Wertschätzung für ZFA
Ausgabe 4/2023
Ausgabe 4/2023
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ZBW<br />
ZAHNÄRZTEBLATT BADEN-WÜRTTEMBERG<br />
4/2023<br />
Titelthema<br />
Eine Ausbildung bietet<br />
Perspektive und Integration<br />
Fortbildung<br />
Kariesmanagement<br />
bei Erwachsenen<br />
FÜR<br />
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Tel. 0621 38000-227<br />
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Tel. 0711 7877-236<br />
BZK Tübingen<br />
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ZBW_04/2023<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
3_EDITORIAL<br />
Foto: vmf/Tanja M. Marotzke<br />
Foto: AdobeStock/Alex Mit<br />
TITELTHEMA<br />
„Wie viel verdient <strong>Wertschätzung</strong>?“, titelte die dzw im Februar<br />
dieses Jahres anlässlich der <strong>ZFA</strong>-Protestaktionen in Berlin. Und<br />
auch das Redaktionsteam des Zahnärzteblatts Baden-Württemberg<br />
stellte sich diese Frage bei der Erarbeitung der Titelthemenstrecke<br />
zum aktuellen Heft. Parallel zur Auseinandersetzung<br />
mit dem Thema <strong>Wertschätzung</strong> gegenüber den <strong>ZFA</strong> befassten<br />
wir uns zudem mit dem Fachkräftemangel. Dabei ging<br />
es uns vorrangig darum, Hintergründe herauszuarbeiten, Ursachen<br />
zu lokalisieren und Lösungsansätze zu bieten. Stehen der<br />
Fachkräftemangel und mangelnde <strong>Wertschätzung</strong> in einem<br />
kausalen Zusammenhang? Unseres Erachtens nach liegen sie<br />
zumindest nah beieinander. Ähnlich scheint dies auch die<br />
CDU/CSU-Fraktion des Bundestags zu sehen, die angesichts<br />
der gestiegenen Verbraucherpreise nun einen Zuschuss von<br />
mindestens 500 Euro <strong>für</strong> Mitarbeiter*innen im Gesundheitswesens<br />
forderte. In ihrem Antrag 20/5809 fordern sie diese Einmalzahlung<br />
<strong>für</strong> Beschäftigte im stationären und ambulanten<br />
Bereich, die bei der Zahlung des Coronabonus nicht berücksichtigt<br />
wurden. Es wäre eine schöne Geste, doch genügt sie?<br />
Der Beruf der <strong>ZFA</strong> ist ein wirklich schöner Beruf: vielseitig,<br />
verantwortungsbewusst, innovativ, mit guten Aufstiegsmöglichkeiten<br />
und zukunftssicher. Allerdings ist das Gehalt eine<br />
wichtige Stellschraube in diesem Gefüge und nahezu alle<br />
<strong>ZFA</strong>, die in diesem Heft zu Wort kommen, bemängelten ihre<br />
Entlohnung. Die aktuell hohe Inflation macht es ihnen zudem<br />
nicht leichter.<br />
Natürlich verweist die Zahnärzteschaft als Auftraggeber der<br />
<strong>ZFA</strong> in diesem Zusammenhang ebenfalls auf die gestiegenen<br />
Energie- und Materialkosten und die seit 1988 ausgebliebene<br />
Punktwertanpassung in der privaten Gebührenordnung<br />
(GOZ) – übrigens Titelthema unserer kommenden Ausgabe.<br />
Doch liegt die Heil bringende Lösung tatsächlich in der Novellierung<br />
der GOZ?<br />
Wir haben das Thema von verschiedenen Seiten beleuchtet, abgebildet,<br />
welche Ansätze die Kammer hier bereits ausgearbeitet<br />
und umgesetzt hat und wie innovativ eine Praxis in Öhringen<br />
das Thema <strong>für</strong> sich gelöst hat. Bedauerlich fanden wir die Er-<br />
gebnisse unserer Recherchen hinsichtlich der Anerkennung<br />
fremdländischer Abschlüsse und auch die fehlenden Möglichkeiten<br />
<strong>für</strong> Quereinsteiger*innen. Wir freuen uns auf Ihre Reaktion<br />
und dabei vor allem auf weitere innovative Ansätze.<br />
FORTBILDUNG<br />
Prof. Dr. Falk Schwendicke, Direktor der Abteilung Orale<br />
Diagnostik, Digitale Zahnheilkunde und Versorgungsforschung<br />
an der Charité in Berlin, bildet ab Seite 34 entscheidende<br />
Fragen hinsichtlich des Kariesmanagements bei Erwachsenen<br />
ab. Lange Zeit, so sein Ansatz, wurde Karies vor<br />
allem als Kinderkrankheit wahrgenommen. Dies geschah<br />
unter anderem deshalb, weil Karies bereits früh bei der großen<br />
Mehrzahl der Kinder auftrat und durch die hohe Zahl<br />
an bereits vorhandenen Füllungen junge Erwachsene in epidemiologischen<br />
Erhebungen keine signifikante Karieszunahme<br />
mehr verzeichnen konnten. Schließlich waren ja<br />
schon fast alle relevanten Flächen gefüllt, da sie bereits früher<br />
durch Karies befallen waren. Mittlerweile jedoch beweisen<br />
Kohortenstudien, dass die relative Karieszunahme pro<br />
vorhandener ungefüllter Zahnfläche bis ins Erwachsenenalter<br />
relativ stabil ist. Karies ist daher genauso als Erkrankung<br />
von Erwachsenen zu betrachten, wie von Kindern – und vor<br />
allem auch von Senioren.<br />
Neue Ansätze gab es auch der diesjährigen Winter-Akademie<br />
des Zahnmedizinischen Fortbildungszentrums Stuttgart<br />
(ZFZ): Erstmals wurde die Veranstaltung in hybrider Form<br />
ausgerichtet. Sie startete Ende Januar 2023 sowohl in Präsenz<br />
am neuen Austragungsort Kornwestheim als auch im<br />
Livestream, und wurde im Februar an zwei weiteren Terminen<br />
als Livestream weitergeführt. Thema der Veranstaltungsreihe<br />
war ein „Update zahnärztliche Chirurgie im Praxisalltag“.<br />
Insgesamt gab es sieben praxisorientierte Vorträge<br />
sowie eine abschließende Livediskussion, die bis Ende<br />
März zusätzlich im On-Demand-Bereich des ZFZ abgerufen<br />
werden konnte (S. 38 f.).<br />
Cornelia Schwarz<br />
»<br />
Ohne Sie läuft nichts in der Praxis –<br />
Sie sind unverzichtbar.«<br />
Prof. Dr. Christoph Benz, Präsident der Bundeszahnärztekammer (BZÄK),<br />
anlässlich der Protestaktion der <strong>ZFA</strong> in Berlin
4_INHALT<br />
ZBW_4/2023<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
INHALT<br />
TITELTHEMA<br />
LEITARTIKEL<br />
09_Fachkräftesicherung – eine der<br />
zentralen Aufgaben<br />
Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut<br />
18_Eine Ausbildung<br />
bietet Perspektive und<br />
Integration<br />
Zahnarztpraxis in<br />
Öhringen geht<br />
besonderen Weg im<br />
Azubi-Recruiting<br />
TITELTHEMA<br />
10_Berufspolitische Strategien<br />
Diskussionsrunde zum <strong>ZFA</strong>-Ausbildungsberuf<br />
20_Azubis gesucht?<br />
Azubi-Recruiting – Unterstützung über das IZZ BW<br />
21_Zwischen Wunsch und Wirklichkeit<br />
Berufsanerkennungsverfahren benötigen (zu) viel Zeit<br />
22_Gemeinsam Potenziale erschließen<br />
Fachkräfteallianz Baden-Württemberg<br />
12_<strong>ZFA</strong> Backstage Bosse – demnächst<br />
auf Sendung!<br />
Imagefilm <strong>für</strong> das Berufsbild<br />
14_Vergütungsempfehlungen angepasst<br />
Seit 1. Januar 2023<br />
BERUFSPOLITIK<br />
23_Attraktive Vergünstigungen<br />
<strong>für</strong> <strong>ZFA</strong>-Azubis<br />
AzubiCard Baden-Württemberg<br />
24_Ehrenamt mit Mehrwert <strong>für</strong> die Kolleg*innen<br />
Die Vorstandsreferent*innen der KZV BW stellen sich vor<br />
15_ „Tag <strong>für</strong> Tag sehr<br />
viel Freude“<br />
Weiterbildungsstipendium<br />
16_„Auch das ist <strong>Wertschätzung</strong>“<br />
Das ZBW-Interview mit zwei <strong>ZFA</strong>s zur aktuellen<br />
Situation<br />
26_Flagge zeigen auf großer Bühne<br />
LK Gesundheit: Krisenbewältigung im zahnärztlichen Bereich
ZBW_4/2023<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
5_INHALT<br />
BERUFSPOLITIK<br />
SOZIALES ENGAGEMENT<br />
28_ „Gute Versorgung muss im<br />
Vordergrund stehen“<br />
Gesundheitspolitiker Ullmann<br />
MdB (FDP) im Interview zu MVZ<br />
30_„CIRS dent – Jeder Zahn zählt!“<br />
Berichts- und Lernsystem jetzt auch <strong>für</strong> angestellte<br />
Zahnärzt*innen<br />
32_„Ein Labor <strong>für</strong> den Bürokratieabbau“<br />
Masterplan <strong>für</strong> die Transformation der Verwaltung<br />
FORTBILDUNG<br />
44_Arbeit im Container<br />
Hilfseinsatz auf Chios/Griechenland<br />
47_Zahnärzte und Patienten sammeln 66.000 Euro<br />
„Freie Zahnärzte im Altkreis Aalen“<br />
KULTUR<br />
34_Kariesmanagement bei Erwachsenen<br />
Die richtigen Entscheidungen<br />
51_SHIFT. KI und eine zukünftige Gemeinschaft<br />
Kunstmuseum Stuttgart<br />
INFORMATION UND SERVICES<br />
38_Update zahnärztliche Chirurgie<br />
ZFZ Winter-Akademie<br />
03_Editorial<br />
48_Praxis<br />
50_Leserforum<br />
52_Namen und Nachrichten<br />
54_Personalia<br />
58_ Amtliche Mitteilungen<br />
59_ Zu guter Letzt/<br />
Impressum<br />
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Online-Ausgabe des ZBW gibt es zusätzliche Informationen<br />
sowie ein ZBW-Archiv.<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
InformationszentrumZahnundMundgesundheit<br />
izz_bw<br />
40_Zukunftsorientierte Fortbildung<br />
21. Ulmer Herbstsymposium<br />
42_Zahnheilkunde bei multimorbiden Menschen<br />
Forum Rottweil: Mouth & More<br />
izzbadenwuerttemberg<br />
Für den Druck des Zahnärzteblatts Baden-Württemberg<br />
(ZBW) wurden ausschließlich Materialien aus<br />
FSC-zertifizierten Wäldern und/oder Recyclingmaterial<br />
aus kontrollierten Quellen verwendet.
6 _PERSPEKTIVEN<br />
ZBW_4/2023<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
MANGELWARE FACHKRÄFTE<br />
Angemessene Gehälter, mehr Anerkennung und <strong>Wertschätzung</strong> sowie eine gesicherte Finanzierung der ambulanten<br />
zahnärztlichen Regelversorgung – so lauteten die Forderungen der protestierenden <strong>ZFA</strong> in Berlin. Unterstützung<br />
erhielten die <strong>ZFA</strong> dabei unter anderen von der Bundeszahnärztekammer (BZÄK), der Kassenzahnärztlichen<br />
Bun desvereinigung (KZBV) sowie deren Vertretungen in den Bundesländern und weiteren Verbänden.<br />
Foto: vmf/Tanja M. Marotzke
ZBW_4/2023<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
PERSPEKTIVEN_7
Kursprogramm<br />
Mai – Juli 2023<br />
Jetzt online<br />
anmelden unter<br />
fortbildung.kzvbw.de<br />
KFO-Abrechnung GOZ/GOÄ<br />
Nicole Evers, Glückstadt<br />
• 9 Fortbildungspunkte<br />
• Kurs-Nr.: 23FKT10207<br />
• <strong>für</strong> das Praxisteam<br />
• € 295.-<br />
12.5.2023<br />
ONLINE: Ernährungstherapie in der<br />
Zahnarztpraxis<br />
Prof. Dr. Johan Peter Wölber, Freiburg<br />
• 5 Fortbildungspunkte<br />
• Kurs-Nr.: 23FKT31106<br />
• <strong>für</strong> das Praxisteam<br />
• € 175.-<br />
12.5.2023<br />
KFO-Laborabrechnung (BEL/BEB)<br />
Nicole Evers, Glückstadt<br />
• 9 Fortbildungspunkte<br />
• Kurs-Nr.: 23FKT10208<br />
• <strong>für</strong> das Praxisteam<br />
• € 295.-<br />
13.5.2023<br />
Implantatgestützter Zahnersatz<br />
- <strong>für</strong> fitte Senioren geplant und von<br />
gebrechlichen Senioren getragen<br />
Prof. Dr. Thorsten Mundt, Greifswald<br />
• 2 Fortbildungspunkte<br />
• Kurs-Nr.: 23FKZ30314<br />
• <strong>für</strong> Zahnärztinnen / Zahnärzte<br />
• € 75.-<br />
23.6.2023<br />
Clever und Smart mit der neuen PAR - ein Update<br />
Andrea Räuber, Mannheim<br />
• 7 Fortbildungspunkte<br />
• Kurs-Nr.: 23FKT20110<br />
• <strong>für</strong> das Praxisteam<br />
• € 345.-<br />
28.6.2023<br />
Das ABC der Abrechnung<br />
- 5 Tage Intensiv-Seminar zur richtigen<br />
Honorarabrechnung <strong>für</strong> Einsteiger<br />
Manuela Hackenberg, Mannheim<br />
• 40 Fortbildungspunkte<br />
• Kurs-Nr.: 23FKT19912<br />
• <strong>für</strong> das Praxisteam<br />
• € 1.375.-<br />
03.- 07.07.2023<br />
Adhäsive Zahnmedizin von A-Z<br />
- rundherum an einem Tag<br />
Prof. Dr. Roland Frankenberger, Marburg<br />
• 9 Fortbildungspunkte<br />
• Kurs-Nr.: 23FKZ31016<br />
• <strong>für</strong> Zahnärztinnen / Zahnärzte<br />
• € 325.-<br />
15.7.2023<br />
Keramikveneers - praktischer Arbeitskurs<br />
Prof. Dr. Jürgen Manhart, München<br />
• 15 Fortbildungspunkte<br />
• Kurs-Nr.: 23FKZ30917<br />
• <strong>für</strong> Zahnärztinnen / Zahnärzte<br />
• € 595.-<br />
21./22.07.2023<br />
FFZ Fortbildungsforum<br />
Zahnärzte<br />
Merzhauser Straße 114-116<br />
79100 Freiburg<br />
Fon: 0761 4506-160/-161<br />
Fax: 0761 4506-460<br />
Mail: info@ffz-fortbildung.de<br />
Web: www.ffz-fortbildung.de
ZBW_4/2023<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
9_LEITARTIKEL<br />
FACHKRÄFTESICHERUNG –<br />
EINE DER ZENTRALEN AUFGABEN<br />
Der Fachkräftemangel ist derzeit quer durch alle Branchen und Berufe<br />
spürbar. Aufgrund des demografischen Wandels wird die Fachkräfteknappheit<br />
voraussichtlich anhalten. Dies ist vor allem eine Herausforderung<br />
<strong>für</strong> die Unternehmen, aber auch <strong>für</strong> die Wirtschafts-, Arbeits-,<br />
Sozial- und Bildungspolitik.<br />
Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut<br />
Ministerin <strong>für</strong> Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg<br />
Fachkräftesicherung gehört zu den zentralen<br />
Zukunftsaufgaben in unserem<br />
Land. Sie ist von großer Bedeutung <strong>für</strong><br />
die Leistungs- und Innovationsfähigkeit<br />
unserer Unternehmen und damit<br />
<strong>für</strong> unseren Wohlstand, <strong>für</strong> das Erreichen<br />
der Klimaziele, die Stabilität der<br />
sozialen Sicherungssysteme sowie <strong>für</strong><br />
die Qualität und Verfügbarkeit von<br />
Dienstleistungen.<br />
Nachdem seit den 1950er-Jahren die<br />
Zahl der Erwerbstätigen in Baden-<br />
Württemberg nahezu stetig gestiegen<br />
ist – von 3,1 Millionen Erwerbstätigen<br />
in 1950 auf 5,8 Millionen im Jahr<br />
2021 – wird in Kürze der Höchstwert<br />
der Erwerbstätigenzahl erreicht sein.<br />
Demografiebedingt wird danach die<br />
Zahl der Erwerbstätigen bestenfalls stagnieren<br />
oder gar sinken.<br />
In einer Reihe von Branchen und Berufsbereichen<br />
wird die Fachkräftenachfrage<br />
jedoch langfristig weiter steigen.<br />
Dies gilt <strong>für</strong> Berufe mit Bezug zur Energiewende<br />
ebenso wie <strong>für</strong> IT-Berufe, <strong>für</strong><br />
Erzieherinnen und Erzieher sowie die<br />
<strong>für</strong> Zukunftstechnologien relevanten<br />
Experten. In besonderem Maße gilt das<br />
auch <strong>für</strong> die Fachkräfte des Gesundheitswesens.<br />
Zwischen 2012 und 2020<br />
ist die Zahl der im Gesundheitswesen in<br />
Baden-Württemberg tätigen Personen<br />
gemessen in Vollzeitäquivalenten von<br />
506.848 auf 571.378 gestiegen (+12,7<br />
Prozent). Zu erwarten ist, dass der Wettbewerb<br />
um Fachkräfte weiter zunehmen<br />
wird.<br />
POTENZIALE ERSCHLIESSEN<br />
Das ist natürlich eine große Herausforderung<br />
<strong>für</strong> die Arbeitgeber. Um Mitarbeitende<br />
zu gewinnen und an sich zu<br />
binden, wissen sie, dass sie – anders als<br />
zu Zeiten hoher Arbeitslosigkeit – intensiv<br />
um Fachkräfte werben und sich<br />
und ihre jeweilige Branche als attraktive<br />
Arbeitgeber positionieren müssen.<br />
Auch Politik und Verwaltung sind gefordert,<br />
die Fachkräftepotenziale von<br />
am Arbeitsmarkt unterrepräsentierten<br />
Gruppen noch besser zu erschließen.<br />
Ich denke dabei an Menschen mit<br />
gesundheitlichen Handicaps oder mit<br />
unterbrochenen Bildungsbiografien.<br />
Ebenso ist der Gesetzgeber gefordert,<br />
Regulierungslasten zu senken, die viele<br />
Fachkräfte in den Unternehmen binden.<br />
Der Übergang von der Schule in<br />
den Beruf muss noch intensiver begleitet<br />
werden, damit im Idealfall alle<br />
Schulabgängerinnen und -abgänger ihr<br />
Berufs leben mit einer beruflichen oder<br />
akademischen Ausbildung beginnen.<br />
Gleichzeitig ist die berufliche Weiterbildung<br />
wichtig, damit die Beschäftigten<br />
im Betrieb und die Arbeitssuchenden<br />
auf dem Arbeitsmarkt die von den Unternehmen<br />
nachfragten Kenntnisse<br />
und Fähigkeiten mitbringen bzw. erwerben<br />
können.<br />
Weitere Fortschritte sind zudem bei der<br />
Vereinbarkeit von Familie und Beruf<br />
notwendig. So hat sich zwar das pädagogische<br />
Personal in Kindertageseinrichtungen<br />
in Baden-Württemberg von<br />
46.201 Personen im Jahr 2007 auf<br />
101.949 im Jahr 2022 mehr als verdoppelt.<br />
Da aber die Nachfrage nach Plätzen<br />
in Kindertageseinrichtungen ebenfalls<br />
stark gestiegen ist, bleibt eine deutliche<br />
Personallücke bestehen.<br />
GUTE ARBEITSBEDINGUNGEN<br />
All dies zeigt, Fachkräftesicherung ist<br />
eine komplexe Aufgabe, die einen langen<br />
Atem erfordert und von keinem Akteur<br />
allein bewältigt werden kann. Es<br />
braucht eine gemeinsame Kraftanstrengung<br />
über einen sehr langen Zeitraum.<br />
Deshalb vernetzten wir in der Fachkräfteallianz<br />
Baden-Württemberg alle relevanten<br />
Akteure, um die verschiedenen<br />
Perspektiven einzubinden und gemeinsam<br />
voranzukommen. Dazu gehört<br />
auch, die Chancen und positiven Aspekte<br />
der gegenwärtig herausfordernden<br />
Situation zu würdigen. Mittlerweile nähert<br />
sich der Arbeitsmarkt in Baden-<br />
Württemberg der Vollbeschäftigung an.<br />
Dies hat positive Effekte <strong>für</strong> Menschen<br />
mit Schwierigkeiten am Arbeitsmarkt.<br />
Diese haben dann bessere Chancen auf<br />
eine Teilhabe am Erwerbsleben. In<br />
Zeiten von Fach- und Arbeitskräfteknappheit<br />
müssen naturgemäß die Bedürfnisse<br />
der Arbeitnehmerinnen und<br />
Arbeitnehmer stärker in den Fokus genommen<br />
werden, was weitere Verbesserungen<br />
bei den Arbeitsbedingungen<br />
und der Arbeitszufriedenheit erwarten<br />
lässt. Schließlich kann Fachkräfteknappheit<br />
ein starker Impuls <strong>für</strong> die<br />
Unternehmen sein, in die Produktivität<br />
ihrer Arbeitsplätze zu investieren, etwa<br />
unter Nutzung von Künstlicher Intelligenz<br />
oder von innovativen Technologien<br />
im weiteren Sinne.<br />
Angesichts der voraussichtlich anhaltenden<br />
Fachkräfteknappheit sollten<br />
alle Hebel der Fachkräftesicherung genutzt<br />
werden. Dazu gehört auch, verstärkt<br />
um internationale Fachkräfte zu<br />
werben und sie hier im Land willkommen<br />
zu heißen. Nach Lösungen zu suchen,<br />
Transparenz über gelungene Praxisbeispiele<br />
herzustellen und, wo immer<br />
möglich und nötig, gemeinsam zu agieren,<br />
dazu sind alle maßgeblichen Akteure<br />
im Land aufgerufen. Hierzu zählt<br />
auch die Landeszahnärzte kammer,<br />
die wichtige Aufgaben im Bereich der<br />
Fachkräftesicherung wahrnimmt. Gehen<br />
wir die Zukunftsaufgabe Fachkräftesicherung<br />
gemeinsam und mit großem<br />
Engagement an.
10_TITELTHEMA<br />
ZBW_4/2023<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
Diskussionsrunde zum <strong>ZFA</strong>-Ausbildungsberuf<br />
BERUFSPOLITISCHE STRATEGIEN<br />
Für Arbeitsmarktexperten ist es schon fast zur jährlichen Routine geworden, vor dem<br />
Defizit an Fachpersonal in der deutschen Wirtschaft zu warnen. Besonders stark<br />
sind die Gesundheitsberufe vom Fachkräftemangel betroffen. Auch <strong>für</strong> Zahnarztpraxen<br />
ist der Fachkräftemangel mittlerweile eine große Herausforderung. Einige Praxen<br />
mussten mangels Fachkräften bereits ihre Sprechzeiten verkürzen und ohne Hilfe am Stuhl<br />
behandeln. In einem der World Café Foren des Landeskongresses Gesundheit Baden-<br />
Württemberg diskutierte eine Expertenrunde das Thema „Berufspolitische Strategien zur<br />
Reduzierung des Fachkräftemangels im Bereich <strong>ZFA</strong>“.<br />
Chefredakteurin Cornelia Schwarz hat<br />
die Gelegenheit genutzt und sich mit<br />
Thorsten Beck, stellvertretender Geschäftsführer<br />
der Landeszahnärztekammer<br />
Baden-Württemberg (LZK)<br />
und zudem verantwortlich <strong>für</strong> die Abteilung<br />
der zahnmedizinischen Mitarbeiter*innen,<br />
über die Thematik unterhalten.<br />
Gehen die Verantwortlichen alle<br />
möglichen Wege? Ließen sich neue Strategien<br />
herausarbeiten?<br />
Jedes Frühjahr veröffentlichte das Bundesbildungsministerium<br />
den Berufsbildungsbericht,<br />
der die Entwicklung des<br />
Ausbildungsmarktes im Vorjahr zusammenfasst.<br />
Hier ist zu erkennen, dass die<br />
Anzahl der neu abgeschlossenen dualen<br />
Ausbildungsverträge über alle Berufe<br />
hinweg gesunken ist. Wie kann diese<br />
Entwicklung interpretiert werden?<br />
Wir stellen fest, dass der demografische<br />
Wandel auf dem Ausbildungsmarkt angekommen<br />
ist. Die Gesamtzahl der<br />
Schulabgänger lag beispielsweise im<br />
Jahr 2009 noch bundesweit bei 929.500,<br />
im Jahr 2018 waren es noch 812.200.<br />
Darüber hinaus war ein langfristiger<br />
Trend zu höheren Schulabschlüssen zu<br />
verzeichnen. Die Zahl der sinkenden<br />
Schulabgänger hat sich bisher auf dem<br />
Ausbildungsmarkt über alle Berufe hinweg<br />
noch nicht gravierend bemerkbar<br />
gemacht, da vor allem Menschen mit<br />
Fluchthintergrund insbesondere in den<br />
handwerklichen Ausbildungsberufen<br />
verstärkt aufgenommen wurden. Dieser<br />
dämpfende Effekt auf das Problem<br />
der sinkenden Schulabgängerzahlen<br />
schwächt sich nun jedoch auch noch erkennbar<br />
ab, da die Zahl junger Menschen<br />
mit Fluchthintergrund, die eine<br />
duale Ausbildung durchlaufen, in der<br />
letzten Zeit leicht abgenommen hat.<br />
Lösungsansätze. Viele gute Möglichkeiten dem Fachkräftemangel zu begegnen, formulierte Thorsten<br />
Beck im Interview mit Cornelia Schwarz.<br />
Blicken wir perspektivisch in die Zukunft,<br />
so stellen wir zudem fest, dass<br />
der Trend zu weniger Schulabgängern<br />
und gleichzeitig höheren Schulabschlüssen<br />
auch den <strong>ZFA</strong>-Ausbildungsberuf<br />
weiter treffen wird.<br />
Wo kein Personal, da auch keine Möglichkeit<br />
<strong>für</strong> neue Arbeitsverhältnisse,<br />
oder wie sehen Sie die aktuelle Situation,<br />
Herr Beck, wie lässt sich konstruktiv<br />
an die Thematik herantreten?<br />
Wir gehen nahezu alle Wege, die sich<br />
uns bieten. Wir sind auf den Social-Media-Plattformen<br />
Instagram und Facebook<br />
vertreten und seit Neuestem über<br />
das IZZ auch auf TikTok. Wir setzen<br />
Ausbildungsbotschafterinnen ein und<br />
arbeiten mit den Agenturen <strong>für</strong> Arbeit,<br />
den Berufsinformationszentren und<br />
auch mit den entsprechenden Schulen<br />
in Baden-Württemberg. Außerdem können<br />
sich potenzielle <strong>ZFA</strong> mit einem virtuellen<br />
Rundgang über die Ausbildung<br />
informieren und natürlich auch über<br />
YouTube. Darüber hinaus produzieren<br />
wir derzeit einen neuen <strong>ZFA</strong>-Imagefilm,<br />
um auch über dieses Medium die Zielgruppe<br />
zu erreichen und <strong>für</strong> den Beruf<br />
zu werben. Ich bin der Ansicht, alle Verantwortlichen<br />
tun, was sie können.<br />
Der klassische Kanon des Recruitings<br />
scheint allerdings keine <strong>ZFA</strong> mehr hinter<br />
dem Ofen hervorzulocken. Das Arsenal<br />
aus Social Media, der Agentur <strong>für</strong><br />
Arbeit, Stellenanzeigen in der Zeitung,<br />
Foto: G. Billischek/IZZ
ZBW_4/2023<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
11_TITELTHEMA<br />
Job-Portalen und konventioneller Personalvermittlung<br />
hält nicht mehr, was<br />
es früher versprochen hat. Es scheint,<br />
als müsse ein neuer Ansatz her, um sich<br />
von Mitbewerbern abzuheben. Welche<br />
Wege geht die Zahnärzteschaft im<br />
Land?<br />
Hier würde ich gerne auf die Initiative<br />
der Kammer „Finden – Ausbilden –<br />
Binden“ eingehen. Hierbei geht es uns<br />
vor allem darum, den Ausbildungsberuf<br />
und das Berufsbild der <strong>ZFA</strong> als einen<br />
qualifizierten und verantwortungsvollen<br />
Gesundheitsberuf mit hervorragenden<br />
Aufstiegschancen und abwechslungsreichem<br />
Tätigkeitsbereich<br />
darzustellen, der Teamgeist erfordert<br />
und sich bestens mit der Familie vereinbaren<br />
lässt.<br />
Die demografische Entwicklung erfordert<br />
neue Strategien von den<br />
Zahnärztinnen und Zahnärzten in<br />
Baden-Württemberg, um geeignete<br />
Zahnmedizinische Mitarbeiter*innen<br />
zu „finden“, „auszubilden“ und<br />
zu „binden“. Im Rahmen seiner Sitzungen<br />
beschäftigt sich der Ausschuss<br />
<strong>für</strong> Zahnmedizinische Mitarbeiter*innen<br />
regelmäßig mit dieser<br />
Thematik und stellt dem LZK-Vorstand<br />
Aufgaben, Handlungsfelder<br />
und Aktivitäten vor, um das Berufsbild<br />
der <strong>ZFA</strong> attraktiv darzustellen<br />
und somit gezielt <strong>für</strong> qualifizierte<br />
Mitarbeiter*innen zu werben. Ein<br />
wichtiger Baustein in diesem Zusammenhang<br />
war beispielsweise, dass die<br />
<strong>ZFA</strong>-Ausbildungsverordnung nach<br />
nunmehr 20 Jahren novelliert wurde<br />
und zum 1. August 2022 in Kraft getreten<br />
ist. Nun gilt es, die neue Ausbildung<br />
mit Leben zu füllen und die<br />
Attraktivität der Ausbildung verstärkt<br />
herauszustellen, um so gezielt<br />
<strong>für</strong> eine <strong>ZFA</strong>-Ausbildung zu werben.<br />
Aktuellen Zahlen zufolge gibt es fünf<br />
Prozent aktiv suchendes Fachpersonal,<br />
wohingegen 70 Prozent, also die deutlich<br />
größere Gruppe der Fachkräfte,<br />
aktuell zwar in Anstellung sind, allerdings<br />
in dieser latent unzufrieden. Mit<br />
welchen Strategien kann dieser Unzufriedenheit<br />
des Fachpersonals begegnet<br />
werden? Welche Ansätze könnten<br />
Arbeitgeber verfolgen?<br />
Es gilt ganz deutlich, die Arbeitszufriedenheit<br />
zu steigern. Das ist generell ein<br />
wichtiges Ziel bei der Personalarbeit.<br />
» Blicken wir perspektivisch in die<br />
Zukunft, so stellen wir zudem fest,<br />
dass der Trend zu weniger Schulabgängern<br />
und gleichzeitig höheren<br />
Schulabschlüssen auch den<br />
<strong>ZFA</strong>-Ausbildungsberuf treffen wird.«<br />
Thorsten Beck<br />
Doch es wird immer schwerer, die Lücke<br />
zwischen Soll und Ist zu füllen. Allerdings<br />
darf man auch nicht außer<br />
Acht lassen, dass der Anspruch der<br />
Mitarbeitenden immer mehr zunimmt.<br />
Hier müssen wir auch wieder auf ein<br />
normales Maß kommen. Hinsichtlich<br />
der Vergütung ist die Kammer bereits<br />
einen deutlichen Schritt gegangen, indem<br />
die Vertreterversammlung Ende<br />
letzten Jahres die Vergütungsempfehlungen<br />
