Ärzt*in für Wien 2023/1
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AM PULS COVERSTORY<br />
nien, wo bereits jede vierte Tierarztpraxis<br />
zu einer Kette gehört, sind die Preise<br />
nach der Öffnung des Vetmed-Marktes<br />
<strong>für</strong> Kapitalgesellschaften um 40 Prozent<br />
gestiegen.<br />
Apotheken in Bedrängnis<br />
Auch im Apothekenbereich ist die Konzernisierung<br />
schon voll im Gange. In<br />
Mittel- und Osteuropa hat sich etwa die<br />
Private-Equity-Group Penta zum wichtigsten<br />
Player im Apothekenbusiness<br />
entwickelt. Neben der Gesundheitsbranche<br />
ist das Unternehmen in den Sparten<br />
Finanzdienstleistungen, Fertigung, Einzelhandel,<br />
Immobilien und Medien tätig.<br />
Das Unternehmen beschäftigt über<br />
41.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
in mehr als zehn europäischen<br />
Ländern. Neben Apotheken betreibt die<br />
Gruppe auch Krankenhäuser, Gesundheitseinrichtungen<br />
sowie eine Krankenversicherung.<br />
Mit der Apothekenkette<br />
Dr. Max ist Penta Marktführer in der<br />
Slowakei, Tschechien, Polen und Rumänien.<br />
Der Konzern hat mittlerweile auch<br />
den Sprung nach China geschafft. China<br />
hat den zweitgrößten Arzneimittelmarkt<br />
der Welt – mit 400.000 Apotheken und<br />
einem Umsatz von 140 Milliarden US-<br />
Dollar. 2011 war Penta in die sogenannte<br />
Gorilla-Affäre verwickelt. Gegenstand<br />
derer war die Verbindung der Privatkapital-Gruppe<br />
mit slowakischen Politikern<br />
sowie mutmaßliche Bestechungen<br />
von Regierungsangehörigen in Millionenhöhe<br />
anlässlich Privatisierungen<br />
und großen öffentlichen Vergaben.<br />
Ein weiterer Aspekt der Konzernisierung<br />
im Apothekenbereich sind die international<br />
tätigen Online-Apotheken. Hier ist<br />
ein regelrechter Boom zu beobachten.<br />
Beflügelt wird diese Entwicklung durch<br />
Finanzanalysten, die Aktienpakete der<br />
Online Apotheken aufgrund der guten<br />
Marktaussichten durchwegs auf „buy“<br />
einstufen. Zwei Unternehmen sind in<br />
diesem Segment auf dem europäischen<br />
Markt führend: Die niederländische<br />
Shop-Apotheke-Europe und die schweizerische<br />
Zur-Rose-Group (größte Versandapotheke<br />
Europas).<br />
Spiel mit Risiko<br />
Wenn sich private Investorinnen und<br />
Investoren in bestehende Systeme einkaufen,<br />
hat das eine Auswirkung auf<br />
viele Bereiche. Für Patientinnen und<br />
Patienten können die Kosten steigen<br />
oder auch der Zugang zur Versorgung<br />
Noch deutlicher als in der Labor- oder teilweise auch Zahnmedizin ist die Konzernisierung in der<br />
Veterinärmedizin zu beobachten.<br />
Ganz zentral<br />
wäre<br />
eine strenge<br />
kartell- und<br />
fusionsrechtliche<br />
Kontrolle,<br />
viel stärker<br />
als noch in<br />
der Wirtschaft,<br />
damit<br />
man die<br />
Marktbeherrschung<br />
und Monopolisierung<br />
zu Lasten<br />
der Patientinnen<br />
und<br />
Patienten<br />
verhindert.<br />
komplett verwehrt bleiben. Auch kann<br />
sich das Gleichgewicht der Gesundheitsversorgung<br />
in einer Gemeinde<br />
verschieben. Wenn ein Unternehmen<br />
beispielsweise ein Gesundheitssystem<br />
konsolidiert, kann dies die Schließung<br />
von Krankenhäusern oder Arztpraxen<br />
