>, bekommen<br />
Sie das auch am AKH zu spüren?<br />
Andreas: Ja, das ist zum Beispiel ebenfalls<br />
im Senat besprochen worden. Das<br />
ist ein Thema, das alle betrifft und wo wir<br />
sehr aktiv an Lösungen arbeiten müssen.<br />
<strong>Ärzt*in</strong> <strong>für</strong> <strong>Wien</strong>: Was wäre Ihrer<br />
Meinung nach dringend notwendig, um<br />
die aktuelle Situation zu entschärfen?<br />
Andreas: Ich glaube, es braucht eine<br />
Verbesserung der Pflegesituation.<br />
Wir haben einen Pflegemangel, der<br />
noch viel stärker ist als bekannt. Um<br />
diesen zu beheben, müssten mehrere<br />
Maßnahmen gesetzt und vor allem gemeinsam<br />
mit der Pflege gelöst werden.<br />
Offensichtlich haben die bisherigen<br />
Lösungsansätze nicht ausgereicht.<br />
Mit der Akademisierung des Pflegeberufs<br />
alleine ist keine Lösung geschaffen<br />
worden. Eher sollte die Pflege mit<br />
Matura verstärkt angeboten werden,<br />
um Pflegekräfte früher in den Beruf<br />
zu bekommen. Viele Kolleginnen und<br />
Kollegen wechseln den Beruf oder wollen<br />
nach einem Studium weitere Ausbildungen<br />
absolvieren. Das Personal<br />
fehlt aber bei den Patientinnen und<br />
Patienten, und genau dort braucht es<br />
viele Pflegekräfte mit klinischer Expertise<br />
in unterschiedlichen Bereichen.<br />
Und genau hier sollte die Ausbildung<br />
erfolgen, auch gemeinsam mit Ärztinnen<br />
und Ärzten. Zudem muss aktiv<br />
über die Führungsstruktur in den Spitälern<br />
nachgedacht werden, wie kann<br />
das Management reibungsloser gestaltet<br />
werden und wie schafft man es, auf<br />
Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte mit<br />
ihren Lebensumständen oder ihren<br />
Wünschen nach flexiblen Arbeitszeiten<br />
besser einzugehen. Das sind Herausforderungen,<br />
die noch nicht gelöst sind.<br />
<strong>Ärzt*in</strong> <strong>für</strong> <strong>Wien</strong>: Wie kann man <strong>für</strong><br />
Ärztinnen und Ärzte die Situation an den<br />
Spitälern attraktiver gestalten?<br />
Andreas: An der MedUni <strong>Wien</strong> haben<br />
wir theoretisch eine attraktive Situation<br />
<strong>für</strong> Ärztinnen und Ärzte. Wir haben das<br />
höchste Gehalt <strong>für</strong> junge Kolleginnen<br />
und Kollegen, gute Karrierechancen,<br />
aber da<strong>für</strong> ist sicherlich die Arbeitsbelastung<br />
entsprechend höher. Wir versuchen,<br />
die Ausbildung regelmäßig zu<br />
verbessern, zum Beispiel durch eine<br />
alle zwei Jahre durchgeführte Umfrage<br />
an den einzelnen Abteilungen. Diese<br />
Evaluierung, die auch auf Betreiben des<br />
Senats eingeführt wurde, gibt einen guten<br />
Überblick, wo nachgebessert werden<br />
muss oder wo die Ausbildung gut funktioniert.<br />
Das sind Prozesse, die <strong>für</strong> einen<br />
besseren Ablauf sorgen. Ein weiteres<br />
Thema ist sicherlich die Blutabnahme<br />
und der Mitverantwortlichkeitsbereich<br />
– am AKH leben wir den so, wie er im<br />
Gesetz vorgesehen ist. Weiters ist natürlich<br />
Dokumentation ein Thema. Es<br />
ist nicht Aufgabe von Ärztinnen und<br />
Ärzten, die Dokumentation vorzunehmen.<br />
In der Herzchirurgie am AKH<br />
wurde eine Dokumentationskraft über<br />
Drittmittel eingestellt. Das funktioniert<br />
exzellent und sollte auch <strong>für</strong> das ganze<br />
Haus gemacht werden.<br />
Pelanek: Gibt es Ihrer Meinung nach einen<br />
Ärztemangel?<br />
Andreas: Der Begriff Ärztemangel wird<br />
ganz gerne verwendet, um alle Probleme<br />
im Gesundheitswesen zu kommentieren.<br />
Das ist aber nur ein Reframing und<br />
ein falsches Instrument. Wir haben<br />
in Österreich keinen Ärztinnen- oder<br />
Ärztemangel, keinen Fachärztemangel,<br />
keinen Turnusärztemangel oder Studierendenmangel.<br />
Es gibt vielleicht einen<br />
Mangel an Ärztinnen und Ärzten, die in<br />
entlegenen Gegenden arbeiten. Das hat<br />
aber nichts mit dem Begriff Ärztemangel<br />
zu tun, der gerne von Politikerinnen<br />
und Politikern verwendet wird, um eine<br />
Fotos: Stefan Seelig; Andreas Tischler/ picturedesk.com<br />
14 <strong>Ärzt*in</strong> <strong>für</strong> <strong>Wien</strong> 01_<strong>2023</strong>