Ärzt*in für Wien 2023/1
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SERVICE CHRONIK<br />
Peritonealdialyse: “Researcher of the Month” gekürt<br />
Im Dezember 2022 wurde Rebecca Herzog<br />
anlässlich ihrer im Journal Science Translational<br />
Medicine erschienenen Arbeit „Lithium<br />
preserves peritoneal membrane integrity by<br />
suppressing mesothelial cell αB-crystallin“ als<br />
„Wissenschafterin des Monats“ der MedUni<br />
<strong>Wien</strong> ausgezeichnet.<br />
Neue Lösungen in der Nierenersatztherapie<br />
mit Peritonealdialyse sollen<br />
Entzündungen und Gefäßschäden<br />
verhindern.<br />
Die Zahl der Patientinnen und Patienten mit<br />
chronischer Nierenerkrankung oder Verlust<br />
der Nierenfunktion steigt weltweit und damit<br />
auch die Zahl der Menschen, die eine Nierenersatztherapie<br />
benötigen. Der Verlust der<br />
Nierenfunktion betrifft ungefähr 3 Millionen<br />
Menschen, vom Säugling bis zu geriatrischen<br />
Patientinnen und Patienten. Die steigenden<br />
Zahlen (5 bis 8 Prozent pro Jahr) sind zum Teil<br />
auf das zunehmende Vorkommen von Bluthochdruck,<br />
Diabetes und Alterung zurückzuführen.<br />
Eine der wichtigsten Aufgaben der Nieren ist es,<br />
Stoffwechselprodukte aus dem Blut zu filtern.<br />
Sind die Nieren dazu nicht mehr in der Lage,<br />
muss das Blut mittels Dialyse (Blutwäsche)<br />
künstlich gereinigt und entwässert werden. Ein<br />
Teil der Patientinnen und Patienten setzt die<br />
flexible Methode der Peritonealdialyse (PD,<br />
Rebecca Herzog<br />
Bauchfelldialyse) ein, bei der die Membran des<br />
Bauchfells als Filter verwendet wird. Vorteil<br />
gegenüber der klassischen Hämodialyse ist<br />
die Möglichkeit, diese selbstständig zu Hause<br />
durchzuführen, was die Lebensqualität erhöht.<br />
Zusätzlich kann durch diese gefäßschonende<br />
Form der Entfernung von überschüssigem<br />
Wasser und gelösten harnpflichtigen Stoffen<br />
eine noch vorhandene Restfunktion der Nieren<br />
oft besser erhalten werden. Allerdings sind die<br />
in der Bauchfelldialyse eingesetzten PD-Flüssigkeiten<br />
immer noch der Schwachpunkt der<br />
Therapie. Sie können Fibrose, Gefäßschäden<br />
und Entzündungen auslösen.<br />
Innovative Lösungen sollen helfen, das Peritoneum<br />
(Bauchfell) möglichst lange zu erhalten,<br />
um den Patientinnen und Patienten ein weitestgehend<br />
normales Leben beziehungsweise Wartezeit<br />
auf eine Transplantation zu ermöglichen.<br />
Das Konzept der Zytoprotektion durch Zusätze<br />
zu PD-Lösungen entstammt der Forschung an<br />
der Universitätsklinik <strong>für</strong> Kinder- und Jugendheilkunde<br />
der MedUni <strong>Wien</strong>. Diese Strategie<br />
der Wiederverwendung von Arzneimitteln als<br />
Zusatzstoffe bietet zusätzlich eine beschleunigte<br />
und kostengünstige klinische Prüfung und<br />
Anwendung. In der aktuellen Studie konnte<br />
gezeigt werden, dass Lithiumchlorid (LiCl) das<br />
Überleben der Mesothel- und Endothelzellen<br />
bei ansonsten schädlicher Exposition mit PD-<br />
Flüssigkeiten verbessert.<br />
Mittels Omics-Technologien wurde in peritonealen<br />
Mesothelzellen von Patientinnen<br />
und Patienten das Protein αB-Crystallin als<br />
