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Neurologie

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EINE UNABHÄNGIGE KAMPAGNE VON MEDIAPLANET<br />

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NEUROLOGIE<br />

Für mehr Lebensqualität<br />

von Betroffenen und<br />

Angehörigen<br />

NICHT<br />

VERPASSEN:<br />

Multiple Sklerose<br />

Sportmoderatorin<br />

Anna Kraft im Interview<br />

Seite 07<br />

Migräne<br />

Neues aus der Akuttherapie<br />

und Prophylaxe<br />

Seite 08–09<br />

Schlaganfall<br />

Risikofaktor<br />

Vorhofflimmern<br />

Seite 10<br />

Mit Parkinson<br />

mitten im Leben<br />

Arne Peters ist einer von 400.000 Betroffenen in Deutschland. Im Interview<br />

erzählt er uns, wie er durch die Erkrankung zum Schreiben gekommen ist<br />

und warum für ihn eine gesunde Portion Humor wichtig ist.<br />

Frühzeitig<br />

an die subkutane Parkinson-Therapie denken!<br />

Experten-Interview: Lesen Sie mehr auf Seite 5.<br />

D-mine ® Pen und Pumpe<br />

Beratung & Hilfe: www.d-minecare.de


2<br />

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VERANTWORTLICH FÜR DEN<br />

INHALT IN DIESER AUSGABE<br />

Carolin Babel<br />

Wichtig bei einer<br />

neurologischen<br />

Erkrankung ist,<br />

dass sich die<br />

ganze Familie der<br />

Erkrankung stellt.<br />

VERANSTALTUNGSTIPP<br />

Was hält unser Gehirn und<br />

Nervensystem gesund?<br />

Das Gehirn ist nicht nur die Schnittstelle zwischen Körper, Geist<br />

und Seele, es stellt auch die Verbindung zu anderen Menschen her<br />

und verschafft uns Zugang zu der Welt außerhalb von uns.<br />

Vom 25. bis 27. April werden auf dem<br />

Nürnberger Messegelände rund<br />

550 Aussteller mit neuesten Entwicklungen,<br />

Trends, Dienstleistungen<br />

und Produkten für die stationäre und<br />

ambulante Pflegebranche erwartet.<br />

Das diesjährige Motto: „Die Pflege<br />

gestalten. WIR. GEMEINSAM.“<br />

Die ALTENPFLEGE ist für Deutschland<br />

und seine Anrainerstaaten die führende<br />

Veranstaltung der Branche und umfasst<br />

die Themen Pflege & Therapie, Beruf &<br />

Bildung, IT & Management, Ernährung &<br />

Hauswirtschaft, Textil & Hygiene sowie<br />

Raum & Technik.<br />

altenpflege-messe.de<br />

Senior Project Manager: Carolin Babel Geschäftsführung:<br />

Richard Båge (CEO), Philipp Colaço (Managing Director),<br />

Alexandra Lassas (Head of Editorial & Production),<br />

Henriette Schröder (Sales Director) Designer: Ute<br />

Knuppe Mediaplanet-Kontakt: redaktion.de@<br />

mediaplanet.com Coverbild: adike/Shutterstock<br />

Alle mit gekennzeichneten Artikel sind keine<br />

neutrale Redaktion vom Mediaplanet Verlag.<br />

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige<br />

Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich<br />

und divers (m/w/d) verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen<br />

gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.<br />

facebook.com/MediaplanetStories<br />

@Mediaplanet_germany<br />

Please recycle<br />

Dr. Uwe Meier<br />

1. Vorsitzender<br />

Berufsverband<br />

Deutscher Neurologen<br />

(BDN)<br />

Jeder Mensch hat nur ein Gehirn<br />

und jedes Gehirn ist einzigartig.<br />

Erkrankungen des Gehirns treffen<br />

uns daher immer auch im<br />

Wesenskern. Wir sollten also gut auf<br />

unser Gehirn und unser Nervensystem<br />

aufpassen.<br />

Präventiv können wir einiges tun: eine<br />

gesunde, pflanzen- und ballaststoffreiche<br />

Ernährung, wenig Fertiggerichte<br />

und Industriezucker sowie viel Bewegung.<br />

Auch soziale Kontakte sind wichtig<br />

und Strategien, wie wir mit Stressbelastungen<br />

umgehen. Das klingt so banal<br />

wie einfach. Es ist aber enorm schwer,<br />

weil wir teilweise Gewohnheiten ändern<br />

müssen. Und das mag das Gehirn eigentlich<br />

gar nicht, weil es Energie kostet und<br />

anstrengend ist. Das Gehirn wiegt zwar<br />

nur zwei Prozent des Körpergewichts –<br />

ohne Bauchfett selbstverständlich. Das<br />

Gehirn verbraucht aber bereits so schon<br />

20 Prozent der Energie des Organismus,<br />

in Spitzenzeiten noch viel mehr. Verständlich,<br />

dass das Gehirn bei weiteren<br />

Anforderungen schon mal meckert.<br />

Aber es lohnt sich: Das Gehirn bleibt<br />

biologisch messbar im wahrsten Sinne<br />

des Wortes jünger. Nervenzellen nehmen<br />

mehr Verbindungen untereinander auf,<br />

das Gehirn ist anpassungsfähiger und<br />

flexibler. Also: nicht nur in die Muckibude,<br />

sondern auch neugierig bleiben,<br />

neue Sachen lernen wollen und interessiert<br />

sein.<br />

Das hilft nicht nur, biologisch jung zu<br />

bleiben, es schützt uns auch vor neuro-<br />

Präventiv können<br />

wir einiges tun: eine<br />

gesunde, pflanzenund<br />

ballaststoffreiche<br />

Ernährung, wenig<br />

Fertiggerichte und<br />

Industriezucker<br />

sowie viel Bewegung.<br />

logischen Krankheiten. So haben wir mit<br />

einem gesunden Lebensstil ein bis zu<br />

zwei Drittel geringeres Schlaganfallrisiko.<br />

Immer mehr Studien zeigen eindrucksvoll,<br />

dass wir damit auch dem<br />

Krankheitsrisiko von Demenzen vorbeugen<br />

können. Und bei entzündlichen<br />

Erkrankungen wie Multipler Sklerose<br />

verbessert sich die Prognose deutlich.<br />

Auch wenn wir für immer mehr neurologische<br />

Erkrankungen heutzutage hochwirksame<br />

Therapien zur Verfügung<br />

haben, ist es daher wichtig, dass wir auch<br />

selbst aktiv sind und mit einem gesunden<br />

Lebensstil unser Gehirn schützen.<br />

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Forschung<br />

UNSER BEITRAG<br />

ZUR VERBESSERUNG<br />

DER GESUNDHEIT.<br />

Service<br />

Entwicklung<br />

Innovationen<br />

Zambon – Partner in der<br />

Parkinson-Therapie.<br />

Zambon GmbH | Lietzenburger Str. 99 | 10707 Berlin<br />

www.zambon.de


Lesen Sie mehr auf gesunder-koerper.info 3<br />

Solche Kliniken kannte ich<br />

durch meinen Beruf, aber mit<br />

einer Ka mera zwischen mir<br />

und dem Geschehen. Jetzt<br />

gab es keine Kamera, kein<br />

Drehbuch und keinen<br />

Drehschluss; man denkt sich<br />

dann: „Hier gehöre ich doch<br />

eigentlich gar nicht hin.“<br />

AM 11. APRIL<br />

IST WELT-<br />

PARKINSON-TAG!<br />

Das Datum geht auf den Geburtstag<br />

von James Parkinson zurück,<br />

der 1817 erstmals die Krankheit<br />

beschrieb. Aber nicht nur an<br />

diesem Tag, sondern das ganze<br />

Jahr stehen zahlreiche Verbände<br />

beratend zur Seite. Unterstützung<br />

und Austausch finden Betroffene<br />

und Angehörige unter anderem bei<br />

diesen Verbänden:<br />

Hilde-Ulrichs-Stiftung<br />

Mit Parkinson<br />

mitten im Leben<br />

Der Kameramann Arne Peters war erst 44 Jahre alt und stand mitten im Leben, als er die Diagnose<br />

Parkinson erhielt. Seine Erlebnisse mit der Erkrankung hat er in mittlerweile vier Büchern verarbeitet,<br />

die mit viel Charme und einem Augenzwinkern vom Alltag mit Parkinson erzählen. Text Miriam Rauh<br />