<strong>für</strong> <strong>ZFA</strong>-Auszubildende und<br />
Zahnmedizinische Fachangestellte angepasst<br />
hat.<br />
Allerdings scheinen es, den Umfragen<br />
zufolge, weniger monetäre Aspekte zu<br />
sein als oftmals fehlende <strong>Wertschätzung</strong>,<br />
mangelnder Teamzusammenhalt<br />
oder ausbleibende Weiterentwicklungsmöglichkeiten.<br />
Welche Möglichkeiten<br />
bietet Social Recruiting?<br />
Natürlich muss ein Arbeitgeber nicht<br />
zum Eventmanager rekrutiert werden,<br />
dennoch lässt sich meines Erachtens<br />
mit einigen Parametern <strong>für</strong> ein gutes<br />
Betriebsklima sorgen. So könnten neben<br />
gemeinsamen Ausflügen beispielsweise<br />
die Gebühren <strong>für</strong> den Kindergartenplatz<br />
oder das Ticket <strong>für</strong> den öffentlichen<br />
Nahverkehr übernommen werden.<br />
Auch ein regelmäßiges Angebot<br />
an bezahlten Fortbildungsmöglichkeiten<br />
ist Ausdruck von <strong>Wertschätzung</strong>.<br />
Für Azubis haben wir darüber hinaus<br />
die AzubiCard Baden-Württemberg<br />
eingeführt, die viele exklusive Angebote<br />
beinhaltet und ab September dieses<br />
Jahres allen Auszubildenden zur Verfügung<br />
gestellt wird.<br />
Laut Erhebungen des Instituts der<br />
Deutschen Wirtschaft in Köln (IW) sind<br />
schon heute zwei von drei Arbeitsplätzen,<br />
die eine entsprechende Berufsausbildung<br />
oder ein Studium voraussetzen,<br />
schwer oder gar nicht zu besetzen. Welche<br />
Lösungsansätze geht die Zahnärzteschaft<br />
an?<br />
Wir sind Partner der Fachkräfteallianz<br />
in Baden-Württemberg und versuchen<br />
auch auf diesem Weg, Menschen<br />
im Arbeitsmarkt zu halten, den Fachkräftemangel<br />
im Land zu verringern<br />
und mit einer gelebten Willkommenskultur<br />
internationale Fachkräfte <strong>für</strong><br />
Baden-Württemberg zu gewinnen.<br />
Darüber hinaus engagieren wir uns<br />
innerhalb des Landesverbands der<br />
freien Berufe (LFB) in dem neu gegründeten<br />
Arbeitskreis Ausbildung,<br />
dem wir vorsitzen. Dieser Arbeitskreis<br />
soll dem Erfahrungsaustausch dienen,<br />
mittel- und langfristig aber gegebenenfalls<br />
auch Schnittmengen aufzeigen<br />
und eine stärkere Kooperation<br />
im Azubi-Marketing ermöglichen.<br />
Insbesondere wollen wir damit auch<br />
eine stärkere Rückkopplung mit den<br />
jeweiligen Verantwortlichen aus den<br />
Mitgliedsorganisationen erreichen<br />
und zudem die Formulierung und Positionierung<br />
von politischen Forderungen<br />
der freien Berufe in diesem<br />
Themengebiet gemeinsam fokussieren.<br />
Erwähnenswert ist zudem das Weiterbildungsstipendium<br />
<strong>für</strong> ausgelernte<br />
<strong>ZFA</strong>, das insbesondere Qualifizierungsmöglichkeiten<br />
<strong>für</strong> neue Technologien,<br />
besondere Arbeitstechniken,<br />
berufliche Aufstiegsfortbildungen<br />
(fachkundliche Nachweise, ZMF,<br />
ZMP, ZMV, DH) und auch die persönliche<br />
Entwicklung der <strong>ZFA</strong> unterstützt.<br />
Hier machen wir klar deutlich,<br />
dass der <strong>ZFA</strong>-Beruf keine Einbahnstraße<br />
ist, sondern vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten<br />
bietet. Zudem<br />
rücken die Themen Wiedereinstieg<br />
und Teilzeit-Ausbildung verstärkt<br />
in den Fokus, um auch diese<br />
Möglichkeiten ergänzend zu bespielen.<br />
Das Gespräch führte Cornelia Schwarz
12_TITELTHEMA<br />
ZBW_4/2023<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
<strong>ZFA</strong>-Topmodels. Julia Parraco, Alev Gelgec, Rosita Smith, Aleksander Tusznicki und Lea Oettinger haben das Casting <strong>für</strong> den <strong>ZFA</strong>-Imagefilm gewonnen.<br />
Fotos: Andrea Mader/LZK<br />
Imagefilm <strong>für</strong> das Berufsbild<br />
<strong>ZFA</strong> BACKSTAGE BOSSE –<br />
DEMNÄCHST AUF SENDUNG!<br />
<strong>ZFA</strong> – Ziemlich Fette Ausbildung – so lautete der Titel des ersten Imagefilms <strong>für</strong> das<br />
Berufsbild der Zahnmedizinischen Fachangestellten, den die Landeszahnärztekammer<br />
in Kooperation mit der Filmakademie Ludwigsburg 2019 realisierte. 2022 war es<br />
an der Zeit, einen neuen Imagefilm <strong>für</strong> das Berufsbild zu produzieren. Erneut ist die<br />
Landeszahnärztekammer auf die Filmakademie Ludwigsburg zugegangen, um die<br />
erfolgreiche Zusammenarbeit fortzusetzen. Bei einem Vor-Ort-Termin in Ludwigsburg<br />
präsentierten sich drei Teams – und das eindeutige Votum fiel auf das Cherry Tales<br />
Filmatelier in Heilbronn um Dennis Scherr. Ende November 2022 ging unser Casting-Aufruf viral.<br />
Am 24. Januar 2023 war Drehtag … am Stuttgarter Hafen! <br />
Andrea Mader<br />
Hygiene. „Wir arbeiten immer in Handschuhen – und hinterlassen keine Spuren.“<br />
Labor. „Wir bestellen Materialien<br />
und fertigen den besten Stoff ab.“
ZBW_4/2023<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
13_TITELTHEMA<br />
Bewerbung. Julia (l.) hat sich als Model <strong>für</strong><br />
den Dreh beworben, weil sie „etwas Neues<br />
ausprobieren wollte, zu dem man nicht jeden<br />
Tag die Chance bekommt“. Lea (r.) war „mehr<br />
als happy“, als die Zusage kam. „Dass es<br />
die Chance in unserem Beruf gibt, finde ich<br />
einfach mega.“<br />
Abbildung: Cherry Tales Filmatelier<br />
Kompetenz. „Wir sind bis an die Zähne mit Wissen bewaffnet.“<br />
Instrumentenaufbereitung. „Wir bewahren unsere Instrumente sicher auf.“<br />
Team. Maske und Kostüm am Set lagen in den<br />
Händen von Thea Haupt (r.).<br />
Absprache. Regisseur Dennis Scherr (l.) bespricht sich mit Ives Lambert<br />
(Mitte) von der Filmakademie Ludwigsburg und seinem Kameramann<br />
Chris McKissick (r.).<br />
Fingerfertig. „Unsere Finger sind<br />
geschickt.“<br />
INFO<br />
INSTAGRAM<br />
<strong>ZFA</strong> – Ziemlich Fette Ausbildung – so<br />
heißt auch der offizielle Instagram-<br />
Account der Landeszahnärztekammer<br />
<strong>für</strong> <strong>ZFA</strong>-Azubis, interessierte Schüler*<br />
innen und <strong>ZFA</strong>, benannt nach dem<br />
Titel des ersten <strong>ZFA</strong>-Imagefilms. Auf<br />
unserem Instagram-Kanal gibt‘s alle<br />
wichtigen Infos zum Ausbildungsberuf,<br />
aber auch andere Kuriositäten,<br />
witzige Fotos und spannende Videos.<br />
Und bald auch den neuen Imagefilm.<br />
Einfach mal vorbei schauen:<br />
@zfa_ziemlichfetteausbildung
14_TITELTHEMA<br />
ZBW_4/2023<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
Seit 1. Januar 2023<br />
VERGÜTUNGSEMPFEHLUNGEN<br />
ANGEPASST<br />
Einer Studie von „Jobscout“ zufolge fühlen sich 64 Prozent der Arbeitnehmerinnen und<br />
Arbeitnehmer durch Gehaltserhöhungen motiviert und 63 Prozent durch <strong>Wertschätzung</strong><br />
und Anerkennung. „Natürlich spielt das Gehalt eine gewisse Rolle, den Beruf weiterhin<br />
attraktiv zu machen.“ Das sagt eine ausgebildete Zahnmedizinische Fachangestellte,<br />
die sich aktuell im Rahmen des Weiterbildungsstipendiums zur Zahnmedizinischen<br />
Prophylaxeassistentin fortbildet. In Baden-Württemberg orientieren sich die Gehälter<br />
der Zahnmedizinischen Fachangestellten nicht an ausgehandelten Tarifverträgen. Im<br />
Kammerbereich der Landeszahnärztekammer gelten Vergütungsempfehlungen – und die<br />
sind zum 1. Januar 2023 angepasst worden.<br />
Die Vertreterversammlung der Landeszahnärztekammer<br />
hat die Anpassung<br />
der „Vergütungsempfehlungen <strong>für</strong> in<br />
Baden-Württemberg beschäftigte <strong>ZFA</strong>-<br />
Auszubildende und Zahnmedizinische<br />
Fachangestellte“ am 3. Dezember 2022<br />
beschlossen. Die angepassten Vergütungsempfehlungen<br />
gelten seit 1. Januar<br />
2023.<br />
FORTBILDUNG LOHNT SICH<br />
Es gibt vier Tätigkeitsgruppen, die sich<br />
am Aus- und Fortbildungsstand orientieren:<br />
Zur Tätigkeitsgruppe I gehören<br />
Zahnmedizinische Fachangestellte<br />
nach erfolgreich abgeschlossener Berufsausbildung,<br />
zur Tätigkeitsgruppe<br />
II Zahnmedizinische Fachangestellte<br />
mit anerkannten Fortbildungsnachweisen<br />
von mindestens 100 Stunden<br />
(Kursteile I und II a oder Kursteile I<br />
und II b oder Kursteile I und II c oder<br />
Kursteil III), zu Tätigkeitsgruppe III<br />
gehören zu Zahnmedizinischen Prophylaxeassistentinnen<br />
(ZMP), Zahnmedizinischen<br />
Fachassistentinnen<br />
(ZMF) oder Zahnmedizinischen Verwaltungsassistentinnen<br />
(ZMV) fortgebildete<br />
<strong>ZFA</strong> und in der Tätigkeitsgruppe<br />
IV finden sich Dentalhygienikerinnen<br />
(DH) und Dentale Fachwirte. Je<br />
höher der Fortbildungsstand, desto höher<br />
der empfohlene Gehaltsrahmen.<br />
Die Vergütungsempfehlungen sollen<br />
gleichermaßen als Orientierung <strong>für</strong> Praxisinhaberinnen<br />
und Praxisinhaber als<br />
auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
dienen. Bei einer frisch ausgelernten<br />
<strong>ZFA</strong> wird ein Einstiegsgehalt zwischen<br />
2300 und 2700 Euro pro Monat empfohlen,<br />
während <strong>für</strong> eine DH ein Monatsgehalt<br />
bis zu 3900 Euro zugeordnet<br />
wird. Die Empfehlungen zur monatlichen<br />
Vergütung beziehen sich auf eine<br />
40-Stunden-Woche.<br />
ANGEMESSENE VERGÜTUNG<br />
Nach der Rechtsprechung wird eine Vergütung<br />
als „angemessen“ erachtet, wenn<br />
diese <strong>für</strong> den Lebensunterhalt der Auszubildenden<br />
eine fühlbare Unterstützung<br />
bildet und zugleich eine Mindestentlohnung<br />
<strong>für</strong> die bestimmbare Leistung<br />
einer Auszubildenden darstellt.<br />
Als angemessene Ausbildungsvergütung<br />
wird von der Landeszahnärztekammer<br />
eine Ausbildungsvergütung von 1000<br />
Euro im 1. Ausbildungsjahr betrachtet.<br />
Im 2. Ausbildungsjahr wird eine Vergütung<br />
von 1050 Euro empfohlen und im<br />
3. Ausbildungsjahr von 1100 Euro. Die<br />
Ausbildungsvergütungen der Landeszahnärztekammer<br />
Baden-Württemberg<br />
liegen damit höher als die zwischen der<br />
Arbeitsgemeinschaft zur Regelung der<br />
Arbeitsbedingungen <strong>für</strong> Zahnmedizinische<br />
Fachangestellte/Zahnarzthelfer/innen<br />
(AAZ) und dem Verband medizinischer<br />
Fachberufe e. V. ausgehandelten<br />
Vergütungen.<br />
Andrea Mader<br />
INFO<br />
Dr. Bernd Stoll<br />
Referent <strong>für</strong> Zahnmedizinische<br />
Mitarbeiter/innen der LZK BW<br />
Die Vergütungsempfehlungen<br />
<strong>für</strong> in Baden-<br />
Württemberg beschäftigte<br />
<strong>ZFA</strong>-Auszubildende<br />
und Zahnmedizinische Fachangestellte<br />
finden sich hier: https://lzk-bw.de/<br />
fileadmin/user_upload/2.Praxisteam/10.Ausbildung/10.Berufsbild/<br />
Verg%C3%BCtungsempfehlung.pdf<br />
„Adäquate Ausbildungsvergütungen<br />
und Gehaltsempfehlungen <strong>für</strong> <strong>ZFA</strong><br />
und fortgebildete <strong>ZFA</strong> sind mir ein besonderes<br />
Anliegen. Die Vergütungen<br />
in anderen Bundesländern und bei<br />
den MFA dienen dabei als Anhaltspunkt.<br />
Die Ausbildungsvergütungen<br />
sind ein wichtiger Faktor bei der Ausbildungsplatzsuche.<br />
Die Gehaltsempfehlungen<br />
sind nach Tätigkeitsgruppen<br />
gestaffelt, d. h. Fortbildung nach<br />
unserer Aufstiegsfortbildung zahlt<br />
sich aus! Wir müssen sie regelmäßig<br />
anpassen, um weiterhin als attraktiver<br />
Arbeitgeber bestehen zu können. Damit<br />
setzen wir auch ein Zeichen der<br />
<strong>Wertschätzung</strong> gegenüber unseren<br />
Mitarbeiterinnen.“
ZBW_4/2023<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
15_TITELTHEMA<br />
Weiterbildungsstipendium<br />
„TAG FÜR TAG SEHR VIEL FREUDE“<br />
„Es ist mir eine Freude, etwas dazu beizutragen, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken<br />
und das Stipendium attraktiver zu machen“, hat mir Jessica Goldfuß mit der Übermittlung<br />
ihrer Antworten auf meine Fragen geschrieben. Die ausgebildete <strong>ZFA</strong> aus Brackenheim hat<br />
sich bei der Landeszahnärztekammer um das Weiterbildungsstipendium beworben und hat<br />
mit der Förderung gerade erfolgreich ihre Fortbildung zur Zahnmedizinischen Prophylaxeassistentin<br />
absolviert. Mit ihrer Begeisterung und Motivation ist sie eine tolle Botschafterin<br />
<strong>für</strong> den Beruf der Zahnmedizinischen Fachangestellten. Lesen Sie, warum ihr der Beruf so<br />
große Freude bereitet.<br />
Toller Beruf. „Es macht mir Tag <strong>für</strong> Tag sehr<br />
viel Freude, die Patienten in der Prophylaxe<br />
zu unterstützen und zu motivieren“, sagt Stipendiatin<br />
Jessica Goldfuß.<br />
ZBW: Wie haben Sie von unserem Weiterbildungsstipendium<br />
und der Möglichkeit<br />
einer Förderung erfahren?<br />
Jessica Goldfuß: Ich habe 2020 kurz<br />
vor Ausbildungsende in der Berufsschule<br />
vom Stipendium erfahren und habe<br />
es direkt als Möglichkeit <strong>für</strong> meine persönliche<br />
und fachliche Weiterentwicklung<br />
angenommen. Also habe ich mich<br />
zum nächstmöglichen Zeitpunkt beworben<br />
und war sehr glücklich über die<br />
Zusage.<br />
Welchen Schulabschluss haben Sie?<br />
Warum haben Sie den Ausbildungsberuf<br />
der <strong>ZFA</strong> ergriffen? Was hat Sie an dem<br />
Beruf gereizt?<br />
Ich habe eine Berufsfachschulreife und<br />
im Anschluss die Ausbildung zur <strong>ZFA</strong><br />
Foto: Privat<br />
absolviert. Aktuell befinde ich mich in<br />
Fortbildung zur ZMP, die Anfang März<br />
endet. Ich konnte den Beruf durch ein<br />
Praktikum in früherer Schulzeit kennenlernen<br />
und wusste schon mit 14,<br />
dass mich der Beruf der <strong>ZFA</strong> sehr interessiert.<br />
Toll an unserem Beruf ist, dass<br />
man im Team agiert und täglich mit<br />
den verschiedensten Patientengruppen<br />
zusammenarbeitet. Jeder Mensch ist individuell,<br />
das heißt man stellt sich immer<br />
individuell auf einen Menschen ein<br />
und hilft und unterstützt ihn in verschiedenste<br />
Richtungen, ob vorbeugend<br />
oder therapeutisch. Es macht mir Tag<br />
<strong>für</strong> Tag sehr viel Freude, die Patienten<br />
aktiv in der Prophylaxe größtenteils eigenständig<br />
zu unterstützen und zu motivieren,<br />
und somit etwas <strong>für</strong> sich und<br />
ihre Zahngesundheit zu tun. Der Beruf<br />
ist gerade wegen der eigenständigen,<br />
vielseitigen Arbeit und der Aufstiegsmöglichkeit<br />
sehr attraktiv, sodass ich<br />
hoffe, dass auch immer mehr Männer<br />
den Weg des <strong>ZFA</strong> einschlagen werden.<br />
Wo haben Sie Ihre Ausbildung gemacht<br />
und sind Sie immer noch in derselben<br />
Praxis tätig?<br />
Meine Ausbildung habe ich von 2017<br />
bis 2020 im Landkreis Heilbronn absolviert<br />
und bin mittlerweile in der Zahnarztpraxis<br />
Thomas Behrens in Nordheim<br />
tätig.<br />
Im Rahmen des Weiterbildungsstipendiums<br />
können verschiedene Bereiche<br />
gefördert werden. Was wird bei Ihnen<br />
gefördert? Und wie hoch ist Ihre Förderung?<br />
Das Stipendium hat es mir ermöglicht,<br />
in die Materie der Prophylaxe einzutauchen,<br />
von den Anfängerkursen bis hin<br />
zur Zahnmedizinischen Prophylaxeassistentin.<br />
Das Budget der Förderung<br />
deckt seither den größten Teil meiner<br />
Fortbildungen ab. Die Förderung kann<br />
aktuell bis zu 8700 Euro insgesamt betragen.<br />
Das Stipendium motiviert und<br />
treibt dazu an, sich stetig weiterzuentwickeln.<br />
Was sind <strong>für</strong> Sie Aspekte, damit Sie lange<br />
und zufrieden in Ihrem Beruf arbeiten?<br />
Was ist Ihnen persönlich wichtig im<br />
Beruf? Was möchten Sie in Ihrem Beruf<br />
erreichen?<br />
Natürlich spielt das Gehalt eine gewisse<br />
Rolle, den Beruf weiterhin attraktiv zu<br />
machen, aber auch das Kollegium und<br />
der Arbeitgeber sind ausschlaggebende<br />
Aspekte, sich langfristig <strong>für</strong> oder gegen<br />
den Beruf zu entscheiden. Ich wünsche<br />
mir, dass meine Arbeit wertgeschätzt<br />
und dankend angenommen wird, um<br />
hoffentlich lange in diesem Beruf tätig<br />
zu sein. Außerdem möchte ich nie auslernen<br />
und alles an Wissen, welches ich<br />
aufgreifen kann, umsetzen.<br />
Wie gestaltet sich Ihre Kommunikation<br />
mit der Kammer? Fühlen Sie sich gut<br />
unterstützt und beraten? Kennen Sie<br />
das Magazin Praxisteam aktuell, das<br />
dem Zahnärzteblatt beiliegt?<br />
Alles, was seither wegen des Stipendiums<br />
über die Kammer geregelt wurde,<br />
lief sehr reibungslos und immer super<br />
freundlich ab. Es gab kaum Fragen<br />
oder Komplikationen, da im Voraus<br />
super aufgeklärt wird und sie sich <strong>für</strong><br />
jedes Anliegen Zeit nehmen. Das ZBW<br />
kannte ich schon aus der Praxis, dort<br />
wird es immer zum Lesen <strong>für</strong> jeden<br />
ausgelegt.<br />
Die Fragen stellte Andrea Mader
16_TITELTHEMA<br />
ZBW_4/2023<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
Das ZBW-Interview mit zwei <strong>ZFA</strong> zur aktuellen Situation<br />
„AUCH DAS IST WERTSCHÄTZUNG“<br />
Der Fachkräftemangel im Bereich <strong>ZFA</strong> ist ein bekanntes und derzeit auch viel<br />
diskutiertes Problem. Im Zusammenhang mit einer immer älter werdenden Bevölkerung<br />
und einem damit verbundenen Anstieg an Parodontitiserkrankungen bedeutet dies<br />
unter anderem eine immense Belastung <strong>für</strong> die Versorgung. Doch woran liegt es,<br />
dass der eigentlich attraktive Beruf mit verschiedenen Aufstiegsfortbildungsmöglichkeiten<br />
und einer enormen Flexibilität hinsichtlich der Vereinbarkeit von Familie<br />
und Beruf immer seltener von jungen Menschen gewählt wird? Wie hat sich<br />
der Beruf im Laufe der Jahre entwickelt? Das ZBW hat bei zwei <strong>ZFA</strong> nachgefragt.<br />
» Allerdings belastet mich der<br />
Personalnotstand schon sehr, da die<br />
zusätzliche Arbeit öfters zu Unruhe und<br />
Disbalance im Team führt.«<br />
Brigitte Ebner<br />
Brigitte Ebner. Seit 41 Jahren ist die zweifache Mutter als<br />
<strong>ZFA</strong> tätig. „Eine gute Entscheidung“, wie sie mit Blick auf ihr<br />
Arbeitsleben sagt. Während all der Jahre hat sie nie die<br />
Praxis gewechselt.<br />
Frau Ebner, was waren vor 41 Jahren<br />
die Gründe, warum Sie den Beruf der<br />
Zahnarzthelferin ergriffen haben?<br />
Brigitte Ebner: Ursprünglich wollte<br />
ich MFA werden, da ich die Helferinnen<br />
unserer Hausarztpraxis bereits seit<br />
Kindertagen bewundert habe. Leider<br />
hat das nicht geklappt. Als dann in unserer<br />
Schule über einen Aushang Ausbildungsstellen<br />
in einer Zahnarztpraxis<br />
angeboten wurden, war dies der Beginn<br />
meiner beruflichen Laufbahn.<br />
Eine Entscheidung, die ich nie bereut<br />
habe. Im Gegenteil. Ich glaube, es war<br />
sogar die bessere Entscheidung,<br />
denn der Beruf der<br />
<strong>ZFA</strong> ist weitaus vielseitiger<br />
und man kann eigenständiger<br />
arbeiten.<br />
Und wie verhielt es sich bei<br />
Ihnen, Frau Zinser? Hatten<br />
Sie zunächst auch andere<br />
Berufswünsche?<br />
Chantal Zinser: Ich wollte<br />
eigentlich Polizistin werden.<br />
Leider habe ich die Prüfung<br />
wegen drei Punkten nicht<br />
bestanden. Daraufhin habe ich verschiedene<br />
Praktika gemacht. Allerdings<br />
war zunächst keine Zahnarztpraxis<br />
darunter, denn eigentlich habe ich<br />
Angst vor Ärzten. Schließlich war es<br />
dann aber der Aspekt, dass es so viele<br />
Angebote im <strong>ZFA</strong>-Bereich gab, weshalb<br />
ich mich dann doch intensiver damit<br />
befasste. Nach drei Praktika habe ich<br />
mich final zur Ausbildung entschlossen,<br />
weil einfach alles gepasst hat.<br />
Wenn Sie, Frau Ebner, auf Ihre langjährige<br />
Berufserfahrung zurückblicken, inwieweit<br />
hat sich der Beruf verändert?<br />
Brigitte Ebner: Es hat sich unheimlich<br />
viel geändert. Sowohl in der Art<br />
und Weise der Behandlung, als auch<br />
in der Administration und vor allem<br />
in der Hygiene. Früher gab es keine<br />
Prävention. Da wurde Karies behandelt<br />
und Zähne gezogen. Totalprothesen<br />
waren die Regel, Implantate gab<br />
es keine. Heute arbeiten wir mit einer<br />
maschinellen Wurzelkanalaufbereitung,<br />
elektronischer Längenmessung,<br />
digitalem Röntgen. Alles ist genauer,<br />
viel effizienter und die Aufbereitung<br />
validiert. Allerdings ist man dadurch<br />
auch abhängig von den entsprechenden<br />
Maschinen. Wenn das Gerät nicht<br />
läuft, herrscht Praxisstillstand. Zudem<br />
ist der Erwerb recht kostenintensiv.<br />
Die heutige Qualitätssicherung<br />
und deren Dokumentation sind zeitaufwendiger.<br />
Sprich, es muss in der<br />
gleichen Zeit mehr Arbeit erledigt<br />
werden. Die ersten Jahre als <strong>ZFA</strong> habe<br />
ich ohne Handschuhe gearbeitet –<br />
heute wäre das undenkbar.<br />
Frau Zinser, ist dies ein Zustand, den<br />
Sie aus Ihrem Arbeitsalltag auch kennen?<br />
Fühlen Sie sich hin und wieder<br />
unter Druck oder gar gestresst?
ZBW_4/2023<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
17_TITELTHEMA<br />
» Das Gehalt <strong>für</strong> eine ausgelernte <strong>ZFA</strong><br />
muss angemessen sein. Auch das ist meines<br />
Erachtens <strong>Wertschätzung</strong>. Eine <strong>ZFA</strong><br />
muss in der Lage sein, sich alleine, ohne<br />
Unterstützung, finanzieren zu können.«<br />
Chantal Zinser<br />
Chantal Zinser: Ja, wenn ich ehrlich<br />
bin, schon. Man ist beschäftigt mit<br />
der Bestückung des DAC oder des<br />
Thermos, soll gleichzeitig das Zimmer<br />
von der letzten Behandlung aufräumen<br />
und der nächste Patient wird<br />
bereits gesetzt, obwohl das Zimmer<br />
noch nicht richtig vorbereitet ist.<br />
Oftmals kommt man kaum hinterher,<br />
aber die Erwartungshaltung und<br />
der Druck sind da.<br />
Gibt es hier keine Lösungsansätze,<br />
beispielsweise, indem man mehr Zeit<br />
pro Patient*in einplant?<br />
Brigitte Ebner: Das könnte man<br />
schon machen, aber dies würde wiederum<br />
mehr Personal bedeuten. Die<br />
Aufgaben werden ja nicht weniger,<br />
wir bräuchten einfach mehr Zeit beziehungsweise<br />
weitere Hände. Beides<br />
ist jedoch nicht da.<br />
Wie zufrieden sind Sie denn aktuell in<br />
Ihrem Arbeitsumfeld?<br />
Brigitte Ebner: Ich bin zufrieden,<br />
sonst wäre ich nicht seit 41 Jahren in<br />
der gleichen Praxis tätig. Auch die<br />
Flexibilität, mit der der Beruf wirbt,<br />
konnte ich <strong>für</strong> mich und meinen Lebensentwurf<br />
nutzen: Ich habe eine<br />
Zeit lang pausiert und meine beiden<br />
Söhne großgezogen, und als es wieder<br />
möglich war, bin ich sukzessive<br />
in den Beruf zurückgegangen. Arbeit<br />
und Familie konnte ich immer gut<br />
miteinander verbinden. Allerdings<br />
belastet mich der Personalnotstand<br />
schon, da die zusätzliche Arbeit öfters<br />
zu Unruhe und Disbalance im<br />
Team führt.<br />
Wenn Sie sich aktuell unter Ihren<br />
Kolleginnen umhören, wie<br />
ist dort die Stimmung?<br />
Brigitte Ebner: Wenn ich etwas<br />
höre, dann nur, wenn jemand<br />
den Beruf aufgibt. Die meisten<br />
gehen in die Industrie. Wenn<br />
eine <strong>ZFA</strong> Single ist oder alleinstehend,<br />
kann sie sich nur sehr<br />
schwer alleine finanziell über Wasser<br />
halten. Auch ich hätte ohne den finanziellen<br />
Background meines Mannes<br />
sehr sparsam leben müssen.<br />
Chantal Zinser: In meinem Umfeld<br />
geht es meistens um mangelnde Unterstützung<br />
innerhalb des Teams. <strong>ZFA</strong> in<br />
Ausbildung werden oftmals <strong>für</strong> die Arbeiten<br />
herangezogen, auf die der Rest<br />
des Teams wenig Lust hat. Sich dagegen<br />
zu wehren, trauen sie sich nicht –<br />
ich bin sehr froh, dass das bei mir anders<br />
ist. Wir haben ein super Team und<br />
einen großen Zusammenhalt.<br />
Worin liegt Ihres Erachtens der aktuelle<br />
Fachkräftemangel begründet?<br />
Brigitte Ebner: Mit an der Bezahlung<br />
und der Akademisierung. Das ist <strong>für</strong><br />
mich ganz klar. Wenn man sich alleine<br />
nicht finanzieren kann, hat man<br />
keine Chance und muss einen anderen<br />
Beruf wählen.<br />
Natürlich ist es auch nicht immer einfach,<br />
wenn man nicht spontan freinehmen<br />
oder in den Urlaub fahren<br />
kann, wenn man will. Man muss immer<br />
nach einer Vertretung fragen, in<br />
anderen Berufen ist das einfacher.<br />
Auch Homeoffice fällt in unserem Beruf<br />
flach.<br />
Chantal Zinser. Noch in der Ausbildung, wird die 20-Jährige<br />
im Herbst dieses Jahres ihre Abschlussprüfung ablegen.<br />
Das Überangebot an offenen Stellen war es, was sie auf den<br />
Beruf aufmerksam machte.<br />
Chantal Zinser: Das Gehalt <strong>für</strong> eine<br />
ausgelernte <strong>ZFA</strong> muss angemessen<br />
sein. Auch das ist meines Erachtens<br />
<strong>Wertschätzung</strong>. Eine <strong>ZFA</strong> muss in der<br />
Lage sein, sich alleine, ohne Unterstützung<br />
finanzieren zu können. In<br />
meinem persönlichen Fall würde ich<br />
mir flexiblere Arbeitszeiten wünschen.<br />
Ich würde gerne morgens einmal<br />
früher anfangen, eventuell eine<br />
kürzere Mittagspause machen, um<br />
abends früher gehen zu können. Diese<br />
Möglichkeit haben wir leider nicht.<br />
Brigitte Ebner: Mir wären regelmäßige<br />
Praxisbesprechungen wichtig, an<br />
denen das gesamte Team teilnimmt,<br />
damit alle auf dem gleichen Kenntnisund<br />
Wissenstand sind. Dabei könnten<br />
wir auch besprechen, was wir als Team<br />
gemeinsam verbessern könnten. Und<br />
natürlich eine Kraft mehr. Das würde<br />
unsere Situation generell doch sehr<br />
entspannen.<br />
Das Gespräch führte Cornelia Schwarz<br />
Fotos: G. Billischek/IZZ<br />
Chantal Zinser: Auch ich bin sehr<br />
zufrieden. Einzig der stetige Kampf<br />
mit der Zeit ist schwer und belastet.<br />
Was macht die ideale Praxis <strong>für</strong> Sie aus<br />
und woran machen Sie eine persönliche<br />
<strong>Wertschätzung</strong> fest?