Schlüsselfaktor identifiziert. Dieses Protein<br />
war in allen Experimenten durch Stimulation<br />
mit PD-Flüssigkeit hochreguliert und förderte<br />
die Veränderung von Epithelzellen zu mesenchymalen<br />
Zellen, ein typischer Prozess in der<br />
Fibrose-Entwicklung. Durch die Zugabe von<br />
Lithiumchlorid wurde αB-Crystallin verringert,<br />
die Verdickung des Bauchfells reduziert und die<br />
Expression von Fibrosemarkern in den Mesothelzellen<br />
verringert. Die therapeutische Zugabe<br />
von Lithiumchlorid zu PD-Flüssigkeiten könnte<br />
somit eine vielversprechende Möglichkeit darstellen,<br />
diese Option der Nierenersatztherapie<br />
<strong>für</strong> die Patientinnen und Patienten länger zu<br />
erhalten. <br />
Psychoaktive Substanzen: Mehr als ein Zehntel besonders bedenklich<br />
Von 1.336 vermeintlich psychoaktiven<br />
Substanzen, die im Jahr 2021 bei<br />
Checkit! – der Info- und Beratungsstelle<br />
der Suchthilfe <strong>Wien</strong> – abgegeben<br />
und analysiert wurden, enthielten<br />
zu 59 Prozent ausschließlich den<br />
erwarteten psychoaktiven Wirkstoff.<br />
In 27 Prozent der Fälle fanden sich<br />
neben dem erwartbaren Wirkstoff<br />
ein unerwarteter oder ausschließlich<br />
unerwartete. In 14 Prozent der analysierten<br />
Proben musste eine Warnung<br />
ausgegeben werden. „Dabei kann es<br />
sich um eine gesundheitlich besonders<br />
bedenkliche Zusammensetzung<br />
oder um einen extrem hohen Wirkstoffgehalt<br />
handeln“, erläutert Bettina Hölblinger, Leiterin<br />
von Checkit!, die Zahlen des Jahresberichts<br />
zum Thema Drug Checking von Checkit!.<br />
Erstmals seit 2010 ist die Zahl der unerwarteten<br />
„neuen psychoaktiven Substanzen“ 2021<br />
im Vergleich zum Vorjahr wieder gestiegen.<br />
„Dies liegt in erster Linie an in Cannabis<br />
nachgewiesenen synthetischen Cannabinioden,<br />
die seit Ende 2020 vermehrt nachgewiesen<br />
wurden“, so Hölblinger. „Bisher sind<br />
kaum aussagekräftige Informationen zu Wir<br />
Die Substanzen<br />
kung, Dosierung, negativen<br />
können bei Events, Effekten und möglichen<br />
beim stationären Drug Langzeitfolgen von neuen<br />
Checking in der Checkit! Psychoaktiven Substanzen<br />
Homebase oder bei kooperierenden<br />
Apotheken zur<br />
verfügbar. Daher rät Checkit!<br />
hier zu besonderer<br />
Analyse abgegeben<br />
werden.<br />
Vorsicht.“<br />
Checkit!, die Info- und<br />
Beratungsstelle zum Thema<br />
Freizeitdrogen, deren Wirkungen,<br />
Nebenwirkungen und Risiken, ist<br />
eine Einrichtung der Suchthilfe <strong>Wien</strong><br />
GmbH und betreibt in Zusammenarbeit<br />
mit dem Klinischen Institut <strong>für</strong><br />
Labormedizin der Medizinische Universität<br />
<strong>Wien</strong> ein Projekt zur Erforschung aktueller<br />
Konsumtrends und Veränderungen am<br />
Markt. Im Rahmen dieser Kooperation bietet<br />
Checkit! den Konsumierenden von so genannten<br />
Freizeitdrogen die Möglichkeit, psychoaktive<br />
Substanzen analysieren zu lassen. <br />
Fotos: MedUni <strong>Wien</strong>; Makhbubakhon Ismatova/GettyImages<br />
32 <strong>Ärzt*in</strong> <strong>für</strong> <strong>Wien</strong> 01_<strong>2023</strong>