FOTOS: PRIVAT<br />

Die Hilde-Ulrichs-Stiftung für<br />

Parkinsonforschung (HUS) mit Sitz<br />

in Frankfurt am Main ist die erste<br />

private Stiftung in Deutschland,<br />

die die Erforschung nicht-medikamentöser<br />

Behandlungsmethoden<br />

sowie die Anpassung von Sportund<br />

Bewegungstherapien an die<br />

Erfordernisse der Erkrankung fördert.<br />

Die an Parkinson erkrankten<br />

Menschen sollen ermutigt werden,<br />

möglichst lange beweglich zu<br />

bleiben und ein selbstbestimmtes<br />

Leben zu führen. Alle zwei Jahre<br />

vergibt die HUS ihren mit 10.000<br />

Euro dotierten Stiftungspreis.<br />

aktive-parkinsonstiftung.de<br />

Herr Peters, Sie erhielten 2009 die<br />

Diagnose Parkinson. Wie sind Sie damit<br />

umgegangen?<br />

Ich lief erst mal stundenlang rastlos<br />

durch Hamburg. Dann rief ich meine<br />

engsten Freunde an und meine Familie.<br />

Erst später habe ich mich überwunden,<br />

mehr Menschen einzuweihen. Zu sehen,<br />

wie toll meine Freunde, Familie und Kollegen<br />

damit umgegangen sind, war eine<br />

sehr schöne Erfahrung.<br />

Die Anfangszeit von Parkinson wird<br />

oft als „Honeymoon“ bezeichnet. Was<br />

bedeutet das? Wie haben Sie diese<br />

Phase erlebt?<br />

Durch die Medikamente verschwinden<br />

die Symptome zunächst ganz, ich hatte<br />

sogar kurz die Hoffnung, die Diagnose<br />

könnte vielleicht ein Irrtum gewesen<br />

sein. Dem ist natürlich nicht so, aber ich<br />

habe meinen Alltag zunächst fast normal<br />

weitergelebt und auch weitergearbeitet.<br />

Sie waren jung, als Sie Ihre Diagnose bekamen.<br />

Welche Rolle spielt das Alter?<br />

Ein Krankengymnast begrüßte mich mal<br />

mit den Worten: „In Ihrem Alter schon<br />

Parkinson ist auch nicht so schön, oder?“<br />

Das fand ich auf den Punkt gebracht.<br />

Nee, das ist nicht so schön. Mit meinen<br />

44 Jahren gehörte ich in der Selbsthilfegruppe<br />

und am Parkinson-Stammtisch zu<br />

den ganz Jungen; ich war aber nicht der<br />

Jüngste.<br />

Gibt es bestimmte Symptome, an denen<br />

sich die Erkrankung schon früh zeigt?<br />

Schlafstörungen oder Riechstörungen<br />

können ein Hinweis auf Parkinson sein.<br />

Bei mir machte sich die Erkrankung<br />

allerdings anders bemerkbar, ich hatte<br />

z. B. plötzlich Schwierigkeiten, meine<br />

Spaghetti zu drehen, auch Zähneputzen<br />

machte mir Probleme. Später wurde ich<br />

häufiger darauf hingewiesen, dass mein<br />

rechter Arm beim Gehen nicht mehr<br />

mitschwingt. Auf La Gomera sprach mich<br />

schließlich ein Passant auf meinen Gang<br />

an. Er hatte selbst Parkinson, das gab mir<br />

zu denken und ich ging zum Arzt.<br />

Sie haben dann begonnen, zu schreiben.<br />

Wie kam es dazu?<br />

Das war im Jahr 2014, als ich das erste Mal<br />

für einige Wochen in einer neurologischen<br />

Klinik war. Solche Kliniken kannte ich durch<br />

meinen Beruf, aber mit einer Kamera<br />

zwischen mir und dem Geschehen. Jetzt<br />

gab es keine Kamera, kein Drehbuch<br />

und keinen Drehschluss; man denkt sich<br />

dann: „Hier gehöre ich doch eigentlich gar<br />

nicht hin.“ Aber es gab auch schöne bzw.<br />

komische Momente. Irgendwann begann<br />

ich, meine Eindrücke, diesen Mix aus<br />

Gefühlen, aufzuschreiben. Eine Freundin<br />

ermutigte mich, sie zu veröffentlichen.<br />

Ihr erstes Buch heißt: „Bloß nicht in<br />

Tüdel kommen“. Für alle, die nicht aus<br />

Norddeutschland sind – können Sie<br />

den Titel übersetzen?<br />

Tüdel bedeutet „durcheinanderkommen“.<br />

Durch die Diagnose kam meine ganze<br />

Lebensplanung durcheinander. Aber „Tüdel“<br />

meint auch kleine Dinge. Wenn man<br />

z. B. in der Reha Geschicklichkeitsspiele<br />

machen soll oder auf einem Wackelkissen<br />

steht, da kommt man auch in Tüdel.<br />

Es blieb nicht bei einem Buch, Sie haben<br />

bereits Ihr viertes veröffentlicht.<br />

Was bedeutet Ihnen das Schreiben<br />

und worum geht es?<br />

Die Reaktionen auf mein erstes Buch<br />

haben mich ermutigt, weiterzuschreiben.<br />

Humor ist dabei ganz wichtig, es soll<br />

keine Leidensgeschichte sein, auch wenn<br />

die Dramatik der Diagnose zwischen den<br />

Zeilen mitschwingt. In meinem vierten<br />

Buch „Tisch 15. Als wäre Moritz dabei<br />

gewesen“ gibt es ebenfalls viele Momente,<br />

die einen zum Schmunzeln bringen.<br />

Es passieren unerwartete, schöne und<br />

rührende Dinge und es ist auch ein Buch<br />

über Freundschaft. Meine Geschichten<br />

sind fiktiv, es ist allerdings auch einiges<br />

dabei, was so oder so ähnlich passiert ist.<br />

Wie geht es Ihnen heute mit der Krankheit?<br />

Ich habe gute und weniger gute Tage. An<br />

guten kann ich ein – zumindest fast – normales<br />

Leben führen. Das für Parkinson typische<br />

Zittern habe ich so gut wie gar nicht,<br />

bei mir sind die Bewegungen verlangsamt,<br />

was sich in schlechten Phasen vor allem<br />

beim Gehen bemerkbar macht. Aber dank<br />

der tollen Arbeit von Ärzten und Therapeuten<br />

und auch dank der Medikamente<br />

kann ich ein relativ gutes Leben führen.<br />

Gibt es etwas, das Ihnen im Alltag besonders<br />

hilft?<br />

Neben den Medikamenten ist Bewegung<br />

sehr wichtig, am besten regelmäßig. Deswegen<br />

sucht man sich am besten einen<br />

Sport, der einem Spaß macht. Ganz frisch<br />

für mich entdeckt habe ich Tischtennisspielen,<br />

ich habe vor einigen Wochen<br />

damit begonnen. Es macht mir wirklich<br />

großen Spaß und es hilft.<br />

Haben Sie einen Rat für andere Betroffene,<br />

vielleicht etwas, das Sie selbst<br />

gerne früher gewusst hätten?<br />

Ich kann nur empfehlen, dass man offen<br />

mit der Erkrankung umgeht. Der<br />

Versuch, sie zu verstecken, kostet nur<br />

unnötig Energie. Es gibt auch keinen<br />

Grund, so zu tun, als wäre alles in<br />

Ordnung, denn das ist es nicht. Man<br />

muss das Beste draus machen.<br />

PARKINSonLINE e.V. ist ein im<br />

Internet tätiger Selbsthilfeverein<br />

für Parkinsonkranke. Die Nutzer<br />

begegnen sich im Forum, in Videochats<br />

und realen Treffen. Hier<br />

stehen Information und Austausch<br />

aus Betroffenenperspektive im<br />

Mittelpunkt, aber auch die Hilfe bei<br />

der Krankheitsbewältigung und<br />

das Aufzeigen von Lebensperspektiven<br />

für Neu- und für langjährig<br />

Erkrankte. Unsere Botschaft:<br />

Auch mit Parkinson kann das<br />

Leben schön sein!<br />

parkins-on-line.de<br />

Jetzt mach doch mal einen Punkt!<br />

Seit unserem Start am 02.02.2020<br />

machen wir genau das. Wir kooperieren<br />

mit Sportvereinen vor Ort,<br />

um Personen mit Parkinson aus<br />

der häuslichen Selbstisolation zum<br />

Tischtennisspielen in die Sporthallen<br />

zu holen. Über 170 (Stütz-)<br />

punkte sind mittlerweile bundesweit<br />

auf unserer interaktiven Karte<br />

zu finden. Vor kurzem konnten wir<br />

das 1000. Mitglied begrüßen. All<br />

das zeigt: Parkinson ist nicht ansteckend<br />

– PingPongParkinson schon!<br />

pingpongparkinson.de


4<br />

Lesen Sie mehr auf gesunder-koerper.info<br />

Fortgeschrittenen Parkinson<br />

verstehen und behandeln<br />

Text Anna Derbsch<br />

OFF-Phasen – ein Thema,<br />

das die meisten Parkinson-<br />

Patienten vor allem im<br />

späteren Krankheitsverlauf<br />

betrifft. Worum es sich<br />

dabei handelt und welche<br />

Therapien zur Verfügung<br />

stehen, erfahren wir von<br />

Prof. Dr. med. Georg Ebersbach<br />

im Interview.<br />

Als neurodegenerative Erkrankung<br />

schreitet Parkinson immer weiter voran.<br />

Was passiert dabei im Körper?<br />

Bei der Parkinson-Erkrankung kommt es<br />

zu einer Schädigung von Nervenzellen,<br />

wobei sowohl Störungen des Energiestoffwechsels<br />

als auch die Ablagerung<br />

schädlicher Eiweißpartikel in den Nervenzellen<br />

eine Rolle spielen. Man nimmt<br />

an, dass zuerst Nerven in Nase und<br />

Darm betroffen sind und es von dort zu<br />

einem über Jahre aufsteigenden Prozess<br />

kommt, bei dem auch die sogenannte<br />

schwarze Substanz im Mittelhirn in Mitleidenschaft<br />

gezogen wird. Diese Region<br />

ist eine wichtige Produktionsstätte für<br />

den Botenstoff Dopamin. Der bei Parkinson<br />

auftretende Dopaminmangel führt<br />

zu Bewegungsverarmung und Zittern,<br />

hat aber auch Auswirkungen auf das<br />

psychische Befinden und das vegetative<br />

Nervensystem.<br />

Bei fortgeschrittenem Parkinson<br />

kommt es meist irgendwann zu sogenannten<br />

„OFF-Phasen“. Was versteht<br />

man darunter und wie äußern sich<br />

diese OFF-Phasen bei den Patienten?<br />

Durch Medikamente kann der Ausfall<br />

des körpereigenen Dopamins im Gehirn<br />

teilweise kompensiert werden. Eine wichtige<br />

Rolle spielt dabei der Wirkstoff Levodopa,<br />

der im Gehirn zu Dopamin umgewandelt<br />

wird. Während Levodopa in den ersten<br />

Krankheitsjahren oft sehr gleichmäßig<br />

wirkt, treten im späteren Verlauf meist Wirkungsschwankungen<br />

auf. Patienten geraten<br />

dadurch im Tagesverlauf immer wieder<br />

aus Zuständen mit guter Symptomkontrolle<br />

(ON-Phase) in Zustände mit deutlicher<br />

Zunahme der Symptome (OFF-Phasen).<br />

Dies kann dazu führen, dass mehrfach am<br />

Tag abrupte Wechsel zwischen normaler<br />

Beweglichkeit und schwerster Bewegungsstarre<br />

auftreten.<br />

Gibt es typische Symptome, die eine<br />

OFF-Phase ankündigen?<br />

Viele Betroffene entwickeln im Verlauf<br />

der Behandlung ein Gefühl für die<br />

Wirkungsschwankungen. OFF-Phasen<br />

werden dann schon bei den ersten<br />

Vorboten bemerkt, wie zum Beispiel<br />

Missempfindungen, Unwohlsein oder<br />

Stimmungstiefs.<br />

Welche medikamentösen Therapien<br />

stehen dann zur Verfügung und worin<br />

unterscheiden sich diese?<br />

Bei Wirkungsschwankungen kann die<br />

Wirkdauer von Levodopa durch Begleitmedikamente<br />

verlängert werden. Oft<br />

werden mehrere Substanzklassen kombiniert,<br />

um eine möglichst gleichmäßige<br />

Dopaminstimulation zu erreichen. In<br />

sehr schweren Fällen können auch die<br />

tiefe Hirnstimulation („Hirnschrittmacher“)<br />

oder Infusionspumpen eingesetzt<br />

werden, um Wirkungsschwankungen<br />

auszugleichen. Zusätzlich verwenden<br />

viele Patienten eine Bedarfsmedikation,<br />

mit der sie OFF-Zustände unterbrechen<br />

können. Hierzu zählen in<br />

Wasser gelöstes Levodopa oder die<br />

Injektion des Dopaminersatzstoffes<br />