18_TITELTHEMA<br />
ZBW_4/2023<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
Zahnarztpraxis in Öhringen geht besonderen Weg im Azubi-Recruiting<br />
EINE AUSBILDUNG BIETET<br />
PERSPEKTIVE UND INTEGRATION<br />
Auf den Fachkräftemangel kann man auf viele Arten reagieren. Man kann sich<br />
darüber aufregen, ihn bedauern, ihn ignorieren – aber auch aktiv etwas dagegen tun:<br />
Diesen Weg hat Dr. Imogen Wilde, Zahnärztin in Öhringen, gewählt. In ihrer Praxis<br />
bildet sie Geflüchtete aus. Einer davon ist bereits seit bald drei Jahren als fertiger<br />
<strong>ZFA</strong> in der Praxis tätig. Zwei weitere befinden sich aktuell noch in der Ausbildung.<br />
Einen Weg, den die Zahnärztin immer wieder gehen würde, auch wenn er persönliches<br />
Engagement erfordert.<br />
Abed Lashkari ist 30 Jahre alt und seit<br />
bald acht Jahren in Deutschland. 2015<br />
verließ er sein Heimatland Afghanistan.<br />
Dort hat er Jura studiert und nebenbei<br />
in der Zahnarztpraxis seines Onkels als<br />
Zahntechniker gearbeitet. Hier in<br />
Deutschland wurde nicht einmal sein<br />
Abitur anerkannt. Eine Bleibeperspektive<br />
hatte er als Geflüchteter aus Afghanistan<br />
nicht, weshalb er damals auch<br />
keinen Deutschkurs angeboten bekam.<br />
Die Sprache lernte er dennoch. Zunächst<br />
auf Eigeninitiative, indem er sich<br />
deutsche Lehrbücher besorgte und<br />
den Internetzugang bezahlte, um mit<br />
Freunden im Flüchtlingsheim zu<br />
lernen. Über den Freundeskreis Asyl<br />
Öhringen wurde diese Gruppe Geflüchteter<br />
von Anfang an aktiv unterstützt.<br />
Fernab der offiziellen vhs-Deutschkurse<br />
erhielten sie Nachhilfe, bekamen Einblicke<br />
in die deutschen Gepflogenheiten<br />
und wurden beim Ausfüllen von Formularen<br />
begleitet. Dabei kreuzten sich<br />
die Wege von Abed Lashkari und Dr.<br />
Imogen Wilde.<br />
Integriert. Abed Lashkari (l.). arbeitet bereits seit drei Jahren als <strong>ZFA</strong> in der Praxis von Dr. Imogen<br />
Wilde (r.). Sowohl vom Praxisteam als auch von der Patientenschaft wird der gebürtige Afghane sehr<br />
geschätzt. „Das Sprachproblem verflüchtigt sich zudem, wenn ein*e zweite*r Azubi dazukommt,<br />
der*die aus demselben Land stammt wie der*die erste“, weiß Dr. Wilde.<br />
Fotos: C. Schwarz/IZZ<br />
ENGAGEMENT<br />
Seit 2015 ist Dr. Imogen Wilde in der Geflüchtetenhilfe<br />
aktiv und lernt dabei die<br />
Menschen kennen, die hier im Land ankommen.<br />
Als die Ersten aus der Flüchtlingswelle<br />
2015/2016 schließlich so weit<br />
waren und das B2-Sprachniveau erreicht<br />
hatten, bot Dr. Wilde zweien von ihnen<br />
eine Ausbildungsstelle in ihrer Praxis an.<br />
Ein Angebot, von dem Abed Lashkari<br />
gerne Gebrauch machte. Zum einen verfügte<br />
er bereits über grundlegende<br />
zahnmedizinische Kenntnisse und hatte<br />
sich bereits in Afghanistan überlegt,<br />
statt Jura doch lieber Zahnmedizin zu<br />
studieren: Zum anderen baumelte das<br />
Damoklesschwert der Abschiebung<br />
stets gefährlich über ihm. Als Azubi<br />
hingegen wäre sein sicherer Status <strong>für</strong><br />
die Dauer der Ausbildung gewährleistet<br />
und bei erfolgreichem Abschluss<br />
würde er sich um zwei weitere Jahre verlängern.<br />
Der Weg bis zum Abschluss<br />
war nicht leicht. Sowohl die stetige Sorge<br />
um die verbliebene Familie im Heimatland<br />
als auch die eigene wacklige<br />
Situation in Deutschland machten<br />
Abed Lashkari zu schaffen. Dass es ihm<br />
dennoch gelang, die Ausbildung erfolgreich<br />
abzuschließen, lag mitunter auch<br />
am Engagement, das Dr. Imogen Wilde,<br />
ihr Kollege Holger Gerlach und mit ihnen<br />
das gesamte Praxisteam bewiesen<br />
haben. Braucht es vielleicht ein ganzes<br />
Dorf, um ein Kind großzuziehen, so war<br />
es in diesem Fall ein Praxisteam, das einem<br />
Geflüchteten eine Perspektive gegeben<br />
hat.<br />
BESTÄTIGUNG<br />
Bestätigt durch den Erfolg, ging Dr. Imogen<br />
Wilde diesen Weg erneut und bot<br />
auch Saied Saiedi, ebenfalls Asylbewerber<br />
aus Afghanistan, die Möglichkeit zur<br />
Ausbildung in ihrer Zahnarztpraxis an.<br />
Er war im Heimatland als Konditor tätig<br />
und hatte sich in Deutschland bereits in<br />
der Metalltechnik versucht. Leider musste<br />
der heute 29-Jährige diese Ausbildung<br />
wieder abbrechen, weil ihm die da<strong>für</strong><br />
notwendigen Deutschkenntnisse gefehlt
ZBW_4/2023<br />
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19_TITELTHEMA<br />
haben. Daraufhin jobbte er als Hilfsarbeiter.<br />
Für ihn persönlich sicher keine zufriedenstellende<br />
Tätigkeit, aber es brachte<br />
ihm das Einkommen, mit dem er die<br />
Familie zu Hause unterstützen und sich<br />
ein Leben in Deutschland aufbauen<br />
konnte. Bis zum Zeitpunkt, in dem der<br />
Abschiebebescheid ins Haus flatterte,<br />
denn bis Anfang August 2021 galt Afghanistan<br />
als sicheres Herkunftsland im Sinne<br />
des deutschen Asylrechts. Bestärkt<br />
durch Abed Lashkari, mit dem Saied<br />
Saiedi bereits im Flüchtlingsheim zusammen<br />
Deutsch lernte, absolvierte er<br />
ein Praktikum in der Zahnarztpraxis Dr.<br />
Wilde, um zu sehen, ob ihm die Arbeit<br />
dort liegt und Spaß macht. Heute befindet<br />
er sich in seinem dritten Ausbildungsjahr.<br />
Seine anfängliche Angst hat er überwunden.<br />
„Ich war sicher, dass mein<br />
Deutsch nicht ausreichen würde“, erklärt<br />
er die damaligen Gründe. Aber<br />
hier unterstützten ihn Dr. Wilde und<br />
ZA Gerlach. „Manchmal erkläre ich zwischen<br />
zwei Patienten wie eine Wurzelspitzenresektion<br />
funktioniert“, berichtet<br />
Dr. Imogen Wilde. Mit ihrer Auszubildenden<br />
aus Gambia, Tida Sonko,<br />
spricht Dr. Wilde oftmals auch Englisch,<br />
damit die Verständigung klappt.<br />
Erforderlich ist es auch, dass sich sie<br />
und ihr Kollege Holger Gerlach regelmäßig<br />
nach Feierabend oder auch mal<br />
am Wochenende mit ihren Azubis zusammensetzen,<br />
Fachbegriffe erklären<br />
oder Abrechnungsdetails. Ohne diese<br />
Unterstützung wären die Noten in der<br />
Berufsschule vermutlich nicht so gut,<br />
wie sie es aktuell sind. Aber da<strong>für</strong> hat<br />
die Praxis mit Saied Saiedi und Tida<br />
ASYLERSTANTRÄGE 2022<br />
Sonko aus Gambia zwei Azubis,<br />
die gerne und verlässlich zur Arbeit<br />
kommen, sich dort wertgeschätzt<br />
fühlen und große Stücke<br />
auf ihre Vorgesetzten halten und<br />
das auch zurückspiegeln.<br />
ZA Holger Gerlach war am Anfang<br />
skeptisch, als Praxisinhaberin<br />
Dr. Wilde sich <strong>für</strong> die Ausbildung<br />
von Abed Lashkari entschieden<br />
hatte. Eine Empfindung, die<br />
recht schnell einer großen <strong>Wertschätzung</strong><br />
gewichen ist. Heute<br />
findet ZA Gerlach nur lobende<br />
Worte <strong>für</strong> das Engagement und<br />
die Wissbegierde der Mitarbeitenden<br />
mit Migrationshintergrund.<br />
„Aus Abed wäre ein sauguter<br />
Zahnarzt geworden“, ist er sich<br />
sicher und berichtet, dass es im<br />
praktischen Arbeiten nie Erklärungsbedarf<br />
gab, die Azubis „Zusammenhänge<br />
immer verstehen<br />
wollten“. Die Nachhilfe benötigten<br />
sie vielmehr in Abrechnungsund<br />
Fachkundefragen. „Und hier<br />
haben oft auch Muttersprachler<br />
enorme Schwierigkeiten“, schmunzelt<br />
der Zahnarzt.<br />
SCHWIERIGKEITEN<br />
Einzig das Gehalt macht beiden Afghanen<br />
zu schaffen. Es reicht kaum aus, um<br />
alleine hier in Deutschland zu leben.<br />
Hinzu kommt, dass hinter nahezu allen<br />
Geflüchteten eine mehrköpfige Familie<br />
in der Heimat steht, die auf das Geld<br />
aus Europa wartet, darauf setzt. Ein<br />
großer Druck <strong>für</strong> die Geflüchteten, die<br />
auch hier in Deutschland <strong>für</strong> ihre Frauen<br />
und Kinder verantwortlich sind.<br />
32,6% Syrien, Arab. Republik 16,7% Afghanistan<br />
19,1% sonstige<br />
1,3% Rus. Förderation<br />
1,8% Eritrea<br />
11,0% Türkei<br />
7,0% Irak<br />
3,7% Georgien<br />
2,9% Iran<br />
2,1% Ungeklärt<br />
1,8% Somalia<br />
Statistik. Das Bundesamt <strong>für</strong> Migration und Flüchtlinge (BAMF) gibt jedes Jahr seine Statistiken<br />
heraus. Diese geben nicht nur Auskunft über die Herkunftsländer der Geflüchteten,<br />
sondern auch über deren Altersstruktur: Nach den unter Vierjährigen waren die Geflüchteten<br />
zwischen 18 bis unter 25 Jahren, die zweitgrößte Gruppe.<br />
<strong>Wertschätzung</strong>. ZA Holger Gerlach (l.) schätzt <strong>ZFA</strong>-Azubi<br />
Saied Saiedi (r.) sehr und freut sich, ihm bei Abrechnungs- oder<br />
Fachkundefragen mit seinem Wissen weiterhelfen zu können.<br />
Abed Lashkari erhält mittlerweile zwar<br />
ein volles Gehalt, da er bereits seit drei<br />
Jahren als <strong>ZFA</strong> arbeitet, doch am Ende<br />
des Monats hat der zweifache Vater meistens<br />
finanzielle Engpässe. „Geld ist nicht<br />
alles und ich schätze die schöne Stimmung<br />
in unserer Praxis sehr, aber es belastet<br />
dennoch“, gesteht er offen. Er<br />
hofft, dass er sich im Laufe der Jahre<br />
durch die möglichen Fortbildungen ein<br />
höheres Gehalt erarbeiten kann oder es<br />
sich doch noch ergibt, dass er Zahnmedizin<br />
studieren kann.<br />
Saied Saiedi muss aktuell noch mit dem<br />
Lehrlingsgehalt klarkommen. Seit diesem<br />
Jahr, so berichtet er, reicht es nicht<br />
mehr, da die Lebenshaltungskosten so<br />
enorm gestiegen sind. Neben seiner Ausbildung<br />
arbeitet er deshalb am Wochenende<br />
noch in einem Hotel und hat damit<br />
eine Sieben-Tage-Woche, gänzlich ohne<br />
freie Tage zur Erholung.<br />
Beide kennen aber auch Monate, in denen<br />
sie sich am Ende Geld leihen mussten,<br />
weil es finanziell ganz eng wurde.<br />
Dann unterstützten Freunde oder aber<br />
auch Dr. Imogen Wilde.<br />
Dass es <strong>für</strong> Geflüchtete nicht einfach ist,<br />
eine Ausbildung hier in Deutschland zu<br />
absolvieren, ist nachvollziehbar. Die<br />
Sprache ist ein Grund da<strong>für</strong>, mögliche<br />
Traumata ein weiterer. Dass es dennoch<br />
gehen kann, beweist die Praxis Dr. Imogen<br />
Wilde. Allerdings braucht es da<strong>für</strong><br />
ein Wollen, ein Einsetzen und vor allem<br />
gegenseitiges Verständnis.<br />
<br />
Cornelia Schwarz
20_TITELTHEMA<br />
ZBW_4/2023<br />
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Azubi-Recruiting – Unterstützung über das IZZ BW<br />
AZUBIS GESUCHT?<br />
Das Informationszentrum Zahn- und Mundgesundheit Baden-Württemberg (IZZ BW)<br />
ist die Presse- und Öffentlichkeitsstelle beider Körperschaften im Land. In dieser Funktion<br />
bewirbt das IZZ auch den Ausbildungsberuf. Hier<strong>für</strong> wurden verschiedene Printmedien<br />
entwickelt, die jeder Zahnarztpraxis in Baden-Württemberg kostenfrei zur Nutzung<br />
zur Verfügung gestellt werden. Zudem gibt es einen virtuellen Rundgang durch<br />
die drei Ausbildungsjahre, einen Podcast mit zwei <strong>ZFA</strong> in Ausbildung und<br />
YouTube-Videos zur Aufstiegsfortbildung. Neben der Präsenz auf rund 50<br />
Ausbildungsmessen in ganz Baden-Württemberg, der Werbung über<br />
Anzeigen und redaktionellen Beiträgen in unterschiedlichen Zeitungen,<br />
weitet sich auch die Werbung auf den Plattformen der sozialen Medien wie<br />
Instagram, TikTok, Facebook, LinkedIn und Twitter immer weiter aus.<br />
werden und damit im persönlichen Azubi-Recruiting.<br />
eingesetzt werden.<br />
Angebote. Die Flyer und Postkarten sind nur zwei von mehreren Unterstützungsangeboten, die<br />
das IZZ der Zahnärzteschaft <strong>für</strong> das Bewerben neuer Azubis macht.<br />
Foto: Adobe Stock/ Shopping King Louie; IZZ<br />
NEUE MEDIEN<br />
Der Podcast, in dem zwei <strong>ZFA</strong> in Ausbildung<br />
über ihre Erfahrungen sprechen und<br />
damit sämtliche Informationen auf lockere<br />
Weise transportieren, ist über alle Plattformen<br />
abspielbar und kann auch auf der<br />
praxiseigenen Homepage eingebunden<br />
werden. Auch der virtuelle Rundgang und<br />
die YouTube-Filme können verlinkt und<br />
somit praxisintern genutzt werden. Auf<br />
den Social-Media-Plattformen, hauptsächlich<br />
Instagram, Facebook und Tik-<br />
Tok, steht der Ausbildungsberuf regelmäßig<br />
im Mittelpunkt von Posts und Stories.<br />
Gerne können diese neutralen Posts <strong>für</strong><br />
die individuelle Praxis geteilt und somit<br />
auch genutzt werden. Dieses Angebot wird<br />
stetig ausgebaut und erweitert.<br />
Schon seit vielen Jahren ist das IZZ BW<br />
mit <strong>ZFA</strong>-Ausbildungsbotschafter*innen<br />
auf den Ausbildungsmessen im<br />
Land vertreten. Dabei wird der Azubi-<br />
Stand sowohl auf Messen im ländlichen<br />
Raum, als auch in größeren Städten<br />
aufgebaut. Er ist auf kleineren Messen<br />
ebenso präsent, wie auf größeren und<br />
versucht in persönlichen Gesprächen<br />
vom <strong>ZFA</strong>-Ausbildungsberuf zu begeistern<br />
und vor allem zu überzeugen.<br />
PRÄSENZ<br />
An diesem Stand hält das IZZ stets Listen<br />
zur Weitergabe bereit, die mit Praxisadresse<br />
und Ansprechpartner*in konkret<br />
über offene Ausbildungsstellen in der jeweiligen<br />
Region informieren. Ein digitales<br />
Angebot am Stand rundet die Präsenz<br />
ab: Dabei können die potentiellen Azubis<br />
mit einem virtuellen Rundgang die Stationen<br />
„erleben“, die während der drei<br />
Ausbildungsjahre erlernt werden, mit<br />
Hilfe eines Podcasts, die Erlebnisse zweier<br />
<strong>ZFA</strong> anhören und dank eines Phantomkopfs<br />
ihre Fingerfertigkeit unter Beweis<br />
stellen. Damit der Besuch am <strong>ZFA</strong>-<br />
Stand in Erinnerung bleibt, entwickelte<br />
das IZZ Postkarten mit markanten Sprüchen,<br />
die sich großer Beliebtheit erfreuen,<br />
mitgenommen werden können und<br />
am Abend nochmals an die Erlebnisse<br />
auf der Messe erinnern.<br />
PRAXISBEZUG<br />
Alle Materialien, wie beispielsweise eben<br />
jene Postkarten, aber auch die Flyer zur<br />
Ausbildung und zu den Fortbildungsmöglichkeiten<br />
können kostenfrei beim<br />
IZZ bestellt und in der Praxis ausgelegt<br />
BEWUSSTSEIN<br />
Bereits seit 2021 erhalten alle Schulen<br />
in Baden-Württemberg, die über entsprechende<br />
Abschlussklassen verfügen,<br />
sowie die Berufsinformationszentren<br />
im Land, ein Infopaket mit verschiedenen<br />
Materialien zum <strong>ZFA</strong>-Ausbildungsberuf.<br />
Auf diese Weise ist gewährleistet,<br />
dass der Beruf auch an diesen Stellen im<br />
Bewusstsein ist und bleibt.<br />
ZUKUNFT<br />
In diesem Jahr wird sich das IZZ außerdem<br />
noch intensiver mit dem Thema<br />
Teilzeitausbildung und Wiedereinstieg<br />
beschäftigen. Hier<strong>für</strong> ist eine Werbekampagne<br />
geplant, die über verschiedene<br />
Plattformen laufen wird und hoffentlich<br />
eine hohe Resonanz erfährt.<br />
Cornelia Schwarz
ZBW_4/2023<br />
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21_TITELTHEMA<br />
Berufsanerkennungsverfahren benötigen (zu) viel Zeit<br />
ZWISCHEN WUNSCH UND<br />
WIRKLICHKEIT<br />
Ein Jahr nach dem Beginn des Krieges gegen die Ukraine geht die Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit<br />
von einer deutlichen Entlastung <strong>für</strong> den deutschen Arbeitsmarkt durch Geflüchtete<br />
aus dem Land aus. Schon jetzt seien seit Beginn des Krieges rund 65.000 Ukrainer*innen<br />
mehr sozialversicherungspflichtig beschäftigt als vor Beginn der Kämpfe, berichtet der<br />
Spiegel im Februar dieses Jahres. Auch in Baden-Württemberg wurde über verschiedene<br />
ukrainische Portale Werbung <strong>für</strong> den <strong>ZFA</strong>-Ausbildungsberuf gemacht.<br />
Optimierung. Deutschland braucht 400.000 zusätzliche Fachkräfte. Nur mit ihnen ließe sich der<br />
demografisch bedingte Rückgang des Arbeitskräfteangebots auf ein <strong>für</strong> die Wirtschaft verträgliches<br />
Maß begrenzen. Da<strong>für</strong> müssen Anerkennungsverfahren optimiert werden.<br />
Wer seine bereits erfolgte Ausbildung<br />
im Heimatland anerkennen lassen<br />
möchte, kann dies über die zentrale Stelle<br />
zur Überprüfung der Gleichwertigkeit<br />
ausländischer Berufsqualifikationen<br />
mit dem deutschen Referenzberuf<br />
der*des Zahnmedizinischen Fachangestellten<br />
bei der Zahnärztekammer Westfalen-Lippe<br />
tun. Allein der Satz liest<br />
sich holprig und scheinbar ist es das<br />
Prozedere dazu auch.<br />
WUNSCH<br />
Nachfragen bei der Zahnärztekammer<br />
Westfalen-Lippe ergaben, dass 2022 bundesweit<br />
elf Anträge gestellt wurden. Yulia<br />
Ljashuk, Jahrgang 1996, geboren in Netischyn/Ukraine,<br />
ist eine der Antragsstellerinnen.<br />
Sie ist seit Sommer 2022 in<br />
Deutschland und bemüht sich seither<br />
um die Anerkennung ihrer Ausbildung.<br />
Yulia Ljashuk arbeitete seit ihrem erfolgreichen<br />
Abschluss als Arzthelferin<br />
Abbildung: Adobe Stock_ JulsIst<br />
im Jahre 2015 in einer Zahnarztpraxis<br />
in Riwne, einer Großstadt im Nordwesten<br />
der Ukraine. Dort war sie sowohl in<br />
der Behandlungsassistenz tätig als auch<br />
bei implantologischen Einsätzen. Sie<br />
führte selbstständig Professionelle<br />
Zahnreinigungen und Zahnbleachings<br />
durch und war zudem in der Praxisverwaltung<br />
im Einsatz. Insgesamt hat sie<br />
dabei mehr als sechs Jahre Berufserfahrung<br />
gesammelt.<br />
Über die Posts des Informationszentrums<br />
Zahn- und Mundgesundheit Baden-<br />
Württemberg (IZZ) auf dem Portal<br />
„Ukrainer in Karlsruhe“ wurde Yulia<br />
Ljashuk auf die Möglichkeit aufmerksam,<br />
auch hier in Deutschland in ihrer<br />
Profession zu arbeiten. Obwohl sie sich<br />
aufgrund von Sprachbarrieren im Vorfeld<br />
Sorgen machte, nahm sie Kontakt<br />
zum IZZ auf und sprach dort mit Nadiia<br />
Patzig, selbst Ukrainerin und im<br />
IZZ <strong>für</strong> das Azubimarketing verantwortlich.<br />
Über die Stellenbörsen der<br />
Kassenzahnärztlichen Vereinigung<br />
(KZV BW) und der Landeszahnärztekammer<br />
Baden-Württemberg (LZK<br />
BW) konnte das IZZ schließlich Kontakt<br />
zu einer Zahnärztin in Karlsruhe<br />
aufnehmen und die beiden miteinander<br />
verbinden. Es folgten Bewerbungsgespräche<br />
und Probearbeitstage. Am Ende<br />
waren sich die Praxisinhaberin und Yulia<br />
Ljashuk einig, gerne zusammenarbeiten<br />
zu wollen.<br />
WIRKLICHKEIT<br />
Das Berufsanerkennungsverfahren<br />
wurde zeitgleich, im September 2022,<br />
gestartet. Im Rahmen dieses Berufsanerkennungsverfahrens<br />
forderte die<br />
Zahnärztekammer Westfalen-Lippe neben<br />
allen notwendigen Unterlagen zusätzlich<br />
die ukrainische Ausbildungsordnung<br />
der Hochschule an, was aufgrund<br />
des Bürokratieaufwands und des<br />
Kriegs in der Ukraine einige Zeit in Anspruch<br />
nahm. Das Dokument umfasst<br />
über 100 Seiten und musste zudem auf<br />
Kosten von Yulia Ljashuk ins Deutsche<br />
übersetzt werden. Kostenpunkt rund<br />
700 Euro.<br />
Bis heute – sechs Monate später – wartet<br />
Yulia Ljashuk noch immer auf die Anerkennung.<br />
Zwar arbeitet sie bereits in<br />
der Praxis mit, kann aber aufgrund der<br />
fehlenden Anerkennung keinen vollen<br />
Einsatz zeigen und das Praxisteam<br />
nicht vollwertig unterstützen. Wunsch<br />
und Wirklichkeit stehen sich in diesem<br />
Fall diametral gegenüber. Die dringend<br />
benötigte Unterstützung im Arbeitsalltag<br />
wäre gefunden, beide Parteien wünschen<br />
sich die Zusammenarbeit – einzig<br />
die Bürokratie, in diesem Fall sogar die<br />
eigene Selbstverwaltung, verzögert deren<br />
Umsetzung.<br />
<br />
Cornelia Schwarz
22_TITELTHEMA<br />
ZBW_4/2023<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
Fachkräfteallianz Baden-Württemberg<br />
GEMEINSAM POTENZIALE<br />
ERSCHLIEßEN<br />
Ob Dienstleistungsunternehmen, Handwerk oder medizinischer Beruf: Der Fachkräftemangel<br />
wird immer deutlicher spürbar. Um ihm wirksam zu begegnen, hat das Ministerium<br />
<strong>für</strong> Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg die Fachkräfteallianz Baden-<br />
Württemberg gegründet. Gemeinsam sollen Lösungen erarbeitet werden, wie junge Menschen<br />
sowie Menschen mit Behinderung oder mit Migrationshintergrund durch bessere<br />
Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt ankommen und gehalten werden. Davon profitieren<br />
natürlich auch Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber. Die Zahnärzteschaft beteiligt sich als<br />
Mitglied im Landesverband der Freien Berufe Baden-Württemberg aktiv an diesem Prozess.<br />
Der Arbeitsmarkt steht unter Druck.<br />
Beschleuniger sind der demografische<br />
Wandel sowie der immer stärkere, auch<br />
länderübergreifende Wettbewerb um<br />
Fachkräfte. Hinzu kommt – unter dem<br />
Stichwort „Digitalisierung und New<br />
Work“ – ein tiefgreifender Strukturwandel<br />
der Arbeitswelt.<br />
FACHKRÄFTEALLIANZ BW<br />
Angesichts der ständig wachsenden Bedrohung,<br />
von der nahezu alle Branchen<br />
betroffen sind, hat das Wirtschaftsministerium<br />
bereits 2011 die Fachkräfteallianz<br />
Baden-Württemberg mit mehr als 40<br />
Partnerinnen und Partnern gegründet,<br />
um berufliche Entwicklungsmöglichkeiten<br />
im Strukturwandel zu verbessern. Der<br />
Landesverband der Freien Berufe (LFB)<br />
ist, neben Wirtschaftsorganisationen, Gewerkschaften,<br />
Ministerien, Verbänden<br />
und weiteren Einrichtungen, ebenfalls<br />
Partner. Dr. Torsten Tomppert, Präsident<br />
der Landeszahnärztekammer Baden-<br />
Württemberg, begleitet als Mitglied des<br />
Vorstands des LFB das Thema im LFB-Arbeitskreis<br />
Ausbildung. Vorsitzender dieses<br />
Arbeitskreises – und damit aktiv im<br />
Geschehen – ist Thorsten Beck, stellvertretender<br />
Geschäftsführer der LZK BW.<br />
NEUE ZIELGRUPPEN<br />
Die Fachkräfteallianz hat sich zum Ziel<br />
gesetzt, vorhandene Potenziale gemeinsam<br />
besser zu erschließen, um den<br />
Fachkräftemangel zu verringern und<br />
die Folgen des demografischen Wandels<br />
abzufedern. Dazu werden Maßnahmen<br />
entwickelt, um möglichst viele Menschen<br />
im Arbeitsmarkt zu halten oder<br />
neu da<strong>für</strong> zu gewinnen. Beispielsweise<br />
könnten internationale Fachkräfte<br />
durch eine gelebte Willkommenskultur<br />
<strong>für</strong> Baden-Württemberg gewonnen werden.<br />
Ein besonderer Fokus liegt jedoch<br />
auf jungen Menschen in der Phase der<br />
Berufsorientierung sowie auf Menschen<br />
mit besonderen Herausforderungen auf<br />
dem Arbeitsmarkt. Die Mitglieder des<br />
LFB setzen sich im LFB-Arbeitskreis<br />
Ausbildung <strong>für</strong> eine Stärkung der beruflichen<br />
Aus- und Weiterbildung ein.<br />
Im zahnärztlichen Bereich könnten beispielsweise<br />
bei der Suche nach Zahnmedizinischen<br />
Fachangestellten vermehrt<br />
Ältere, Menschen mit Behinderungen<br />
oder mit Migrationshintergrund adressiert<br />
werden.<br />
EXPERTISE VON DER BASIS<br />
Um wirksame Lösungen zu entwickeln,<br />
ist es wichtig, auch die Expertinnen und<br />
Experten der Basis mit ihren wertvollen<br />
Erfahrungen einzubeziehen. Zu diesem<br />
Zweck fand 2020 der „Fachkräfteallianz<br />
Baden-Württemberg Vernetzungskongress<br />
mit BarCamp“ statt. Über 200 Expertinnen<br />
und Experten brachten sich<br />
in verschiedenen Workshop-Formaten<br />
kreativ und kompetent ein und wurden<br />
von Arbeits- und Wirtschaftsministerin<br />
Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut <strong>für</strong> ihr<br />
Engagement gelobt und aufgefordert,<br />
weiterhin alle denkbaren Fachkräftepotenziale<br />
zu erschließen. Die Ergebnisse<br />
dieser und anderer Veranstaltungen tragen<br />
die Regionalen Fachkräfteallianzen<br />
in die Fläche. Alle Partner können sich<br />
im Rahmen ihrer Kompetenzen mit eigenen<br />
Aktivitäten einbringen und so<br />
zum großen Ziel beitragen: der Sicherung<br />
des Fachkräfteangebots.<br />
ZUKUNFT MITGESTALTEN<br />
Das Thema Fachkräftegewinnung wird<br />
konsequent und zielgerichtet weiterverfolgt.<br />
Im Februar 2022 unterzeichneten<br />
die Partner eine „Vereinbarung der Fachkräfteallianz<br />
BW“. Auch der LFB nimmt<br />
mit seinem Arbeitskreis Ausbildung aktiv<br />
am Prozess teil, aktuell beispielsweise<br />
zum Thema „Umsetzungskonzept Berufliche<br />
Orientierung“. Die Zahnärzteschaft<br />
brachte ihre Vorschläge und Anliegen<br />
über den LFB auch in einem interdisziplinären<br />
Kongress zur Neugestaltung<br />
des Übergangs von der Schule in<br />
den Beruf ein. Dieser fand Ende Februar<br />
2023 in Stuttgart statt. Diskutiert wurden<br />
Schnittstellen sowie Fragen der beruflichen<br />
Orientierung. Weitere Themen<br />
waren Überlegungen zur Einbindung<br />
der Eltern, zum Klimaschutz sowie die<br />
kultursensible berufliche Orientierung<br />
<strong>für</strong> Neuzugewanderte. Kerstin Sigle<br />
INFO<br />
Fachkräfteallianz BW<br />
http://bit.ly/3YywFOt<br />
Vereinbarung der Fachkräfteallianz BW<br />
http://bit.ly/3l0zHNJ<br />
Kongress zur Neugestaltung<br />
Übergang Schule-Beruf 2023<br />
http://bit.ly/3l04eLK
ZBW_4/2023<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
23_TITELTHEMA<br />
AzubiCard Baden-Württemberg<br />
ATTRAKTIVE VERGÜNSTIGUNGEN<br />
FÜR <strong>ZFA</strong>-AZUBIS<br />
Zum Beginn des neuen Ausbildungsjahres im September erhalten alle <strong>ZFA</strong>-Auszubildenden<br />
im Land die AzubiCard Baden-Württemberg. Sie können damit ihren Status nachweisen<br />
und profitieren bei bestimmten Anbietern von Verbilligungen und Vorteilen. Die Landeszahnärztekammer<br />
Baden-Württemberg verfolgt mit diesem neuen Service mehrere<br />
Ziele: Sie ermöglicht den Azubis attraktive Vorteile und unterstützt die Ausbildungsbetriebe<br />
mit einer kostenlosen Dienstleistung. Nicht zuletzt verhilft die AzubiCard<br />
Baden-Württemberg der beruflichen Ausbildung zu mehr Sichtbarkeit und Ansehen in<br />
der Gesellschaft. Eine Win-win-Situation.<br />
Abbildung: Ministerium <strong>für</strong> Wirtschaft,<br />
Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg<br />
Einheitlich. Bisher nur als Muster, ab September<br />
mit dem Logo der LZK BW: die AzubiCardBW.<br />
Die zahnmedizinischen Berufe bieten<br />
Sicherheit und gute berufliche Perspektiven.<br />
Dennoch bleiben viele <strong>ZFA</strong>-Ausbildungsstellen<br />
unbesetzt. Auch wenn<br />
2022 die Zahl der neu abgeschlossenen<br />
Ausbildungsverträge im Land leicht gestiegen<br />
ist, bleibt die Bekämpfung des<br />
Fachkräftemangels ein wichtiges Thema<br />
<strong>für</strong> die LZK BW.<br />
GEMEINSAMER IMPULS<br />
Um mehr Menschen <strong>für</strong> die zahnärztlichen<br />
Ausbildungsberufe zu gewinnen,<br />
tagt regelmäßig der LZK-Ausschuss<br />
Zahnmedizinische Mitarbeiter/innen<br />
und erarbeitet Strategien und Empfehlungen.<br />
Beispiele hier<strong>für</strong> sind der Boys‘<br />
Day (in diesem Jahr am 27. April) und die<br />
Strategie „Finden – Ausbilden – Binden“.<br />
Zudem bringt sich die LZK BW aktiv im<br />
Landesverband der Freien Berufe (LFB)<br />
ein. In diesem Rahmen begleitete die<br />
Kammer auch die Einführung der Azubi-<br />
CardBW im Herbst 2021. Zuvor hatte das<br />
Ministerium <strong>für</strong> Wirtschaft, Arbeit und<br />
Tourismus Baden-Württemberg gemeinsam<br />
mit dem LFB und mehreren Kammern<br />
(u. a. IHK und Handwerkskammer)<br />
die AzubiCardBW erarbeitet und an<br />
die Bedürfnisse im Land angepasst. Damit<br />
verbunden ist die Erwartung, dass<br />
der gemeinsame Impuls von Wirtschaft<br />
und Land zur Gewinnung<br />
von Fachkräftenachwuchs<br />
in Baden-Württemberg beiträgt.<br />
Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut, Ministerin<br />
<strong>für</strong> Wirtschaft, Arbeit und<br />
Tourismus Baden-Württemberg, ist<br />
vom Erfolg überzeugt: „Die AzubiCard<br />
öffnet Auszubildenden die Tür zu vielen<br />
Vergünstigungen und Angeboten von<br />
Betrieben und Einrichtungen.“<br />
KARTE MIT VIELEN VORTEILEN<br />
Während Studium und Ausbildung sind<br />
die meisten Menschen auf finanzielle<br />
Hilfen angewiesen. Hier bietet die Azubi-<br />
CardBW einen Vorteil, den bisher nur<br />
Schüler und Studierende hatten: Die Inhaberinnen<br />
und Inhaber können mit ihr<br />
nachweisen, dass sie sich in der Ausbildung<br />
befinden. Viele Kinos, Theater, Museen<br />
oder Freizeiteinrichtungen gewähren<br />
mit diesem Nachweis ermäßigten<br />
Eintritt. Aber auch Gastronomie, Einzelhandel,<br />
Banken und Versicherungen<br />
sind oft bereit, ihre Preise bei Vorlage des<br />
Nachweises zu reduzieren. Damit haben<br />
<strong>ZFA</strong>-Azubis künftig einen finanziellen<br />
Mehrwert. So könnte die AzubiCardBW<br />
auch die Teilhabe an kulturellen Angeboten<br />
ermöglichen, die mit der reinen<br />
Azubi-Vergütung kaum bezahlbar sind.<br />
Die AzubiCardBW kann bundesweit bei<br />
den teilnehmenden Unternehmen eingesetzt<br />
werden. Einen Überblick über alle<br />
Vorteile und Unternehmen bietet die Internetseite<br />
des Wirtschaftsministeriums<br />
(siehe Infokasten). Ein QR-Code auf der<br />
Vorderseite der Karte verlinkt auf diese<br />
Seite, sodass sich die Azubis auch unterwegs<br />
immer schnell informieren können.<br />
Die Internetseite der AzubiCardBW bietet<br />
außerdem eine Umkreissuche, die alle<br />
Anbieter vor Ort anzeigt. Ein zweiter QR-<br />
Code auf der Rückseite der Karte verlinkt<br />
zum Internetauftritt der Anbieterkammer,<br />
der LZK BW. Hier finden <strong>ZFA</strong>-Azubis<br />
alle relevanten Informationen, welche<br />
die Kammer <strong>für</strong> sie bereithält.<br />
Die landesweit einheitliche Karte wird<br />
zum Ausbildungsbeginn im September<br />
2023 an alle <strong>ZFA</strong>-Azubis im Land ausgegeben.<br />
Weder die Auszubildenden noch<br />
ihre Ausbildungsbetriebe müssen da<strong>für</strong><br />
aktiv werden. Die LZK BW übernimmt<br />
den Auftrag zu Produktion und Versand.<br />
WIN-WIN FÜR ALLE<br />
Die Azubicard BW bietet Vorteile <strong>für</strong> alle<br />
Beteiligten. Durch die QR-Verlinkung<br />
auf die Kammerseite rücken die Auszubildenden<br />
näher an die Kammer heran<br />
und haben direkten Zugriff auf das<br />
Kammerangebot. Das Angebot an Vergünstigungen<br />
wird ständig erweitert.<br />
Denn mit nur wenigen Klicks können<br />
interessierte Unternehmen ihre Vergünstigungen<br />
selbst auf der Webseite<br />
einstellen. Damit werden sie <strong>für</strong> tausende<br />
Azubis bundesweit sichtbar und profitieren<br />
vom Werbeeffekt. Zugleich wird<br />
mit der AzubiCardBW die Sichtbarkeit<br />
der dualen Ausbildung im Land erhöht,<br />
was hoffentlich auch langfristig zu stabilen<br />
<strong>ZFA</strong>-Ausbildungszahlen beiträgt.<br />
Kerstin Sigle<br />
INFO<br />
https://www.azubicard.de/<br />
baden-wuerttemberg/
24_BERUFSPOLITIK<br />
ZBW_4/2023<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
Die Vorstandsreferent*innen der KZV BW stellen sich vor<br />
EHRENAMT MIT MEHRWERT<br />
FÜR DIE KOLLEG*INNEN<br />
Im Mittelpunkt stehen die starke Interessenvertretung, die Profession und die<br />
Kollegialität der Zahnärzteschaft im Land: Die ehrenamtlichen Vorstandsreferent*innen<br />
der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KZV BW) beraten<br />
den hauptamtlichen Vorstand und befassen sich mit den zentralen Themenfeldern<br />
und den maßgeblichen Entwicklungen des zahnärztlichen Berufstandes. Die<br />
Referent*innen sind zu Beginn der neuen Legislaturperiode vom Vorstand benannt<br />
worden – im ZBW stellen sie sich mit ihren Themen und Aufgabenstellungen vor.<br />
Dr. Georg Bach<br />
Vorstandsreferent <strong>für</strong><br />
Gutachterwesen<br />
Beim Gutachterwesen leben wir ja eine<br />
echte Vertragspartnerschaft mit den<br />
Krankenkassen, die erfreulicherweise<br />
dem körperschaftlichen Gutachterwesen<br />
in der Regel den Vorzug geben, obschon<br />
ihnen der Gesetzgeber durchaus<br />
andere Optionen aufgetan hat. Ziel<br />
muss es deshalb sein, diese ureigene<br />
zahnärztliche Profession in unseren<br />
Händen zu halten und hierbei auf maximal<br />
mögliche Kollegialität zu setzen.<br />
Vorstandsreferent <strong>für</strong><br />
Abrechnungswesen<br />
Unser BEMA, der einheitliche Bewertungsmaßstab<br />
<strong>für</strong> zahnärztliche Leistungen,<br />
ist ja nicht nur Basis <strong>für</strong> die Abrechnung<br />
in den Zahnarztpraxen, sondern<br />
auch Grundlage <strong>für</strong> das zahnärztliche<br />
Honorar. Durch die Einbindung<br />
des GKV-Spitzenverbands in den Bewertungsausschuss,<br />
der das Regelwerk<br />
BEMA festlegt, sind naturgemäß Limitationen<br />
„eingebaut“. Unsere Philosophie<br />
als KZV Baden-Württemberg ist es,<br />
innerhalb des stringenten und limitierenden<br />
Systems die Freiheitsgrade, die<br />
vorhanden sind bzw. sich auftun, maximal<br />
zu nutzen und zu erhalten.<br />
Dr. Florentine Carow-Lippenberger<br />
Vorstandsreferentin <strong>für</strong><br />
Frauen und Angestellte<br />
Unser Berufsstand verändert sich:<br />
Mittlerweile studieren mehr Frauen<br />
als Männer an den Fakultäten mit<br />
dem Wunsch, Zahnärztin zu werden.<br />
Die jungen Zahnärztinnen geben auch<br />
dem traditionellen Berufsbild eine<br />
neue Ausrichtung: Arbeiten als Angestellte<br />
oder in früher kaum denkbaren,<br />
neuen Kooperationsformen sind an<br />
der Tagesordnung. Es wird deutlich:<br />
Angestellte und Frauen haben oftmals<br />
andere Bedürfnisse und Ansprüche an<br />
die Berufsausübung, zum Beispiel<br />
auch im Hinblick auf die Vereinbarkeit<br />
von Familie und Beruf. Ich freue<br />
mich, dass die KZV BW diese Entwicklung<br />
begleitet und Angestellte und<br />
Frauen besonders unterstützt. Als Vorstandsreferentin<br />
<strong>für</strong> Frauen und Angestellte<br />
begleite ich die Veränderungen<br />
im Berufsstand gerne.<br />
Dr. Hendrik Putze<br />
Vorstandsreferent <strong>für</strong><br />
Digitales<br />
Die Digitalisierung im Gesundheitswesen<br />
birgt Potenziale <strong>für</strong> eine effektivere<br />
und kostengünstigere Versorgung<br />
<strong>für</strong> alle Beteiligten. Allerdings haben<br />
wir in den Zahnarztpraxen bislang keinen<br />
Nutzen aus der Entwicklung der<br />
letzten Jahre ziehen können, sondern<br />
sehen uns im Gegenteil mit einem<br />
maßgeblichen Mehraufwand durch<br />
unausgereifte Technik und Bürokratie<br />
sowie zusätzlichen Kosten konfrontiert.<br />
Dies muss sich ändern! Die Digitalisierung<br />
muss nicht nur <strong>für</strong> Krankenkassen,<br />
sondern auch <strong>für</strong> uns Anwender<br />
Vorteile bringen. Anwendungen<br />
müssen – trotz Datenschutz – einfach<br />
und praktikabel sowohl <strong>für</strong> Ärztinnen<br />
und Ärzte als auch Patientinnen und<br />
Patienten sein.<br />
Als Digitalreferent möchte ich den<br />
Vorstand hierbei unterstützen und informieren,<br />
um nur Entwicklungen zu<br />
fördern, die wirklich einen Mehrwert<br />
<strong>für</strong> die Praxen und die Versicherten<br />
bringen.
