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Irene Dingel: Die Reformation in Gestaltungen und Wirkungen (Leseprobe)

Die von der Reformation ausgehenden Impulse veränderten nicht nur Kirche und Frömmigkeit, sondern auch die Strukturen der Gesellschaft sowie die rechtlichen und politischen Dimensionen der damaligen Lebenswelt. Die hier versammelten Beiträge, die zum überwiegenden Teil aus den Themenjahren der Reformationsdekade hervorgegangen sind, veranschaulichen das gestaltende und nachhaltig wirkende Potenzial der Reformation. Sie spannen einen weiten Bogen vom 16. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts und eröffnen Perspektiven auf die frühe Verbreitung reformatorischer Inhalte, auf Formen von Frömmigkeit und katechetischer Unterweisung sowie auf rechtliche Neuordnung in politisch motivierten Religionsfriedensregelungen einerseits und kirchlich ausgerichteter Union andererseits.

Die von der Reformation ausgehenden Impulse veränderten nicht nur Kirche und Frömmigkeit, sondern auch die Strukturen der Gesellschaft sowie die rechtlichen und politischen Dimensionen der damaligen Lebenswelt. Die hier versammelten Beiträge, die zum überwiegenden Teil aus den Themenjahren der Reformationsdekade hervorgegangen sind, veranschaulichen das gestaltende und nachhaltig wirkende Potenzial der Reformation. Sie spannen einen weiten Bogen vom 16. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts und eröffnen Perspektiven auf die frühe Verbreitung reformatorischer Inhalte, auf Formen von Frömmigkeit und katechetischer Unterweisung sowie auf rechtliche Neuordnung in politisch motivierten Religionsfriedensregelungen einerseits und kirchlich ausgerichteter Union andererseits.

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Vorwort <strong>und</strong> E<strong>in</strong>leitung 13<br />

chismus (1563) für die reformierten Kirchen herausragend. Der Beitrag Den<br />

Glauben <strong>in</strong>s Leben ziehen charakterisiert den Heidelberger Katechismus als<br />

theologischen Ratgeber <strong>in</strong> persönlichen Krisensituationen, als Handbuch des<br />

Glaubens, Lehrbuch für Schule <strong>und</strong> Universität sowie bekenntnisorientierte<br />

Norm. E<strong>in</strong>e auf das Individuum zielende Didaktik, theologische Klarheit <strong>und</strong> die<br />

Def<strong>in</strong>ition des eigenen reformiert-konfessionellen Standorts zeichnen ihn aus.<br />

E<strong>in</strong>e aus den historischen Kontexten heraus abgeleitete Lesart des Heidelberger<br />

Katechismus zeigt sowohl se<strong>in</strong>e Zeitgeb<strong>und</strong>enheit als auch se<strong>in</strong>e zeitunabhängige<br />

Bedeutung.– Mit der kont<strong>in</strong>uierlichen Verbreitung der kirchenrechtlich als<br />

Häresie e<strong>in</strong>gestuften <strong>Reformation</strong>, die zudem <strong>in</strong> politische Strukturen h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>wirkte<br />

<strong>und</strong> auch zu politischen Zwecken <strong>in</strong>strumentalisiert werden konnte,<br />

entzündete sich e<strong>in</strong> <strong>in</strong>tensives R<strong>in</strong>gen um das Recht auf ungeh<strong>in</strong>derte Religionsausübung,<br />

das nicht selten unter Waffen ausgetragen wurde. Zahlreiche<br />

militärische Konfrontationen <strong>und</strong> Religionskriege mündeten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Vielfalt<br />

unterschiedlicher Religionsfriedensregelungen, die <strong>in</strong> Europa richtungweisend<br />

für die langfristige Etablierung von Religionsfreiheit <strong>und</strong> Toleranz wurden. Religionsfrieden<br />

entwickelten sich zu e<strong>in</strong>em wesentlichen Bauste<strong>in</strong> für die Konstituierung<br />

des modernen europäischen Staatswesens. Der e<strong>in</strong> Friedenszitat<br />

voranstellende Beitrag »… das Recht haben, bei Religion, Glauben, Kirchengebräuchen<br />

<strong>in</strong> Frieden zu bleiben« zeigt an vier Beispielen welch unterschiedliche<br />

Koexistenzmodelle <strong>in</strong> Religionsfriedensregelungen entwickelt wurden. <strong>Die</strong>jenigen,<br />

die nach der damaligen Häretikergesetzgebung eigentlich hätten verfolgt<br />

werden müssen, erhielten beschränkte Duldung.– <strong>Die</strong>se Konstellationen änderten<br />

sich erst Ende des 18./Anfang des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts, als mit der Erklärung der<br />

Menschenrechte die Frage nach dem religiösen Ort der Wahrheit endgültig <strong>in</strong> die<br />

<strong>in</strong>dividuelle Entscheidungverwiesen wurde. Weiter aber g<strong>in</strong>g das R<strong>in</strong>gen um die<br />

E<strong>in</strong>heit der Kirche <strong>und</strong> das Bemühen um die Überw<strong>in</strong>dung von theologischen<br />

Spaltungen <strong>und</strong> Konfessionsgrenzen. <strong>Die</strong> für das 17./18. Jahrh<strong>und</strong>ert charakteristischeIrenik<br />

<strong>und</strong> die im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert vollzogenen Kirchenunionen s<strong>in</strong>d Teil<br />

davon. Sie werden <strong>in</strong> ihrem theologischen Anliegen <strong>und</strong> ihrer gesellschaftlichen<br />

Tragweite aber nur dann recht verständlich, wenn man die politischen Kontexte<br />

mit betrachtet, die das Streben nach konfessionellem Frieden <strong>und</strong> Wiederherstellung<br />

der E<strong>in</strong>heit beförderten. <strong>Die</strong>sen Zusammenhang versucht der Beitrag<br />

»immerfort auf der Bahn wohlgeprüfter Wahrheit <strong>und</strong> echt religiöser Aufklärung« –<br />

Vonder pfälzischen Irenikzur Union aufzuzeigen. – Mit ihm endet der knappe, an<br />

e<strong>in</strong>zelnen, exemplarischen Studien durchgeführte Gang durch die <strong>Reformation</strong>sgeschichte<br />

<strong>in</strong> ihren vielfältigen <strong>Gestaltungen</strong> <strong>und</strong> ebenso vielfältigen, langfristigen<br />

<strong>Wirkungen</strong>. Sie sollen e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>druck davon vermitteln, wie dynamisch<br />

sich die Verlaufsformen theologischer Entwicklung <strong>in</strong> der Frühen Neuzeit gestalteten<br />

<strong>und</strong> wie sehr sich die durch die <strong>Reformation</strong> <strong>in</strong> Gang gesetzten<br />

Transformationen von Kirche <strong>und</strong> Frömmigkeit, Politik <strong>und</strong> Gesellschaft e<strong>in</strong>er<br />

vere<strong>in</strong>heitlichenden Bewertung entziehen.

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