Apomorphin. Seit letztem Jahr steht<br />

Prof. Dr. med.<br />

Georg Ebersbach<br />

Chefarzt des<br />

Neurologischen<br />

Fachkrankenhauses<br />

für Bewegungsstörungen/<br />

Parkinson Beelitz-<br />

Heilstätten<br />

inhalierbares Levodopa als weitere<br />

Option zur Bedarfsmedikation bei OFF-<br />

Zuständen zur Verfügung. Da inhaliertes<br />

Levodopa direkt von der Lunge in den<br />

Blutkreislauf übertritt, lässt sich oft<br />

ein sehr rascher Eintritt der Wirkung<br />

erreichen.<br />

Kann es bei der Anwendung von<br />

Bedarfsmedikation nicht zur Überdosierung/Fehlgebrauch<br />

kommen?<br />

Ein suchtartiger Gebrauch von Bedarfsmedikation<br />

ist sehr selten und kann<br />

auftreten, wenn Patienten die Wirkung<br />

als euphorisierend erleben. Sehr viel<br />

häufiger passiert es, dass Patienten<br />

OFF-Zustände als extrem unangenehm<br />

erleben und sehr häufigen Gebrauch von<br />

Bedarfsmedikation machen, um das OFF<br />

zu vermeiden. Wenn Patienten sehr häufig<br />

Bedarfsmedikation benötigen, sollte<br />

die Basismedikation angepasst werden.<br />

Sie sind ein starker Befürworter von<br />

Bewegungstherapie bei Parkinson.<br />

Warum sind Sport und Bewegung so<br />

wichtig und was geben Sie Patienten,<br />

insbesondere im fortgeschrittenen<br />

Krankheitsstadium, mit auf den Weg?<br />

Neben den Medikamenten sind die<br />

aktivierenden Therapien wie Physiotherapie,<br />

Logopädie und Sport eine<br />

gleichwertige Säule der Parkinson-Therapie.<br />

Verschiedene Symptome, die sich<br />

durch Medikamente nicht ausreichend<br />

bessern lassen, können durch gezieltes<br />

Training sehr wirkungsvoll angegangen<br />

werden. Nach heutigem Kenntnisstand<br />

lässt sich auch der Krankheitsverlauf bei<br />

der Parkinson-Erkrankung durch<br />

intensives und regelmäßiges Training<br />

beeinflussen. Außerdem verschaffen<br />

Sport und Bewegung den Betroffenen<br />

die Erfahrung, dass sie ihrer Erkrankung<br />

selbst wirksam entgegentreten können<br />

und ihr nicht hilflos ausgeliefert sind.<br />

Aktives Leben trotz<br />

Morbus Parkinson<br />

Morbus Parkinson, auch Parkinson-Krankheit genannt, ist<br />

eine chronische neurodegenerative Erkrankung, von der in<br />

Deutschland circa 400.000 Menschen betroffen sind. 1 Auch<br />

wenn die Erkrankung bislang nicht heilbar ist, so ist sie in<br />

den meisten Fällen jedoch gut behandelbar. Mit individuell<br />

angepassten Therapieoptionen kann die Lebensqualität der<br />

Betroffenen oft über einen langen Zeitraum erhalten werden.<br />

Text Verena van Elst<br />

EVGENY ATAMANENKO/SHUTTERSTOCK<br />

Meist wird Parkinson nach<br />

dem 50. Lebensjahr<br />

diagnostiziert, wobei die<br />

Häufigkeit mit zunehmendem<br />

Alter steigt. 2 Männer sind häufiger<br />

betroffen als Frauen. Typisch für<br />

Morbus Parkinson sind Bewegungsstörungen<br />

wie verlangsamte Bewegungen,<br />

Zittern, Muskelsteifheit und Störungen<br />

des Gleichgewichts. Ursache der<br />

Symptome ist der Verlust von Nervenzellen<br />

im Hirnstamm – und ein damit<br />

einhergehender Mangel des Botenstoffs<br />

Dopamin. Für die Betroffenen sind die<br />

zunehmenden Einschränkungen im<br />

alltäglichen Leben eine große Belastung,<br />

allerdings können Symptome und<br />

Krankheitsverlauf von Patient:in zu<br />

Patient:in stark variieren.<br />

Zwischen Honeymoon- und<br />

OFF-Phasen<br />

In der ersten Phase der Erkrankung, der<br />

sogenannten „Honeymoon-Phase“,<br />

kann man mit geeigneten Medikamenten<br />

die Symptome oft gänzlich unter<br />

Kontrolle bringen. Im Verlauf der<br />

Erkrankung treten jedoch vermehrt<br />

sogenannte „OFF-Phasen“ auf, die oft<br />

mit einer plötzlichen kompletten<br />

Bewegungsunfähigkeit verbunden sind.<br />

Aus Angst vor den OFF-Phasen ziehen<br />

sich viele Parkinson-Patient:innen<br />

immer mehr zurück und meiden<br />

Aktivitäten. Mittlerweile stehen aber<br />

zur Überbrückung dieser OFF-Phasen<br />

verschiedene Therapieoptionen zur<br />

Verfügung, die On- Demand, also nach<br />

Bedarf, eingesetzt werden können.<br />

Darreichungsformen, die den Magen-<br />

Darm-Trakt umgehen, wie z. B. Medikamente<br />

zum Inhalieren oder Spritzen,<br />

MORBUS PARKINSON<br />

Die Diagnose Morbus Parkinson<br />

stellt Betroffene, aber auch deren<br />

Angehörige vor große Herausforderungen.<br />

Patient:innen können aber<br />

aktiv mitwirken, das Fortschreiten der<br />

Erkrankung zu verlangsamen. Sich<br />

über die Krankheit zu informieren<br />

oder sich mit anderen Betroffenen<br />

auszutauschen, ist dabei ein wichtiger<br />

Schritt. Ausführliche Informationen,<br />

Tipps für Alltagshilfen und Anlaufstellen<br />

finden sich auf:<br />

www.aktiv-mit-parkinson.de<br />

wirken dabei besonders schnell.<br />

Insgesamt gilt auch bei Parkinson:<br />

Bewegung und Aktivitäten sind wichtig<br />

und sollten nicht vernachlässigt<br />

werden. Daher werden inzwischen<br />

immer mehr unterstützende Begleittherapien<br />

wie Physio-, Ergooder<br />

Sprachtherapien angeboten.<br />

Mit freundlicher Unterstützung der<br />

Esteve Pharmaceuticals GmbH.<br />

1) https://dgkn.de/neurophysiologie/der-ueberblick/<br />

morbus-parkinson<br />

2) Heinzel S. et al Front Neurol 2018;9:500<br />

2023-PARK-012


Das Thema Integrierte Gesundheitsversorgung ist im gesundheitspolitischen<br />

Umfeld im Fokus vieler Gesetzgebungen.<br />

Doch funktioniert sie in der Realität? In der Indikation<br />

Parkinson wird seit einigen Jahren mit sogenannten Parkinson-<br />

Netzwerken ein neuer Ansatz verfolgt – aus der Versorgung<br />

kommend und den Patienten in den Mittelpunkt stellend.<br />

Eine der größten Herausforderungen<br />

des deutschen Gesundheitswesens<br />

ist seit jeher der unzureichende<br />

Austausch zwischen<br />

verschiedenen Gesundheitssektoren und<br />

Fachdisziplinen. So besteht im normalen<br />

Versorgungsalltag beispielsweise kaum<br />

Interaktion zwischen Ärzten und Therapeuten.<br />

Gerade bei der Parkinson-Krankheit<br />

erfordert die komplexe Kombination<br />

aus motorischen und nicht-motorischen<br />

Symptomen eine regelhafte Mitbetreuung<br />

von Spezialisten und zahlreichen<br />

ambulanten und stationären Versorgenden.<br />

Für eine optimale Unterstützung ist<br />

ein interdisziplinärer Versorgungsansatz<br />

notwendig, der die individuellen Bedürfnisse<br />

sowie die Vielschichtigkeit der<br />

Erkrankung berücksichtigt.<br />

Für die Parkinson-Krankheit haben<br />

sich in den letzten Jahren in Deutschland<br />

Lesen Sie mehr auf gesunder-koerper.info 5<br />

Parkinson-Netzwerke:<br />

Für die Verbesserung der Lebensqualität von<br />

Parkinson-Betroffenen und deren Angehörigen<br />

Text Carina Lummer, Tobias Warnecke, Carsten Eggers, Lars Tönges<br />

vermehrt regionale Parkinson-Netzwerke<br />

gegründet. Inzwischen gibt es in Deutschland<br />

über 15 Netzwerke. Diese entstehen<br />

meist auf die Initiative von Ärzten oder<br />

Therapeuten in der jeweiligen Region.<br />

Ziel der Netzwerke ist es, die Lebensqualität<br />

von Betroffenen und deren Angehörigen<br />

langfristig zu verbessern.<br />

Dies setzen die Netzwerke um, indem<br />

sie alle an der Versorgung von Parkinson-Patienten<br />

beteiligten Akteure an<br />

einen gemeinsamen Tisch holen. Hierzu<br />

zählen Kliniken, Neurologen, Allgemeinmediziner,<br />

Physiotherapeuten, Ergotherapeuten,<br />

Logopäden, Psychotherapeuten,<br />

Parkinson-Nurses, Patienten<br />

und Selbsthilfegruppen, Angehörige,<br />

Apotheken, Sanitätshäuser und Psychologen.<br />

Jeder dieser Versorgenden erlebt<br />

ein anderes Puzzleteil des Krankheitsbildes<br />

und der Symptomatik des Patienten.<br />

Nur indem diese Akteure miteinander<br />

kommunizieren und sich gegenseitig<br />

ihre täglichen Herausforderungen mitteilen,<br />

kann Versorgung nachhaltig verbessert<br />

werden. Ein wesentliches Kernelement<br />

ist hierbei die Kommunikation<br />

auf Augenhöhe. Gemeinsam entwickeln<br />

die Versorgenden dann Maßnahmen für<br />

ihre jeweilige Region, mit welchen den<br />

definierten Versorgungslücken entgegengewirkt<br />

werden kann.<br />

Beispielsweise hat die Region Münsterland/Osnabrück<br />

die spezifische Verordnung<br />

aktivierender Therapien, also<br />

Ergo- und Physiotherapie und Logopädie,<br />

mit dem sogenannten Quickcard-Modell<br />

umgesetzt. Um über den zielgerichteten<br />

Einsatz dieser Therapien aufzuklären,<br />

wurden entsprechende Schulungsmodule<br />

entwickelt. Eine Quickcard ist eine<br />

physische Karte, die über den Patienten<br />

sowohl dem Arzt als auch dem Therapeuten<br />

bei jedem Termin vorgelegt wird.<br />

Prof. Dr.<br />

Tobias Warnecke<br />

Chefarzt der<br />

<strong>Neurologie</strong>, Klinikum<br />

Osnabrück<br />

Initiator und Sprecher<br />

der Parkinsonnetze<br />

Münsterland+ und<br />

Osnabrück+<br />

Auf der Quickcard sind symptomorientierte<br />

Handlungsempfehlungen hinterlegt.<br />

Zudem könnten Arzt und Therapeut über<br />

die Quickcard kommunizieren. Durch das<br />

Innovationsfondsprojekt ParkinsonAKTIV<br />

wird es Versorgenden in Zukunft möglich<br />

sein, die Karten auch digital über eine elektronische<br />

Plattform auszutauschen.<br />

Die Quickcards werden derzeit in<br />

vielen weiteren Netzwerken in Deutschland<br />

regionsspezifisch weiterentwickelt.<br />

Auch der Austausch zwischen den verschiedenen<br />

Netzwerken ist ein großer<br />

Mehrwert dieser Arbeit. Daher hat sich<br />

im letzten Jahr das Parkinson-Netzwerk<br />

Deutschland gegründet, das die lokalen<br />

Aktivitäten unterstützt und auch übergreifende<br />

Strukturen aufbaut. So soll die<br />

Netzwerkversorgung möglichst flächendeckend<br />

ausgerollt werden.<br />

Parkinson-Netzwerke führen so durch<br />

den gesteigerten Austausch zwischen<br />

den Akteuren zu einem individualisierten<br />

und auf die spezifischen regionalen<br />

Versorgungsherausforderungen ausgerichteten<br />

Behandlungsansatz. Ein in<br />

Deutschland noch nicht fest verankertes,<br />

aber in den Netzwerken vorangetriebenes<br />

Thema ist das Patient Empowerment, das<br />

heißt, Patienten und Angehörige sollen<br />

in die Lage versetzt werden, ihre Therapieprozesse<br />

aktiv zu begleiten und,<br />

soweit möglich, auch zu steuern.<br />

Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit EVER PHARMA GMBH entstanden.<br />