ZBW_4/2023<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
25_BERUFSPOLITIK<br />
Dr. Hans Hugo Wilms<br />
Vorstandsreferent <strong>für</strong><br />
Öffentlichkeitsarbeit<br />
Nach vielen Jahren in der Standespolitik,<br />
davon einige Zeit als Vorstandsreferent<br />
<strong>für</strong> Öffentlichkeitsarbeit, möchte<br />
ich gerne diesen Aufgabenbereich in<br />
den nächsten ein bis zwei Jahren an eine<br />
neue Kollegin oder einen neuen Kollegen<br />
weitergeben.<br />
Um angesichts der vielfältigen, fordernden<br />
und spannenden Themen in der<br />
Öffentlichkeitsarbeit Kontinuität und<br />
einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten,<br />
ist es mir ein Anliegen, dass<br />
die künftige Referentin oder der künftige<br />
Referent sehr gut eingearbeitet wird.<br />
Denn eine professionelle Öffentlichkeitsarbeit<br />
ist ein wichtiger Baustein <strong>für</strong><br />
eine starke Interessenvertretung des Berufsstands.<br />
Dr. Anke Bleicher<br />
Vorstandsreferentin <strong>für</strong><br />
Qualitätsprüfung und -beurteilung<br />
Einerseits erleichtere ich die Kommunikation<br />
zwischen Vorstand, Qualitätsgremium<br />
und dem Referat Qualität<br />
bzw. der Gesonderten Stelle. Andererseits<br />
vertrete ich die Qualitätsprüfung<br />
auch gegenüber der Zahnärzteschaft<br />
und stehe der Gesonderten Stelle bei<br />
zahnmedizinischen Fragen bei. Die<br />
Qualitätsprüfung repräsentiert eine<br />
noch junge Thematik. Naturgemäß bestehen<br />
deshalb noch Vorbehalte bei der<br />
Kollegenschaft. Mein persönlicher Auftrag<br />
besteht darin, diese abzubauen und<br />
das Thema positiv zu kommunizieren.<br />
Dabei ist mir ein freundlicher kollegialer<br />
Umgang ein großes Anliegen.<br />
Dr. Uwe Rieger<br />
Vorstandsreferent <strong>für</strong><br />
das Prüfwesen<br />
Prüfwesen der KZV BW – kollegial und<br />
engagiert! So könnte das Motto <strong>für</strong> die<br />
nächsten sechs Jahre lauten. Das hat<br />
viel mit individuellem Umgang mit<br />
dem Einzelfall und wenig mit Weichspülen<br />
zu tun, denn Kollegialität ist gefordert,<br />
nicht nur gegenüber den zu<br />
Prüfenden, sondern auch gegenüber der<br />
Gesamtkollegenschaft.<br />
Wir setzen auf umfassende Informations-<br />
und Beratungsmöglichkeiten.<br />
Dazu gehört die Neugestaltung der<br />
Homepage mit Anforderungsmöglichkeit<br />
<strong>für</strong> die eigene Statistik.<br />
Es gilt nach wie vor der Grundsatz „Beratung<br />
vor Prüfung“.<br />
Dr. Philipp Hasse<br />
Vorstandsreferent <strong>für</strong><br />
Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung<br />
Die Aufgabe des Referenten <strong>für</strong> QM<br />
und QS liegt in der Beratung und Unterstützung<br />
der Kolleg*innen und des<br />
Vorstands der KZV BW bei der Umsetzung<br />
des Qualitätsmanagements. Dabei<br />
muss der praktische Nutzen des<br />
QMs immer im Vordergrund stehen.<br />
Eine der größten Herausforderungen<br />
wird der Umgang mit zukünftigen Qualitätssicherungsmaßnahmen<br />
sein. Uns<br />
mit unserem Fachwissen zum Thema<br />
Qualität konstruktiv und selbstbewusst<br />
einzubringen, liegt im Interesse der<br />
Zahnärzteschaft.<br />
Dr. Uwe Lückgen<br />
Vorstandsreferent <strong>für</strong><br />
Vertrag<br />
Die jährlichen Vertragsverhandlungen<br />
mit den Krankenkassen <strong>für</strong> eine angemessene<br />
Honorierung der Behandlung<br />
durch Vertragszahnärztinnen und<br />
-zahnärzte ist eine der Kernaufgaben<br />
der KZV.<br />
Gute Vertragsabschlüsse gewährleisten<br />
eine moderne und innovative Zahnmedizin<br />
zum Wohle unserer Patientinnen<br />
und Patienten und stellen unsere Praxen<br />
auf ein solides wirtschaftliches<br />
Fundament.<br />
Als Vertragsreferent kann ich als niedergelassener<br />
Zahnarzt aus Praxissicht<br />
bei der Vorbereitung und strategischen<br />
Ausrichtung der Verhandlungen konstruktiv<br />
mitgestalten und meine Vorschläge<br />
einbringen.<br />
INFO<br />
Dr. Patricia Miersch<br />
Vorstandsreferentin <strong>für</strong><br />
Kieferorthopädie<br />
Die Kieferorthopädie ist Prophylaxe,<br />
Funktion und Ästhetik und damit ein<br />
integraler Bestandteil der Zahnmedizin.<br />
Auch unter den immer regressiveren Bedingungen<br />
der Politik sind wir bereit<br />
und kompetent <strong>für</strong> die Zukunft, um<br />
fortschrittliche und nachhaltige Lösungen<br />
zu realisieren.<br />
Guido Reiter<br />
Die Vorstandsreferentin oder der<br />
Vorstandsreferent <strong>für</strong> den Bereich<br />
Fortbildung ist durch den Vorstand<br />
der KZV BW noch nicht benannt<br />
worden. Sobald diese Information<br />
vorliegt, berichten wir darüber im<br />
ZBW.
26_BERUFSPOLITIK<br />
ZBW_4/2023<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
LK Gesundheit: Krisenbewältigung im zahnärztlichen Bereich<br />
FLAGGE ZEIGEN<br />
AUF GROSSER BÜHNE<br />
Nicht weniger als eine Revolution hatte Gesundheitsminister Lauterbach mit Blick auf<br />
die anstehende Reform der Krankenhausfinanzierung angekündigt. Naturgemäß<br />
stand daher die Krankenhauspolitik im Mittelpunkt des diesjährigen Landeskongress<br />
Gesundheit, der am 3. Februar 2023 auf der Messe Stuttgart stattfand. Gleichwohl<br />
wurde auch dort deutlich, wie wichtig der ambulante Sektor <strong>für</strong> ein starkes und<br />
leistungsfähiges Gesundheitswesen ist – auch dank des Einsatzes des zahnärztlichen<br />
Berufsstands. Dessen Beiträge zur Krisenfestigkeit des Gesundheitswesens konnten<br />
so auch auf dem Kongress prominent platziert werden.<br />
Vernetzung. Der Landeskongress Gesundheit vernetzt als zentraler Fachkongress im Südwesten<br />
hunderte Vertreter*innen aus Politik, Wirtschaft und Gesundheitswesen.<br />
Der Landeskongress Gesundheit ist<br />
seit Jahren eine Institution in der gesundheitspolitischen<br />
Fachwelt. Als<br />
zentraler Fachkongress im Südwesten<br />
vernetzt er hunderte Vertreter*innen<br />
aus Politik, Wirtschaft und Gesundheitswesen.<br />
Dieses Jahr fand er unter<br />
dem Titel „Das Gesundheitssystem im<br />
Krisenmodus? Baustellen und Lösungsansätze“<br />
statt.<br />
KRISENFEST<br />
Als Schirmherr des Kongresses richtete<br />
Landessozialminister Manne Lucha<br />
aufgrund der zeitgleich tagenden Enquete-Kommission<br />
„Krisenfeste Gesellschaft“<br />
des Landtages per Videobotschaft<br />
das Wort an die Teilnehmenden.<br />
2023 werde <strong>für</strong> die Gesundheitsversorgung<br />
ein wichtiges und zugleich spannendes<br />
Jahr, so der Minister. Angesichts<br />
veränderter Versorgungsbedarfe und<br />
bestehender Herausforderungen, etwa<br />
durch den Personalmangel, gelte es,<br />
derzeitige Versorgungsstrukturen zu<br />
überdenken und neue, beispielsweise telemedizinische<br />
Verfahren zu stärken.<br />
Zu den gesundheitspolitischen Zielen,<br />
die die Landesregierung verfolge, die<br />
aber auch auf der Agenda der Gesundheitsministerkonferenz,<br />
deren Vorsitz<br />
das Land Baden-Württemberg 2023 innehat,<br />
stehen, gehöre etwa die Stärkung<br />
der Gesundheitskompetenz. Eine leichtere<br />
Lenkung und Navigation im Gesundheitswesen<br />
spiele <strong>für</strong> die Versicherten<br />
im Alltag eine große Rolle. Ziel müsse<br />
es sein, sichere und verständliche Gesundheitsinformationen<br />
auch mit Hilfe<br />
digitaler Mittel zu verbreiten und allen<br />
Bevölkerungsgruppen Zugang zu ermöglichen.<br />
Foto: Landesmesse Stuttgart GmbH<br />
KRANKENHAUSREFORM<br />
Überdies sei das Gesundheitswesen zu<br />
stark ökonomischen Anreizen unterworfen,<br />
was sowohl im stationären Sektor<br />
als auch in Bezug auf den Anstieg von investorengeführten<br />
MVZ zu beobachten<br />
sei. Lucha bekräftigte, dass Bund und<br />
Länder damit befasst seien, konkrete Regelungen<br />
zur Begrenzung von iMVZ zu<br />
erarbeiten. Die Empfehlungen der Krankenhaus-Kommission<br />
begrüßte der Minister<br />
im Grundsatz, wobei ein gemeinsames<br />
Vorgehen von Bund und Ländern<br />
wichtig sei. Mit dieser Ansage lag der Ball<br />
im Feld von Prof. Dr. Tom Bschor. Der<br />
Leiter und Koordinator der Regierungskommission<br />
<strong>für</strong> eine moderne und bedarfsgerechte<br />
Krankenhausversorgung<br />
des Bundesministeriums <strong>für</strong> Gesundheit<br />
stellte als Keynotespeaker deren Reformvorschläge<br />
vor. Nachdem die Probleme<br />
der derzeitigen Systematik der Krankenhausfinanzierung<br />
immer deutlicher zutage<br />
treten und der Reformdruck offensichtlich<br />
ist, konnte Prof. Bschor trotz<br />
erheblichem Diskussionsbedarf in der<br />
Sache auf sichtbare Zustimmung im<br />
Saal setzen. Eine Eingangsfrage, die alle<br />
Kongress-Teilnehmenden per Smartphone<br />
spontan beantworten sollten, lautete:<br />
„Gehen die Reformansätze von Minister<br />
Lauterbach in die richtige Richtung“.<br />
Beinahe die Hälfte aller Anwesenden<br />
(49,3 Prozent) bejahte dies grundsätzlich,<br />
während knapp ein Drittel (32,9<br />
Prozent) mit „nein“ antwortete und die<br />
Übrigen sich noch unentschlossen zeigten.<br />
EMPFEHLUNGEN<br />
Zu den Grundgedanken der dargestellten<br />
Reformvorschläge gehörte, dass die<br />
Medizin nicht mehr der Ökonomie,
ZBW_4/2023<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
27_BERUFSPOLITIK<br />
sondern der Notwendigkeit folgen solle.<br />
Personalengpässe bei steigenden Patientenzahlen<br />
erschwerten die Versorgung.<br />
Gleichzeitig gebe es in vielen Bereichen<br />
eine Überversorgung – die stationäre<br />
Fallzahl und auch die Krankenhausdichte<br />
in Deutschland sei sehr<br />
hoch. Die Schere von Über- und Unterversorgung<br />
gelte es zusammenzubringen,<br />
so Prof. Bschor.<br />
Derzeit agierten die Kliniken unter hohem<br />
Kostendruck. Es gelte, vorhandene<br />
Mittel gut zu nutzen und Fehlanreize,<br />
etwa durch die Überbetonung der Fallpauschalen,<br />
zu verhindern. So solle mit<br />
einem Vorhaltebudget anstelle der rein<br />
fallbezogenen Finanzierung der wirtschaftliche<br />
Druck und die Erbringung<br />
medizinisch nicht notwendiger Leistungen<br />
verringert werden. Gleichzeitig<br />
schlägt die Kommission angesichts bislang<br />
unzureichender Strukturvorgaben<br />
vor, die Kliniken künftig in drei Level<br />
(Grundversorgung, Regel- und Schwerpunktversorgung,<br />
Maximalversorgung)<br />
einzuordnen und klar definierte Leistungsgruppen<br />
einzuführen, um Ressourcen<br />
zu sparen, eine bessere Spezialisierung<br />
zu ermöglichen und die Behandlungsqualität<br />
zu erhöhen.<br />
WORLD CAFÉ FOREN<br />
Ein Kernbestandteil des Landeskongress<br />
ist traditionell der persönliche<br />
Austausch der Akteur*innen. Im World-<br />
Café-Format wurden aktuelle Fragen in<br />
sieben thematischen Foren diskutiert.<br />
Die Zahnärzteschaft, vertreten durch<br />
KZV BW und LZK BW, brachte sich mit<br />
einem eigenen Forum unter dem Motto<br />
„Krisenbewältigung im zahnärztlichen<br />
Bereich“ ein und stellte anhand verschiedener<br />
Aspekte dar, welche Antworten<br />
der Berufsstand auf die derzeitigen<br />
Herausforderungen biete. Dr. Torsten<br />
Tomppert, Vorstandsvorsitzender der<br />
KZV BW, Präsident der LZK BW und<br />
Koordinator des zahnärztlichen Forums,<br />
erklärte: „Die Stärke der ambulanten<br />
zahnärztlichen Versorgung in<br />
Baden-Württemberg ist Ausdruck des<br />
vielfältigen Engagements unserer Kolleginnen<br />
und Kollegen. Als Berufsstand<br />
zeigen wir Flagge, damit die zahnärztliche<br />
Perspektive bei wichtigen politischen<br />
Weichenstellungen nicht übersehen<br />
wird.“<br />
PATIENTEN-COMPLIANCE<br />
Anknüpfend an die einleitenden Worte<br />
von Sozialminister Lucha stand das<br />
Thema „Gesundheitskompetenz“ auch<br />
im zahnärztlichen Forum als ein<br />
Schwerpunkt fest. Dr. Konrad Bühler<br />
und Dr. Georg Bach erläuterten <strong>für</strong> den<br />
Austausch. „Die Stärke der ambulanten zahnärztlichen Versorgung in Baden-Württemberg ist Ausdruck<br />
des vielfältigen Engagements unserer Kolleginnen und Kollegen“, so Dr. Torsten Tomppert, Vorstandsvorsitzender<br />
der KZV BW und Präsident der LZK BW.<br />
Verwaltungsrat der Zahnmedizinischen<br />
Patientenberatungsstelle, welche Funktion<br />
diese <strong>für</strong> eine Stärkung der Gesundheitskompetenz<br />
und Patienten-<br />
Compliance einnimmt und wie das Beratungsangebot<br />
regelmäßig auf die Bedürfnisse<br />
der Versicherten abgestimmt<br />
und weiterentwickelt werde. Im Mittelpunkt<br />
stehe das Leitbild des informierten<br />
Patienten und einer gut erreichbaren,<br />
kostenfreien, kompetenten, qualitätsgesicherten<br />
und neutralen Beratung.<br />
In fast 4000 Beratungsfällen im<br />
Jahr ermöglicht die Zahnmedizinische<br />
Patientenberatung Lösungen durch<br />
Wissensvermittlung und dient als Lotsenstelle<br />
<strong>für</strong> weitere Ansprechpersonen.<br />
FACHKRÄFTESICHERUNG<br />
Thorsten Beck, stellvertretender Geschäftsführer<br />
der Landeszahnärztekammer,<br />
stellte im Gespräch mit Tischgastgeberin<br />
Cornelia Schwarz, Leiterin<br />
des IZZ BW, vor, welche Strategien zur<br />
Reduzierung des Fachkräftemangels im<br />
Bereich der zahnmedizinischen Fachangestellten<br />
verfolgt würden. Längst gebe<br />
es zahlreiche Initiativen auch seitens<br />
der LZK BW, um mit kreativen Ansätzen<br />
<strong>für</strong> den <strong>ZFA</strong>-Beruf zu werben und<br />
die Ausbildungsquoten zu erhöhen. Die<br />
Bindung von Personal durch eine Steigerung<br />
der Arbeitszufriedenheit und<br />
Mitarbeitermotivation sei ein zentrales<br />
Ziel, bei dem es nicht allein um finanzielle<br />
Aspekte gehe – auch die Möglichkeiten<br />
zur Weiterbildung sowie zur Vereinbarkeit<br />
von Familie, Beruf und Privatleben<br />
müssten hier in den Blick genommen<br />
werden.<br />
PROPHYLAXE<br />
Ein wesentlicher Baustein ist nicht zuletzt<br />
die zahnärztliche Prophylaxe, die<br />
bereits in den ersten Lebensjahren eine<br />
wichtige Rolle spielt. In diesem Sinne<br />
erläuterten Dr. Doreen Pfau (Regionale<br />
Arbeitsgemeinschaft Zahngesundheit<br />
Pforzheim und Enzkreis) und Carolin<br />
Möller-Scheib (Geschäftsführerin der<br />
LAGZ BW), wie die Gruppenprophylaxe<br />
in Kitas und Schulen als wirkungsvoller<br />
Beitrag zu einem krisenfesten<br />
Gesundheitssystem bereits die Kleinsten<br />
in den Blick nimmt und früh auf<br />
die Vermittlung zentraler Kenntnisse<br />
und Fähigkeiten zur Gesunderhaltung<br />
der Zähne setzt. Der Erfolg dieses Einsatzes<br />
sei deutlich sichtbar, betonte Dr.<br />
Tomppert in seinem Resümee vor allen<br />
Kongressteilnehmer*innen. So habe<br />
Baden-Württemberg den bundesweit<br />
besten Zahnstatus, über 80 Prozent der<br />
Zwölfjährigen seien kariesfrei.<br />
AUSBLICK<br />
Dass nach drei Jahren pandemiebedingter<br />
Pause wieder in Präsenz getagt<br />
werden konnte und die persönliche<br />
Vernetzung der Teilnehmenden möglich<br />
war, wurden von allen Beteiligten<br />
positiv hervorgehoben. Mit Blick auf<br />
die anstehenden Entscheidungen in<br />
der Gesundheitspolitik sei dieser Austausch<br />
von zentraler Bedeutung, um<br />
widerstreitende Interessen zusammenführen<br />
und gemeinsam <strong>für</strong> bestmögliche<br />
Lösungen sorgen zu können. Dass<br />
auch die ambulante zahnärztliche Versorgung<br />
als Teil eines starken, krisenfesten<br />
Gesundheitswesens eine wichtige<br />
Rolle spielt, wurde durch den Einsatz<br />
der anwesenden Vertreter*innen<br />
der Zahnärzteschaft und die vielfältigen<br />
Perspektiven, die im zahnärztlichen<br />
Forum aufgezeigt wurden, deutlich<br />
sichtbar.<br />
Dr. Holger Simon-Denoix<br />
Foto: J. Dusche
28_BERUFSPOLITIK<br />
ZBW_4/2023<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
Gesundheitspolitiker Ullmann MdB (FDP) im Interview zu MVZ<br />
„GUTE VERSORGUNG MUSS IM<br />
VORDERGRUND STEHEN“<br />
Es bewegt sich viel in Sachen MVZ. Nachdem von zahnärztlicher Seite die Forderungen<br />
nach einer Regulierung von MVZ immer wieder vorgetragen wurden, mehren sich<br />
entsprechende Stimmen. Das Thema hat es aus der „Fachnische“ heraus in die überregionale<br />
Presse geschafft. Auch die Gesundheitsministerkonferenz hat den Bund im<br />
vergangenen Jahr aufgefordert, Maßnahmen zur MVZ-Regulierung zu ergreifen. Nun<br />
hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) einen Entwurf angekündigt. Wir<br />
haben dazu mit Prof. Dr. Andrew Ullmann MdB, gesundheitspolitischer Sprecher der<br />
FDP-Bundestagsfraktion, gesprochen.<br />
sundheitswesen dürfen primär den<br />
Zweck haben, Gewinne zu maximieren.<br />
Ich denke, dass der Bereich sehr heikel<br />
ist und wir uns keinen Gefallen tun,<br />
wenn wir polemisieren oder Heuschreck-Gespenster<br />
an die Wand malen.<br />
Wir müssen gerade im Bereich der<br />
MVZs sachlich vorangehen. Wir müssen<br />
beachten, dass es seitens der Patientinnen<br />
und Patienten den Wunsch gibt,<br />
auch mehrere ärztliche Fachbereiche in<br />
einem Gebäude zu haben, dazu gerne<br />
auch noch die Physiotherapie und das<br />
Sanitätshaus. Seitens der Ärzteschaft<br />
gibt es immer mehr den Wunsch, Risiken<br />
aufzuteilen oder in einem Angestelltenverhältnis<br />
zu arbeiten. Zudem<br />
denke ich, dass wir auch zwischen den<br />
Investitionsformen unterscheiden sollten.<br />
Das Bundesgesundheitsministerium arbeitet<br />
an einem Gesetz zur Regulierung<br />
von investorengetragenen Medizinischen<br />
Versorgungszentren (kurz: iMVZ).<br />
Was ist konkret vorgesehen?<br />
Wir sind noch in der Phase der Evaluierung<br />
der Möglichkeiten. Es gibt allerdings<br />
schon interessante Papiere. Bspw.<br />
gab es einen guten Vorstoß von der<br />
Bundesärztekammer.<br />
Versorgung. „Staatsmedizin ist ja nicht umsonst ein Schimpfwort und von keinem<br />
vernünftigen Menschen gewollt“, Prof. Dr. Andrew Ullmann MdB (FDP).<br />
Foto: Andrew Ullmann<br />
Die Liberalen stehen bekanntlich <strong>für</strong><br />
weniger staatliche Regulierung. Wie gehen<br />
Sie in dieser Frage mit dem Spannungsverhältnis<br />
von unternehmerischer<br />
Freiheit einerseits und dem Verhindern<br />
von Fehlentwicklungen in der medizinischen<br />
Versorgungslandschaft andererseits<br />
um?<br />
ZBW: Herr Prof. Ullmann, Minister Lauterbach<br />
sagte in einem Interview: „Es<br />
gibt den fatalen Trend, dass Investoren<br />
medizinische Versorgungszentren mit<br />
unterschiedlichen Facharztpraxen aufkaufen,<br />
um sie anschließend mit maximalem<br />
Gewinn zu betreiben“. Er wolle<br />
den Einstieg von „Heuschrecken in Arztpraxen“<br />
unterbinden. Teilen Sie seine<br />
Einschätzung?<br />
Prof. Dr. Andrew Ullmann: Wir alle<br />
sind der Meinung, dass die gute Versorgung<br />
im Vordergrund stehen muss. Weder<br />
ein MVZ noch ein Krankenhaus<br />
noch sonst eine Einrichtung im Ge-<br />
Wir Liberalen stehen nicht einfach <strong>für</strong><br />
ein “Weniger” bei staatlicher Regulation.<br />
Das wäre kein Argument, weil es rein<br />
quantitativ ist. Wir gehen aber davon<br />
aus, dass weniger staatliche Einschränkung<br />
zumeist zu besserer Qualität führt.<br />
Oft ist gerade der Staat nicht dazu geeignet,<br />
die besten Regeln zu finden.<br />
Staatsmedizin ist ja nicht umsonst ein<br />
Schimpfwort und von keinem vernünftigen<br />
Menschen gewollt. Allerdings ist<br />
Gesundheit keine Ware im klassischen<br />
Sinne und das Gesundheitssystem kann<br />
nicht einfach wie jeder andere Markt gehandhabt<br />
werden. Dennoch sehe ich<br />
Möglichkeiten, wie sich unternehmeri-
ZBW_4/2023<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
sche Freiheit und gute medizinische<br />
Versorgung zusammenbringen lassen.<br />
Einfach gesagt: Jeder Gesundheitsdienstleister<br />
hat das Interesse, dass seine<br />
Patienten zufrieden sind und wiederkommen.<br />
Und kein Gesundheitsunternehmer<br />
hat etwas davon, wenn das<br />
knappe Personal unzufrieden ist und<br />
sich einen neuen Job sucht.<br />
29_BERUFSPOLITIK<br />
» Wir haben die Zukunftskoalition nicht<br />
<strong>für</strong> das GKV-FinStG aufs Spiel gesetzt. Da<strong>für</strong><br />
sind wir insgesamt in einer zu kritischen Lage<br />
und unsere Nation braucht diese Koalition.«<br />
Prof. Dr. Andrew Ullmann<br />
Gibt es unterschiedliche Ansichten der<br />
Koalitionspartner, die noch verhandelt<br />
werden? Wo sind dabei die Streitpunkte<br />
innerhalb der Ampel? Worüber wird<br />
noch verhandelt?<br />
Darüber kann und will ich an dieser<br />
Stelle nichts sagen. Lediglich, dass wir<br />
in der internen Diskussion sind.<br />
iMZV leisten im Regelfall keinen relevanten<br />
Beitrag zur Versorgung im ländlichen<br />
Raum, sie werden von niedergelassenen<br />
Zahnärzt*innen sogar als Konkurrenz<br />
wahrgenommen. Im Koalitionsvertrag<br />
haben SPD, Grüne und FDP<br />
festgehalten, dass „Alle Menschen in<br />
Deutschland gut versorgt und gepflegt<br />
werden (sollen) – in der Stadt und auf<br />
dem Land“. Wie wollen Sie einer drohenden<br />
(zahn-)medizinischen Unterversorgung<br />
gerade in ländlichen Gebieten zuvorkommen?<br />
Das ist ein Punkt, über den wir dringend<br />
in der Koalition sprechen müssen.<br />
Wir meinen das, was im Koalitionsvertrag<br />
steht, vollkommen ernst und wir<br />
werden uns darum kümmern, dass wir<br />
einen Weg finden, der auch die zahnmedizinische<br />
Versorgung im ländlichen<br />
Gebiet sicherstellt.<br />
Be<strong>für</strong>worter von iMVZ argumentieren,<br />
dass Ärzt*innen in iMVZ ihrer Tätigkeit<br />
nachgehen könnten und sich dabei<br />
nicht um Verwaltungsaufgaben kümmern<br />
müssten. Tatsächlich ist Bürokratie<br />
ein häufig genanntes Niederlassungshemmnis.<br />
Was plant die Ampel,<br />
um zahnärztliche Praxen dahingehend<br />
zu entlasten und niederlassungsbereite<br />
Zahnärzt*innen zu unterstützen?<br />
Das Problem ist sowohl in der Humanund<br />
in der Zahnmedizin bekannt. Doch<br />
auch hierzu kann ich noch nichts Konkretes<br />
sagen, hier muss das BMG erste<br />
Entwürfe liefern. Politisch müssen alle<br />
Ebenen (Kommunal-, Landes- und Bundespolitik)<br />
zusammenarbeiten, wenn<br />
die Infrastruktur in den ländlichen Regionen<br />
funktionieren soll. Denn durch<br />
Kitas, Schulen, Einkaufsmöglichkeiten<br />
gewinnt die ländliche Region an Attraktivität<br />
sich dort niederzulassen. Modelle<br />
zur verpflichtenden Niederlassung<br />
wie in Bayern, die mit der Studienplatzvergabe<br />
einhergehen, sehe ich nach wie<br />
vor eher kritisch.<br />
Die Budgetierung im Rahmen des GKV-<br />
Finanzstabilisierungsgesetzes belastet<br />
die Praxen neben der Konkurrenz durch<br />
MVZ und dem Personalmangel zusätzlich.<br />
Was waren <strong>für</strong> die FDP die sachlichen<br />
Gründe, die strikte Budgetierung<br />
zahnärztlicher Leistungen im GKV-<br />
FinStG mitzutragen?<br />
Wir haben die Zukunftskoalition nicht<br />
<strong>für</strong> das GKV-FinStG aufs Spiel gesetzt.<br />
Da<strong>für</strong> sind wir insgesamt in einer zu kritischen<br />
Lage und unsere Nation braucht<br />
diese Koalition. Faktisch konnten und<br />
wollten wir nicht dagegen stimmen,<br />
dass alle Leistungserbringer einen Teil<br />
<strong>für</strong> eine Zeitlang beitragen müssen, damit<br />
nicht die Allgemeinheit in einer<br />
schweren Situation über die Maße belastet<br />
wird. Es ist leider so, dass uns das oft<br />
ausgelegt wird, als wären wir <strong>für</strong> einen<br />
Sparkurs bei jenen, die Leistungen erbringen.<br />
Das Gegenteil ist der Fall. Deswegen<br />
war unsere Bedingung, dass wir<br />
eine große Reform anschließen müssen,<br />
um die GKV auf solide Füße zu stellen.<br />
Wie sind Sie bisher mit der gesundheitspolitischen<br />
Performance der Regierung<br />
zufrieden?<br />
Es geht immerhin voran. Viel wird ohne<br />
Frage davon abhängen, ob es das BMG<br />
schafft, die Megareformen zur Krankenhausstruktur,<br />
Ambulantisierung,<br />
Digitalisierung und zur Pflege auf den<br />
Weg zu bringen.<br />
Welche weiteren gesundheitspolitischen<br />
Projekte wollen Sie in dieser Legislatur<br />
gerne umgesetzt sehen?<br />
Cannabis-Legalisierung, Krankenhausstrukturreform,<br />
GKV-Finanzierung,<br />
Pflegereform und dann müssen wir auch<br />
die Arzneimittelversorgung in den Griff<br />
bekommen und natürlich Strukturen<br />
schaffen, welche die gesundheitliche Versorgung<br />
auch in unterversorgten ländlichen<br />
Bereichen sicherstellt. Wesentliches<br />
Anliegen ist uns auch das weitere Vorantreiben<br />
der digitalen Transformation im<br />
Gesundheitswesen. Wir brauchen funktionierende<br />
digitale Lösungen, um unsere<br />
Versorgung zukunftsfähig und nachhaltig<br />
zu gestalten. Dazu gehört auch<br />
ein neues Zeitalter der Datennutzung<br />
zur Prävention, Diagnostik und Therapieplanung.<br />
Unsere Aufgabe bei all diesen<br />
Herausforderungen ist es, die entsprechenden<br />
Rahmenbedingungen herzustellen<br />
und Reformen anzustoßen.<br />
Das Gespräch führte Alexander Messmer<br />
ZUR PERSON<br />
Prof. Dr. Andrew Ullmann, geboren<br />
1963 in Los Angeles, verbrachte seine<br />
Kindheit in Los Angeles bis er 1972 mit<br />
seiner Familie zurück nach Deutschland<br />
zog. Er studierte an der Ruhr-Universität<br />
Bochum Humanmedizin und<br />
schloss das Studium 1987 mit dem<br />
medizinischen Staatsexamen ab. Seit<br />
1995 war er an der Universitätsklinik<br />
Mainz tätig. An der Harvard Medical<br />
School wurde er von 1996 bis 1998<br />
zum Infektiologen ausgebildet. Er habilitierte<br />
sich 2008 in der Universitätsmedizin<br />
Mainz und folgte 2012 einem<br />
Ruf zum Universitätsprofessor an die<br />
Universitätsklinik Würzburg. 2003 trat<br />
er der FDP bei. Seit 2013 ist er Mitglied<br />
im Landesfachausschuss Wissenschaft<br />
und Kultur sowie im Landesfachausschuss<br />
Gesundheit in Bayern<br />
und im Bundesfachausschuss Gesundheit<br />
der FDP. Von 2013 bis 2015<br />
war er stellvertretender Vorsitzender<br />
der FDP Würzburg-Stadt und ist seit<br />
2015 ihr Vorsitzender. Er ist Sektionssprecher<br />
der Infektiologie beim BDI<br />
(Berufsverband Deutscher Internisten)<br />
und Beisitzer in der Arbeitsgemeinschaft<br />
Infektionen in der Hämatologie<br />
und Onkologie der DGHO. Seit 2015<br />
ist er zudem Vertrauensdozent der<br />
Friedrich-Naumann-Stiftung <strong>für</strong> die<br />
Freiheit.
