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Landkreis Ludwigsburg Heimat - Verbunden

Welche Rolle spielt Heimat in einer immer mobileren und globalisierten Welt? Das Buch „Landkreis Ludwigsbug – Heimat – Verbunden“ gibt mit den Beiträgen namhafter Persönlichkeiten Antworten darauf. Für die einen ist es der Ort ihrer Geburt, für die anderen eine prägende Station in ihrem Leben und für die nächsten der Ort ihres beruflichen Erfolges. Und auch in den zahlreichen Unternehmensgeschichten wird die Verbundenheit zur Region deutlich.

Welche Rolle spielt Heimat in einer immer mobileren und globalisierten Welt? Das Buch „Landkreis Ludwigsbug – Heimat – Verbunden“ gibt mit den Beiträgen namhafter Persönlichkeiten Antworten darauf. Für die einen ist es der Ort ihrer Geburt, für die anderen eine prägende Station in ihrem Leben und für die nächsten der Ort ihres beruflichen Erfolges. Und auch in den zahlreichen Unternehmensgeschichten wird die Verbundenheit zur Region deutlich.

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LANDKREIS LUDWIGSBURG – HEIMAT – VERBUNDEN<br />

LANDKREIS LUDWIGSBURG – HEIMAT – VERBUNDEN<br />

JOCHEN SANDIG<br />

Von der <strong>Heimat</strong>verbundenheit<br />

zur Earth4all-Initiative<br />

„WAS VERBINDET MICH MIT MEINER HEIMAT?“ IST SO GROSS WIE<br />

DIE FRAGE „WAS IST HEIMAT, WAS BEDEUTET VERBUNDENHEIT?“<br />

JOCHEN SANDIG<br />

geb. 1968 in Esslingen • 1990 Studium<br />

Psychologie und Philosophie in Berlin;<br />

Gründung Kunsthaus Tacheles, Berlin •<br />

1993 Mitgründer Sasha Waltz & Guests,<br />

Berlin • 1996-1999 Gründer und Leiter<br />

der „Sophiensæle“, Berlin • 2000 - 2005<br />

Mitglied der Künstlerischen Leitung<br />

Schaubühne Berlin • 2006 Co-Gründer<br />

„Radialsystem“ Space for Arts & Ideas,<br />

Berlin • 2010 Ernennung zum „Chevalier<br />

dans l’Ordre des Arts et des Lettres“ •<br />

2012 Regie „Human Requiem“; nationale<br />

und intern. Gastspiele • 2016 Auszeichnung<br />

„Classical Next Innovation Award“<br />

für „Human Requiem“ • 2017<br />

Mitbegründer „World Human Forum“,<br />

Delphi • Seit 2020 Intendant <strong>Ludwigsburg</strong>er<br />

Schlossfestspiele – Intern. Festspiele<br />

Baden-Württemberg. Weiterentwicklung<br />

zum „Fest der Künste, Demokratie und<br />

Nachhaltigkeit“<br />

<strong>Heimat</strong> empfinde ich als Begriff wesentlich<br />

stärker als die neutrale Herkunft. Herkunft<br />

klingt nach Ankunft und beschreibt<br />

im Wesentlichen den Ort unserer Geburt.<br />

<strong>Heimat</strong> ist ein poetischer Begriff, der ein Vielfaches an<br />

Assoziationen hervorrufen kann. Daher sprechen wir ja<br />

auch gerne von Wahlheimat, wenn wir einen Ort finden,<br />

an dem wir uns wohl- und heimisch fühlen und an<br />

dem wir neue Wurzeln schlagen können.<br />

Als ich am 5. Januar 1968 in Esslingen am Neckar geboren<br />

wurde, war kaum absehbar, wo ich wohl einmal<br />

meine <strong>Heimat</strong> finden würde. <strong>Heimat</strong>gefühle im klassischen<br />