Parkinson:<br />

Therapien für mehr<br />

Lebensqualität<br />

Mit der optimalen Behandlung<br />

werden Begleiterscheinungen von<br />

Parkinson gemindert, die Lebensqualität<br />

wird erhöht. Frau PD Dr.<br />

med. Katja Odin, Parkinson-Expertin<br />

und Chefärztin an der Helios<br />

Albert-Schweitzer-Klinik Northeim,<br />

berichtet über mögliche Behandlungsergänzungen<br />

im Verlauf der<br />

Erkrankung.<br />

Text Miriam Rauh<br />

Frau Dr. Odin, viele Parkinson-Patienten<br />

bemerken auch unter oraler Medikation<br />

im Laufe der Zeit Veränderungen.<br />

Welche Symptome beschreiben<br />

die Betroffenen?<br />

Wenn die Wirkung der Medikamente<br />

nicht mehr bis zum nächsten Einnahmezeitpunkt<br />

reicht, spüren Patienten, dass<br />

die Erkrankung fortschreitet. Sie haben<br />

dann weniger Dopamin zur Verfügung.<br />

Die Bewegungen verlangsamen sich, der<br />

Gang wird unsicherer, die Feinmotorik<br />

leidet und auch der Tremor, sofern vorhanden,<br />

nimmt zu.<br />

Neben motorischen Symptomen zeigen<br />

viele Patienten auch nicht-motorische<br />

Symptome. Hierzu gehören Beschwerden<br />

wie Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen,<br />

Probleme beim Stuhlgang<br />

oder dass sie das Wasser nicht mehr so<br />

gut halten können. All dies verstärkt sich,<br />

wenn die Erkrankung fortschreitet.<br />

Wie helfen Fragebögen zur Erfassung<br />

von Symptomen und der Zeit ihres<br />

Auftretens bei der Optimierung der<br />

Medikation? Und welchen Mehrwert<br />

haben Bewegungssensoren?<br />

Ein Besuch beim Arzt ist immer eine<br />

Momentaufnahme. Vielleicht haben<br />

Patienten gerade ihre Medikamente<br />

genommen und zeigen deswegen keine<br />

oder weniger Symptome. Über den Tag<br />

verteilt ergibt sich jedoch gegebenenfalls<br />

ein anderes Bild, das man im Rahmen<br />

der Untersuchung nicht erfassen kann.<br />

Gute Fragebögen können bei der Einschätzung<br />

des Zustands sehr hilfreich<br />

sein. Man setzt sie ein, wenn Patienten<br />

eine Wirkfluktuation spüren, das heißt,<br />

wenn die Wirksamkeit ihrer Medikation<br />

abnimmt. Patienten können diese Fragebögen<br />

selbst ausfüllen oder jemanden<br />

bitten, das für sie zu tun. Fragebögen<br />

sind auch hilfreich, um einen Überblick<br />

PD Dr. med.<br />

Katja Odin<br />

Chefärztin <strong>Neurologie</strong><br />

der Helios Albert-<br />

Schweitzer-Klinik<br />

Northeim<br />

zu bekommen, welche nicht-motorischen<br />

Symptome vorhanden sind.<br />

Auch handliche, tragbare Sensoren,<br />

die die tägliche Bewegung des Patienten<br />

dokumentieren, können hier helfen.<br />

Man sollte darauf achten, dass sie zertifiziert<br />

sind, damit man valide Werte<br />

bekommt. Die Sensoren erlauben eine<br />

Gesamtbeurteilung des Patienten, da sie<br />

wichtige motorische Parameter objektiv<br />

erfassen. Die Informationen können<br />

Ärzte unterstützen, die Medikation zu<br />

optimieren und so die Lebensqualität<br />

der Patienten zu verbessern.<br />

Wann ist über die Medikation hinaus<br />

eine Behandlungsergänzung wie z. B.<br />

eine Therapie mit einem Apomorphin-<br />

Pen erforderlich? Welchen Nutzen<br />

sehen Sie in dieser Bedarfstherapie?<br />

Im Verlauf der Erkrankung lässt die<br />

Wirksamkeit der Medikamente häufig<br />

nach, sodass die Einnahmeintervalle<br />

verkürzt werden müssen. Das ist bei<br />

manchen Patienten später der Fall, bei<br />

anderen früher. Wir haben dann verschiedene<br />

Optionen. Zum einen gibt es<br />

bei Bedarf Levodopa in flüssiger oder<br />

inhalativer Form, der Apomorphin-Pen<br />

wiederum appliziert Apomorphin in die<br />

Haut. Alle Methoden haben ihre Vorteile.<br />

Bei der Applikation in die Haut wird<br />

die Magen-Darm-Passage umgangen;<br />

das bietet sich vor allem bei Patienten<br />

mit Beschwerden im Magen-Darm-Trakt<br />

an. Der Effekt ist auch schneller. Für<br />

andere Patienten kann die orale Form<br />

der Einnahme angenehmer sein, auch<br />

ist der Wirkstoff ein anderer.<br />

Wann sollte die Therapieoption<br />

mit einer Medikamentenpumpe in<br />

Erwägung gezogen werden?<br />

Der Vorteil der Pumpentherapie ist die<br />

kontinuierliche Gabe des Medikaments.<br />

Wenn der Patient trotz fünf Gaben<br />

Levodopa täglich wiederholte Perioden<br />

mit schlechtem Medikamenteneffekt<br />

hat, zieht man eine Pumpe in Betracht.<br />

Ein früher Einsatz kann empfehlenswert<br />

sein, um Lebensqualität zu erhalten.<br />

Die Apomorphin-Pumpe appliziert<br />

den Wirkstoff unter die Haut und kann<br />

kurzzeitig abgenommen werden, z. B.<br />

wenn man schwimmen oder in die Sauna<br />

gehen möchte. Eine andere Variante ist<br />

die Levodopa-Pumpe, die oft für ältere<br />

Patienten gut geeignet ist. Hier wird der<br />

Wirkstoff direkt in den Darm abgegeben,<br />

wofür ein minimaler Eingriff in kurzer<br />

Narkose nötig ist.<br />

Welche Vorteile sehen Sie durch<br />

eine kontinuierliche Gabe des Medikaments?<br />

Parkinson trifft nicht nur ältere Menschen,<br />

sondern auch viele Jüngere, die<br />

mitten im Leben stehen. Mit der<br />

kontinuierlichen Medikamentengabe<br />

hat der Patient einen kontinuierlichen<br />

Effekt der Medikation und weniger Zeit<br />

pro Tag mit entweder zu wenig oder zu<br />

viel Medikamentenwirkung. Das ist<br />

bestenfalls auch förderlich gegen<br />

Begleiterscheinungen wie Fehlbelastung<br />

von Gelenken, Arthrose, Bluthochdruck<br />

oder Diabetes. Auch die anfangs<br />

beschriebenen nicht-motorischen<br />

Symptome wie Schlafstörungen,<br />

Stimmungsschwankungen oder Probleme<br />

beim Wasserlassen können eventuell<br />

verbessert werden. Die Patienten bleiben<br />

länger mobil, haben weniger Folgeerkrankungen<br />

und eine höhere Lebensqualität<br />

– was sehr wichtig ist.<br />

Weitere Informationen unter<br />

d-minecare.de


6<br />

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FOTO: PETER NEHER<br />

Demenz trifft<br />

die ganze Familie<br />

Dr. Sarah Straub ist Autorin, Liedermacherin und Psychologin.<br />

In ihrem beruflichen Alltag beschäftigt sie sich<br />

tagtäglich mit an Demenz erkrankten Personen. Warum<br />

sie sich für diesen Beruf entschied und warum sie insbesondere<br />

pflegende Angehörige stärken möchte, erzählt<br />

sie uns im Interview. Text Miriam Rauh<br />

Frau Dr. Straub, Ihre Großmutter ist an<br />

Demenz erkrankt, als Sie 20 Jahre alt<br />

waren. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?<br />

Ich habe meine Großmutter über alles<br />

geliebt und stand ihr sehr nah. So hat ihre<br />

schwere Demenz nicht nur ihr, sondern<br />

auch mein Leben grundlegend verändert.<br />

Ich wollte für sie da sein, ihr auch mit ihrer<br />

Demenz ein gutes Leben ermöglichen<br />

und sie selbst pflegen. Doch als pflegende<br />

Angehörige war ich, ohne Wissen über die<br />

Erkrankung, oft überfordert.<br />

Heute sind Sie Psychologin, Liedermacherin<br />

und Autorin. Hat der private<br />

Umgang mit Demenz Sie in Ihrem<br />

beruflichen Werdegang beeinflusst?<br />

Ich wusste schon als Kind, dass ich Sängerin<br />

und Liedermacherin werden wollte<br />

und tat alles dafür. Die Demenzerkrankung<br />

meiner Großmutter führte allerdings dazu,<br />

dass parallel auch das Thema Demenz zu<br />

meinem Lebensmittelpunkt wurde. Nach<br />

meinen schmerzhaften Erfahrungen als<br />

pflegende Angehörige beschloss ich, mich<br />

dafür einzusetzen, dass andere betroffene<br />

Familien nicht dasselbe erleben müssen<br />

wie ich zuvor. Ich ging neben meiner Arbeit<br />

als Musikerin in die Demenzforschung,<br />

promovierte über das Thema und begleite<br />

seitdem Demenzpatienten und ihre Angehörigen<br />

durch die Erkrankung.<br />

In Ihrem Buch „Wie meine Großmutter<br />

ihr ICH verlor“, das 2021 erschien,<br />

erzählen Sie von Ihrer Erfahrung und<br />

geben Angehörigen Tipps. Was war<br />

ausschlaggebend für Sie, zu schreiben?<br />

Vielen von Demenz betroffenen Familien<br />

geht es leider genauso wie mir damals,<br />

als meine Großmutter erkrankt war. Die<br />

Menschen, die mich in meiner Gedächtnissprechstunde<br />

am Universitätsklinikum<br />

Ulm aufsuchen, mich auf meinen<br />

Konzerten ansprechen oder mir Mails<br />

schreiben, fühlen sich häufig alleingelassen<br />

und überfordert. So wurde es zu einer<br />

Herzensangelegenheit, all das aufzuschreiben,<br />

was ich für wichtig erachte,<br />

damit sich nahestehende Personen von<br />

Menschen mit Demenz gut informiert<br />

und vor allem gut vorbereitet fühlen für<br />

ein Leben mit dieser Erkrankung.<br />

Welchen Rat haben Sie für Angehörige,<br />

die vermuten, dass ein Familienmitglied<br />

an Demenz erkrankt ist?<br />

Gibt es eindeutige Hinweise?<br />

Wir alle vergessen mal etwas, das ist noch<br />

kein Grund zur Panik. Dennoch verständlich,<br />

dass wir ab einem gewissen Alter hellhörig<br />

werden in solchen Situationen – weil<br />

die häufigste Demenzform, die Alzheimer-<br />

Demenz, eben meist genau mit solchen Gedächtnisstörungen<br />

beginnt. Hinweise auf<br />

einen demenziellen Prozess ergeben sich,<br />

wenn die beobachteten Defizite mindestens<br />

sechs Monate bestehen, schleichend<br />

begonnen haben und in ihrem Ausmaß<br />

zunehmen. Außerdem beeinträchtigen<br />

diese Veränderungen mit der Zeit auch<br />

eigentlich routinierte Alltagsaktivitäten.<br />

Dann wird es Zeit, einen Arzt aufzusuchen.<br />

Ich möchte jedoch nicht unerwähnt lassen,<br />

dass eine Demenz auch mit ganz anderen<br />

Symptomen beginnen kann: mit Verhaltensauffälligkeiten,<br />

einer Wesensänderung<br />

oder Sprachstörungen beispielsweise.<br />

Demenz hat viele Gesichter und betrifft<br />

nicht nur hochbetagte Menschen. Es ist<br />

wichtig, dass wir auch für solche selteneren<br />

Demenzformen sensibilisiert werden, und<br />

da hilft es, wenn betroffene berühmte Persönlichkeiten<br />

damit an die Öffentlichkeit<br />

gehen. Zurzeit erleben wir das am Beispiel<br />

des Schauspielers Bruce Willis, der an einer<br />

frontotemporalen Demenz leidet.<br />

Wie und wo sollte eine Diagnose gestellt<br />

werden? Was sollten Angehörige<br />

dabei beachten?<br />

Die Diagnose sollte unbedingt von einem<br />

Facharzt, einem Neurologen oder Psychiater,<br />

im Idealfall vielleicht sogar in einer<br />

spezialisierten Gedächtnissprechstunde<br />

gestellt werden. Angehörige sollten unbedingt<br />

auf eine differenzierte Einordnung<br />

bestehen, einschließlich MRT, einer<br />

ausführlichen neuropsychologischen<br />

Testung sowie verschiedenster Laboranalysen<br />

aus Blut und Nervenwasser.<br />

Gibt es Therapiemöglichkeiten für<br />

Demenz? Was ist aus Ihrer Sicht für<br />

Betroffene besonders wichtig?<br />

Es gibt noch keine Medikamente, welche<br />

die Erkrankung stoppen oder gar heilen<br />

könnten. Aber die Betroffenen können<br />

mithilfe verschiedenster nicht-medikamentöser<br />

Therapien den Abbauprozess<br />

nachweislich verlangsamen. Einer Demenz<br />

muss man aktiv und mutig entgegentreten,<br />

um Ressourcen zu stärken und<br />

Fähigkeiten zu stabilisieren. Dies gelingt<br />

beispielsweise mit Ergo- oder Logopädie,<br />

aber auch vielen weiteren Therapieformen.<br />

Außerdem ist es auch für einen<br />

gesunden Lebensstil nie zu spät.<br />

Ihr neues Buch heißt „Wohlfühlküche<br />

bei Demenz“. Was war Ihre Intention<br />

beim Schreiben? Welche Rolle spielt<br />

das Essen bzw. die Ernährung für<br />

Demenzkranke?<br />

Das Essverhalten von Menschen mit<br />

Demenz ändert sich auf vielfältige Weise.<br />

Beispielsweise essen manche Betroffene<br />

grundsätzlich zu wenig, andere wollen nur<br />

noch Süßes, bei so manchem erschweren<br />

Schluckstörungen das Essen, oder eine<br />

belastende innere Unruhe verhindert,<br />

überhaupt am Tisch zu sitzen. Mein Buch<br />

soll von Demenz betroffene Familien<br />

stärken, das gemeinsame Essen als<br />

Genussmomente zu erleben. Hierfür<br />

gehen die zusammengestellten Gerichte<br />

auf unterschiedliche Bedürfnisse der<br />

Patienten ein, sind aber für die ganze<br />

Familie lecker und fördern so die Teilhabe<br />

der Betroffenen am Familienleben.<br />

Lesen Sie das ganze Interview unter<br />

gesunder-koerper.info<br />

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Lesen Sie mehr auf gesunder-koerper.info 7<br />