30_BERUFSPOLITIK<br />
ZBW_4/2023<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
Berichts- und Lernsystem jetzt auch <strong>für</strong> angestellte Zahnärzt*innen<br />
„CIRS DENT –<br />
JEDER ZAHN ZÄHLT!“<br />
Das CIRS in „CIRS dent” steht <strong>für</strong> Critical Incident Reporting System. Dahinter verbirgt<br />
sich das gemeinsame Berichts- und Lernsystem von KZBV und BZÄK. Seit 2016<br />
wird es von vielen Zahnärzt*innen im praxisinternen Qualitätsmanagement genutzt, um<br />
kritische Ereignisse aus dem zahnärztlichen Praxisalltag in einem zahnärztlichen Forum<br />
anonym und sanktionsfrei zu teilen. Auf diese Weise kann aus den Erfahrungen anderer<br />
gelernt und aktiv ein Beitrag zur Verbesserung der Patientensicherheit geleistet werden.<br />
Seit Kurzem können sich auch angestellte Zahnärzt*innen <strong>für</strong> die Teilnahme registrieren.<br />
ANONYMER AUSTAUSCH<br />
Das Online-Forum „CIRS dent“ bietet in<br />
einem anonymen und sanktionsfreien<br />
Rahmen die Möglichkeit des Austausches<br />
zu unerwünschten Ereignissen in<br />
der Zahnarztpraxis. Seit „CIRS dent“ an<br />
den Start gegangen ist, haben sich bundesweit<br />
ca. 6.500 Zahnärzt*innen angemeldet.<br />
Das Feedback seitens der Praxen<br />
war bislang ausnahmslos positiv. Das<br />
System läuft reibungslos, die Anonymität<br />
der Berichte ist gewährleistet. Um den<br />
Nutzen <strong>für</strong> den fachlichen Austausch unter<br />
den Zahnärzt*innen und in Folge <strong>für</strong><br />
die Verbesserung der Patientensicherheit<br />
zu vergrößern, ist es wichtig, dass möglichst<br />
viel Zahnärzt*innen bei „CIRS<br />
dent“ mitmachen. Aus diesem Grund haben<br />
nun auch angestellte Zahnärzt*innen<br />
die Möglichkeit, sich zu registrieren.<br />
Wie die Registrierung erfolgt, erläutert<br />
der beistehende Infokasten.<br />
DAS SOLLTE NICHT PASSIEREN<br />
„CIRS dent“ trägt dem Umstand Rechnung,<br />
dass es auch im bestmöglich organisierten<br />
Praxisalltag zu Situationen<br />
kommen kann, die man lieber hätte vermeiden<br />
wollen. Bei der Eintragung der<br />
fraglichen Situationen in die Online-<br />
Plattform geht es dabei nicht um Klärung<br />
der Schuldfrage, sondern vielmehr<br />
darum, wie Fehler entstanden sind und<br />
vor allem, wie sie hätten verhindert werden<br />
können und welche Erfahrungen<br />
und Lösungsansätze andere Praxen in<br />
ähnlichen Situationen gemacht haben.<br />
Ein kritisches Ereignis ist dabei das, was<br />
ein*e Zahnärzt*in als berichtende Person<br />
als kritisches Ereignis empfindet. Hierunter<br />
kann alles zusammengefasst werden,<br />
bei dem man denkt: „Das war eine<br />
vermeidbare Bedrohung <strong>für</strong> das Wohlergehen<br />
der/des Patient*in und sollte nicht<br />
passieren.“ Die Bandbreite umfasst dabei<br />
administrative Vorfälle, zahnmedizinische<br />
Fehleinschätzungen, Abstimmungsund<br />
Kommunikationsprobleme in der<br />
Praxis, Verständigungsprobleme mit den<br />
Patient*innen oder auch Fehler auf Seiten<br />
der beteiligten Patient*innen. Kritische<br />
Ereignisse können u. a. auftreten<br />
• in der Praxisadministration<br />
• bei der Führung der Patient*innendokumentation<br />
• mit zahnmedizinischer Ausrüstung<br />
• bei der körperlichen Untersuchung<br />
oder der Interpretation der Befunde<br />
• bei der entsprechenden Diagnosestellung<br />
• bei der Durchführung von Behandlungsmaßnahmen<br />
• bei der Überweisung von Patient*innen<br />
an Fach(zahn)ärzt*innen<br />
• bei der Verschreibung und der Gabe<br />
von Medikamenten<br />
Es gilt, dass kein Patientenschaden entstanden<br />
sein muss, um ein kritisches Ereignis<br />
als solches zu empfinden. Kein kritisches<br />
Ereignis ist zu unwichtig oder zu<br />
schwerwiegend, um nicht gemeldet werden<br />
zu können.<br />
VORBILD LUFTFAHRT<br />
Für das Berichts- und Lernsystem<br />
„CIRS dent“ standen Fehlerberichtssysteme<br />
Pate, die zunächst im Bereich<br />
der Luftfahrt und in anderen großen<br />
Industriezweigen eingesetzt wurden,<br />
in denen vermeintlich kleine Fehler<br />
große Auswirkungen haben können.<br />
Dabei werden die Berichte von denjenigen<br />
beigetragen, die direkt in den Prozess<br />
involviert sind. Alle Systeme folgen<br />
dem gleichen Grundgedanken:<br />
Man muss nicht jeden Fehler selbst gemacht<br />
haben, um aus ihm zu lernen.<br />
Besonderes Augenmerk liegt dabei auf<br />
den verursachenden Bedingungen von<br />
kritischen Ereignissen. Jenny Dusche<br />
INFO<br />
Wie kann ich mich registrieren?<br />
Ihren persönlichen Registrierungsschlüssel<br />
können Sie bei Ihrer jeweiligen<br />
Bezirksdirektion der KZV BW anfordern.<br />
Dieser wird Ihnen mit einem<br />
gesonderten Schreiben einschließlich<br />
weiterer Information zur Anmeldung<br />
und Nutzung von „CIRS dent“ zugestellt.<br />
Ansprechpersonen:<br />
BD Freiburg: Birgit Paulat,<br />
Tel. 0761 4506-315 oder<br />
E-Mail an: birgit.paulat@kzvbw.de<br />
BD Karlsruhe: Silvana Gehrke,<br />
Tel. 0621 38000-140 oder<br />
E-Mail an: silvana.gehrke@kzvbw.de<br />
BD Stuttgart: Sylvia Klein und Rajes<br />
Kidnapillai, Tel. 0711 7877-164<br />
oder E-Mail: sylvia.klein@kzvbw.de<br />
oder rajes.kidnapillai@kzvbw.de<br />
BD Tübingen: Jutta Schneck und<br />
Margret Schneider, Tel. 07071 911-0<br />
oder E-Mail an: rezeption@kzvbw.de<br />
Weitere Informationen<br />
Informationen finden<br />
Sie zudem online unter<br />
https://www.cirsdentjzz.de/<br />
oder auf der<br />
Seite der KZBV unter https://www.<br />
kzbv.de/cirs-dent-jeder-zahnzaehlt.960.de.html.
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32_BERUFSPOLITIK<br />
ZBW_4/2023<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
Masterplan <strong>für</strong> die Transformation der Verwaltung<br />
„EIN LABOR FÜR<br />
DEN BÜROKRATIEABBAU“<br />
Die Landesregierung von Baden-Württemberg hat der „Bürokratie-Hydra“ den Kampf<br />
angesagt: Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen) stellte<br />
die „Version 1.0“ des „Masterplans <strong>für</strong> die Transformation der Verwaltung“ vor. Er<br />
besteht aus einer Vision und 21 Projekten, genannt „Transformationspiloten“. Im Kern<br />
geht es darum, die Arbeitsweise der Verwaltung gründlich zu transformieren sowie<br />
die Arbeitsprozesse „experimentierfreudiger und effizienter“ zu gestalten.<br />
Die Opposition kritisierte deutlich, einen Masterplan und Ankündigungen zum Bürokratieabbau<br />
könne man nicht erkennen.<br />
Experimentierfreudiger. Ministerpräsident Winfried Kretschmann wünscht sich, dass unnötige<br />
Bürokratie erst gar nicht entsteht und die Verwaltung „experimentierfreudiger und effizienter“<br />
gestaltet wird.<br />
Foto: Lena Lux<br />
Andreas Schwarz MdL<br />
Vorsitzender der Fraktion Bündnis 90/Die<br />
Grünen im Landtag von Baden-Württemberg<br />
„Die hohe Bürokratielast betrifft alle<br />
gesellschaftlichen Bereiche stark, so<br />
auch das Gesundheitswesen. Mir ist<br />
eine gute Versorgung der Bevölkerung<br />
wichtig. Deshalb müssen wir Prozesse<br />
durch mehr Digitalisierung vereinfachen und Hürden<br />
jenseits gesetzlicher Regelungen abbauen. Bei uns ist das<br />
Thema mit dem Masterplan nun Chefsache.“<br />
Foto: Staatsministerium Baden-Württemberg<br />
Der Ministerpräsident gibt zum Masterplan<br />
<strong>für</strong> den Bürokratieabbau die<br />
Marschroute vor: „Bürokratieabbau<br />
muss an vielen Stellen ansetzen. Mit<br />
unserem Masterplan <strong>für</strong> die Transformation<br />
der Verwaltung gehen wir jetzt<br />
einen Schritt weiter und transformieren<br />
grundlegend die Arbeitsweise der<br />
Verwaltung“, sagte Winfried Kretschmann.<br />
Martialisch sagte der Regierungschef:<br />
„Bislang wurde der Bürokratie-Hydra<br />
ein Kopf abgeschlagen,<br />
<strong>für</strong> den stets zwei neue nachgewachsen<br />
sind. Jetzt wollen wir mit dem Masterplan<br />
die Hydra selbst verwandeln.“ Die<br />
Verwaltung müsse sich so verändern,<br />
„dass unnötige Bürokratie gar nicht<br />
erst entsteht“, sie müsse „experimentierfreudiger<br />
und effizienter werden“.<br />
Ziel ist laut Kretschmann, dass die Verwaltung<br />
konsequent <strong>für</strong> die Bürger<br />
und <strong>für</strong> die Unternehmen arbeite.<br />
MARKIGE WORTE<br />
Bei all den markigen Worten: Was ist<br />
nun konkret zu erwarten von diesem<br />
Masterplan? Nur bloße Visionen oder<br />
auch handfeste Verbesserungen, die die<br />
Bürger und Unternehmen hinsichtlich<br />
von deutlich weniger Bürokratie weiterbringen?<br />
Staatsminister Dr. Florian<br />
Stegmann versprach „ein Labor <strong>für</strong><br />
den Bürokratieabbau“, also „kein starres<br />
Papier“, sondern ein „agiles Projekt“.<br />
Die „Version 1.0“ des Masterplans<br />
bestehe aus einer Vision in Verbindung<br />
mit 21 sogenannten Transformationspiloten.<br />
Diese Transformationspiloten<br />
seien „kurze, dreimonatige Projekte,<br />
die konkret eines oder mehrere Ziele<br />
der Vision verfolgen“. Erweise sich ein<br />
Ansatz als erfolgreich, werde er <strong>für</strong> die<br />
gesamte Landesverwaltung empfohlen
ZBW_4/2023<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
33_BERUFSPOLITIK<br />
und als großes Transformationsprojekt<br />
ausgerollt.<br />
STATEMENTS<br />
Das ZBW hat sich zum Bürokratieabbau<br />
im Landtag von Baden-Württemberg<br />
umgehört – die Fraktionsvorsitzenden<br />
von Bündnis 90/Die Grünen,<br />
SPD und FDP/DVP haben geantwortet.<br />
„Bei uns ist das Thema mit dem Masterplan<br />
nun Chefsache“, sagte Andreas<br />
Schwarz, der Vorsitzende der Fraktion<br />
von Bündnis 90/Die Grünen. Die Bürokratielast<br />
betreffe auch das Gesundheitswesen<br />
stark, wobei man die „Prozesse<br />
durch mehr Digitalisierung vereinfachen“<br />
müsse. SPD-Fraktionsvorsitzender<br />
Andreas Stoch betonte, er<br />
könne keinen Masterplan der Landesregierung<br />
<strong>für</strong> den Bürokratieabbau erkennen.<br />
Bei den Transformationspiloten<br />
wundere er sich, „dass sie sich nicht<br />
längst in der Praxis bewährt haben“. Dr.<br />
Hans-Ulrich Rülke, Vorsitzender der<br />
FDP/DVP-Fraktion, quittierte den Masterplan<br />
mit der Bemerkung, die Landesregierung<br />
sei „nicht über Ankündigungen<br />
zum Bürokratieabbau hinausgekommen“<br />
(siehe O-Töne).<br />
FEDERFÜHREND<br />
Wie die Landesregierung betont, seien<br />
in der ersten Phase des Masterplans „zunächst<br />
keine Haushaltsmittel vorgesehen“.<br />
Umgesetzt werden die Vision und<br />
die weiteren Entwicklungen federführend<br />
von der „Koordinationsstelle Verwaltungsmodernisierung“<br />
im Staatsministerium.<br />
„Unsichere Rahmenbedingungen<br />
und die steigende Komplexität<br />
von Problemlagen erfordern flexibles<br />
und effizientes Handeln von der Verwaltung.<br />
Nur eine moderne und anpassungsfähige<br />
Verwaltung kann die Chancen<br />
des digitalen Zeitalters nutzen“,<br />
sagte Ministerpräsident Kretschmann.<br />
Dagegen sagte Oppositionsführer Andreas<br />
Stoch, der Regierungschef sei bei<br />
diesem Thema wenig glaubwürdig:<br />
„Schließlich hat er das Bürokratiemonster<br />
selbst mit erschaffen!“ Für<br />
Stoch sei der Masterplan ein „Stuhlkreis<br />
von Staatsminister Stegmann“.<br />
Prof. Dr. Erik Schweickert, Abgeordneter<br />
und Sprecher <strong>für</strong> Handwerk und<br />
Mittelstand der FDP/DVP-Fraktion, bekräftigte:<br />
„Wer meint, mit einem teamübergreifenden<br />
Chatprogramm oder einer<br />
Muster-Stellenausschreibung die<br />
Probleme zu lösen, hat den Ernst der<br />
Lage nicht verstanden.“<br />
EIGENVERANTWORTUNG<br />
Eine „echte Beschleunigung“ <strong>für</strong> den<br />
Bürokratieabbau forderte CDU-Frak-<br />
Foto: unsplash.cm/AlexanderGrey<br />
Transformation. Mit der „Version 1.0“ hat die Landesregierung von Baden-<br />
Württemberg den „Masterplan <strong>für</strong> die Transformation der Verwaltung“ vorgestellt.<br />
Ziel ist es, die Arbeitsweise der Verwaltung grundlegend zu transformieren.<br />
tionsvorsitzender Manuel Hagel im<br />
Staatsanzeiger und zugleich ein „neues<br />
Mindset <strong>für</strong> mehr Eigenverantwortung“.<br />
Aus der Sicht von Hagel müsse<br />
der Bürokratieabbau in einem großen<br />
Andreas Stoch MdL<br />
Vorsitzender der SPD-Fraktion im Landtag von<br />
Baden-Württemberg<br />
„Einen Masterplan <strong>für</strong> die Transformation<br />
der Verwaltung bzw. zum<br />
Bürokratieabbau kann ich bei dieser<br />
Landesregierung nicht erkennen. Und<br />
bei ihren ‚Transformationspiloten‘ wundert<br />
man sich, dass sie sich nicht längst in der Praxis bewährt<br />
haben. Die Digitalisierung muss entlasten und nicht<br />
belasten. Sie muss gewollt sein und die Technik muss<br />
stimmen. Aber wenn bei uns nach drei Jahren Pandemie<br />
die Infektionsmeldungen immer noch per Fax gesendet<br />
werden müssen, ist meine Hoffnung nicht sehr ausgeprägt.“<br />
Foto: Schielenberg<br />
Foto: FDP<br />
Zukunftskonvent mit den Beteiligten<br />
bearbeitet werden. Diesen Konvent<br />
möchte Ministerpräsident Kretschmann<br />
aber momentan partout nicht.<br />
<br />
Guido Reiter<br />
Dr. Hans-Ulrich Rülke MdL<br />
Vorsitzender der FDP/DVP-Fraktion im Landtag<br />
von Baden-Württemberg<br />
„Das Bürokratiemonster frisst vielen<br />
Zahnärztinnen und Zahnärzten<br />
wichtige Zeit, die sie viel besser ihren<br />
Patientinnen und Patienten widmen<br />
könnten. Wer Bürokratie abbaut, sorgt auch<br />
<strong>für</strong> attraktivere Rahmenbedingungen in der Zahnmedizin.<br />
Digitale Lösungen sind wichtig, müssen aber gut handhabbar<br />
<strong>für</strong> die Zahnarztpraxen sein. Die Landesregierung<br />
ist aber bisher nicht über Ankündigungen zum Bürokratieabbau<br />
hinausgekommen. Da<strong>für</strong> hat sie den Normenkontrollrat<br />
als wichtigen Impulsgeber abgeschafft.“
34_FORTBILDUNG<br />
ZBW_4/2023<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
Die richtigen Entscheidungen<br />
KARIESMANAGEMENT<br />
BEI ERWACHSENEN<br />
Lange Zeit wurde Karies vor allem als Kinderkrankheit wahrgenommen,<br />
unter anderem weil Karies bereits früh bei der großen<br />
Mehrzahl der Kinder auftrat und durch die hohe Zahl an<br />
bereits vorhandenen Füllungen junge Erwachsene in<br />
epidemiologischen Erhebungen keine signifikante Karieszunahme<br />
mehr verzeichnen konnten – waren doch<br />
schon fast alle relevanten Flächen gefüllt, also früher<br />
durch Karies befallen! Mittlerweile beweisen<br />
Kohortenstudien, dass die relative Karieszunahme<br />
pro vorhandener ungefüllter Zahnfläche bis<br />
ins Erwachsenenalter relativ stabil ist (Broadbent,<br />
Foster Page et al. 2013). Karies ist<br />
genauso eine Erkrankung von Erwachsenen<br />
wie von Kindern (und Senioren!).<br />
Foto: AdobeStock/Alex Mit<br />
In einem Konsensusprozess haben die European Organisation<br />
for Caries Research (ORCA), die European Federation<br />
of Conservative Dentistry (EFCD) und die Deutsche Gesellschaft<br />
<strong>für</strong> Zahnerhaltung (DGZ) Empfehlungen zum Kariesmanagement<br />
bei Erwachsenen, Kindern und Senioren abgegeben.<br />
Hierbei wurde zunächst die vorhandene Evidenz gesichtet<br />
und dann Empfehlungen mittels eines sogenannten<br />
Delphi-Prozesses durch Delegierte der Fachgesellschaften<br />
konsentiert (Zustimmung von 0 bis 10). Die Ergebnisse wurden<br />
international in den Zeitschriften Caries Research und<br />
Clinical Oral Investigations publiziert. Im vorliegenden Beitrag<br />
wird auf das Kariesmanagement bei Erwachsenen abgestellt.<br />
KARIES BEI ERWACHSENEN<br />
Bei Erwachsenen sind die Approximal- und Sekundärkaries die<br />
häufigsten Kariesformen, unter anderem aus diesen Gründen:<br />
• Okklusale Läsionen werden in vielen Gesundheitssystemen<br />
heute durch Fissurenversiegelungen verhindert oder<br />
die Okklusalflächen wurden (z. B. bei Hochrisikoindividuen<br />
ohne Versiegelung) bereits im Kindesalter restauriert.<br />
Erwachsene weisen demnach wenig neue okklusale Karies<br />
auf.<br />
• Bei Senioren ist Wurzelkaries die häufigste Kariesform –<br />
insbesondere jüngere Erwachsene weisen jedoch selten<br />
freiliegende Wurzeloberflächen auf. Ohne freiliegende<br />
Wurzeloberflächen kann sich keine Wurzelkaries entwickeln.<br />
• Auf den Approximalflächen bleibender Zähne entwickelt<br />
sich Karies gewöhnlich nur langsam. Bei den meisten Patienten<br />
vergehen nach dem Zahndurchbruch daher Jahre<br />
oder Jahrzehnte, bis approximale Karies auftritt. Einzig<br />
bei der mesialen Fläche des ersten bleibenden Molaren<br />
kann bereits durch den Kontakt mit dem Milchmolar früher<br />
Karies entstehen.<br />
• „Sekundärkaries“ oder auch „Karies, die neben einer<br />
Restauration auftritt“ (Caries adjacent to restorations)<br />
setzt per definitionem das Vorhandensein einer Restauration<br />
voraus. Durch die geringe Karieslast in Kindern<br />
werden Restaurationen heute zunehmend nur noch in<br />
Erwachsenen aufgefunden – und demnach auch Sekundärkaries.<br />
Die Konsensusempfehlungen zum Kariesmanagement bei<br />
Erwachsenen beziehen sich daher auf Approximal- und Sekundärkaries.<br />
APPROXIMALE LÄSIONEN<br />
Für den Therapieentscheid sollte zunächst die Läsionsaktivität<br />
bestimmt werden. Gerade approximal ist dies jedoch<br />
enorm herausfordernd, da klassische Parameter wie Läsionsfarbe<br />
oder Oberflächentextur nicht zur Verfügung stehen.<br />
Hilfsweise kann der Gingivazustand (Gingivablutung) oder<br />
das Vorhandensein approximaler Plaque als ein Hinweis auf<br />
eine aktive Läsion eingesetzt werden. Ebenso kann durch<br />
wiederholtes Bissflügelröntgen auf ein Voranschreiten (oder<br />
eine Arretierung) der Läsion geschlossen werden – allerdings<br />
nur, wenn die Röntgenbilder möglichst standardisiert (Tubusangulation<br />
etc.) aufgenommen werden.<br />
Für aktive Läsionen ist der zweite zentrale Entscheidungspunkt<br />
der Oberflächenstatus (Kavitation ja/nein), unter anderem<br />
weil kavitierte Läsionen eine Biofilmentfernung nahezu<br />
unmöglich machen und die Diffusion von Säuren und<br />
Zuckern in die Hartsubstanz deutlich schneller erfolgt als<br />
bei nichtkavitierten Läsionen. Der Oberflächenstatus wird<br />
approximal häufig aus der röntgenologischen Läsionstiefe<br />
abgeleitet. Ein Oberflächeneinbruch ist eher unwahrschein
ZBW_4/2023<br />
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35_FORTBILDUNG<br />
lich, wenn die Läsion röntgenologisch auf den Schmelz beschränkt<br />
ist. Eine solche Läsion kann ohne invasive/restaurative<br />
Maßnahmen erfolgreich behandelt (arretiert) werden.<br />
Bei einer Läsion, die deutlich in das Dentin eindringt, ist<br />
hingegen eine Kavitation wahrscheinlich. Eine solche Läsion<br />
benötigt demnach regelmäßig eine restaurative Therapie,<br />
um die Reinigungsfähigkeit, Funktionalität und Strukturintegrität<br />
des Zahnes wiederherzustellen. Bei Läsionen um<br />
die Schmelz-Dentin-Grenze herum bzw. in das äußere Drittel<br />
des Dentins besteht Unsicherheit: Hier sollte zurückhaltend<br />
vorgegangen und, wenn möglich, auf eine Restauration<br />
verzichtet und die betroffene Fläche regelmäßig nachuntersucht<br />
werden.<br />
Für die verschieden tiefen Läsionen stehen Zahnärzten diverse<br />
Therapiestrategien zur Verfügung:<br />
• Non-invasive Strategien, z. B. Fluoridapplikation, Biofilm-<br />
und Ernährungskontrolle, kein entfernen von Zahnhartgewebe.<br />
• Mikro-invasive Strategien, Kariesversiegelung oder -infiltration,<br />
entfernen weniger Mikrometer Zahnhartsubstanz,<br />
in der Regel während eines Ätzschritts.<br />
• Invasive Strategien entfernen eine größere Menge Zahnhartgewebe<br />
mittels Handexkavatoren oder rotierenden<br />
Instrumenten; anschließend wird eine Restauration platziert.<br />
Die Literatur zur non-invasiven Therapie approximaler Karies<br />
ist dürftig; während Fluoridierung, Biofilmentfernung<br />
und Ernährungslenkung zur Kariesprävention teils sehr<br />
gut untersucht sind, stehen zum Thema Kariesmanagement<br />
nur sehr wenige Studien zur Verfügung (Splieth,<br />
Kanzow et al. 2020). Generell gilt, dass in den meisten Individuen<br />
frühe approximale Karies nur langsam voranschreitet,<br />
wenn sie non-invasiv behandelt wird. Es dauert im<br />
Durchschnitt mehrere Jahre, bis eine solche Läsion röntgenologisch<br />
beispielsweise von einer Schmelz- in eine Dentinläsion<br />
vorangeschritten ist. Allerdings beeinflussen einige<br />
Faktoren die Wirksamkeit non-invasiver Therapien: So lassen<br />
sich gerade Läsionen, die bereits an die Schmelzzementgrenze<br />
oder in das Dentin ragen, weniger gut arretieren<br />
als reine Schmelzkaries. Ebenso sind Läsionen in Hochrisikoindividuen<br />
schwieriger zu stoppen als jene in Patienten<br />
mit niedrigem Kariesrisiko. Allgemein stellen non-invasive<br />
Behandlungsmaßnahmen einen Basisansatz zur Therapie<br />
früher Karies dar und unterstützen zudem die<br />
Modifikation des Kariesrisikos des Patienten zur Verhinderung<br />
zukünftiger Karies.<br />
Für mikro-invasive Behandlungen liegen eine Reihe randomisiert<br />
kontrollierter Studien vor. Diese belegen eindeutig<br />
die Wirksamkeit beider Behandlungsmaßnahmen im Vergleich<br />
mit einer reinen non-invasiven Therapie. Gerade <strong>für</strong><br />
initiale Dentinläsionen (begrenzt auf das äußere Drittel<br />
des Dentins) sind mikro-invasive zusätzlich zu non-invasiven<br />
Maßnahmen empfehlenswert; Gleiches gilt <strong>für</strong> Hochrisikoindividuen.<br />
Invasive Behandlungsmaßnahmen approximaler Läsionen –<br />
vor allem verschiedene Füllungsmaterialien – wurden in den<br />
1a<br />
1b<br />
1c<br />
1d 1e 1f<br />
Fotos: Prof. Dr. Schwendicke<br />
Kariesinfiltration. Behandlung einer frühen kariösen Läsion durch Kariesinfiltration. (a) Auf dem Bissflügelbild können diverse approximale kariöse<br />
Läsionen identifiziert werden. (b, c) Mittels der dentalXrai Pro Software (dentalXrai GmbH, Berlin) können diese (in rot) gestützt durch Künstliche<br />
Intelligenz hervorgehoben und dokumentiert werden (offene Dreiecke im Zahnschema: Schmelzkaries; ausgefüllte Dreiecke: Dentinkaries; gelb:<br />
Zahnstein). (d-f) Die Läsion an 44 distal wurde anschließend mittels Kariesinfiltration (Icon, DMG, Hamburg) behandelt. Zunächst wurde mit Salzsäure<br />
gemäß Herstellerangaben geätzt (d), dann infiltriert (e). Nach Abschluss der Therapie wurden mit einem glatten Metallstreifen etwaige Überschüsse<br />
entfernt (die belegte Metallfläche wurde nicht genutzt) (f) und mit Gummikelchen poliert. Die verbleibenden Läsionen wurden in weiteren<br />
Sitzungen behandelt; ebenso erfolgte eine professionelle Zahnreinigung und weitergehende Maßnahmen zur Reduktion des Kariesrisikos.