bedeuten. Das Personal des Gesundheitssystems<br />
ist ebenso betroffen.<br />
Aufgaben können sich ändern, Arbeitsplätze<br />
abgebaut werden oder Beförderungen<br />
ins Haus stehen.<br />
Da Private-Equity-Firmen darauf abzielen,<br />
Gesundheitssysteme wettbewerbsfähiger<br />
zu machen, kann dies dazu<br />
führen, dass andere Gesundheitsdienstleister<br />
Patientinnen, Patienten und Einnahmen<br />
verlieren. Schließlich können<br />
auch Anlegerinnen und Anleger negativ<br />
betroffen sein. Wenn das Geschäft<br />
scheitert, verlieren sie Geld.<br />
Reglementierung erforderlich<br />
Vertreterinnen und Vertreter der Ärzteschaft<br />
sind klar <strong>für</strong> mehr Reglementierung.<br />
Doch obwohl das Thema ein globales<br />
ist, gibt es kaum wirksame Mittel,<br />
um genau dies zu tun. Die Gründe da<strong>für</strong><br />
sind zahlreich. Aus einem US-Bericht<br />
geht etwa hervor, dass die meisten Private-Equity-Akquisitionen<br />
im Gesundheitswesen<br />
nach geltendem Recht den<br />
Kartell- oder Finanzaufsichtsbehörden<br />
nicht meldepflichtig sind. Und selbst<br />
in den Fällen, in denen Transaktionen<br />
meldepflichtig sind, verschleiert die<br />
komplexe Struktur von Private-Equity-<br />
Fonds die Wettbewerbsauswirkungen<br />
dieser Geschäfte. Dies hat zur Folge,<br />
dass Private-Equity-Unternehmen im<br />
Gesundheitswesen ohne wirksame Aufsicht<br />
tätig sind.<br />
Ideen <strong>für</strong> Maßnahmen<br />
Ideen <strong>für</strong> Maßnahmen, den Zustrom<br />
von branchenfremden Investorinnen<br />
und Investoren zu regulieren, gibt es<br />
viele. Darunter etwa die gesetzlichen<br />
Vorgaben in Bezug auf die Bildung von<br />
Einrichtungen, die Medizinischen Versorgungszentren<br />
in Deutschland vergleichbar<br />
wären, sodass die Mehrheit<br />
der Gesellschaftsanteile und Stimmrechte<br />
der Trägergesellschaft in den<br />
Händen von Ärztinnen und Ärzten<br />
bleibt und derartige Einrichtungen<br />
auch von diesen geführt werden müssen.<br />
Ein Ausschreibungsverfahren, <strong>für</strong><br />
das Medizinerinnen und Mediziner mit<br />
Ordinationen vorrangig berücksichtigt<br />
werden, ist ebenfalls ein Muss. Ganz<br />
zentral wäre eine strenge kartell- und<br />
fusionsrechtliche Kontrolle, viel stärker<br />
als noch in der Wirtschaft, damit man<br />
die Marktbeherrschung und Monopolisierung<br />
zu Lasten der Patientinnen und<br />
Patienten verhindert. Wichtig ist auch<br />
die Transparenz etwa durch ein entsprechendes<br />
Register und eine Kennzeichnungspflicht.<br />
Fest steht: Ökonomisches Handeln hat<br />
im Gesundheitswesen zwar auch durchaus<br />
seine Berechtigung, aber die Ökonomie<br />
muss den Zielen der Medizin und<br />
der Versorgung der Patientinnen und<br />
Patienten untergeordnet werden, und<br />
nicht umgekehrt. Einer der wichtigsten<br />
Werte in der Beziehung zwischen Ärztinnen<br />
und Ärzten zu ihren Patientinnen<br />
und Patienten, nämlich das Vertrauen<br />
in das korrekte ärztliche Handeln, steht<br />
sonst womöglich auf der Kippe, wenn<br />
Ärztinnen und Ärzte das nicht selbst<br />
steuern können, wie in der Ordination,<br />
sondern fremdbestimmt sind. <br />
22 <strong>Ärzt*in</strong> <strong>für</strong> <strong>Wien</strong> 01_<strong>2023</strong>