Aufgeben ist keine Option<br />

MS entmystifizieren<br />

Anna Kraft ist erfolgreiche Sportmoderatorin, als sie wie aus heiterem Himmel die Diagnose trifft: Multiple Sklerose (MS).<br />

Doch sie lässt sich von der Krankheit nicht einschüchtern, lebt ihr Leben und blickt positiv in die Zukunft. Mittlerweile<br />

spricht Anna Kraft öffentlich über MS und macht damit auch vielen anderen Betroffenen Mut. Text Miriam Rauh<br />

Frau Kraft, im Jahr 2015 wurde bei Ihnen eine Multiple<br />

Sklerose diagnostiziert. Wie kam es dazu?<br />

Ich saß beim Friseur, als mein Bein einschlief und sehr<br />

unangenehm kribbelte; es wurde auch nicht besser,<br />

als ich zum Auto ging. Zu Hause nahm ich erst mal<br />

eine heiße Dusche. Ich dachte, ich hätte mir einen<br />

Nerv eingeklemmt, aber ich spürte auf einer Seite das<br />

warme Wasser nicht. Das fand ich seltsam. Weil ich am<br />

nächsten Tag für einen Dreh fit sein wollte und kein<br />

Orthopäde aufhatte, fuhr ich ins Krankenhaus. Zwölf<br />

Stunden später hatte ich die Diagnose: Multiple Sklerose.<br />

Ich blieb dann fast zwei Wochen in der Klinik.<br />

Was wussten Sie bis zu diesem Zeitpunkt über<br />

die Erkrankung?<br />

Von MS hatte ich vorher nie etwas gehört. Die Ärztin<br />

klärte mich auf, dass es eine Autoimmunerkrankung<br />

ist, die man heute gut behandeln kann, aber ich war<br />

zunächst völlig überfordert. Meine Ohren rauschten,<br />

ich hörte kaum, was sie sagte. Noch mehr schockierte<br />

mich allerdings das Bild auf der Broschüre, die<br />

ich in die Hand gedrückt bekam. Auf dem Cover war<br />

ein Rollstuhl, das hat mich richtig erschlagen. Ich<br />

war 30, hatte Leistungssport gemacht – das Bild vom<br />

Rollstuhl hat sich mir eingebrannt.<br />

Haben Sie sich medizinisch aufgefangen gefühlt?<br />

Je länger ich mich mit Fachinformationen beschäftigte,<br />

desto besser wurde es; auch mein behandelnder<br />

Arzt hat mich gut aufgeklärt. Zum Glück<br />

gibt es seit zehn Jahren wirksame Medikamente,<br />

sodass man mit der Diagnose nicht automatisch<br />

im Rollstuhl landet. Sehr geholfen haben mir auch<br />

die Gespräche mit Prof. Dr. Hemmer vom Klinikum<br />

rechts der Isar. Er befasst sich jeden Tag mit dieser<br />

Krankheit und ist Experte – das gab mir das Vertrauen,<br />

mich sofort auf die Therapie einzulassen. Nach<br />

einem Jahr waren die Medikamente bei mir gut eingestellt<br />

und ich habe gelernt, mit der MS zu leben.<br />

Sie sind mit Ihrer Erkrankung an die Öffentlichkeit<br />

gegangen. Was war ausschlaggebend dafür?<br />

„Warum ich?“, diese Frage stellt man sich anfangs.<br />

Aber darauf gibt es keine Antwort. Und dann geht<br />

es darum, mit dem ungebetenen Gast, der jetzt im<br />

Wohnzimmer sitzt, umzugehen. Ich wollte einfach<br />

mein Leben leben, weitermachen, auch in meinem<br />

Job. Erst 2021 habe ich meinem Arbeitgeber und<br />

meinen Kollegen von der MS erzählt. Es hat gedauert,<br />

bis ich alles verarbeitet hatte und selbst wusste,<br />

was die Diagnose für mich bedeutet.<br />

In der MS-Forschung hat sich in den letzten<br />

Jahren viel getan. Haben Sie die MS mit Medikamenten<br />

unter Kontrolle?<br />

Anfangs war ich monatlich im Krankenhaus, jetzt nur<br />

noch zweimal im Jahr. Bei den Medikamenten hat sich<br />

tatsächlich in den letzten zehn Jahren sehr viel getan,<br />

es gibt große medizinische Fortschritte. Vielleicht auch<br />

deswegen, weil es zunehmend mehr Erkrankte gibt.<br />

Über die Ursachen weiß man bis heute wenig.<br />

In den Jahren 2018 und 2020 kamen Ihre Töchter<br />

zur Welt. Wie haben sich die Schwangerschaften<br />

auf Ihre Krankheit ausgewirkt?<br />

Sehr positiv! Während meiner Schwangerschaft hatte<br />

ich auch keine Fatigue. Ich kämpfte mit Übelkeit<br />

wie andere Schwangere auch, nicht mit den Symptomen<br />

der MS. Es ging mir fantastisch. Ich konnte<br />

auch meine Medikamente absetzen, als der Körper<br />

seinen Eigenschutz durch die Schwangerschaft aufgebaut<br />

hatte. Nach der Geburt habe ich allerdings<br />

recht zügig wieder mit den Medikamenten angefangen,<br />

damit kein Schub kommt.<br />

Sie sind sehr sportlich, beruflich erfolgreich und<br />

eine echte Powermama. Wie gehen Sie mit der<br />

Fatigue um?<br />

Fatigue macht mir im Alltag schon zu schaffen und<br />

schränkt mich ein, sogar nach zwölf Stunden Schlaf.<br />

Leider lässt sich Fatigue weder mit Kaffee noch mit Vitamin<br />

D beseitigen. Damit ich keine Migräne bekomme,<br />

räume ich mir Pausen ein und gehe früh schlafen.<br />

Sie leben Ihr Leben und blicken positiv in die Zukunft.<br />

Damit sind Sie ein Vorbild für viele. Haben<br />

Sie einen Rat für andere Betroffene?<br />

Ich finde es wichtig, Multiple Sklerose zu entmystifizieren<br />

und offen mit der Erkrankung umzugehen.<br />

Man kann sie nicht wegschieben, sie gehört zum<br />

Leben und es gibt heute gute Medikamente.<br />

Aufgeben ist keine Option!<br />

FOTO: DIRK SPATH<br />

Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit der AYUS MEDICAL GROUP AG entstanden.<br />

Blutplasmareinigung eröffnet<br />

neue Therapie-Optionen<br />

Multiple Sklerose stellt die verbreitetste autoimmun bedingte, chronisch-entzündliche Erkrankung<br />

des zentralen Nervensystems dar. Die Ursachen sind bis heute noch nicht geklärt. Allerdings spielt<br />

das Abwehrsystem des Körpers, das Immunsystem, eine zentrale Rolle. Eine Fehlsteuerung innerhalb<br />

des Immunsystems löst die Bildung von relevanten Abwehrelementen die am Myelin, den Nervenzellen<br />

und ihren Nervenfasern, Schädigungen und Störungen verursachen können. Text Anna Derbsch<br />

Im Interview sprechen wir mit Dr. Anton<br />

Ilin, Facharzt für Anästhesiologie und<br />

leitender Arzt im Ayus INUSpherese<br />

Zentrum Basel, über das Behandlungsverfahren<br />

der INUSpherese®, einer<br />

Doppel-Membran-Filtration und warum<br />

diese für MS Patienten eine echte Option<br />

sein kann.<br />

Die INUSpherese®, umgangssprachlich<br />

auch „Blutwäsche“ genannt, ist<br />

ein auf der anerkannten Apherese-<br />

Therapie basierendes und seit 2009<br />

weiter entwickeltes Behandlungsverfahren,<br />

das bei verschiedenen chronischen<br />

Erkrankungen zum Einsatz<br />

Dr. Anton Ilin<br />

Facharzt für<br />

Anästhesiologie und<br />

leitender Arzt im<br />

Ayus INUSpherese<br />

Zentrum Basel<br />

kommt. Was kann man sich unter<br />

dieser Methode vorstellen?<br />

Die Filtrationstherapie nutzt zwei Filter,<br />

um das Blut zu reinigen. Der erste Filter<br />

trennt feste Bestandteile vom Plasma.<br />

Im zweiten Filter wird das Plasma durch<br />

die spezielle Membran TKM 58 geleitet.<br />

Diese Membran erkennt pathogene Stoffe<br />

aufgrund von Gewichts-, Größen- und<br />

Formunterschieden und filtert sie<br />

heraus. Die Wirksamkeit der Filtration<br />

ist abhängig von der Oberfläche der<br />

Membran sowie der Größe der Poren, die<br />

festlegen, welche Stoffe und in welchem<br />

Umfang sie herausgefiltert werden.<br />

Warum ist sie für MS Patienten eine<br />

echte Option?<br />

Die INUSpherese®-Therapie ist vielversprechend<br />

für MS-Patienten, da sie<br />

bekannte Faktoren wie Entzündungsmediatoren,<br />

Antikörper und proinflammatorische<br />

Zytokine effektiv herausfiltert.<br />

Sie reduziert auch zirkulierende Immunkomplexe,<br />

die degenerative Prozesse<br />

auslösen können. Die Therapie reduziert<br />

auch toxische Substanzen, optimiert<br />

die Mikrozirkulation und verbessert die<br />

Sauerstoffversorgung, um degenerative<br />

Schäden zu verlangsamen. Optional<br />

können während der Therapie spezifische<br />

Medikamente in den Blutkreislauf<br />

von MS-Patienten eingebunden werden.<br />

Wie läuft die Behandlung konkret ab<br />

und wann stellen sich Erfolge ein?<br />

Die INUSpherese®-Therapie ist schonend<br />

und schmerzarm. Zwei Infusionsleitungen<br />

werden in die Armbeugen gelegt und das<br />

Blut durchläuft ein Einweg-Filtersystem,<br />

das es einmal komplett filtert. Es handelt<br />

sich nicht um einen Plasmaaustausch und<br />

es gehen keine Elektrolyte oder Immunkörper<br />

verloren. Es ist keine Zufuhr von Ersatzlösungen<br />

erforderlich. Die Dauer variiert<br />

je nach Volumen und Art der Behandlung,<br />

kann jedoch in der Regel nach 2 bis<br />

2½ Stunden abgeschlossen sein. Die medikamentöse<br />

Nachsorge hängt von der individuellen<br />

Situation des Patienten ab.<br />

Für zusätzliche Informationen, detaillierte<br />

Einblicke oder ein Beratungsgespräch<br />

besuchen Sie uns unter www.ayus.group


8<br />

Lesen Sie mehr auf gesunder-koerper.info<br />

Breite Auswahl an Akutmedikation bietet<br />

neue Chancen für Migräne-Betroffene<br />

Im Dezember 2022 wurde die neue Leitlinie der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) und der<br />

Deutschen Gesellschaft für <strong>Neurologie</strong> (DGN) zur Akutbehandlung und Prophylaxe der Migräne vorgestellt.<br />