36_FORTBILDUNG<br />
ZBW_4/2023<br />
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Die Vorstandsreferent*innen der KZV BW stellen sich vor<br />
Stärke der<br />
Empfehlung<br />
Ebene<br />
Empfehlung<br />
(Qualität der<br />
EHRENAMT MIT MEHRWERT<br />
Evidenz)<br />
FÜR DIE KOLLEG*INNEN<br />
Prävention und<br />
Behandlung auf<br />
Patientenniveau<br />
Das Management approximaler Läsionen sollte innerhalb eines präventiv<br />
ausgerichteten Gesamtkonzeptes (Ernährungsberatung, Motivation<br />
zur Mundhygiene) erfolgen. Das Management des Kariesrisikos eines<br />
Patienten unterstützt auch das Management spezifischer approximaler<br />
Läsionen und hilft bei der Prävention neuer Läsionen auf nicht betroffenen<br />
Zahnoberflächen.<br />
schwach 10<br />
Zustimmung<br />
von 0-10<br />
Non- und<br />
mikroinvasive<br />
Interventionen<br />
Für nicht kavitierte Läsionen:<br />
a. Non-invasive Maßnahmen (z. B. Interdentalreinigung, topische Fluoridapplikation)<br />
können angewandt werden, um approximale Läsionen zu<br />
arretieren. Dies kann bei Patienten mit geringem Kariesrisiko oder bei<br />
Läsionen, die röntgenologisch auf den Schmelz beschränkt sind, ausreichend<br />
sein, um eine erfolgreiche Arretierung der Läsion zu bewirken.<br />
b. Bei Hochrisikopatienten oder bei Läsionen, die sich röntgenologisch<br />
bis ins Dentin erstrecken, sollten zusätzlich mikro-invasive Strategien<br />
(Versiegelung, Kariesinfiltration) erwogen werden.<br />
schwach 10<br />
moderat 10<br />
c. Die Entscheidung zwischen approximaler Versiegelung und Kariesinfiltration<br />
sollte von individuellen Erwägungen geleitet werden, einschließlich<br />
Anwendbarkeit, klinischer Erfahrung und Kosten.<br />
moderat 10<br />
Invasive<br />
Interventionen<br />
Bei kavitierten Läsionen ist häufig eine Restauration indiziert. Für die<br />
Restauration approximaler Läsionen erlauben adhäsive Techniken eine<br />
minimalinvasive, substanzschonende Präparation; zudem sind adhäsive<br />
Materialien in der Regel zahnfarben und damit in vielen Fällen bereits das<br />
Material der Wahl. Amalgame weisen jedoch ein geringeres Sekundärkariesrisiko<br />
auf; zudem ist die Füllungslegung <strong>für</strong> Amalgame weniger<br />
techniksensitiv. Daher können sie in komplexeren Szenarien sinnvoll<br />
eingesetzt werden, wobei entsprechende Richtlinien (Phase-Down; keine<br />
Amalgamanwendung in Deutschland <strong>für</strong> Patienten mit Amalgamallergie<br />
und Niereninsuffizienz; bei Individuen
ZBW_4/2023<br />
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37_FORTBILDUNG<br />
Ebene<br />
Empfehlung<br />
Stärke der<br />
Empfehlung<br />
(Qualität der<br />
Evidenz)<br />
Zustimmung<br />
von 0-10<br />
Prävention und<br />
Behandlung auf<br />
Patientenniveau<br />
Durch das Management des gesamten Kariesrisikos eines Patienten<br />
wird auch das Risiko <strong>für</strong> das Auftreten von Sekundärkaries reduziert.<br />
schwach 10<br />
Detektion von<br />
Sekundärkaries<br />
Detektionsmethoden <strong>für</strong> Sekundärkaries sollten auf das Kariesrisiko<br />
des Patienten zugeschnitten sein. Insbesondere bei Patienten mit<br />
geringem Risiko sollte eine falsch-positive Erkennung und eine nachfolgende<br />
Überbehandlung vermieden werden. Dies kann durch eine<br />
Kombination von Bissflügelaufnahme und visuell-taktiler Beurteilung/<br />
Bestätigung beim Screening auf Sekundärkaries erreicht werden.<br />
schwach 10<br />
Therapie von<br />
Sekundärkaries<br />
Bei der Behandlung detektierter Sekundärkaries sollten minimalinvasive<br />
Ansätze (Reparatur-/Ergänzungsfüllung, Re-Politur etc) erwogen werden.<br />
schwach 10<br />
Sekundärkaries. Konsensusempfehlungen der European Organisation for Caries Research (ORCA), der European Federation of Conservative Dentistry und der<br />
Deutschen Gesellschaft <strong>für</strong> Zahnerhaltung (EFCD/DGZ) zum Management von Sekundärkaries (übersetzt aus Schwendicke, Splieth et al. 2020) (Tabelle 2).<br />
die mit bestehenden Restaurationen assoziiert sind oder<br />
echte sekundäre Läsionen bedeuten, die Folge größerer<br />
Restaurationsranddefekte sind. Sekundärkaries tritt häufiger<br />
bei Hochrisikopatienten, bei subgingivalen Restaurationen<br />
und im Seitenzahnbereich auf (Askar, Krois et al.<br />
2020).<br />
Das Sekundärkariesrisiko verschiedener Restaurationsmaterialien<br />
ist nur bedingt untersucht. Amalgame weisen ein geringeres<br />
Risiko als Komposite auf; bei den diversen Amalgamalternativen<br />
(Komposite, Glasionomere, Kompomere)<br />
scheint es nur wenig nachgewiesene Unterschiede zu geben<br />
(<strong>für</strong> Glasionomere wird die Fluoridfreisetzung im Randbereich<br />
der Restauration als möglicherweise vorteilhaft diskutiert).<br />
Generell scheinen Patienten- und Anwenderfaktoren<br />
entscheidender <strong>für</strong> das Sekundärkariesrisiko zu sein.<br />
Die frühzeitige Detektion von Sekundärkaries erlaubt oftmals<br />
eine wenig invasive Behandlung, z. B. unter Einsatz von<br />
Reparaturen, Polituren oder Rekonturierungen. Diese sind,<br />
wenn möglich, einer vollständigen Restaurationsentfernung<br />
und Erneuerung vorzuziehen. Allerdings gibt es nur wenige<br />
Studien zur Diagnostik von Sekundärkaries. Als mögliche<br />
Diagnostikmethoden kommen visuelle, taktile, radiografische,<br />
Laserfluoreszenz- und quantitative lichtinduzierte Fluoreszenzuntersuchungen<br />
in Frage. Von diesen Ansätzen können<br />
momentan nur die visuelle, röntgenologische und Laserfluoreszenz-Diagnostik<br />
empfohlen werden. Dabei scheint es<br />
zudem ratsam, verschiedene Methoden miteinander zu kombinieren<br />
und so eine höhere diagnostische Sicherheit zu erlangen.<br />
Die Empfehlungen zur Behandlung von Sekundärkaries<br />
sind in Tabelle 2 zusammengefasst.<br />
SCHLUSSFOLGERUNGEN<br />
Das Management von Karies ist <strong>für</strong> die meisten von uns tägliche<br />
Routine. Bei Erwachsenen werden häufig vor allem approximale<br />
und Sekundärkaries therapiert. Die Entscheidung<br />
<strong>für</strong> oder gegen spezielle Behandlungsmethoden richtet<br />
sich dabei unter anderem nach der Läsionsaktivität und<br />
dem Oberflächenstatus. Für approximale Läsionen ist zudem<br />
die röntgenologische Läsionstiefe relevant. Wenn möglich,<br />
sollten non- und mikro-invasive Therapien eingesetzt<br />
werden; invasive Therapien sind weitgehend kavitierten Läsionen<br />
vorbehalten. Zahnärzte sollten die hier dargestellten<br />
Empfehlungen bei ihrer täglichen Entscheidungsfindung<br />
berücksichtigen und sie je nach den Wünschen der Patienten,<br />
den individuellen klinischen Bedürfnissen und ihrer Erfahrung<br />
und Expertise anwenden.<br />
Prof. Dr. Falk Schwendicke,<br />
Charité - Universitätsmedizin Berlin<br />
Das Literaturverzeichnis kann beim IZZ bestellt werden unter<br />
Tel: 0711/222966-14 oder E-Mail: info@zahnarzteblatt.de.<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
0711 222966-14<br />
info@zahnaerzteblatt.de<br />
Prof. Dr. Falk Schwendicke<br />
Direktor Abteilung Orale Diagnostik,<br />
Digitale Zahnheilkunde und<br />
Versorgungsforschung<br />
Charité – Universitätsmedizin Berlin
38_FORTBILDUNG<br />
ZBW_4/2023<br />
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ZFZ Winter-Akademie<br />
UPDATE ZAHNÄRZTLICHE<br />
CHIRURGIE<br />
Bei der Winter-Akademie des Zahnmedizinischen Fortbildungszentrums Stuttgart (ZFZ)<br />
gab es in diesem Jahr einige Neuerungen: Die Veranstaltung wurde erstmals in hybrider<br />
Form ausgerichtet. Sie startete Ende Januar 2023 sowohl in Präsenz am neuen Austragungsort<br />
Kornwestheim als auch im Live-Stream, und wurde im Februar an zwei<br />
weiteren Terminen als Live-Stream weitergeführt. Thema der Veranstaltungsreihe: „Update<br />
zahnärztliche Chirurgie im Praxisalltag“. Insgesamt gab es sieben praxisorientierte<br />
Vorträge sowie eine abschließende Live-Diskussion, die bis Ende März zusätzlich im<br />
On-Demand-Bereich des ZFZ abgerufen werden konnten.<br />
Auftakt. ZFZ-Leiterin PD Dr. Yvonne Wagner (r.) und Dr. Eberhard Montigel (l.), Vorsitzender des<br />
ZFZ-Verwaltungsrats, starteten zusammen mit Prof. Dr. Matthias Pelka (2. v. l.), Prof. Dr. Dr.<br />
Matthias Schneider und Prof. Dr. Dr. Monika Daubländer die Winter-Akademie 2023 in Kornwestheim.<br />
Die diesjährige ZFZ Winter-Akademie<br />
stellte unter Beweis, dass sich die<br />
zahnärztliche Fortbildung in einer<br />
Kombination aus Präsenzveranstaltung<br />
und digitalen Elementen wie Live-Stream<br />
und Video-On-Demand<br />
einer immer größeren Beliebtheit erfreut.<br />
Die Erfahrungen aus den vergangenen<br />
Coronajahren zeigten, dass<br />
eine zeitlich unabhängig durchführbare<br />
Fortbildung nachgefragt wird,<br />
die in der kalten Jahreszeit zudem<br />
kein Infektionsrisiko birgt. Wer sich<br />
kollegial austauschen wollte, fand<br />
sich zur Auftaktveranstaltung in der<br />
Kultur- und Kongresszentrum Kornwestheim<br />
ein, wo es zusätzlich eine<br />
Dentalausstellung gab.<br />
ZFZ-Leiterin, PD Dr. Yvonne Wagner,<br />
hatte in diesem Jahr ein interessantes<br />
Programm aus sieben Vorträgen rund<br />
um das Motto „Update zahnärztliche<br />
Chirurgie im Praxisalltag“ zusammengestellt,<br />
das viele umsetzbare<br />
Tipps <strong>für</strong> die tägliche Arbeit in der<br />
Praxis anbot.<br />
PATIENTENAUFKLÄRUNG<br />
Über die rechtlichen Aspekte und die<br />
Bedeutung der Patientenaufklärung<br />
sprach Prof. Dr. Matthias Pelka aus<br />
Erlangen. Da jegliches zahnärztliches<br />
Handeln in der Mundhöhle im juristischen<br />
Sinne eine Körperverletzung<br />
darstellt, ist es wichtig, sich vor der Behandlung<br />
die Einwilligung der Patientin<br />
oder des Patienten einzuholen.<br />
Ohne eine schriftlich dokumentierte<br />
Einwilligung kann man den Eingriff<br />
nur schwer nachweisen. Prof. Dr.<br />
Foto: ZFZ<br />
Pelka zeigte anhand verschiedener<br />
Fallbeispiele, welche erheblichen Folgen<br />
mit gesundheitlich dauerhaften<br />
Beeinträchtigungen bereits kleine,<br />
fast unbedeutende Eingriffe haben<br />
können. Er empfahl, die Patientin<br />
oder den Patienten mindestens 24<br />
Stunden vor einer Behandlung aufzuklären.<br />
Die mündliche Aufklärung<br />
sollte auch die Behandlungsrisiken<br />
sowie -alternativen umfassen und<br />
schriftlich dokumentiert werden. Unterschriebene<br />
Aufklärungsbögen sind<br />
hervorragende Dokumentationen, die<br />
im Streitfall sehr wertvoll sein können.<br />
LOKALANÄSTHESIE<br />
Prof. Dr. Dr. Monika Daubländer aus<br />
Mainz lieferte ein Update in Sachen<br />
Schmerzausschaltung bei Zahnbehandlungen.<br />
Insbesondere das Lokalanästhetikum,<br />
Vasokonstriktor<br />
und Technik standen dabei im Vordergrund.<br />
Sie sollten entsprechend<br />
den Bedürfnissen der Patientinnen<br />
und Patienten und der geplanten Behandlung<br />
differenziert ausgewählt<br />
und eingesetzt werden. Die Zahl alter<br />
und multimorbider Patientinnen<br />
und Patienten, die zahnärztlich behandelt<br />
werden, nimmt aufgrund der<br />
demografischen Veränderungen der<br />
Bevölkerung kontinuierlich zu. Doch<br />
Alter bedeutet nicht automatisch ein<br />
erhöhtes Behandlungsrisiko. Erst die<br />
Art und vor allem die Anzahl der Erkrankungen<br />
und die damit verbundenen<br />
Medikamente machen die Behandlung<br />
riskant. Hier ist die differenzierte<br />
Auswahl des Lokalanästhetikums<br />
sehr wichtig. Besondere Vorsicht<br />
ist bei Patientinnen und Patien-
ZBW_4/2023<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
39_FORTBILDUNG<br />
ten mit kardiovaskulären oder endokrinologischen<br />
Erkrankungen, mit<br />
Erkrankungen des zentralen Nervensystems<br />
sowie mit Lungenerkrankungen<br />
geboten.<br />
ZAHNENTFERNUNG<br />
Über den häufigsten Eingriff am Menschen<br />
– die Zahnentfernung – referierte<br />
Prof. Dr. Dr. Matthias Schneider aus<br />
Dresden. Im Jahr 2022 wurden über<br />
die GKV 8,4 Millionen Extraktionen<br />
und 3,7 Millionen Osteotomien abgerechnet,<br />
trotzdem zählt die Zahnentfernung<br />
nicht zu den zehn häufigsten<br />
Leistungen, die in der Praxis durchgeführt<br />
werden. Sie gehören dennoch<br />
zur profunden Basisarbeit in der<br />
Zahnarztpraxis. Die schnelle und erfolgreiche<br />
Zahnentfernung ist ein wesentliches<br />
Kriterium, ob die Zahnärztin<br />
bzw. der Zahnarzt von ihren Patientinnen<br />
oder Patienten <strong>für</strong> gut oder<br />
schlecht befunden werden. In den<br />
meisten Fällen verheilt die Extraktionswunde<br />
fast immer in wenigen Tagen.<br />
Die betroffenen Patientinnen<br />
und Patienten sind meist nur unerheblich<br />
und kurzzeitig beeinträchtigt.<br />
Neben einer sauberen operativen<br />
Technik sind laut Prof. Dr. Dr. Schneider<br />
zusätzlich solide fachliche Kenntnisse<br />
zum Wundmanagement erforderlich,<br />
um schwere und langwierige<br />
Komplikationen zu vermeiden. Er<br />
stellte außerdem bekannte und aktuelle<br />
Aspekte zum Erhalt des Alveolarknochens,<br />
zur Wund- und Alveolenversorgung,<br />
zum akuten und chronischen<br />
Schmerz sowie zur Vermeidung<br />
und Therapie von Nachblutungen<br />
und Wundheilungsstörungen vor.<br />
Hier ging er besonders auf die Problematik<br />
oraler Antikoagulanzien ein.<br />
Moderation. Die ZFZ-Direktorin PD Dr. Yvonne Wagner führte bei der<br />
Winter-Akademie durchs Programm und freute sich, dass am Ende über 660<br />
Teilnehmerinnen und Teilnehmer dabei waren.<br />
ORALCHIRURGISCHE NOTFÄLLE<br />
Im zahnärztlichen Notfalldienst<br />
werden Zahnärztinnen und Zahnärzte<br />
immer wieder mit oralchirurgischen<br />
Notfällen konfrontiert.<br />
Prof. Dr. Andreas Filippi aus Basel<br />
informierte über die Erstversorgung<br />
solcher Notfälle, insbesondere über<br />
den Umgang mit Abszessen, Nachblutungen,<br />
Wundinfektionen und<br />
Avulsionen. Anhand von Patienten-<br />
Fallbeispielen lieferte Prof. Dr.<br />
Filippi zahlreiche Tipps zur Problemlösung<br />
im Notfalldienst. Bei Abszessen<br />
wird in praktisch allen Fällen<br />
eine Inzision und Drainage<br />
durchgeführt. Die Inzision stellt dabei<br />
keine Therapie dar, sondern behandelt<br />
nur die Symptomatik. Die<br />
ursächliche Therapie muss später erfolgen.<br />
Bei Patientinnen oder Patienten<br />
mit Blutungen kann die Blutung<br />
oftmals mithilfe eines Aufbisstupfers<br />
gestoppt werden, der unter Kontrolle<br />
mindestens 15 Minuten im<br />
Mund behalten wird. Hört die Blutung<br />
nicht auf, sollte an eine Klinik<br />
überwiesen werden. Prof. Filippi<br />
empfahl außerdem die Anschaffung<br />
von Zahnrettungsboxen, die bei Patientinnen<br />
und Patienten mit Zahnunfällen<br />
zum Einsatz kommen und<br />
ausgeschlagene Zähne retten können<br />
– sofern die Zähne so schnell wie<br />
möglich dort eingelegt und bei Zimmertemperatur<br />
gelagert werden.<br />
ZAHNEXTRAKTIONEN<br />
Dr. Ali-Reza Ketabi aus Stuttgart referierte<br />
in seinem Vortrag über Zahnextraktionen<br />
im Spannungsfeld zwischen<br />
Generalist und Spezialist. Im<br />
Falle einer anstehenden Zahnextraktion<br />
prüft Dr. Ketabi im Vorfeld die<br />
Knochenstruktur, Anatomie der<br />
Wurzel, Parodontalspalt sowie Frakturen<br />
des betroffenen Zahnes, um<br />
den Schwierigkeitsgrad der Behandlung<br />
abzuschätzen und mögliche<br />
Probleme vermeiden zu können. Dr.<br />
Ketabi ist es wichtig, eine Linie zu<br />
ziehen zwischen der Behandlung, die<br />
er als Generalist selbst noch durchführen<br />
kann, und der Überweisung<br />
an einen Spezialisten. Diese Entscheidung<br />
muss immer individuell<br />
und in Anbetracht der verfügbaren<br />
Ausstattung und Materialien in der<br />
Zahnarztpraxis getroffen werden. Dr.<br />
Ketabi zeigte anhand von Fallbeispielen,<br />
welche Behandlungsentscheidungen<br />
er in seiner Praxis getroffen<br />
hat.<br />
NACHBLUTUNGEN<br />
In der Zahnarztpraxis können postinterventionelle<br />
Nachblutungen ein<br />
ernstzunehmendes Problem darstellen.<br />
Prof. Dr. Dr. Peer Kämmerer aus<br />
Mainz stellte daher Patientinnen und<br />
Patienten unter medikamentöser<br />
Blutgerinnung in den Fokus seines<br />
Vortrags. In Deutschland wird schätzungsweise<br />
eine Million Menschen<br />
mit antikoagulierenden Medikamenten/Thrombozytenaggregationshemmern<br />
(zur Verhinderung von Blutgerinnseln)<br />
behandelt. Ein Absetzen,<br />
eine Veränderung oder eine Reduktion<br />
der Antikoagulanzien im Falle einer<br />
Operation erhöht das Risiko<br />
thrombembolischer Ereignisse. Außerdem<br />
sind letale Blutungsereignisse<br />
nach zahnärztlich-chirurgischen Eingriffen<br />
unter oraler Antikoagulation/<br />
Thrombozytenaggregationshemmung<br />
ebenso möglich. Prof. Dr. Dr.<br />
Kämmerer gab bei seinem Vortrag<br />
zahlreiche Empfehlungen <strong>für</strong> den Umgang<br />
mit dieser Patientengruppe.<br />
IMPLANTATPROTHETIK<br />
Prof. Dr. Stefanie Kappel aus Heidelberg<br />
lieferte zum Abschluss der Winter-Akademie<br />
ein Update zur Implantatprothetik<br />
– von straight forward<br />
bis komplex. Sie gab dabei einen Überblick<br />
über aktuelle Konzepte und Materialien<br />
bei der Implantatversorgung<br />
und zeigte Möglichkeiten, Limitationen<br />
und Risiken von implantatgetragenem<br />
Zahnersatz auf.<br />
Bei der abschließenden großen Live-<br />
Diskussion hatten die Teilnehmenden<br />
nochmal die Gelegenheit, ihre Fragen<br />
an die Referentinnen und Referenten<br />
zu richten. <br />
Claudia Richter<br />
Foto: C. Richter
40_FORTBILDUNG<br />
ZBW_4/2023<br />
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21. Ulmer Herbstsymposium<br />
ZUKUNFTSORIENTIERTE<br />
FORTBILDUNG<br />
Ende November letzten Jahres lud das Zentrum <strong>für</strong> Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde des<br />
Universitätsklinikums Ulm zusammen mit der Bezirkszahnärztekammer Tübingen zum Ulmer<br />
Herbstsymposium ein. Der Einladung folgten zahlreiche Kolleginnen und Kollegen, darunter<br />
viele junge Zahnmedizinerinnen und Zahnmediziner. Das Symposium war ausgebucht und<br />
auch ältere Semester nutzten die Gelegenheit, um sich mit ehemaligen Studienkolleginnen<br />
und -kollegen zu treffen. Prof. Dr. Dr. Alexander Schramm und Prof. Dr. Bernd Haller führten<br />
durch das Programm.<br />
Implantatmaterialien. Prof. Dr. Heike Rudolph gab einen Überblick über geeignete Werkstoffe<br />
<strong>für</strong> Implantat-Versorgungen.<br />
WERKSTOFFE FÜR IMPLANTATE<br />
Oberärztin Dr. Heike Rudolph, Poliklinik<br />
<strong>für</strong> Zahnärztliche Prothetik, eröffnete<br />
das Symposium mit ihrem ersten<br />
Vortrag als frischgebackene apl. Professorin.<br />
„Welche Werkstoffe sind <strong>für</strong> Implantat-Versorgungen<br />
besonders geeignet?“<br />
Vor allem <strong>für</strong> verblendete Zirkoniumdioxid-Restaurationen<br />
auf keramischen<br />
Implantaten werden hohe Chipping-Raten<br />
beschrieben. Dabei haben<br />
vor allem Brücken einen negativen Einfluss<br />
auf dieses Resultat. Wenige Komplikationen<br />
wurden hingegen, so Prof.<br />
Rudolph, bei Verwendung von monolithischem<br />
Lithiumdisilikat festgestellt.<br />
Die Überlebensraten seien insgesamt<br />
gut und liegen unabhängig vom keramischen<br />
Material bei ca. 97 Prozent. Im<br />
Gegensatz dazu liege die Überlebensrate<br />
von kunststoffbasierten Einzelkronen<br />
nach drei Jahren nur bei 36 Prozent.<br />
Im Anschluss ging sie der Frage nach,<br />
ob einteilige keramische Implantate<br />
Fotos: Dr. Steybe<br />
mit reduzierter Abutmenthöhe ohne<br />
ein erhöhtes Retentionsverlustrisiko<br />
<strong>für</strong> die Restaurationen eingesetzt werden<br />
können. Für die in vitro untersuchten<br />
Abutment-Höhen zeige sich kein<br />
statistisch signifikanter Unterschied<br />
bei den benötigten Abzugskräften, die<br />
Retention war auch bei vier Millimeter<br />
Höhe im Vergleich zu fünf Millimeter<br />
Höhe ausreichend.<br />
Im Bereich der provisorischen Befestigung<br />
wurden eugenolfreie und eugenolhaltige<br />
Zinkoxidzemente untersucht sowie<br />
komposit-basierte provisorische Zemente.<br />
Abzugskräfte von bis zu zwei<br />
Megapascal und mehr fanden sich nach<br />
einem Tag Wasserlagerung. Nach einer<br />
Woche Wasserlagerung zeigten manche<br />
Materialien reduzierte, andere hingegen<br />
erhöhte Abzugskräfte. Die eugenolfreien<br />
und damit weniger ölhaltigen Materialien<br />
zeigten eine bessere mikromechanische<br />
Interaktion. Darüber hinaus<br />
ging Prof. Rudolph der Frage nach, welcher<br />
definitive Zement bei implantatgetragenen<br />
Kronen am besten geeignet ist.<br />
Kunststoffmodifizierte Glasionomerzemente<br />
zeigten sich in der In-vitro-Versuchsreihe<br />
den klassischen Glasionomerzementen<br />
und beide den selbstadhäsiven<br />
Kunststoffzementen überlegen.<br />
Die Abzugskräfte beginnen laut Prof.<br />
Rudolph in der Regel dort, wo die der<br />
provisorischen Materialien enden und<br />
steigen materialabhängig auf bis zu 15<br />
Megapascal. Es zeigte sich wiederum<br />
kein signifikanter Einfluss der Abutmenthöhe<br />
(vier und fünf Millimeter).<br />
Eine Vorkonditionierung durch ein geeignetes<br />
Strahlmittel und die Verwendung<br />
eines Keramik-Primers <strong>für</strong> Kunststoffzemente<br />
ist zu empfehlen.<br />
Was die Interaktion am Weichgewebe-<br />
Implantat-Abutment-Interface betrifft,<br />
konnte Prof. Rudolph feststellen, dass<br />
in einem Nachuntersuchungszeitraum<br />
von bis zu fünf Jahren bislang kein Hinweis<br />
auf einen Materialeinfluss zu erkennen<br />
war. Es seien weder technische<br />
noch biologische Komplikationen oder<br />
Misserfolge aufgetreten.<br />
INTRAORALSCANS<br />
Den zweiten Vortrag hielt Oberärztin<br />
Dr. Juliana Fink, Klinik <strong>für</strong> Zahn-, Kiefer-<br />
und plastische Gesichtschirurgie,<br />
zum Thema „Die Anwendung des Intraoralscans<br />
in der dentalen Implantologie“.<br />
Das Ziel in der zahnärztlichen<br />
Implantologie ist es, durch Planung<br />
und Umsetzung digitaler 3-D-Techniken<br />
klinische Ergebnisse vorhersagbarer,<br />
präziser und sicherer zu gestalten.<br />
Im Jahr 2018 arbeiteten ca. 15 Prozent<br />
der niedergelassenen Praxen mit Intraoralscannern,<br />
und die Tendenz ist steigend.<br />
Dentallabore sind dem digitalen<br />
Workflow gegenüber wesentlich aufgeschlossener.