Sinne entwickelt ein junger Mensch ja vor allem<br />

in seinem allernächsten Umfeld, natürlich zunächst<br />

im Elternhaus, in dem ich in meinem Fall glücklicherweise<br />

sehr viel Liebe empfangen durfte. Meine Eltern<br />

stammen beide nicht aus Baden-Württemberg, sind<br />

aber genau hier am Neckar heimisch geworden. Meine<br />

Mutter zog mit ihrer Familie – ihrer österreichischen<br />

Mutter und ihrem schwäbischen Vater sowie ihren Geschwistern<br />

– Mitte der Fünfzigerjahre von Österreich<br />

nach Plattenhardt auf den Fildern, wo sie in jungen<br />

Jahren meinen Vater, der aus Meißen in Sachsen kam,<br />

kennenlernte. Mit meinen beiden Geschwistern erlebten<br />

wir eine sehr schöne Kindheit in Esslingen, und ich<br />

fühlte mich in meiner Familie sehr geborgen. Die Familien<br />

meiner Eltern lebten in beiden Teilen Deutschlands,<br />

und wir besuchten auch die väterliche Verwandtschaft<br />

in der DDR sehr regelmäßig. Ich spürte dabei<br />

besonders die <strong>Heimat</strong>verbundenheit meines Vaters als<br />

ein starkes Gefühl. Ich gestehe, dass mir solch starke<br />

persönliche <strong>Heimat</strong>gefühle eher fremd sind, aber ich<br />

denke gerne zurück an die zahlreichen Ausflüge auf die<br />

Schwäbische Alb oder in den Schwarzwald. Wenn ich<br />

an <strong>Ludwigsburg</strong> denke, so gibt es in meiner Erinnerung<br />

eine starke Verbindung zum Blühenden Barock und<br />

dem Märchengarten, der mich immer wieder verzauberte<br />

– vor allem die Herzogsschaukel faszinierte mich<br />

sehr, weil dort die Dinge buchstäblich auf den Kopf gestellt<br />

wurden, das gefiel mir. Vor kurzem entdeckte ich<br />

ein vergilbtes Foto aus den Siebzigerjahren von einem<br />

Ausflug unserer Grundschulklasse nach <strong>Ludwigsburg</strong>,<br />

das vor dem Brunnen im Hof des Residenzschlosses<br />

entstanden ist. Zu dem Zeitpunkt hätte ich es mir nicht<br />

träumen lassen, dass ich selbst einmal als Intendant der<br />

<strong>Ludwigsburg</strong>er Schlossfestspiele in diese wunderbare<br />

Stadt zurückkehren würde.<br />

<strong>Heimat</strong>, das sind die Menschen, das ist die Natur und<br />

auch die Natur des Menschen, die in Städten wahrscheinlich<br />

mehr ihren Ausdruck findet als auf dem<br />

Lande. Bereits in meiner frühen Jugend haben vor allem<br />

urbane Strukturen eine große Anziehungskraft auf<br />

mich ausgeübt. Ich bereiste zunächst vor allem viele<br />

Städte der unmittelbaren Nachbarländer Dänemark,<br />

Polen, Tschechien, Österreich, Schweiz, Frankreich,<br />

Luxemburg, Belgien und den Niederlanden. Auch<br />

Griechenland, Italien, Spanien und Portugal faszinierten<br />

mich sehr. Athen, London, Rom und Paris waren<br />

die ersten europäischen Metropolen, die mich begeisterten.<br />

Und vor allem Berlin hat mich noch als geteilte<br />

Stadt schon sehr früh inspiriert, und umso mehr seit<br />

dem Fall der Mauer fühle ich mich dieser Stadt sehr<br />

verbunden. Hier habe ich auch Anfang der Neunzigerjahre<br />

Sasha Waltz aus Karlsruhe kennengelernt und mit<br />

ihr eine Familie und eine Company gegründet. Baden-<br />

Württemberg verkörpert sich in unserer Beziehung in<br />

einer aktiven <strong>Verbunden</strong>heit. Da wären wir wieder bei<br />

dem schönen Begriff der <strong>Verbunden</strong>heit, in dem auch<br />

der Bund steckt und eine starke Bindung zum Ausdruck<br />

kommt.<br />

Früh lernte ich die französische Sprache kennen und<br />

lieben und reiste mit dem Theodor-Heuss-Gymnasium<br />

Esslingen, wo ich mein Abitur machte, nach Frankreich<br />

in die Partnerstadt Vienne bei Lyon, später dann auch<br />

nach Besançon in die Nachbarstadt von Montbéliard,<br />

der französischen Partnerstadt von <strong>Ludwigsburg</strong>. Mit<br />

meiner damaligen Band gastierte ich dann auch in der<br />

italienischen Partnerstadt Udine und in der belarussischen<br />

Partnerstadt Molodetschno bei Minsk.<br />

Die Idee der Partnerstädte führt mich zum Wesentlichen<br />

des Themas <strong>Heimat</strong>. Ich habe durch diese zahlreichen<br />

Begegnungen in unterschiedlichen kulturellen<br />

Kontexten die <strong>Heimat</strong> als ein Phänomen erlebt, das<br />

nicht an einen spezifischen Ort gebunden ist.<br />

Vieles hat sich für mich verändert, seitdem ich vor<br />

einigen Jahren das World Human Forum in Delphi<br />

mitgegründet habe und seitdem ich als Intendant die<br />

„Internationalen Festspiele Baden-Württemberg“ in<br />

ein „Fest der Künste, Demokratie und Nachhaltigkeit“<br />

transformieren darf.<br />

„Wenn ich heute nach meiner <strong>Heimat</strong> gefragt<br />

werde, nenne ich tatsächlich an allererster Stelle<br />

den Planeten Erde, denn das ist unser aller kostbare<br />

<strong>Heimat</strong>, und erhalten können wir sie nur als<br />

Weltgemeinschaft.“<br />

Wenn ich heute nach meiner <strong>Heimat</strong> gefragt werde,<br />

nenne ich tatsächlich an allererster Stelle den Planeten<br />

Erde, denn das ist unser aller kostbare <strong>Heimat</strong>, und<br />

erhalten können wir sie nur als Weltgemeinschaft. Ich<br />

fühle mich in diesem Sinne als ein Weltbürger und in<br />

dieser Hinsicht auch unserem heimischen Dichter und<br />

Denker Friedrich Schiller sehr verbunden. Mein Credo:<br />

Alle Menschen werden nicht nur Brüder, wir sind<br />

längst Schwestern und Brüder einer großen Menschheitsfamilie!<br />

Leben und handeln wir endlich danach,<br />

ganz im Sinne der sehr aktuellen Initiative „Earthforall“<br />

www.earth4all.life, die fünf sehr radikale Kehrtwenden<br />

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