Text Priv.-Doz. Dr. med. Charly Gaul<br />

Die Migräne ist die Kopfschmerzerkrankung,<br />

die am häufigsten<br />

zum Arztbesuch führt.<br />

Frauen sind häufiger<br />

betroffen als Männer. Meist kommt<br />

es zu halbseitigen, starken pochenden<br />

Kopfschmerzen begleitet von<br />

Licht- und Geräuschempfindlichkeit<br />

sowie Übelkeit. Die Attacken<br />

können bis zu drei Tage andauern.<br />

Immer noch gibt es Betroffene, die<br />

ihre starken Migräneattacken nicht<br />

gut in den Griff bekommen, dabei<br />

haben sich die Möglichkeiten der<br />

Akuttherapie deutlich verbessert<br />

und werden durch neu zugelassene<br />

Medikamente, von denen eines seit<br />

dem 1. März 2023 auch in Deutschland<br />

erhältlich ist, verbessert.<br />

Viele Betroffene kommen mit<br />

Schmerzmitteln wie Ibuprofen,<br />

ASS oder der Kombination aus ASS,<br />

Paracetamol und Coffein, wenn<br />

diese ausreichend hoch dosiert sind<br />

und frühzeitig bei einem Anfall<br />

eingenommen werden, gut zurecht.<br />

Reichen diese nicht aus, kann ein<br />

Triptan (Migränemittel) eingenommen<br />

werden. Frei verkäuflich<br />

stehen in der Apotheke mittlerweile<br />

drei Triptane (Sumatriptan in der<br />

50-mg-Dosierung, Almotriptan 12,5<br />

mg, Naratriptan 2,5 mg) zur Verfügung,<br />

sodass Migränebetroffene<br />

auch selbstständig Erfahrungen mit<br />

einem Migränemittel sammeln können.<br />

Alle sieben weltweit verfügbaren<br />

Triptane sind auch in Deutschland<br />

erhältlich. Vorteilhaft ist, dass<br />

diese als Tabletten und Schmelztablette<br />

(Zolmitriptan und Rizatriptan)<br />

sowie als Nasenspray (Sumatriptan<br />

Priv.-Doz. Dr. med.<br />

Charly Gaul<br />

Generalsekretär<br />

der Deutschen<br />

Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft<br />

(DMKG)<br />

c/o Kopfschmerzzentrum<br />

Frankfurt<br />

und Zolmitriptan) und zur Injektion<br />

unter die Haut (Sumatriptan 3 mg<br />

oder 6 mg) zur Verfügung stehen.<br />

Durch das Ausprobieren mehrerer<br />

Triptane auch in den unterschiedlichen<br />

Darreichungsformen kann<br />

die Mehrzahl der Betroffenen ihre<br />

Migräne gut behandeln.<br />

Triptane können jedoch nicht<br />

eingesetzt werden, wenn Herz-<br />

Kreislauf-Erkrankungen (zum<br />

Beispiel ein Myokardinfarkt oder<br />

ein Schlaganfall) bestehen. Außerdem<br />

vertragen manche Menschen<br />

Triptane nicht gut. Seit 1. März 2023<br />

ist nun Lasmiditan in der Apotheke<br />

verfügbar. Dieses Medikament kann<br />

in verschiedenen Dosierungen zur<br />

Akutbehandlung der Migräne eingesetzt<br />

werden. Da es keine Wirkung<br />

auf die Gefäßweite hat, kann es auch<br />

von Patienten mit Gefäßerkrankungen<br />

wie koronarer Herzerkrankung<br />

eingenommen werden. Darüber<br />

hinaus sprechen möglicherweise<br />

auch Betroffene auf das Medikament<br />

an, die von einem Triptan keine<br />

gute Wirkung erfahren haben. Bei<br />

der Mehrzahl der Betroffenen ist<br />

das Medikament gut verträglich, da<br />

es jedoch zu Benommenheit und<br />

Schwindel führen kann, darf in den<br />

acht Stunden nach der Einnahme<br />

kein Kraftfahrzeug geführt werden.<br />

Zugelassen ist außerdem Rimegepant,<br />

welches ebenfalls Betroffenen<br />

helfen kann, die mit einem<br />

Triptan nicht zurechtkommen,<br />

dieses Medikament ist jedoch noch<br />

nicht in Deutschland in der Apotheke<br />

erhältlich.<br />

Weitere Neuigkeiten sind<br />

im Bereich der Prophylaxe zu<br />

verzeichnen. So kann einer der<br />

monoklonalen Antikörper (Erenumab),<br />

der sich gegen den CGRP-<br />

Rezeptor richtet, nun frühzeitiger<br />

eingesetzt werden, und ein<br />

weiterer monoklonaler Antikörper,<br />

der sich direkt gegen CGRP richtet<br />

(Eptinezumab) ist seit Herbst 2022<br />

auch in Deutschland verfügbar.<br />

Dieses Medikament wird alle drei<br />

Monate als Infusion verabreicht<br />

und ist durch einen raschen Eintritt<br />

der prophylaktischen Wirkung<br />

gekennzeichnet.<br />

Die neue Migräneleitlinie stellt<br />

auch die etablierten Möglichkeiten<br />

nicht-medikamentöser Therapieverfahren<br />

vor. Entspannungsverfahren<br />

wie die progressive Muskelrelaxation<br />

nach Jacobson und Methoden<br />

der Verhaltenstherapie wie der<br />

Umgang mit Alltagsstress, aber auch<br />

Psychotherapie können ebenso wie<br />

Biofeedback helfen, die Kopfschmerzhäufigkeit<br />

zu reduzieren. Auch<br />

Ausdauersport zeigt eine migräneprophylaktische<br />

Wirkung. Sinnvoll<br />

ist es hier, das Training zunächst mit<br />

niedriger Intensität, dafür aber regelmäßig<br />

(zum Beispiel dreimal pro<br />

Woche) zu beginnen, da für Untrainierte<br />

ungewohnte Überanstrengung<br />

auch mit dem Auslösen von<br />

Attacken einhergehen kann. Ein<br />

weiteres nicht-medikamentöses<br />

Verfahren ist die elektrische Stimulation<br />

von Nervenendästen des<br />

N. trigeminus (Gesichtsnerven) an<br />

der Stirn, ein Verfahren, für dessen<br />

Einsatz mittlerweile Studiendaten<br />

sowohl zur Akutbehandlung als auch<br />

zur vorbeugenden Therapie der<br />

Migräne vorliegen.<br />

BUCHTIPP<br />

In diesem Ratgeber geben<br />

Kopfschmerzexperten, die<br />

aus der täglichen Arbeit wissen,<br />

was wichtig ist, in verständlicher<br />

Sprache die Informationen<br />

zu Migräne, Kopfschmerz<br />

vom Spannungstyp, Clusterkopfschmerz<br />

und anderen<br />

Erkrankungen, die Ihnen<br />

weiterhelfen können. Ausführlich<br />

werden Medikamente<br />

zur Schmerzbehandlung und<br />

Vorbeugung erläutert. Ein<br />

besonderer Schwerpunkt liegt<br />

auf den nicht-medikamentösen<br />

und psychologischen Verfahren,<br />

die langfristig entscheidend für<br />

den Therapieerfolg sind.<br />

Dieses Buch können Sie in jeder<br />

Buchhandlung bestellen.<br />

ISBN 978-3-940615-661-9<br />

Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit der<br />

Lundbeck GmbH entstanden.<br />

Mehr vom Leben<br />

trotz Migräne<br />

„Stell dich nicht so an!“ – für<br />

Menschen, die nicht an Migräne<br />

leiden, sind die starken Schmerzen<br />

und Beeinträchtigungen<br />

einer Migräne oft schwer vorstellbar,<br />

für Patient:innen ist<br />

der Leidensdruck häufig jedoch<br />

sehr hoch. Mittlerweile gibt es<br />

Hoffnung: Moderne Therapien<br />

können helfen, Lebensqualität<br />

zurückzugewinnen. 1<br />

Text Maria Meyers<br />

Migräne gilt nach wie vor als unterdiagnostiziert<br />

und untertherapiert. 2<br />

Deshalb ist es wichtig, dass Betroffene<br />

mit ihrem Arzt bzw. ihrer Ärztin sprechen,<br />

wenn sie den Verdacht haben, an<br />

Migräne erkrankt zu sein. Mit einem Migränetagebuch<br />

können die Beschwerden<br />

detailliert festgehalten werden. 3 Dies<br />

kann dem Arzt bzw. der Ärztin helfen,<br />

eine Diagnose zu stellen und einen geeigneten<br />

Therapieplan zu entwickeln.<br />

Attacken lindern und vorbeugen<br />

In der Behandlung der Migräne unterscheidet<br />

man zwischen Akuttherapie<br />

und Prophylaxe. Präparate zur Akuttherapie<br />

zielen darauf ab, Beschwerden<br />

schnell und effektiv zu lindern. 1<br />

Allerdings kann ein Übergebrauch die<br />

Migräne verschlimmern. 4 Ziel einer<br />

Migräneprophylaxe ist es, die Häufigkeit,<br />

Schwere und Dauer der Attacken zu<br />

reduzieren. 1 Sie ist vor allem dann sinnvoll,<br />

wenn die Attacken häufig auftreten,<br />

ein hoher Leidensdruck besteht und<br />

die Lebensqualität stark eingeschränkt<br />

ist. Hierfür gibt es unterschiedliche<br />

FOTO: ANTONIO GUILLEM/SHUTTERSTOCK<br />

Wieder am Leben teilnehmen kann dank Migräneprophylaxe möglich sein.<br />

Therapieoptionen. 1 In den letzten Jahren<br />

sind innovative, speziell für die Migräneprophylaxe<br />

entwickelte Medikamente<br />

neu auf den Markt gekommen, die sogenannten<br />

CGRP(Calcitonin Gene-Related<br />

Peptide)-Antikörper. Diese blockieren<br />

den Botenstoff CGRP, welcher bei Migräne<br />

eine zentrale Rolle spielt. 1<br />

Menschen, die unter Migräne leiden,<br />

müssen also nicht verzweifeln. Mit einer<br />

wirksamen Prophylaxe, der richtigen<br />

Akutmedikation und einem veränderten<br />

Lebensstil können Patient:innen einen<br />

Weg zurück ins Leben finden.<br />

Für ein Migränetagebuch und<br />

weitere Informationen besuchen<br />

Sie migraene-prophylaxe.de<br />

oder scannen Sie den nebenstehenden<br />

QR-Code.<br />

1) Diener HC et al., Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe<br />

der Migräne, S1-Leitlinie, 2022, in: Deutsche Gesellschaft für<br />

<strong>Neurologie</strong> (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in<br />

der <strong>Neurologie</strong>. Online: https://dgn.org/leitlinien (abgerufen am<br />

30.01.2023).<br />

2) Martin VT et al.; Annals of Medicine 2021; 53(1): 1969–1980.<br />

3) Eigenbrodt AK et al. Diagnosis and management of migraine in<br />

ten steps. Nat Rev Neurol 2021.<br />

4) Diener H.-C., Kropp P. et al., Kopfschmerz bei Übergebrauch<br />

von Schmerz- oder Migränemitteln (Medication<br />

Overuse Headache = MOH), S1-Leitlinie, 2022; in: Deutsche<br />

Gesellschaft für <strong>Neurologie</strong> (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik<br />

und Therapie in der <strong>Neurologie</strong>. Online: www.dgn.org/leitlinien<br />

(abgerufen am 09.02.2023).