ZBW_4/2023<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
41_FORTBILDUNG<br />
Dr. Fink erklärte das Vorgehen mit<br />
dem Intraoralscanner. Danach betrachtete<br />
sie die Vor- und Nachteile des<br />
Scannens: Vorteile des Scannens seien<br />
die direkte Anzeige am Bildschirm, die<br />
Vermeidung von möglichen Ungenauigkeiten,<br />
der digitale Versand und kein<br />
bzw. ein geringerer Würgereiz. Demgegenüber<br />
ständen folgende Nachteile:<br />
Das Verfahren ist kostenintensiv, eine<br />
Schulung des Personals ist notwendig,<br />
wobei hier eine steile Lernkurve zu beobachten<br />
sei, und das Verfahren hat<br />
Grenzen bei Indikationen wie zahnlosem<br />
Kiefer, Blutungen, Speichelfluss<br />
und beweglicher Schleimhaut.<br />
Laut Dr. Fink könne man digitale Situationsabformungen<br />
<strong>für</strong> die Planung<br />
der Implantate verwenden und die Implantate<br />
intraoral mithilfe von Scan-<br />
Abutments abformen. Anhand eines<br />
Falles zeigte sie den Arbeitsablauf, wie<br />
ein DVT mit einem Oberflächenscan<br />
gematcht wird. Mit diesen Daten werden<br />
die Implantat-Positionen geplant<br />
und in eine Bohrschablone überführt.<br />
Die damit gesetzten Implantate weichen<br />
im Apexbereich nach eigenen klinischen<br />
Untersuchungen von der Planung<br />
maximal um 1,5 Millimeter ab.<br />
Der Mittelwert liegt bei 0,36 Millimeter.<br />
Die Lage der Implantate kann<br />
ebenfalls strahlungsfrei mit dem Intraoralscanner<br />
überprüft werden.<br />
EINZELZAHNLÜCKE<br />
Nach einer Kaffeepause referierte Prof.<br />
Dr. Bernd Lapatki, Ärztlicher Direktor,<br />
Klinik <strong>für</strong> Kieferorthopädie und Orthodontie,<br />
über das Thema „Der orthodontische<br />
Lückenschluss nach Verlust<br />
oder Aplasie einzelner Zähne“. Ein Verlust<br />
einzelner bleibender Zähne könne<br />
entweder durch Karies, Hypomineralisation,<br />
Pulpitis oder Parodontitis, Aplasie<br />
oder dentales Trauma bedingt<br />
sein. Für die Therapie von Einzelzahnlücken<br />
kommen primär der orthodontische<br />
Lückenschluss oder eine prothetische<br />
Lösung – je nach Lokalisation<br />
entweder mittels implantatgestützter<br />
Krone oder einflügeliger Adhäsivbrücke<br />
– infrage. Die kieferorthopädischen<br />
und prothetischen Alternativen zeichnen<br />
sich durch eine hervorragende<br />
Langzeitstabilität und sehr gute Ästhetik<br />
aus. Die Tatsache, dass gesunde natürliche<br />
Zähne künstlichem Zahnersatz<br />
grundsätzlich überlegen sind,<br />
spreche laut Prof. Lapatki bei Erfüllung<br />
bestimmter Voraussetzungen <strong>für</strong><br />
einen orthodontischen Lückenschluss.<br />
Die Zeiten, in denen der orthodontische<br />
Lückenschluss mit Kompromissergebnissen<br />
verbunden war, gehören<br />
seit Einführung skelettal verankerter<br />
Multibracket-Apparaturen der Vergangenheit<br />
an. Diese ermöglichen den Lückenschluss<br />
im Seitenzahnbereich rein<br />
von distal ohne unerwünschte Kollateralbewegungen<br />
der Frontzähne. Außerdem<br />
erlauben sie auch eine Beschränkung<br />
der Apparatur auf kleinere<br />
dentale Segmente oder sogar einzelne<br />
Zähne, was die Akzeptanz<br />
<strong>für</strong> eine<br />
orthodontische<br />
Lösung deutlich<br />
erhöhen kann.<br />
Das Vorhandensein<br />
von Weisheitszähnen<br />
spielt bei<br />
der Entscheidung<br />
zugunsten einer<br />
kieferorthopädischen<br />
Lösung eine<br />
wichtige Rolle. Impaktierte<br />
8er brechen<br />
nach Mesialisation<br />
der Seitenzahnreihe<br />
zumeist<br />
im Alter von 18 bis<br />
30 Jahren durch<br />
und können somit<br />
die Kau- und Abstützungsfunktion<br />
der mesialisierten 7er übernehmen.<br />
Auch aus diesem Grund sollte die Entscheidung<br />
zur Extraktion beschwerdefreier<br />
asymptomatischer Weisheitszähne<br />
nur auf Basis einer gründlichen individuellen<br />
Abwägung der Vorteile,<br />
Risiken und Perspektiven erfolgen.<br />
ENDODONTIE<br />
Dr. Sebastian Schnaidt, Abteilung <strong>für</strong><br />
Zahnerhaltungskunde und Parodontologie,<br />
sprach in seinem Vortrag<br />
„Entscheidend ist, was man rausholt“<br />
über die Infektionskontrolle in der<br />
Endodontie. Um das Thema einzuleiten,<br />
erläuterte er die Rahmenbedingungen<br />
einer solchen Behandlung<br />
und stellte dabei Maßnahmen vor, die<br />
zu einer Qualitätssteigerung beitragen<br />
wie beispielsweise Vergrößerungshilfen.<br />
Außerdem ging er auf den benötigten<br />
Zeitaufwand und eine angemessene<br />
Vergütung ein. Im Weiteren<br />
zeigte er die Vorteile einer präendodontischen<br />
Restauration auf, wie beispielsweise<br />
die Abdichtung gegen Bakterien<br />
und Spüllösungen oder die Verwendung<br />
von Kofferdam und Endometrie<br />
mit festen Referenzpunkten.<br />
Darüber hinaus stellte Dr. Schnaidt<br />
das Auffinden von Kanaleingängen in<br />
den Mittelpunkt und erklärte das<br />
praktische Vorgehen anhand klinischer<br />
Bilder aus seiner Fallsammlung.<br />
Hierbei verdeutlichte er, wie wichtig<br />
das Erkennen von Farbübergängen<br />
und anderen Hinweisen wie weißlichen<br />
Dentin-Einpressungen sei.<br />
Ein kurzer Exkurs in das Verfahren<br />
der Guided Endodontics führte ihn<br />
anschließend zum Herstellen eines geradlinigen<br />
Zugangs, der koronalen Erweiterung<br />
und eines Gleitpfades mit<br />
Herbstsymposium. Vertiefung von Fachwissen und Austausch unter Kolleginnen<br />
und Kollegen <strong>für</strong> eine bessere Patientenversorgung.<br />
Handinstrumenten. Die mechanische<br />
Aufbereitung stellte Dr. Schnaidt als<br />
entscheidende Voraussetzung <strong>für</strong> eine<br />
effektive Desinfektion des Wurzelkanalsystems<br />
vor und betonte wiederholt<br />
die Bedeutung des Leitsatzes<br />
„Spülen und Rekapitulieren“, um<br />
Verblockungen von infiziertem<br />
Dentin zu verhindern. Zum Abschluss<br />
ging Dr. Schnaidt näher auf die schallaktivierte<br />
Spülung des Wurzelkanalsystems<br />
ein und empfahl dabei Eddy<br />
(VDW), um die Infektionskontrolle<br />
effektiver zu gestalten. Eine Aufbereitungsgröße<br />
der Wurzelkanäle von<br />
mindestens ISO 35 sei dabei Voraussetzung.<br />
FAZIT<br />
Am Ende der Vorträge blieb noch Zeit<br />
<strong>für</strong> persönliche Gespräche mit den<br />
Referentinnen und Referenten. Es<br />
wurden Fälle diskutiert und Ratschläge<br />
gegeben. Der direkte Kontakt<br />
zwischen den universitären Kollegen<br />
und den niedergelassenen Kolleginnen<br />
und Kollegen rundete den Vormittag<br />
ab. Der Besuch des Ulmer<br />
Herbstsymposiums bietet ehemaligen<br />
Ulmer Studierenden eine großartige<br />
Gelegenheit, sich mit anderen Ehemaligen<br />
zu treffen.<br />
<br />
Dr. Markus Steybe
42_FORTBILDUNG<br />
ZBW_4/2023<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
Forum Rottweil: Mouth & More<br />
ZAHNHEILKUNDE BEI<br />
MULTIMORBIDEN MENSCHEN<br />
Die zahnärztliche Versorgung von älteren und hochbetagten Menschen war Thema der Fortbildung<br />
Ende Februar beim Forum Rottweil. Prof. Dr. Dr. Frauke Müller, Universitätszahnklinik Genf,<br />
referierte darüber. Vor 20 Jahren wurde sie auf den zweiten Lehrstuhl <strong>für</strong> Alterszahnmedizin<br />
in Europa berufen und begeisterte die Zuhörerinnen und Zuhörer durch ihre Expertise,<br />
ihr spürbares Engagement und ihre Empathie <strong>für</strong> dieses spezielle Teilgebiet der Zahnmedizin.<br />
Herausforderungen. Prof. Dr. Dr. Frauke<br />
Müller erklärte, was bei der prothetischen<br />
Versorgung von alten und multimorbiden<br />
Menschen zu berücksichtigen ist.<br />
In den vergangenen Jahrzehnten hat die<br />
Kariesprophylaxe in der Zahnheilkunde<br />
einen breiten Raum eingenommen. Das<br />
ist auch berechtigt, denn die Erfolge waren<br />
und sind beeindruckend. Viele junge<br />
Menschen kommen heute kariesfrei ins<br />
Erwachsenenalter. Gleichzeitig steigt jedoch<br />
der Bedarf an Zahnersatz im höheren<br />
Lebensalter, wodurch sich die Alterskurve<br />
verschiebt. Mittlerweile tritt bei 30<br />
Prozent der Menschen Zahnlosigkeit erst<br />
in der Altersgruppe der 75- bis 100-Jährigen<br />
auf.<br />
Die zahnärztliche Behandlung im höheren<br />
und höchsten Lebensalter stellt vielfältige<br />
Herausforderungen dar, da neben<br />
den physiologischen Alterserscheinungen<br />
auch Fragilität, Morbidität sowie<br />
neurologische und psychologische Aspekte<br />
zu berücksichtigen sind. Verminderte<br />
Sehkraft, eingeschränkte manuelle<br />
Geschicklichkeit sowie das Nachlassen<br />
von Geruchs- und Tastsinn erschweren<br />
den Patientinnen und Patienten die<br />
Handhabung und Pflege von neuem<br />
Zahnersatz, auch die Eingewöhnung ist<br />
Foto: Dr. Schugg<br />
im Alter schwieriger. Daher sind die Anforderungen<br />
an Zahnersatz klar definiert:<br />
einfach zu handhaben, stabil und hygienefähig.<br />
Mit Eintritt von Pflegebedürftigkeit und<br />
Multimorbidität treten zusätzliche Risikofaktoren<br />
auf, <strong>für</strong> die spezielle Präventions-<br />
und Behandlungskonzepte notwendig<br />
sind. Prof. Müller verwies auf den „Seattle<br />
Pathway of Care“, mit dessen<br />
„Mundgesundheitsplan“ eine sukzessive<br />
Anpassung an fortschreitenden funktionellen<br />
Abbau und chronische Erkrankungen<br />
möglich wird.<br />
PNEUMONIEN<br />
Erschreckende Zahlen präsentierte Prof.<br />
Müller in ihrem Vortrag: Einer von zehn<br />
Todesfällen aufgrund von Pneumonien<br />
bei Pflegebedürftigen ließe sich durch<br />
gute Mundhygiene vermeiden. Bei Pflegekräften<br />
sei wenig bekannt, dass Prothesen<br />
über Nacht nicht im Mund, sondern<br />
trocken außerhalb gelagert werden sollten.<br />
Bei nächtlichem Tragen besteht laut<br />
Prof. Müller ein um 50 Prozent erhöhtes<br />
Risiko <strong>für</strong> Pneumonien.<br />
Ein weiteres Problem bei ungefähr einem<br />
Drittel alter und sehr alter Menschen ist<br />
Mundtrockenheit. Durch bakterielle Besiedelung<br />
entsteht in rasantem Tempo<br />
Wurzelkaries und in der Folge häufig eine<br />
Fraktur von Kronen. Die Referentin hatte<br />
einige kleine Tipps und Tricks mitgebracht,<br />
wie zum Beispiel „chewy tubes“,<br />
die im Internet erhältlich sind. Weniger<br />
angenehm ist jedoch nach Meinung von<br />
Prof. Müller künstlicher Speichel.<br />
Mit zunehmender Demenz steigen die<br />
Herausforderungen nicht nur <strong>für</strong> Pflegekräfte<br />
und Angehörige, sondern auch <strong>für</strong><br />
zahnärztliche Betreuerinnen und Betreuer.<br />
Prof. Müller riet von Implantatversorgungen<br />
bei Demenzkranken ab und betonte,<br />
dass die zahnärztliche Betreuung<br />
in der Praxis des Hauszahnarztes erfolgen<br />
sollte und nicht zu Hause oder im Heim.<br />
Sie forderte Krankenkassen und Politik<br />
auf, <strong>für</strong> entsprechende Transportkonzepte<br />
und -möglichkeiten zu sorgen. Da sehr<br />
alte Menschen heutzutage noch oft einen<br />
beachtlichen Zahnbestand haben, wies<br />
sie darauf hin, dass bei zehn oder mehr<br />
vorhandenen Zähnen und gleichzeitig<br />
Taschentiefen über vier Millimeter ein<br />
3,9-fach erhöhtes Risiko bestehe, an einer<br />
Pneumonie zu versterben.<br />
SCHMERZEN<br />
Erstaunlich scheint die Erkenntnis, dass<br />
die Schmerzschwelle bei dementen Personen<br />
unverändert ist. Mangels adäquater<br />
Ausdrucksmöglichkeit ist es <strong>für</strong> die Umgebung<br />
schwierig, Schmerzen bei Demenzkranken<br />
zu erkennen. Daher sei die<br />
Schmerztherapie in der Palliativmedizin<br />
häufig unzureichend. Umso wichtiger sei<br />
es, dass die Zahnärztin bzw. der Zahnarzt<br />
bei der klinischen Inspektion Druckstellen<br />
erkennt und diese beseitigt, auch wenn<br />
die Patientin bzw. der Patient keine Beschwerden<br />
oder Schmerzen angibt.<br />
Ein wichtiges Prinzip der gesamten prothetischen<br />
Versorgung im höheren Lebensalter<br />
sollte nach Prof. Müller eine<br />
stufenweise Rückbaustrategie sein. In jeder<br />
Stufe komme der Hygienefähigkeit<br />
größte Bedeutung zu, um der beschriebenen<br />
Gefahr von Pneumonien zu begegnen.<br />
Kleine Details wie die flächige Gestaltung<br />
der Interdentalräume und die<br />
Schaffung möglichst glatter Prothesenoberflächen<br />
seien hilfreich.<br />
Der Fortbildungstag machte nachdenklich.<br />
Allen Zuhörerinnen und Zuhörern,<br />
den älteren wie den jüngeren, wurde bewusst:<br />
Niemand kann der Perspektive Alter<br />
entkommen. Im Vortrag von Prof.<br />
Müller kam immer wieder zum Ausdruck,<br />
welche Freude und Befriedigung<br />
die zahnärztliche Behandlung von alten<br />
Menschen gibt. Dankbarkeit als besondere<br />
Form eines Honorars. <br />
Dr. Reinhard Schugg
Landeszahnärztekammer BW | Körperschaft des öffentlichen Rechts<br />
Akademie<br />
Fortbildungsangebot<br />
April 2023 - Juli 2023<br />
Zahnärzte/-innen<br />
Kurs Nr. 7154 | 18 Punkte<br />
Hybrid | Einzelkurs | Gutachterliche Entscheidungsfindung bei<br />
Verfahren im Auftrag von KZV und Krankenkassen<br />
Referent/-in: Dr. Gudrun Börsig, Dr. Jochen Klemke, M.A.,<br />
Dr. Manfred Lieken, M.A.<br />
Datum: 21.-22.04.2023<br />
Kursgebühr: 800 €<br />
Kurs Nr. 9453 | 10 Punkte<br />
Einzelkurs | Plastisch-ästhetische Parodontalchirurgie –<br />
Deckung freiliegender Wurzeloberflächen<br />
Referentin: Prof. Dr. Petra Ratka-Krüger<br />
Datum: 22.04.2023<br />
Kursgebühr: 550 €<br />
Kurs Nr. 9397 | 16 Punkte<br />
Teilweise online | Einzelkurs | Arbeitstechniken der modernen<br />
Endodontie<br />
Referent: Prof. Dr. Gilberto Debelian, Prof. Dr. Thomas Wrbas<br />
Datum: 28.04.2023 (online) - 29.04.2023 (Präsenz)<br />
Kursgebühr: 850 €<br />
Kurs Nr. 9407 | 5 Punkte<br />
Einzelkurs | Hybrid | Erfolgreich behandeln, auch mit (zu)<br />
wenig Personal – wie führe ich meine Praxis in Zeiten des<br />
Fachkräftemangels?<br />
Referent: Dr. Oliver Schäfer<br />
Datum: 28.04.2023<br />
Kursgebühr: 290 €<br />
Kurs Nr. 9467 | 18 Punkte<br />
Einzelkurs | Minimal-invasive Frontzahnästhetik mit Veneers &<br />
Co. – ein Arbeitskonzept <strong>für</strong> Zahnarztpraxis und Labor<br />
Referent: Prof. Dr. Sven Rinke, M.Sc., M.Sc.<br />
Datum: 14.-15.07.2023<br />
Kursgebühr: 800 € (Zahnärzte/-innen), 550 € (Zahntechniker/-<br />
innen)<br />
Seminartag 1: Teamtag <strong>für</strong> Zahnärzte/-innen und Labor<br />
Seminartag 2: Zahnmedizinische Behandlung <strong>für</strong> Zahnärzte/-<br />
innen<br />
Kurs Nr. 9433 | 6 Punkte<br />
Online | Online – Mundgesunde Ernährung von A bis Z<br />
Referent: Prof. Dr. Johan Wölber<br />
Datum: 05.05.2023<br />
Kursgebühr: 240 €<br />
Curriculum Funktionelle und Restaurative<br />
Rehabilitation<br />
Referententeam: PD Dr. Daniel Hellmann, u.a.<br />
Datum: 12.05.2023-25.11.2023 | 8 Module<br />
Kursgebühr: 4.470 €<br />
Team | <strong>ZFA</strong><br />
Kurs Nr. 9423 | 8 Punkte<br />
Einzelkurs | Update Abrechnung<br />
Referentin: Alexandra Pedersen<br />
Datum: 12.05.2023<br />
Kursgebühr: 260 €<br />
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Einzelkurs | Die Rezeption - das Herz der Praxis!<br />
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Referentin: Brigitte Kühn, ZMV<br />
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Kursgebühr: 180 €<br />
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44_SOZIALES ENGAGEMENT<br />
ZBW_4/2023<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
Hilfseinsatz auf Chios/Griechenland<br />
ARBEIT IM CONTAINER<br />
Es ist eine große Gunst, mit und durch seine Profession anderen helfen zu können.<br />
Zahnärzte*innen tun das nahezu täglich und mitunter wird dies, sowohl von Behandlerseite<br />
als auch von der Patientenschaft, als profan hingenommen. Doch wie verhält es sich<br />
fernab des praxiseigenen Behandlungsstuhls? Wie ist es, wenn plötzlich traumatisierte<br />
Menschen Hilfe benötigen? Wie schwer ist es, die eigene Komfortzone zu verlassen und<br />
sich auf eine ungewisse Situation einzulassen? Zahnarzt Dr. Hans Hugo Wilms aus Murg<br />
hat es getan und ehrenamtlich im Flüchtlingslager Vial auf Chios/Griechenland im<br />
Container Geflüchtete aus Somalia, Palästina Sierra Leone und anderen Ländern behandelt.<br />
Herr Dr. Wilms, wie kamen Sie dazu,<br />
statt Sonne und Meer zu genießen, zwei<br />
Wochen auf Chios Zähne zu ziehen und<br />
Füllungen zu legen?<br />
Im Sommer letztes Jahr habe ich in der<br />
zm einen Beitrag darüber gelesen. Da ich<br />
einen solchen Einsatz immer schon mal<br />
vorhatte, begann ich mich näher damit<br />
zu befassen. Mir hat Chios insofern zugesagt,<br />
weil es <strong>für</strong> mich der erste Hilfseinsatz<br />
war und Griechenland nicht so<br />
weit entfernt ist. Zudem war die gesamte<br />
Abwicklung von Anfang an unkompliziert<br />
und sehr flexibel. Es hat alles gepasst<br />
und im Oktober war alles fix. Die<br />
NGO Dental-EMT hat das sehr gut und<br />
professionell vorbereitet und durchgeführt.<br />
Lässt sich der Einsatz mit den Worten<br />
„Hilfe mit einfachen Mitteln“ betiteln?<br />
Im Gegenteil. Ich war vor Ort absolut<br />
überrascht. Die Zahnstation, in der<br />
meine Kollegin Maria Nanou und ich<br />
behandelt haben, war in einem Container<br />
untergebracht. Dort war neben einem<br />
zahnärztlichen Behandlungsstuhl<br />
eine mobile Einheit mit rotem und grünem<br />
Winkelstück, dementsprechend<br />
konnte man hoch- und niedrigtourig<br />
arbeiten. Es gab außerdem ein Ultraschallhandstück<br />
und eine mobile Absaugung.<br />
Die Voraussetzungen <strong>für</strong> eine<br />
Behandlung waren wirklich sehr gut.<br />
Zudem waren wir ungestört und hatten<br />
gutes Licht. Die zweite Überraschung<br />
war die Fülle an Material. Es hat wirklich<br />
an nichts gefehlt. Ich dachte im<br />
Vorfeld, ich würde eher rudimentär arbeiten,<br />
mit ein paar wenigen Mitteln,<br />
die vor Ort zur Verfügung stehen. Aber<br />
das Gegenteil war der Fall. Eine maschinelle<br />
Aufbereitung <strong>für</strong> endodonti-<br />
Gut ausgestattet. Sowohl die zahnmedizinische Ausrüstung als auch die Verbrauchsmaterialien waren zeitgemäß<br />
und in ausreichender Menge vorhanden.<br />
sche Eingriffe und chirurgisches Besteck<br />
waren ebenfalls vorhanden, eben<br />
alles, was es braucht, um professionell<br />
zu arbeiten. Übrigens auch Schutzausrüstung<br />
und Hygienemittel. Alles finanziert<br />
auf privater Spendenbasis und<br />
von Dental Depots in Deutschland.<br />
Wie verhielt es sich mit der Verständigung?<br />
Wir hatten einen Dolmetscher, der von<br />
der NGO Salvamento Marítimo Humanitario<br />
(SMH) angestellt war und<br />
uns unterstützte. Das war auch notwendig,<br />
denn wir benötigten zur Verständigung<br />
mit den Patienten die jeweilige<br />
Muttersprache. Die Menschen<br />
wollten zum Großteil ihre Zähne behalten<br />
und haben nicht alles einfach<br />
über sich ergehen lassen. Das fand ich<br />
gut und auch bemerkenswert. Aber das<br />
bedeutete auch, dass wir bei jeder Behandlung<br />
Zeit benötigten, alles genau<br />
zu erklären, manchmal auch mehrere<br />
Male.<br />
Worauf lag das Hauptaugenmerk bei<br />
den Behandlungen?<br />
Auf Schmerzbeseitigung und Zahnerhaltung.<br />
Größere chirurgische Eingriffe<br />
konnten und wollten wir nicht vornehmen.<br />
Am offenen Knochen zu behandeln<br />
wäre in dieser Umgebung nicht<br />
verantwortbar gewesen. Das Hauptaugenmerk<br />
lag darin, Zähne zu erhalten<br />
und endodontische Maßnahmen<br />
durchzuführen, wenn eine Füllung<br />
nicht mehr möglich war.<br />
Fotos: Privat
ZBW_4/2023<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
45_SOZIALES ENGAGEMENT<br />
» Dabei geht es einzig und allein<br />
um politische Ränkespiele (...)<br />
In letzter Konsequenz sollte es<br />
doch aber um die Flüchtlinge, um<br />
die Menschen gehen.«<br />
Dr. Hans Hugo Wilms<br />
Teamarbeit. Gute Stimmung beim zahnärztlichen Team auf Chios.<br />
Dr. Hans Hugo Wilms mit seiner Kollegin Maria Nanou.<br />
Mussten Sie auch mal eine Behandlung<br />
ablehnen?<br />
Ja, in der Tat. Ein Patient aus Somalia<br />
hatte sehr starke Verfärbungen. Das<br />
liegt am hohen Fluoridgehalt des somalischen<br />
Trinkwassers. Nun kam er<br />
nach Europa, sah die weißen Zähne der<br />
anderen und wollte das natürlich auch.<br />
Er meinte, er habe da etwas von Bleaching<br />
gehört. Unserer Absage setzte er<br />
den Vorschlag entgegen, wir könnten ja<br />
Veneers aufkleben. Aber auch dieses<br />
Nein hat er akzeptiert. Überhaupt habe<br />
ich die ganze Zeit über mit keinerlei Aggressionen<br />
umgehen müssen.<br />
Welche Erkenntnisse gewinnt man?<br />
Dass die Schmerztoleranz von Somaliern<br />
und Jemeniten weit höher ist als<br />
jene von Westafrikanern und Palästinensern,<br />
die sehr empfindlich sind. Ich<br />
denke, das liegt an den Traumata, die<br />
diese Menschen mit sich tragen müs-<br />
Zahnarztpraxis. In diesem Container werden die<br />
Geflüchteten behandelt. Der Wartebereich befindet<br />
sich davor.<br />
sen. Das war sehr auffällig. Wir haben<br />
wirklich jeden Einstich vorbetäubt, aber<br />
bei einem Patienten war nicht mal das<br />
möglich. Er wollte die Behandlung und<br />
wir haben es mehrfach versucht, aber<br />
scheiterten letztendlich an seiner Angst.<br />
Außerdem war die Zahngesundheit bei<br />
den zu behandelnden Frauen durchweg<br />
schlechter als bei den Männern. Eine Erklärung<br />
hier<strong>für</strong> habe ich nicht. Aber ich<br />
erinnere mich an eine Patientin, bei der<br />
vom ersten Prämolaren bis zum Weisheitszahn<br />
nur noch Wurzelreste vorhanden<br />
waren. Natürlich wollte die<br />
Frau keinen Zahn verlieren und bat<br />
mich, Füllungen zu legen. Leider konnte<br />
ich ihr diesen Wunsch nicht erfüllen.<br />
Mit Hilfe des Dolmetschers konnten<br />
wir sie überzeugen und haben alle fünf<br />
Zähne entfernt. Leider sah die andere<br />
Seite genauso aus.<br />
Und welche Erkenntnisse erschüttern?<br />
Das Umfeld, in dem sich alles abspielt.<br />
Was mit den Menschen geschieht und<br />
wer alles an der Flüchtlingsproblematik<br />
verdient. Letzten Endes muss man<br />
es akzeptieren, aber es lässt mich bis<br />
heute oft nachdenklich zurück.<br />
Ähnlich verhält es sich mit den Zuständigkeiten.<br />
Die NGO Dental-EMT<br />
zeichnet <strong>für</strong> die Organisation und den<br />
Großteil der Ausstattung vor Ort verantwortlich.<br />
Eine solche Einrichtung<br />
hatten sie auch auf Lesbos. Eines Tages<br />
kamen Verantwortliche der griechischen<br />
Regierung und übernahmen<br />
über die griechische Zahnärztekammer<br />
die Leitung des Containers – inklusive<br />
der Behandlungseinheit, sämtlicher<br />
Mobiliare und Gerätschaften<br />
sowie aller Materialien. Dental-EMT<br />
durfte nichts davon abholen. Das soll<br />
in Chios nun auch geschehen. Dabei<br />
geht es einzig und allein um politische<br />
Ränkespiele. In Griechenland stehen<br />
Parlamentswahlen an und so versucht<br />
eine Partei, der anderen das Leben zu<br />
erschweren. In letzter Konsequenz<br />
sollte es doch aber um die Flüchtlinge,<br />
um die Menschen gehen. Ähnliche Erfahrungen<br />
mussten auch andere<br />
NGOs vor Ort machen, die zum Beispiel<br />
Frauen und Kinder unterrichteten.<br />
Ihr finales Fazit: Was lief gut – was lief<br />
schlecht?<br />
Die Organisation über Dental-EMT<br />
war sehr gut und auch die Strukturen<br />
vor Ort unterstützten unsere Arbeit<br />
umfassend. Alle Menschen waren hilfsbereit<br />
und wir hatten zu keinem Zeitpunkt<br />
Sicherheitsbedenken. Das Anstrengendste<br />
war die Sprache, das Hin<br />
und Her zwischen Englisch, Deutsch<br />
und den jeweiligen Muttersprachen.<br />
Zudem die vorgeschriebenen Arbeitszeiten:<br />
Wir arbeiteten täglich ab 16<br />
Uhr, meistens bis in die Nacht hinein<br />
bis 22 Uhr. Früher beginnen war nicht<br />
möglich, weil die griechischen Behörden,<br />
die in den umliegenden Containern<br />
arbeiteten, keine herumlaufenden<br />
Patienten wünschten. Also mussten<br />
wir warten, bis die griechischen Beamten<br />
mit ihrer Arbeit fertig waren.<br />
Werden weitere Hilfseinsätze folgen?<br />
Wenn, dann denke ich über einen Einsatz<br />
in Afrika nach. Dort erwartet<br />
mich sicher eine ganz andere Klientel<br />
und auch die instrumentellen und materialtechnischen<br />
Voraussetzungen<br />
werden gänzlich andere sein, aber das<br />
sind die Herausforderungen, die einen<br />
solchen Einsatz auch ausmachen und<br />
uns wieder einmal auf das Wesentliche<br />
besinnen lassen.<br />
Das Gespräch führte Cornelia Schwarz
PRÄSENZ<br />
PRÄSENZ<br />
SCHIEDSSYMPOSIUM<br />
ABSCHIEDSSYMPOSIUM<br />
UNIVERSITÄTSKLINIKUM FREIBURG<br />
Klinik <strong>für</strong> Zahnerhaltungskunde und Parodontologie<br />
UNIVERSITÄTSKLINIKUM FREIBURG<br />
Klinik <strong>für</strong> Zahnerhaltungskunde und Parodontologie<br />
Prof. Dr. Elmar Hellwig<br />
Prof. Dr. Elmar Hellwig<br />
Samstag, 30. September 2023 | 10 – 17 Uhr<br />
„Rückblicke und Ausblicke in der Zahnerhaltung“<br />
Rückblicke: Alle Habilitanden von Prof. Hellwig<br />
Vorträge:<br />
Prof. Dr. Rainer Seemann, Bern:<br />
„Digitale Zahnmedizin der Zukunft“<br />
Prof. Dr. Adrian Lussi, Bern:<br />
„Prävention von Karies und Erosionen – Was Neues hinterm Horizont?“<br />
Prof. Matthias Hannig, Homburg:<br />
„Speicheldiagnostik – Was bringt die Zukunft?“<br />
Prof. Dr. Bernd Haller, Ulm:<br />
„30 Jahre Direkte Seitenzahnrestauration mit Komposit:<br />
Tops, Flops, Perspektiven“<br />
Prof. Dr. Reinhard Hickel, München:<br />
„Ein arbeitsreiches Leben, aber gelacht haben wir auch…“<br />
Prof. Dr. Elmar Hellwig:<br />
„Mein Weg zum Hochschullehrer“<br />
Samstag, 30. September 2023 | 10 – 17 Uhr<br />
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Mit freundlicher Unterstützung der „Gold-Sponsoren“:<br />
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215
ZBW_4/2023<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
47_SOZIALES ENGAGEMENT<br />
Altgoldaktion des Vereins „Freie Zahnärzte im Altkreis Aalen“<br />
ZAHNÄRZTE UND PATIENT*INNEN<br />
SAMMELN 66.000 EURO<br />
Mitglieder des Vereins „Freie Zahnärzte im Altkreis Aalen“ haben in den vergangenen<br />
zwei Jahren wieder Altgold von ihren Patient*innen gesammelt und den Gegenwert von<br />
rund 31.500 Euro an mehrere wohltätige Organisationen übergeben.<br />
Foto: Schwäbische Post<br />
Spendenübergabe. An zwölf Organisationen hat der Verein Freier Zahnärzte Spenden übergeben.<br />
„Seit 15 Jahren machen wir solche Sammelaktionen<br />
<strong>für</strong> einen wohltätigen<br />
Zweck und viele unserer Patienten machen<br />
da gerne mit“, berichtete Dr. Jörg<br />
Klemen, Vorsitzender des Vereins. Eine<br />
Scheideanstalt trennt Gold und andere<br />
Metalle kostenfrei und das Material werde<br />
dann verkauft. Zehn Praxen im Altkreis<br />
hätten sich in den vergangenen zwei<br />
Jahren an der Aktion beteiligt, rund<br />
66.000 Euro seien zusammengekommen,<br />
ergänzte er. Symbolische Schecks im Gesamtwert<br />
von 31.500 Euro wurden bei<br />
einer Zusammenkunft im Römerhotel<br />
„Adler“ in Treppach an zwölf Organisationen<br />
übergeben. „Den Rest heben wir<br />
auf, denn wir wollen im kommenden<br />
Jahr wieder Organisationen wie Sie bedenken“,<br />
ergänzte Klemen schmunzelnd.<br />
ORGANISATIONEN<br />
Der Aalener Tafel-Kocherladen, die Ellwanger<br />
Tafel, der Kinderhospizdienst<br />
Ostalb und Heidenheim, die Malteser,<br />
die Freunde der Kinderklinik und die<br />
Klinikclowns am Ostalb-Klinikum, das<br />
St. Anna Hospiz Ellwangen und das<br />
Maja-Fischer-Hospiz in Ebnat, das Segeltaxi,<br />
der Förderkreis Kleine Hände,<br />
die Schutzgemeinschaft Deutscher<br />
Wald/Kreisverband Ostalb und der Verein<br />
Härtsfeld-Museumsbahn erhielten<br />
jeweils 2500 Euro, das Fifty-Fifty-Taxi<br />
4000 Euro.<br />
ENGAGEMENT<br />
Die Vertreter der Organisationen stellten<br />
sich und die Arbeit der Bedachten<br />
kurz vor. Alle sind mehr oder weniger<br />
auf Spenden angewiesen, und sie bedankten<br />
sich <strong>für</strong> die Summen. „Wir<br />
haben gehört, dass wir die Richtigen<br />
herausgesucht haben, Ihre Arbeit und<br />
Ihr Engagement sind beeindruckend“,<br />
sagte Dr. Christian Rathgeber, einer<br />
der Zahnärzte und Organisatoren.<br />
Man werde die Aktion fortführen, solange<br />
es noch Zahngold gibt, ergänzte<br />
Dr. Klemen.<br />
Schwäbische Post, Aalen<br />
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48_PRAXIS<br />
ZBW_4/2023<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
Der GOZ-Ausschuss der LZK BW informiert<br />
ZIELLEISTUNGSPRINZIP IN<br />
NEUERER RECHTSPRECHUNG<br />
Das sogenannte Zielleistungsprinzip ist in der Amtlichen Gebührenordnung <strong>für</strong><br />
Zahnärzte im § 4 geregelt. Oftmals gibt es noch Unsicherheiten, wie damit bei der<br />
Liquidation umgegangen werden soll. Der Artikel soll hier eine Hilfestellung vor dem<br />
Hintergrund aktueller Rechtsprechung bieten.<br />
Nach § 4 Absatz 1 GOZ sind Gebühren<br />
Vergütungen <strong>für</strong> die im Gebührenverzeichnis<br />
genannten zahnärztlichen<br />
Leistungen. Nach § 4 Absatz 2 Sätze 1<br />
bis 4 GOZ kann der Zahnarzt Gebühren<br />
nur <strong>für</strong> selbständige zahnärztliche<br />
Leistungen berechnen, die er selbst erbracht<br />
hat oder die unter seiner Aufsicht<br />
nach fachlicher Weisung erbracht<br />
wurden (eigene Leistungen).<br />
GRUNDLAGEN<br />
Bei der Gebührenberechnung stellt sich<br />