Lesen Sie mehr auf gesunder-koerper.info 9<br />

Wie wir gemeinsam<br />

mit Migräne leben<br />

FOTO: CCPLATZ<br />

Mein Mann hat Migräne. Und wir leben ein erfülltes,<br />

zufriedenes und abwechslungsreiches Leben. Dass ich das<br />

einmal schreiben kann, hätte ich vor ein paar Jahren nicht<br />

gedacht, wenn auch gehofft. Der Weg bis hierhin war steinig,<br />

gewunden, oftmals bergauf. Doch wir haben es geschafft.<br />

Ganz viel aus eigener Kraft, aber auch mit Hilfe.<br />

Text Svenja Platz<br />

Das bedeutet nicht, dass<br />

heute immer alles gut ist.<br />

Vielmehr bedeutet es zu<br />

verstehen: Es ist okay,<br />

dass nicht immer alles gut<br />

ist. Wir haben gelernt, die Migräne zu<br />

akzeptieren. Nicht gegen sie anzukämpfen,<br />

sondern mit ihr zu leben. Auf sie<br />

einzugehen und gleichzeitig nicht die<br />

Kontrolle an sie abzugeben.<br />

Angefangen hat unser Weg so wie der<br />

vieler anderer sicherlich auch: Ohne<br />

eine eindeutige Diagnose, lange auf der<br />

Suche nach der einen Ursache – der<br />

verrenkte Nacken, der eine Nährstoffmangel,<br />

der eine Stressfaktor, den es<br />

nur ausfindig zu machen gilt, und dann<br />

wäre der Spuk endlich vorbei. Doch so<br />

kam es nicht. Migräne ist eine komplexe<br />

neurologische Erkrankung. Das eine<br />

Heilmittel gibt es nicht.<br />

Das zu verstehen, in Kombination mit<br />

fachkundigen Ärzt:innen und einer (endlich!)<br />

korrekten Diagnose, war für uns<br />

damals der Startschuss für einen Umgang<br />

mit dieser Erkrankung. Einer, der zugegeben<br />

schmerzhaft in den Ohren hallte,<br />

der uns aber in die richtige Richtung<br />

lenkte. Wir wussten, dass es nicht länger<br />

Sinn machte, die Ursache im Außen zu<br />

suchen, sondern wir aus uns heraus Verantwortung<br />

übernehmen mussten.<br />

Der erste Schritt bestand darin, sich<br />

Wissen anzueignen – über die Migräne<br />

und den Umgang mit ihr. Lernen, welche<br />

Therapiemöglichkeiten es gibt, und<br />

herausfinden, welche Maßnahmen für<br />

einen selbst geeignet sind. Allein, dass<br />

ich all diese Dinge auch gelernt habe, hat<br />

meinem Mann eine ganz große Last von<br />

den Schultern genommen. Denn so war<br />

er nicht mehr allein damit.<br />

Ebenso wichtig war und ist für uns<br />

die Kommunikation miteinander. Mal<br />

ehrlich: Eine Partnerschaft ist immer<br />

auch harte Arbeit. Harmonie kommt<br />

selten ganz von allein. Und das ist<br />

normal und okay. Wenn dann noch eine<br />

Herausforderung wie eine chronische<br />

Krankheit hinzukommt, ist Beziehungsarbeit<br />

unerlässlich. Jeder empfindet und<br />

verarbeitet diese Situation individuell.<br />

Hat ganz eigene Bedürfnisse. Uns hat<br />

es bisher immer sehr geholfen, diese<br />

mitzuteilen, um aufeinander Rücksicht<br />

zu nehmen und sich gegenseitig zu<br />

verstehen.<br />

Heute sind wir ein eingespieltes Team<br />

und haben die vorbeugenden Maßnahmen<br />

in unseren Alltag integriert.<br />

Neben regelmäßiger Bewegung an der<br />

frischen Luft und Entspannungstraining<br />

ist die Ernährung für meinen Mann<br />

eine wichtige Säule in der Migränevorbeugung.<br />

Regelmäßige, ausgewogene<br />

Mahlzeiten sind für ihn unerlässlich und<br />

etwas, wo ich als Angehörige sehr gut<br />

unterstützen kann. Gemeinsam machen<br />

wir einen Wochenplan, ich übernehme<br />

das Einkaufen, und die Zubereitung<br />

teilen wir uns nach Kräften auf.<br />

Mit Wissen, Akzeptanz sowie viel Arbeit<br />

miteinander und an uns selbst haben<br />

wir unseren Weg gefunden. Wir gehen<br />

ihn Hand in Hand und tragen uns<br />

gegenseitig.<br />

Wenn du uns ein Stück auf unserem Weg<br />

begleiten möchtest, folge mir doch bei<br />

Instagram. Auf @migraene.begleiten teile<br />

ich unsere Erfahrungen und berichte aus<br />

unserem Leben mit Migräne.<br />

Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit der PERFOOD GMBH entstanden.<br />

Kontrolle über die eigene Migräne<br />

durch individuelle Ernährung<br />

Die Neurologin Dr. Astrid Gendolla erklärt am Beispiel Ernährung, wie Migränepatient:innen<br />

mehr Sicherheit im Alltag gewinnen können, und blickt auf die Migränemedizin der Zukunft.<br />

Text Ulrike Voß<br />

dabei zur Seite stehen. Die App sin-<br />

Cephalea zum Beispiel ermittelt über<br />

Blutzuckerdaten, welche Mahlzeiten<br />

das Gehirn gleichmäßig mit Energie<br />

versorgen und ganz individuell Migräne<br />

vorbeugen. Weil es sich um eine sogenannte<br />

Digitale Gesundheitsanwendung<br />

(DiGA) handelt, werden die Kosten von<br />

den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.<br />

Frau Dr. Gendolla, warum hat<br />

Ernährung überhaupt einen Einfluss<br />

auf Migräne?<br />

Unser Gehirn kann Energie nicht speichern.<br />

Deshalb will es immer gleichmäßig<br />

mit Energie versorgt werden und<br />

greift auf einen Kraftstoff zurück, der in<br />

unserem Blutkreislauf verfügbar ist: den<br />

Blutzucker. Doch je nachdem, wie unser<br />

Stoffwechsel individuell mit einer Mahlzeit<br />

klarkommt, schwankt der Blutzuckerspiegel.<br />

Und genau solche Schwankungen<br />

in der Energieversorgung gelten<br />

als Ursache dafür, dass das Gehirn in<br />

einen Energiesparmodus wechselt, der<br />

Migräne auslösen kann.<br />

Dr. med. Astrid<br />

Gendolla<br />

Fachärztin für<br />

<strong>Neurologie</strong>, Spezielle<br />

Schmerztherapie und<br />

Psychotherapie<br />

Welche Lebensmittel sind das?<br />

Unser Blutzuckerspiegel reagiert ganz<br />

unterschiedlich, deshalb lässt sich das<br />

nicht pauschal beantworten. Wenn<br />

Betroffene aber wissen, dass es diesen<br />

Zusammenhang von Blutzucker und<br />

Migräne gibt, können sie nach individuellen<br />

Lösungen suchen. Hinzu kommt,<br />

dass viele Migränepatient:innen oft auf<br />

geliebte Mahlzeiten verzichten, obwohl<br />

sie für den eigenen Organismus keine<br />

Migränetrigger darstellen. Die Reaktion<br />

unseres Stoffwechsels auf ein Lebensmittel<br />

ist häufig entscheidender als das<br />

Lebensmittel selbst.<br />

Was raten Sie Migränepatient:innen?<br />

Betroffene hören oft, dass sie auf eine<br />

ausgewogene Ernährung mit möglichst<br />

regelmäßigen Mahlzeiten achten sollten.<br />

Die Forschung ist da aber schon weiter<br />

und kann Ernährungsempfehlungen<br />

sehr individuell gestalten. Innovative<br />

digitale Tools können Patient:innen<br />

Also Selbstbestimmtheit auf Rezept?<br />

Es hilft Migränepatient:innen ungemein,<br />

wenn sie Kontrolle über ihre<br />

Migräne bekommen. Wenn man<br />

bedenkt, wie wenig Zeit wir Ärzt:innen<br />

in der Sprechstunde haben, sind digitale<br />

Helfer ein unverzichtbares Tool für<br />

Empowerment in der Migränetherapie<br />

– ein Empowerment abseits von<br />

Tabletten, Tropfen und Spritzen.<br />

Mehr Informationen<br />

finden Sie unter<br />

sincephalea.de


10<br />

Lesen Sie mehr auf gesunder-koerper.info<br />

Schlaganfall durch<br />

Vorhofflimmern<br />

Beim Auftreten eines Schlaganfalls werden Teile<br />

des Gehirns nicht mehr richtig durchblutet. Ursache<br />

dafür ist eine Gefäßverstopfung durch ein Blutgerinnsel<br />

(sog. ischämischer Schlaganfall) oder eine Einblutung<br />

durch das Platzen eines Gefäßes (sog. hämorrhagischer<br />

Schlaganfall).<br />

FOTO: TANYAJOY/SHUTTERSTOCK<br />

mischen Schlaganfall dar. Bei dieser<br />

Herzrhythmusstörung breiten sich die<br />

Herzströme nicht mehr koordiniert<br />

in den Herzvorhöfen aus, sondern als<br />

Wellen. Dadurch schlägt das Herz unrhythmisch<br />

und schnell. Das Blut in den<br />

Herzvorhöfen wird nicht mehr komplett<br />

ausgeworfen und es bilden sich Wirbel,<br />

welche wiederum zum Verklumpen von<br />

Blutbestandteilen, sogenannten Gerinnseln,<br />

führen. Beim Wechsel in den<br />

normalen Rhythmus (Sinusrhythmus)<br />

oder bei körperlichen Anstrengungen<br />

werden diese in den Körperkreislauf geschwemmt<br />

und verstopfen Blutgefäße.<br />

Bestimmte Herzerkrankungen, wie<br />

Herzmuskelschwäche (Herzinsuffizienz),<br />

Verengungen der Herzkranzgefäße,<br />

Herzklappenerkrankungen oder<br />

eine Herzmuskelentzündung, begünstigen<br />

das Auftreten von Vorhofflimmern.<br />

Auch der Genuss von Alkohol erhöht das<br />

Vorhofflimmerrisiko, so zeigten Daten<br />

einer Metaanalyse, dass bereits zwölf<br />

Gramm Alkohol pro Woche das Schlaganfallrisiko<br />

verdoppeln.<br />

Vorhofflimmern kann anfallartig für<br />

mehrere Minuten bis Stunden oder<br />

dauerhaft auftreten. Die Betroffenen<br />

bemerken dabei plötzlich einsetzendes<br />

Herzholpern oder -rasen, Schwindel,<br />

Atemnot oder Schweißausbrüche.<br />

Häufig unbemerkt<br />

Oft wird das Vorhofflimmern bei kurzer<br />

Dauer gar nicht bemerkt und erst im<br />

Dr. med.<br />

Jana Boer<br />

Fachärztin für Innere<br />

Medizin und Kardiologie,<br />

Stv. Bundesvorsitzende<br />

BNK<br />

(Bundesverband<br />

Niedergelassener<br />

Kardiologen e. V.)<br />

Rahmen der Ursachensuche für einen<br />

erlittenen Schlaganfall entdeckt. Die<br />

Herzrhythmusstörung fällt dann zufällig<br />

beim Pulsfühlen oder Schreiben eines<br />

EKG (Elektrokardiogramm) auf. Eine<br />

möglichst frühzeitige Diagnostik kann<br />

also Schlaganfälle durch frühzeitige<br />

Therapieeinleitung verhindern.<br />

Etabliert hat sich aufgrund neuester<br />

wissenschaftlicher Erkenntnisse die<br />

Aufzeichnung eines kontinuierlichen<br />

EKG über drei bis sieben Tage. Aber<br />

auch moderne Wearables wie zum<br />

Beispiel Smartphones und Smartuhren<br />

mit EKG-Tracking können bisher<br />

unentdecktes Vorhofflimmern anzeigen.<br />

Bei sehr seltenen Vorhofflimmerepisoden<br />

kann ein sogenannter Loop-Recorder<br />

dauerhaft für ca. zwei bis drei Jahre<br />

unter der Haut implantiert werden.<br />

Patienten mit entdecktem Vorhofflimmern<br />

müssen einer Risikobewertung für<br />

das Auftreten eines Schlaganfalles<br />

unterzogen werden. Dabei empfiehlt die<br />

Fachgesellschaft den sogenannten<br />

CHA2DS2-VASC-Score.<br />

Text Dr. med. Jana Boer<br />

Durch das verstopfte Gefäß<br />

oder die Einblutung kommt es<br />

zum Ausfall der betroffenen<br />

Hirnareale, was zu Lähmungen,<br />

Sprach- oder Sehverlust, aber auch<br />

zum Tod führen kann. 2,5 Prozent der<br />

erwachsenen Menschen in Deutschland<br />

hatten bereits einen Schlaganfall und<br />

jährlich sind 117 Frauen und 127 Männer<br />

pro 100.000 Einwohner betroffen.<br />

Zu den wichtigsten Risikofaktoren<br />

gehört neben Bluthochdruck, Rauchen,<br />

Diabetes mellitus, Übergewicht und<br />

Fettstoffwechselstörung die häufigste<br />

Rhythmusstörung, das Vorhofflimmern.<br />

Der ischämische Schlaganfall ist mit 80<br />

Prozent der Fälle die häufigste Schlaganfallursache.<br />

Die Symptome eines Schlaganfalles<br />

sind oft akute starke Kopfschmerzen,<br />

Schwindel, Sprach- oder Sehstörungen<br />

sowie Taubheits- und Lähmungsgefühl<br />

in einer Körperhälfte. Oft kündigt sich<br />

der Schlaganfall mit ähnlichen Symptomen<br />

bereits Tage vorher an.<br />

Risikofaktor Vorhofflimmern<br />

Mit 20 bis 30 Prozent aller ischämischen<br />

Schlaganfälle stellt das Vorhofflimmern<br />

eine häufige Ursache für einen ischä-<br />

CHA 2 DS 2 -VASC-SCORE<br />

RISIKOFAKTOREN UND DEFINITIONEN<br />

C<br />

Herzinsuffizienz oder objektive Hinweise auf eine mittelschwere bis schwere LV-<br />

Dysfunktion oder hypertrophe Kardiomyopathie<br />

PUNKTE<br />

H Bluthochdruck oder unter antihypertensiver Therapie 1<br />

A Alter 75 Jahre oder älter 2<br />

D<br />

Diabetes mellitus Behandlung mit oralen Antidiabetika und/oder Insulin oder<br />

Nüchtern-Blutzucker > 125 mg/dl (7 mmol/l)<br />

S Schlaganfall Frühere Schlaganfälle, TIA oder Thromboembolien 2<br />

V<br />

Gefäßerkrankung Angiographisch signifikante KHK, vorausgegangener MI,<br />

periphere arterielle Erkrankung oder Plaque in der Aorta<br />

A Alter 65–74 Jahre 1<br />

Sc Geschlechtskategorie (weiblich) 1<br />

MAXIMALE PUNKTZAHL 9<br />

Bei Frauen mit einem Score von 3 und Männern mit einem Score von 2 ist unabhängig von der<br />

Häufigkeit des Auftretens von Vorhofflimmern eine lebenslange blutverdünnende Medikation<br />

zur Schlaganfallprophylaxe notwendig.<br />

Quelle: ESC Pocket Guidelines „Diagnose und Behandlung von Vorhofflimmern“ Version 2020<br />

1<br />

1<br />

1<br />

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Schlaganfall-Risiko-Analyse (SRA ® )<br />

Erkennung von Vorhofflimmern als Primärund<br />

Sekundärprävention von Schlaganfällen<br />

Wir, apoplex medical technologies, haben uns auf die Entwicklung von Software zur Unterstützung der Vorhofflimmer-Detektion<br />

spezialisiert. Unsere Schlaganfall-Risiko-Analyse SRA ® wertet EKG-Daten aus und kann so sowohl manifestes Vorhofflimmern als auch<br />

eine erhöhte Wahrscheinlichkeit auf anfallartiges (paroxysmales) Vorhofflimmern feststellen.<br />

Die innovative Erkennung erhöhter<br />

Wahrscheinlichkeit auf Vorhofflimmern<br />

unterstützt die Identifikation potenzieller<br />

Vorhofflimmer-Patienten, ermöglicht deren<br />

Nachverfolgung und somit eine möglichst<br />

zeitnahe Aufnahme von Präventionsmaßnahmen.<br />

Vorgehensweise von SRA ®<br />

Mit Hilfe eines geeigneten Gerätes werden<br />

EKG-Daten des Patienten aufgenommen.<br />

Im Anschluss werden diese EKG-Daten von<br />

der Klinik oder dem niedergelassenen Arzt<br />

an den Analyseservice SRA ® übermittelt.<br />

Die Analyseergebnisse stehen innerhalb<br />

nur weniger Minuten zur Verfügung:<br />

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Kein Vorhofflimmern entdeckt.<br />

SRA ® konnte in der gelieferten<br />

EKG-Aufnahme kein Vorhofflimmern<br />

entdecken.<br />

Erhöhte Wahrscheinlichkeit auf<br />

VHF entdeckt.<br />

SRA ® konnte kein Vorhofflimmern<br />

feststellen, kann jedoch dank<br />

unseres einzigartigen Algorithmus<br />

eine Wahrscheinlichkeit auf Vorhofflimmern<br />

berechnen. In solchen<br />

Fällen erhöht eine längere Aufzeichungsdauer<br />

der EKG-Daten<br />

die Entdeckungsrate von Vorhofflimmern.<br />

><br />

Manifestes Vorhofflimmern<br />

entdeckt.<br />

Unser kardiologisches Ärztenetzwerk<br />

übernimmt die zeitnahe Befundung<br />

der EKG-Daten. Mit Hilfe<br />

dieser kardiologischen Befundung<br />

kann Ihr Arzt nun bereits am Folgetag<br />

weitere Behandlungsentscheidungen<br />

mit Ihnen treffen.<br />

Die Effizienz von SRA ® wurde bereits vielfach<br />

in klinischen Studien unter Beweis<br />

gestellt. Es erleichtert und beschleunigt<br />

bestehende Standardvorgehen bei der<br />

Detektion von Vorhofflimmern und entlastet<br />

Ärzte, da jede Minute zählt!<br />

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Bereits über 200 Kliniken und 800 Arztpraxen<br />

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von Schlaganfällen! Leiden vielleicht<br />

auch Sie unter unerkanntem Vorhofflimmern<br />

und sind dadurch stark schlaganfallgefährdet?<br />

Wir raten die Rücksprache mit Ihrem<br />

Hausarzt – sprechen Sie ihn auf die bewährte<br />

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Weitere Informationen finden Sie unter:<br />

apoplexmedical.com


Lesen Sie mehr auf gesunder-koerper.info 11<br />

Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit der FÜRST DONNERSMARCK- STIFTUNG ZU BERLIN entstanden.<br />

Herausforderung<br />

ambulante Langzeitrehabilitation<br />

PD Dr. med. Christian Dohle spricht über die Herausforderungen der ambulanten Langzeitrehabilitation<br />

und mögliche Lösungsansätze. Text Sebastian Weinert<br />

Was sind die größten Herausforderungen<br />

in der ambulanten Nachsorge<br />

und neurologischen Langzeitrehabilitation?<br />

Gerade Patienten mit und nach neurologischen<br />

Erkrankungen haben häufig<br />

mit vielen unterschiedlichen Problemen<br />

und Gesundheitsstörungen zu kämpfen.<br />

Dabei ist die Neurorehabilitation ein<br />

wichtiger und qualitativ herausragender<br />

Bestandteil des deutschen Gesundheitssystems,<br />

der aber im Spannungsfeld<br />

von wissenschaftlichem Anspruch und<br />

politischer Umsetzbarkeit steht. Wissenschaftlich<br />

haben wir in den letzten Jahren<br />

ein hohes Niveau erreicht, sodass die<br />

Neuroreha inzwischen auf einer breiten<br />

Basis evidenzbasierter Studien arbeitet.<br />

Strukturell beruht die Neurorehabilitation<br />

in Deutschland auf dem „neurologischen<br />

Phasenmodell“. Dieses Modell, das die<br />

Rehabilitation von der Phase A bis F einteilt,<br />

ermöglicht eine hohe Behandlungsqualität.<br />

Kernelement ist die koordinierte<br />

Behandlung verschiedener Berufsgruppen,<br />

die sich gemeinsam auf Ziele und<br />

Prioritäten einigen und umsetzen.<br />

In meinem Berufsalltag habe ich jedoch<br />

immer wieder feststellen müssen, dass<br />

es uns schwerfällt, die Rehabilitationserfolge<br />

in den Phasen A bis D in der<br />

ambulanten Versorgung weiterzuführen.<br />

Das liegt nicht an der Qualität oder Kompetenz<br />

der Kollegen im ambulanten Bereich.<br />

Einer der größten Problempunkte<br />

liegt darin, dass in der ambulanten<br />

Versorgungsstruktur keine Koordination<br />

der Leistungsanbieter mehr vorhanden<br />

ist. Die Patienten müssen sich deswegen<br />

in einer Vielzahl von Angeboten und<br />

gesetzlichen Vorgaben zurechtfinden.<br />

Welche Lösungsmöglichkeiten für<br />

dieses Problem gibt es?<br />

Viele Akteure im Gesundheitswesen<br />

haben den Handlungsbedarf erkannt. Ein<br />

Lösungsansatz besteht in der Etablierung<br />

von Hilfsangeboten, um auf geeignete<br />

Maßnahmen und deren Zugangswege<br />

hinzuweisen. Ein tolles Projekt in diesem<br />

Kontext war der Servicepunkt Schlaganfall<br />

der Berliner Schlaganfall-Allianz. Dabei<br />

handelte es sich um ein niederschwelliges,<br />

sozialdienstliches Beratungsangebot für<br />

Schlaganfallpatienten und ihre Angehörigen,<br />

das sie über ihre Möglichkeiten zur<br />

PD Dr. med.<br />

Christian Dohle<br />

Leitender Arzt des<br />

P.A.N. Zentrums<br />

für Post-Akute<br />

Neurorehabilitation<br />

und Bereichsleiter<br />

Forschung der Fürst<br />

Donnersmarck-<br />

Stiftung zu Berlin.<br />

Seit Dezember<br />

2022 ist der zudem<br />

Präsident der Deutschen<br />

Gesellschaft<br />

für Neurorehabilitation<br />

(DGNR).<br />

Fortführung der Rehabilitationsmaßnahmen<br />

informierte. Leider gelang es nicht,<br />

eine dauerhafte Finanzierung für das Angebot<br />

aufzubauen. Ein ähnliches Projekt<br />

sind die Schlaganfall-Lotsen der Stiftung<br />

Deutsche Schlaganfall-Hilfe.<br />

Einen anderen Weg geht das P.A.N. Zentrum<br />

für Post-Akute Neurorehabilitation<br />

der Fürst Donnersmarck-Stiftung. In<br />

diesem Haus bringen wir in einem nachklinischen<br />

Setting alle wichtigen Bestandteile<br />

der neurologischen Langzeitrehabilitation<br />

– fachärztliche Betreuung, hochspezialisierte<br />

Therapien und pädagogische<br />

sowie pflegerische Unterstützung im<br />

Alltagskontext – unter einem Dach zusammen.<br />

Über einen Zeitraum von ca. 18 Monaten<br />

übernehmen wir damit die Koordinierungsfunktion,<br />

die im ambulanten<br />

Setting üblicherweise fehlt. Auf diese Weise<br />

lassen sich auch mit größerem zeitlichen<br />

Abstand, beispielsweise zu einem Schlaganfall,<br />

noch Verbesserungen in alltagsrelevanten<br />

Funktionen erzielen. Im Ergebnis<br />

gelingt es uns bei mehr als 70 Prozent der<br />

Rehabilitanden mit sehr schweren Einschränkungen,<br />

eine Unterbringung in einer<br />

stationären Einrichtung zu vermeiden.<br />

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Gib der Hoffnung<br />

einen Namen<br />

„Uns bleibt nicht mehr viel Zeit, um Holocaustüberlebenden Gutes<br />

zu tun. Gemeinsam können wir jetzt Zeichen der Hoffnung setzen<br />

und ihren letzten Lebensabschnitt erleichtern. Sind Sie dabei?“<br />

Klaus Dewald, Leiter von GAiN<br />

DOPPELTE FLUCHT<br />

Ilja musste in seinem Leben schon vor zwei Kriegen fliehen. Als Kind vor den Nazis, als alter Mann<br />

aus der Ukraine nach Israel. Er und seine Frau mussten mit nichts dort anfangen. Ihre Möbel sind<br />

aus dem Sperrmüll. Für Menschen wie sie vermitteln wir Paten schaften für Holocaustüberlebende<br />

in Israel.<br />

ILJAS GESCHICHTE<br />

GAiN-Germany.org/mitmachen/paten- gesucht/geschichten<br />

Tel. 0641-97518-56 oder Patenschaften@GAiN-Germany.org<br />

WWW.GAIN-GERMANY.ORG

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