die Frage, welche Behandlungsmaßnahme<br />
eine eigene Gebühr auslöst, die auf<br />
der Rechnung aufgeführt werden darf<br />
und welche Maßnahmen dagegen bereits<br />
mit den anderen ebenfalls zur Berechnung<br />
gelangenden Gebühren abgegolten<br />
sind. Hier<strong>für</strong> kann nur die in der<br />
Gebührenordnung selbst verankerte<br />
Definition des Begriffes „selbstständige<br />
Leistung“ maßgeblich sein:<br />
Selbstständig im Sinne der Gebührenordnung<br />
sind alle diejenigen Leistungen,<br />
die nicht als Bestandteil und nicht<br />
als besondere Ausführung einer anderen<br />
ebenfalls berechneten Leistung<br />
nach dem Gebührenverzeichnis anzusehen<br />
sind.<br />
Für eine Leistung, die Bestandteil oder<br />
eine besondere Ausführung einer anderen<br />
Leistung nach dem Gebührenverzeichnis<br />
ist, kann der Zahnarzt eine Gebühr<br />
nicht berechnen, wenn er <strong>für</strong> die<br />
andere Leistung eine Gebühr berechnet.<br />
Dies gilt auch <strong>für</strong> die methodisch notwendigen<br />
operativen Einzelschritte zur<br />
Erbringung der im Gebührenverzeichnis<br />
aufgeführten operativen Leistungen.<br />
Eine Leistung ist methodisch notwendiger<br />
Bestandteil einer anderen<br />
Leistung, wenn sie inhaltlich von der<br />
Leistungsbeschreibung der anderen<br />
Leistung (Zielleistung) umfasst und<br />
auch in deren Bewertung berücksichtigt<br />
worden ist.<br />
SELBSTSTÄNDIGE LEISTUNG<br />
Mit dem Kriterium der Selbstständigkeit<br />
<strong>für</strong> die Liquidation zahnärztlicher<br />
Leistungen verfolgt der Verordnungsgeber<br />
das Ziel, Doppelberechnungen oder<br />
Mehrfachberechnungen aus sich eventuell<br />
überschneidenden Leistungsinhalten<br />
auszuschließen.<br />
Im aktuellen Urteil vom 10.1.2023 des<br />
Bayrischen Verwaltungsgerichtshofes<br />
(Az. 24 B 22.1769) wurde in einem Beihilfeprozess<br />
zur Entscheidung die<br />
Foto: Pixabay/Hassan<br />
GOZ-Nr. 3290 zu Recht als nicht beihilfefähig<br />
angesehen, denn neben der<br />
Nachbehandlungsmaßnahme (GOZ-<br />
Nr. 3300) kann die Kontrolle nach chirurgischem<br />
Eingriff (GOZ-Nr. 3290)<br />
nicht <strong>für</strong> dasselbe OP-Gebiet und dieselbe<br />
Wunde in derselben Nachbehandlungssitzung<br />
berechnet werden, weil die<br />
Kontrolle notwendiges Durchgangsstadium<br />
und damit Bestandteil der Nachbehandlung<br />
ist. Weiter heißt es: Um<br />
festzustellen, ob die Notwendigkeit einer<br />
Nachbehandlung oder Wundrevision<br />
gegeben ist, ist immer erst eine Sichtkontrolle<br />
erforderlich.<br />
KONSEQUENZEN AUS DEM URTEIL<br />
Danach ergeben sich zwei Möglichkeiten:<br />
Entweder bleibt es bei der alleinigen<br />
Sichtkontrolle, wenn sich aus ihr<br />
kein weiterer Behandlungsbedarf ergibt.<br />
Diese ist dann als selbstständige<br />
Leistung nach GOZ-Nummer 3290 abrechenbar.<br />
Oder es erfolgt aufgrund der<br />
Feststellungen aus der Sichtkontrolle<br />
ein Nachbehandlungsbedarf. Dann ist<br />
die Sichtkontrolle notwendiges Durchgangsstadium<br />
zu einer Nachbehandlung<br />
und deshalb in diesem Zusammenhang<br />
keine selbstständige Leistung.<br />
Vielmehr wird die Kontrolle dann von<br />
der umfänglicheren Leistung der Nachbehandlung<br />
oder der noch umfänglicheren<br />
Wundrevision überdeckt.<br />
Bekanntlich behaupten Kostenerstatter<br />
immer wieder, einzelne Gebührenpositionen<br />
der GOZ seien nebeneinander<br />
nicht berechenbar, da die eine Leistung<br />
Bestandteil einer anderen sei und daher<br />
<strong>für</strong> diese Leistung eine Gebühr nicht berechnet<br />
werden könne. Informieren Sie<br />
sich daher über aktuelle Entwicklungen<br />
in GOZInform unter www.lzk-bw.de<br />
oder in den Gebührensprechstunden<br />
Ihrer zuständigen Bezirkszahnärztekammer.<br />
Autorenteam des<br />
GOZ-Ausschusses der LZK BW
ZBW_4/2023<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
49_PRAXIS<br />
Optimale Vorbereitung!<br />
DVT-STRAHLENSCHUTZ-<br />
BEGEHUNGEN AB 2023<br />
Foto: Prof. Dr. Schulze<br />
Das Land Baden-Württemberg hat in<br />
seinem risikoorientierten Strahlenschutz-Aufsichtsprogramm<br />
festgelegt,<br />
dass Zahnarztpraxen, die eine DVT-<br />
Röntgeneinrichtung betreiben, ab 2023<br />
gemäß Strahlenschutzrecht durch das<br />
zuständige Regierungspräsidium begangen<br />
werden. Die LZK BW konnte<br />
ihre fachliche Expertise bei den Inhalten<br />
der DVT-Strahlenschutz-Begehungen<br />
im Sinne der Zahnärzteschaft einbringen.<br />
Zum Jahresende 2022 informierte<br />
die LZK BW in vier Webinaren die Betreiberin<br />
oder den Betreiber einer DVT-<br />
Röntgeneinrichtung über die wichtigsten<br />
Aspekte und Schwerpunkte der<br />
„DVT-Strahlenschutz-Begehungen“.<br />
Der folgende Beitrag fasst das aktuell<br />
Unterstützungspaket der LZK BW zusammen,<br />
um den Zahnarztpraxen eine<br />
optimale Vorbereitung zu ermöglichen.<br />
RECHT<br />
Die strahlenschutzrechtliche Aufsicht<br />
basiert auf dem Strahlenschutzgesetz<br />
(StrlSchG) in Verbindung mit der<br />
Strahlenschutzverordnung (StrlSchV).<br />
WER?<br />
Die DVT-Strahlenschutz-Begehung<br />
führt das jeweils zuständige Regierungspräsidium<br />
(Freiburg, Karlsruhe,<br />
Stuttgart und Tübingen) durch.<br />
WO?<br />
Die Strahlenschutz-Begehung findet in<br />
Zahnarztpraxen mit einer DVT-Röntgeneinrichtung<br />
statt.<br />
INTERVALL<br />
Das Aufsichtsprogramm sieht vor,<br />
Zahnarztpraxen mit DVT-Röntgeneinrichtungen<br />
in einem Intervall von<br />
sechs Jahren einer Vor-Ort-Überprüfung<br />
zu unterziehen.<br />
ABLAUF<br />
Die DVT-Strahlenschutz-Begehung<br />
wird mit der Praxisinhaberin bzw.<br />
dem Praxisinhaber im Vorfeld telefonisch<br />
bzw. per E-Mail abgestimmt<br />
und schriftlich angekündigt (anlassunabhängige<br />
Begehung). In diesem<br />
Zuge erhält die Praxis auch Vorab-Informationen<br />
über den Ablauf, die<br />
Zeitdauer und bereitzuhaltende Unterlagen<br />
<strong>für</strong> die DVT-Strahlenschutz-<br />
Begehung durch das zuständige Regierungspräsidium.<br />
Zum vereinbarten<br />
Termin erfolgt die Vor-Ort-Überprüfung<br />
durch das zuständige Regierungspräsidium.<br />
Am Ende der Begehung<br />
findet ein Abschlussgespräch<br />
statt. In diesem werden die evtl. vorgefundenen<br />
Mängel besprochen und<br />
gegebenenfalls Maßnahmen festgelegt,<br />
die sofort zu ergreifen sind. Im<br />
Nachgang erhält die Praxis ein<br />
Schreiben des Regierungspräsidiums,<br />
in dem die aufgefallenen Mängel<br />
und Abweichungen aufgeführt<br />
werden und die bzw. der Strahlenschutzverantwortliche<br />
aufgefordert<br />
wird, diese zu beseitigen. In einem separaten<br />
Schreiben erhält die Praxis<br />
den Gebührenbescheid durch das zuständige<br />
Regierungspräsidium.<br />
PRAXIS-HANDBUCH<br />
Sie werden in Ihrer Vorbereitung<br />
durch die neue „Checkliste <strong>für</strong> die<br />
DVT-Strahlenschutz-Begehung<br />
(StrlSchG, Regierungspräsidien)“ im<br />
PRAXIS-Handbuch der LZK BW optimal<br />
unterstützt. Die Checkliste beinhaltet<br />
neben Grundlageninformationen<br />
die wichtigsten Aspekte und<br />
Schwerpunkte der DVT-Strahlenschutz-Begehung<br />
in Zahnarztpraxen.<br />
Die Checkliste finden Sie auf der<br />
Homepage der LZK BW in der Online-<br />
Version des PRAXIS-Handbuchs unter<br />
https://lzk-bw.de wie folgt:<br />
„ZAHNÄRZTE“ >>> unter der Rubrik<br />
„Praxisführung“ auf das „PRA-<br />
XIS-Handbuch“ >>> in der rechten<br />
Sidebar auf „PRAXIS-Handbuch<br />
(Online-Version)“ >>> Schaltfläche<br />
„5. Praxisbegehung - Was nun?“ >>><br />
in der Rubrik „5.1.6 DVT-Strahlenschutz-Begehung<br />
(Checkliste, Leitfaden<br />
und Muster-Formulare)“. Ein aktueller<br />
Fragen- und Antwortkatalog<br />
(FAQ) rund um das DVT-Begehungsthema<br />
ergänzt die Unterstützung<br />
über das PRAXIS-Handbuch der LZK<br />
BW.<br />
BERATUNG<br />
Für eine weitergehende fachliche Beratung<br />
stehen Ihnen die zuständigen<br />
Zahnärztlichen Röntgenstellen in den<br />
Bezirkszahnärztekammern und die Abteilung<br />
Praxisführung der LZK BW zur<br />
Verfügung.<br />
<br />
Ihre LZK-Geschäftsstelle
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50_LESERFORUM<br />
ZBW_4/2022<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
ZBW<br />
ZAHNÄRZTEBLATT BADEN-WÜRTTEMBERG<br />
ANGEBOTE FÜR<br />
DEN PRAXISALLTAG<br />
2-3/2023<br />
Titelthema<br />
EU-Medizinprodukteverordnung<br />
(EU-MDR)<br />
Fortbildung<br />
Zahnfleischerkrankungen<br />
bei Schwangeren<br />
ZBW-AUSGABE 2-3/2023, S. 9<br />
35 JAHRE PUNKTWERT GOZ<br />
Auch zum 35. Geburtstag des GOZ-<br />
Punktwertes wird das Thema nicht<br />
schöner oder neuer durch gebetsmühlenartiges<br />
Wiederholen der seit Jahren<br />
bekannten Tatsachen. Verwunderlich<br />
ist allerdings die Abstimmung der<br />
einzelnen Abteilungen der LZK BW.<br />
Nur vier Seiten nach Ihrem Leitartikel<br />
empfiehlt die KZBV konkrete Vorschläge<br />
zum Bürokratieabbau in den<br />
Praxen der Politik zu unterbreiten. Sie<br />
empfehlen ... man darf nicht müde<br />
werden, dem Privatpatienten den Irrglauben<br />
zu nehmen ... Hier wird die<br />
Bürokratie nur weiter in die Praxen<br />
getragen und auf die Zahnärzte verlagert.<br />
Auch das sog. Flyerangebot zum<br />
„Basistarif“ ist nur ein laues Lüftchen<br />
an unnützer Information, die den<br />
Praxisalltag nicht leichter macht.<br />
Wenn schon konsequente Aufklärung,<br />
dann bitte auch der Politik endlich<br />
klar machen, dass der Basistarif<br />
(i. d. R. 2,0-fach) weit unter GKV-Sozialtarif<br />
liegt und eine, wie auch immer<br />
gelagerte, medizinische Leistung<br />
einfach nicht zu erbringen ist. Insbesondere,<br />
da viele Patienten von ihren<br />
Versicherungen über die Möglichkeiten<br />
des Basistarifes im Unklaren gelassen<br />
werden und erst nach Rechnungsstellung<br />
mit Reklamation kommen.<br />
KZV und BZKen sollten sich ein<br />
Beispiel an der GOT nehmen. Hier<br />
geht es anscheinend, die allgmeinen<br />
Praxiskosten in die Kalkulation einzubeziehen.<br />
So werden wir wahrscheinlich<br />
auch den 40. Geburtstag<br />
des GOZ-Punktwertes „feiern“ bzw.<br />
zu beklagen haben. Wann handelt die<br />
Standesvertretung der Zahnärzte endlich<br />
konsequent und empfiehlt mal<br />
den Boykott der GOZ.<br />
Sicherlich erinnern Sie sich noch an<br />
die 90er-Jahre, hier haben wir versucht,<br />
Herrn Seehofer ein Bein zu stellen<br />
mit dem „Korb“ in Bayern und BW.<br />
Hat leider nicht funktioniert, da es<br />
falsch angegangen wurde. Die damals<br />
angedachte Unterstützung durch<br />
Kammern und KZV blieb nämlich leider<br />
aus. Sei‘s drum. Wenn nur so das<br />
wirtschaftliche Überleben der Praxen<br />
gewährleistet werden kann, na dann<br />
gute Nacht.<br />
ZA Michael May, Freiburg<br />
Anzeige
ZBW_4/2023<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
51_KULTUR<br />
Kunstmuseum Stuttgart<br />
SHIFT. KI UND EINE<br />
ZUKÜNFTIGE GEMEINSCHAFT<br />
Foto: Achim Kukulies/ VG Bild-Kunst, Bonn 2023<br />
SocialSim. Das Video SocialSim (2020) von Hito Steyerl besteht aus computeranimierten und<br />
gefilmten Szenen. Der Titel verweist auf Simulationsmodelle zur Berechnung menschlicher Handlungen<br />
oder zur Voraussage von Naturkatastrophen.<br />
Bis 21. Mai präsentiert das<br />
Kunstmuseum Stuttgart die<br />
Ausstellung „SHIFT. KI und<br />
eine zukünftige Gemeinschaft“.<br />
Das Ausstellungsprojekt zeigt<br />
acht künstlerische Positionen,<br />
die sich dem Dialog zwischen<br />
Kunst und Wissenschaft auf<br />
dem Gebiet der Künstlichen<br />
Intelligenz (KI) widmen.<br />
Künstliche Intelligenz prägt zunehmend<br />
unseren Alltag und verändert unser Leben.<br />
Als eine Schlüsseltechnologie des<br />
digitalen Wandels nimmt sie nicht nur<br />
Einfluss auf soziale, politische und wirtschaftliche<br />
Zusammenhänge, sondern<br />
stellt Grundkonstanten der Conditio<br />
humana und darauf gründende Menschenbilder<br />
infrage. Längst übernehmen<br />
von Algorithmen gesteuerte Maschinen<br />
neben mechanischen Tätigkeiten auch<br />
solche, die intellektuelle und strategische<br />
Funktionen erfordern. Mag die Begeisterung<br />
<strong>für</strong> die Potenziale von KI <strong>für</strong><br />
eine zukünftige Gemeinschaft auch<br />
groß sein, deutlich vernehmbar sind die<br />
Stimmen, die vor den Risiken der neuen<br />
Technologie warnen. Der Begriff „Shift“<br />
(engl. verschieben, Übergang, Wechsel)<br />
unterstreicht die These der Ausstellung,<br />
dass diese Digitaltechnologie nachhaltig<br />
die Idee einer Gemeinschaft verändert,<br />
in der Mensch, Natur und Technik in einem<br />
kooperativen Verhältnis stehen.<br />
ETHISCHE VERANTWORTUNG<br />
Gezeigt werden acht künstlerische Positionen.<br />
Die Werke machen die komplexen<br />
Zusammenhänge von KI begreifbar.<br />
Sie basieren auf Untersuchungen zu realer<br />
und künstlicher Körperlichkeit, digitaler<br />
Überwachung, biologischer Intelligenz<br />
und hybriden Lebensformen,<br />
gesellschaftlichen Machtverhältnissen,<br />
Sprachtechnologie, NFTs und Unsterblichkeit.<br />
Dabei stellen die Künstler*innen<br />
immer auch die Frage nach einer<br />
ethischen Verantwortung im Umgang<br />
mit KI.<br />
Sowohl die Ausstellung als auch das<br />
„Studio 11. Raum <strong>für</strong> Kunstvermittlung“<br />
bieten die Möglichkeit, sich<br />
grundlegend mit KI auseinanderzusetzen.<br />
Das umfangreiche Begleitprogramm<br />
wurde zusammen mit dem<br />
Stuttgarter Zentrum <strong>für</strong> Simulationswissenschaft<br />
(SC SimTech) und dem<br />
Cyber Valley Stuttgart/Tübingen gestaltet.<br />
Kunstmuseum Stuttgart/IZZ<br />
INFO<br />
SHIFT. KI und eine zukünftige<br />
Gemeinschaft<br />
bis 21. Mai 2023<br />
Öffnungszeiten<br />
Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr<br />
Freitag 10 bis 20 Uhr<br />
Eintritt<br />
11 Euro, ermäßigt 8 Euro<br />
Informationen<br />
Kunstmuseum Stuttgart,<br />
Telefon: 0711 21619600<br />
www.kunstmuseum-stuttgart.de
52_NAMEN UND NACHRICHTEN<br />
ZBW_4/2023<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
Neues Projekt des Dental-EMT e. V.<br />
MOBILE ZAHNSTATION FÜR<br />
GEFLÜCHTETE<br />
Mit ihrer Zahnstation im Flüchtlingslager<br />
Vial auf Chios/Griechenland setzt sich<br />
das Dental-Emergency-Team e. V.<br />
(Dental-EMT) bereits aktiv und nachhaltig<br />
<strong>für</strong> Geflüchtete ein. Nun geht der<br />
Verein unter Vorsitz von Zahnarzt Dr.<br />
Alexander Schafigh einen Schritt weiter<br />
und unterstützt mit einem Zahnmobil<br />
Flüchtlinge aus der Ukraine. Ein Jahr<br />
Umbauzeit benötigte die Verwandlung<br />
des ehemaligen Rettungswagens in eine<br />
mobile Zahnarztpraxis. Ein Zahnarztstuhl<br />
musste fachmännisch eingebaut,<br />
Leitungen <strong>für</strong> Strom, Wasser und<br />
Druckluft verlegt sowie ein Kühlschrank<br />
und Sterilisator gefunden werden. Dank<br />
der großzügigen Spende des HDZ steht<br />
zudem eine mobile Einheit zur Verfügung,<br />
die bei Bedarf Behandlungen vor<br />
Ort ermöglicht. Mitte März ging der erste<br />
Einsatz los. Erster Halt ist ein sicherer<br />
Standplatz in Krakau, von wo aus<br />
behandelt wird. Was derzeit noch fehlt,<br />
sind neben materieller und finanzieller<br />
Unterstützung, Zahnärzt*innen und<br />
Assistenzpersonal, die bereit wären, das<br />
Projekt mindestens eine Woche tatkräftig<br />
und ehrenamtlich vor Ort zu unterstützen.<br />
Interessenten sind willkommen:<br />
www.dr-schafigh.com. cos<br />
Fotos: Dental-EMT<br />
Hochschulen<br />
BERUFSANERKENNUNG FÜR<br />
PFLEGEKRÄFTE AUS UKRAINE<br />
Die ersten aus der Ukraine geflüchteten<br />
Pflegekräfte haben am Universitätsklinikum<br />
Schleswig-Holstein<br />
ihre Berufsanerkennung erhalten.<br />
Nach erfolgreichen Prüfungen nahmen<br />
sie ihre Urkunden in Kiel entgegen.<br />
Sie zählten bundesweit zu<br />
den ersten Ukrainerinnen, denen<br />
dies an einem deutschen Universitätsklinikum<br />
gelang. „Wir freuen uns,<br />
ihnen eine hervorragende Perspektive<br />
bieten zu können – und dies<br />
nicht nur beruflich, sondern auch<br />
im privaten Lebensumfeld“, sagte<br />
Klinik-Vorstandschef Jens Scholz<br />
unter Hinweis auf Russlands Krieg<br />
gegen die Ukraine. Seit 2017 bietet<br />
die KSH-Akademie in<br />
Zusammenarbeit<br />
mit dem Klinikum<br />
Pflegekräften<br />
aus dem Ausland<br />
Vorbereitungskurse<br />
auf die sogenannte<br />
Kenntnisprüfung<br />
an,<br />
um ihre berufliche<br />
Qualifikation<br />
anerkennen zu lassen.<br />
UKSH<br />
Foto: UKSH<br />
5 MILLIONEN DOWNLOADS<br />
Die App der Techniker Krankenkasse (TK) hat die Marke<br />
von fünf Millionen Downloads geknackt. Seit dem Start<br />
im März 2017 hat sie sich als wichtiger Kanal <strong>für</strong><br />
Versicherte etabliert. Pro Monat laden derzeit rund<br />
100.000 Nutzer*innen die App auf ihr Smartphone.<br />
Besonders beliebte Funktionen sind die Ersatzbescheinigung<br />
<strong>für</strong> die Versichertenkarte, wenn sie beim<br />
Arztbesuch vergessen wurde und die schnelle<br />
Erstattung von Kosten <strong>für</strong> Arzneimittel, Impfungen<br />
oder Zahnersatz. TK<br />
Abbildung: Adobe Stock/Oleg<br />
Foto: TK<br />
HIRNSTAMMZELLEN ÜBER INTERFERON GESTEUERT<br />
Interferon reguliert offenbar die Aktivität und Selbsterneuerung der<br />
Hirnstammzellen während der gesamten Lebenspanne: In jungen<br />
Gehirnen steigert, im weniger aktiven alternden Gehirn dagegen<br />
drosselt es die Produktion von Nerven-Vorläuferzellen. Das berichtet<br />
eine Arbeitsgruppe des Deutschen Krebsforschungszentrums<br />
(DKFZ) und der Universität Heidelberg. aerzteblatt.de<br />
Foto: ADobe Stock/DCP
ZBW_4/2023<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
53_NAMEN UND NACHRICHTEN<br />
Zertifizierung von Medizinprodukten<br />
FRIST VERLÄNGERT<br />
Arzneimittelwerbung<br />
GENDERN IM PFLICHTTEXT<br />
Um mögliche Engpässe bei der Versorgung mit<br />
Medizinprodukten zu verhindern, verlängert die EU<br />
Übergangsfristen <strong>für</strong> die Zertifizierung. Einem<br />
entsprechenden Vorschlag der EU-Kommission<br />
stimmte der Rat der EU-Staaten Anfang März zu.<br />
Hintergrund ist die Medizinprodukteverordnung, die<br />
seit Mai 2021 in der EU gilt, jedoch eine Übergangszeit<br />
bis Mai 2024 vorsieht. Demnach gelten <strong>für</strong><br />
Medizinprodukte neue Sicherheitsvorschriften.<br />
Konkret ist nun vorgesehen, dass die Übergangsfrist<br />
<strong>für</strong> sogenannte Hochrisiko-Produkte wie Implantate<br />
bis Dezember 2027 verlängert wird. Für Produkte mit<br />
mittlerem oder geringem Risiko wie Spritzen ist eine<br />
Verlängerung bis Dezember 2028 vorgesehen.<br />
Voraussetzung <strong>für</strong> die verlängerte Frist ist, dass die<br />
Produkte bereits vor dem 26. Mai 2021 eine Bescheinigung<br />
erhalten haben oder <strong>für</strong> regelkonform erklärt<br />
wurden. Das Europaparlament hat den geänderten<br />
Regeln bereits zugestimmt. Bevor die neuen Regeln in<br />
Kraft treten können, müssen Parlament und EU-Staaten<br />
sie noch einmal formell annehmen. dpa<br />
Jahrzehntelang hat der im Heilmittelwerbegesetz<br />
festgeschriebene<br />
Pflichttext „... und fragen Sie<br />
Ihren Arzt oder Apotheker“<br />
mit dem generischen<br />
Maskulinum alle Ärzti*nnen<br />
und Apotheker*innen<br />
ausgeschlossen. Das soll sich<br />
nun ändern. Das Bundesministerium<br />
<strong>für</strong> Gesundheit (BMG)<br />
hat den Verbänden einen Referentenentwurf<br />
eines Gesetzes zur<br />
Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien<br />
Arzneimitteln und zur Verbesserung der Versorgung<br />
mit Kinderarzneimitteln vorgelegt. Der Entwurf sieht<br />
unter anderem folgende Änderung des Pflichttextes<br />
vor: „In § 4 Absatz 3 Satz 1 des Heilmittelwerbegesetzes<br />
[…] werden die Wörter ‚und fragen Sie Ihren Arzt<br />
oder Apotheker‘ durch die Wörter ‚und fragen Sie Ihre<br />
Ärztin oder Ihren Arzt oder fragen Sie in Ihrer<br />
Apotheke‘ ersetzt.“ IZZ<br />
Foto: Pixabay/Pexels<br />
MEHR FRAUEN IN FÜHRUNGSPOSITIONEN<br />
Grafik: pixabay<br />
Der Anteil der Frauen in Führungspositionen ist im Gesundheitswesen<br />
deutlich höher als insgesamt in Deutschland, berichtet das Ärzteblatt. Dies<br />
zeigten Daten, die das Statistische Bundesamt in Wiesbaden veröffentlichte.<br />
Demnach besetzen Frauen im Gesundheits- und Sozialwesen zu 61 Prozent<br />
Führungspositionen. In dem Bereich arbeiten zu 77 Prozent Frauen. Im<br />
Bereich Erziehung und Unterricht waren 67 Prozent der Führungspositionen<br />
von Frauen besetzt – dort arbeiten zu 71 Prozent Frauen. IZZ<br />
Klimatischer Jahresrückblick<br />
KLIMAWANDEL SPÜRBAR<br />
So sonnig und so warm wie noch kein Jahr<br />
zuvor – so beschreibt der Bericht zum klimatischen<br />
Jahresrückblick der Landesanstalt <strong>für</strong><br />
Umwelt das Jahr 2022 in Baden-Württemberg.<br />
Er zeigt, dass klimatische Veränderungen<br />
im Land immer deutlicher spürbar werden.<br />
Mit einer Jahresmitteltemperatur von<br />
10,6 Grad Celsius war 2022 das wärmste<br />
Jahr in Baden-Württemberg seit Beginn der<br />
Wetteraufzeichnungen in 1881. Und mit seinen<br />
knapp 22 Tagen mit Temperaturen von<br />
über 30 Grad Celsius gehört es zu den heißesten<br />
Jahren nach 2015 (25 heiße Tage)<br />
und 2003 (27 heiße Tage). Bis auf April und<br />
September sind alle Monate des Jahres 2022<br />
deutlich zu warm gewesen. Gleichzeitig war<br />
das Jahr 2022 ein sehr trockenes Jahr. Bis auf<br />
April, September und Oktober fiel in allen<br />
Monaten weniger Niederschlag als im langjährigen<br />
Mittel. Landesregierung BW<br />
Die städtische Hitzeinsel<br />
Umland<br />
Vorstadt<br />
Stadt<br />
Gebäude absorbieren<br />
Sonnenlicht und geben<br />
die Energie als Wärme ab<br />
Quelle:<br />
Deutscher<br />
Wetterdienst,<br />
Helmholtz-Klima-Initiative<br />
Glasfassaden<br />
reflektieren<br />
Sonnenlicht<br />
in die Umgebung<br />
auf versiegelten<br />
Flächen verdunstet<br />
weniger Wasser =<br />
weniger Abkühlung<br />
Bebauung reduziert die<br />
Luftzirkulation und damit<br />
den Luftaustausch<br />
zusätzliche Wärme<br />
durch Abgase,<br />
Klimaanlagen<br />
und Industrie<br />
In Städten kann es bis zu 10 °C<br />
wärmer sein als im Umland.<br />
015510<br />
Globus
58_AMTLICHE MITTEILUNGEN<br />
ZBW_4/2023<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
WEITERBILDUNGSSTÄTTE<br />
Nach § 35 des Heilberufe-Kammergesetzes<br />
i. V. m. §§ 9 und 11 der<br />
Weiterbildungsordnung wurde folgendes<br />
Kammermitglied zur Weiterbildung<br />
ermächtigt:<br />
Oralchirurgie<br />
Dr. Stefan Steckeler<br />
Kurze Straße 7<br />
89522 Heidenheim<br />
Die anerkennungsfähige Weiterbildungszeit<br />
beträgt gem. § 24 Abs. 1 und Abs.<br />
3 der Weiterbildungsordnung 3 Jahre.<br />
Dr. Philip Stockmann<br />
Hauptstraße 88<br />
77652 Offenburg<br />
Die anerkennungsfähige Weiterbildungszeit<br />
beträgt gem. § 24 Abs. 1<br />
und Abs. 4 der Weiterbildungs ordnung<br />
2 Jahre.<br />
Kieferorthopädie<br />
Dr. Johanna Kutz<br />
Gartenstraße 88<br />
88212 Ravensburg<br />
Die anerkennungsfähige Weiterbildungszeit<br />
beträgt gem. § 21 der Weiterbildungsordnung<br />
2 Jahre.<br />
SOMMER-ABSCHLUSSPRÜFUNG<br />
FÜR <strong>ZFA</strong><br />
Die schriftliche Abschlussprüfung <strong>für</strong><br />
Zahnmedizinische Fachangestellte wird<br />
landeseinheitlich durchgeführt und<br />
findet <strong>für</strong> alle Kammerbereiche an<br />
folgenden Terminen statt:<br />
Donnerstag, 04. Mai 2023<br />
8.30 – 9.30 Uhr:<br />
Wirtschafts- und Sozialkunde<br />
10.00 – 11.45 Uhr:<br />
Teil 1 (Behandlungsassistenz,<br />
Abrechnungswesen; schwerpunktmäßig<br />
Lernfelder 1 – 8)<br />
Freitag, 05. Mai 2023<br />
8.30 – 10.45 Uhr:<br />
Teil 2 (Behandlungsassistenz,<br />
Abrechnungswesen, Praxisorganisation<br />
und –verwaltung; schwerpunktmäßig<br />
Lernfelder 9 – 13)<br />
11.15 – 11.45 Uhr:<br />
Röntgenklausur (Erwerb Kenntnisse<br />
Strahlenschutz)<br />
Montag, 8. Mai 2023<br />
8.30 – 9.30 Uhr:<br />
Gemeinschaftskunde<br />
10.00 – 12.00 Uhr:<br />
Deutsch<br />
Die Termine der mündlichen Abschlussprüfung<br />
werden von den einzelnen<br />
Bezirkszahnärztekammern durch<br />
Kammerrundschreiben mitgeteilt.<br />
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© Fathema Murtaza<br />
Träger des Friedensnobelpreises
ZBW_4/2023<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
59_ZU GUTER LETZT<br />
Karikatur: Markus Grolik<br />
IMPRESSUM<br />
IMPRESSUM<br />
_Herausgeber:<br />
Dr. Torsten Tomppert, Präsident der<br />
Landeszahnärztekammer Baden-<br />
Württemberg (LZK BW),<br />
Albstadtweg 9, 70567 Stuttgart,<br />
und Vorsitzender des Vorstands der<br />
Kassenzahnärztlichen Vereinigung<br />
Baden-Württemberg (KZV BW),<br />
Albstadtweg 9, 70567 Stuttgart,<br />
<strong>für</strong> das Informationszentrum<br />
Zahn- und Mundgesundheit Baden-<br />
Württemberg<br />
Eine Einrichtung der KZV BW und<br />
LZK BW<br />
_Redaktion:<br />
Cornelia Schwarz (cos) (ChR, verantw.)<br />
E-Mail: cornelia.schwarz@izzbw.de<br />
Telefon: 0711/222 966-10<br />
Gabriele Billischek (bi),<br />
E-Mail: gabriele.billischek@izzbw.de<br />
Telefon: 0711/222 966-14<br />
Andrea Mader (am),<br />
Landeszahnärztekammer Baden-<br />
Württemberg<br />
Telefon: 0711/228 45-29<br />
E-Mail: mader@lzk-bw.de<br />
Dr. Holger Simon-Denoix (hsd),<br />
Kassenzahnärztliche Vereinigung<br />
Baden-Württemberg<br />
Telefon: 0711/78 77-229<br />
E-Mail: holger.simon-denoix@kzvbw.de<br />
_Anschrift der Redaktion:<br />
Informationszentrum Zahn- und<br />
Mundgesundheit Baden-Württemberg<br />
Heßbrühlstr. 7, 70565 Stuttgart<br />
Telefon: 0711/222 966-14<br />
Telefax: 0711/222 966-21<br />
E-Mail: info@zahnaerzteblatt.de<br />
_Redaktionsassistenz:<br />
Gabriele Billischek<br />
_Layout:<br />
Armin Fischer, Gabriele Billischek<br />
_Autoren*innen dieser Ausgabe:<br />
Jenny Dusche, Dr. Nicole Hoffmeister-<br />
Kraut, Andrea Mader, Alexander<br />
Messmer, Guido Reiter, Claudia Richter,<br />
Dr. Reinhard Schugg, Cornelia Schwarz,<br />
Prof. Dr. Falk Schwendicke, Kerstin Sigle,<br />
Dr. Holger Simon-Denoix, Dr. Markus<br />
Steybe<br />
_Titelseite:<br />
Foto: Jan Potente<br />
_Rubrik Titelthema:<br />
Abbildungen: Adobe Stock: Maksim,<br />
PureSolution; Armin Fischer<br />
_Verantwortlich <strong>für</strong> Amtliche Mitteilungen<br />
der Kassenzahnärztlichen Vereinigung<br />
Baden-Württemberg (KZV BW):<br />
Dr. Torsten Tomppert, Vorsitzender des<br />
Vorstands der Kassenzahnärztlichen<br />
Vereinigung Baden-Württemberg<br />
(KZV BW), KdöR<br />
_Verantwortlich <strong>für</strong> Amtliche<br />
Mitteilungen der Landeszahnärztekammer<br />
Baden-Württemberg<br />
(LZK BW):<br />
Dr. Torsten Tomppert, Präsident<br />
der Landeszahnärztekammer Baden-<br />
Württemberg (LZK BW), KdöR<br />
_Hinweise:<br />
Die Redaktion behält sich vor,<br />
Leserbriefe gekürzt zu veröffentlichen.<br />
Ein Anspruch auf Veröffentlichung<br />
besteht nicht. Bei Einsendungen an<br />
die Redaktion wird der vollen oder<br />
auszugsweisen Veröffentlichung<br />
zugestimmt.Unaufgefordert<br />
eingegangene Fortbildungsmanuskripte<br />
können nicht veröffentlicht<br />
werden, da die Redaktion nur mit<br />
wissenschaftlichen Autoren vereinbarte<br />
Fort bildungsbeiträge veröffentlicht.<br />
Alle Rechte an dem Druckerzeugnis,<br />
insbesondere Titel-, Namens- und<br />
Nutzungsrechte etc., stehen<br />
ausschließlich den Herausgebern zu.<br />
Mit Annahme des Manuskripts zur<br />
Publikation erwerben die Herausgeber<br />
das aus schließliche Nutzungsrecht,<br />
das die Erstellung von Fort- und<br />
Sonderdrucken, auch <strong>für</strong> Auftraggeber<br />
aus der Industrie, das Einstellen des<br />
ZBW ins Internet, die Übersetzung in<br />
andere Sprachen, die Erteilung von<br />
Abdruckgenehmigungen <strong>für</strong> Teile,<br />
Abbildungen oder die gesamte Arbeit<br />
an andere Verlage sowie Nachdrucke<br />
in Medien der Herausgeber, die<br />
fotomechanische sowie elektronische<br />
Vervielfältigung und die Wiederverwendung<br />
von Abbildungen umfasst.<br />
Dabei ist die Quelle anzugeben.<br />
Änderungen und Hinzufügungen<br />
zu Originalpublikationen bedürfen<br />
der Zustimmung des Autors und der<br />
Herausgeber.<br />
Bei Änderungen der Lieferanschrift<br />
(Umzug, Privatadresse) wenden Sie sich<br />
bitte an die Mitgliederverwaltung Ihrer<br />
zuständigen Bezirkszahnärztekammer<br />
_Bezugspreis:<br />
Jahresabonnement inkl. MwSt. € 60,-<br />
Einzelverkaufspreis inkl. MwSt. € 7,50<br />
Bestellungen werden von der W.<br />
Kohlhammer Druckerei GmbH +<br />
Co. KG entgegengenommen. Die<br />
Kündigungsfrist <strong>für</strong> Abonnements<br />
beträgt 6 Wochen zum Ende des<br />
Bezugszeitraumes. Für die Mitglieder<br />
der Landeszahnärztekammer Baden-<br />
Württemberg ist der Bezugspreis mit<br />
dem Mitgliedsbeitrag abgegolten.<br />
_Druck:<br />
W. Kohlhammer Druckerei GmbH + Co. KG<br />
Augsburger Straße 722, 70329 Stuttgart<br />
Stefan Leicht, Tel. 0711 3272-232<br />
E-Mail: stefan.leicht@kohlhammerdruck.de<br />
www.kohlhammerdruck.de<br />
ISSN: 0340-3017
Garden<br />
Futures<br />
D e s i gn in g<br />
with Nature<br />
25.03.2023 –<br />
03.10.2023<br />
#VDMGardenFutures<br />
#vitradesignmuseum<br />
www.design-museum.de